Oekonomie

Freitag, 6. Februar 2009

27-Jahres-Tief

"carmaggeddon"

Wer ein Verhältnis zu Zahlen hat und der Wahrheit ins Auge sehen will: Die Wirtschaftskrise ist bereits bei weitem das schlimmste, was man gesehen hat. Hier die Autoverkaufszahlen in den USA im Januar im Jahresvergleich (bei CNN wurde das "carmaggeddon" genannt):

GM: 129 000 (-49%!!!)

Ford: 90 600 (-39%)

Chrysler: 62 000 (-57%!!!)

BMW: 14 300 (-16%)

Daimler-Benz: 12 200 (- 43%)

VW: 12 700 (- 12%)

Audi: 4 700 (- 26%)

Porsche : 1 746 (- 36%)

Toyota: 117 300 (-34%)

Insgesamt wurde in den USA ein 27-Jahres-Tief erreicht.


Veröffentlicht am 4. Februar 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 2. Februar 2009

Lula kritisiert entwickelte Länder

„...den „Gott Markt“ angebetet“

Von Karl Weiss

In einer mit Ironie gespickten Rede hat der brasilianische Präsident Lula auf dem Welt-Sozialforum in Belem in Brasilien die entwickelten Industriestaaten kritisiert. Er sagte, diese Länder hätten den „Gott Markt“ angebetet, der alles lösen würde, aber nun habe dies die Krise ausgelöst.

Morales und Lula in Santiago

Gleichzeitig mit dem Welt-Finanz-Forum in Davos, wo sich (fast) alle Verantwortlichen für die Krise versammelten, fand in Belem in Brasilien an der Amazonasmündung das Welt-Sozialforum statt, das zum Motto zu haben scheint: „Wir haben es doch die ganze Zeit gesagt!“

Auf der Veranstaltung „Lateinamerika und die Herausforderung der Krise“ sprachen vor etwa 8000 Menschen neben Lula auch die linken südamerikanischen Präsidenten Evo Morales aus Bolivien, Hugo Chaves aus Venezuela, Rafael Correa aus Ekuador und Fernando Lugo aus Paraguay.

Lula sagte: „Ich hoffe, der Internationale Währungsfond IWF [der den Entwicklungsländern immer vorschreibt, was sie zu tun haben] wird nun Obama sagen, wie die Vereinigten Staaten repariert werden können, wird Deutschland sagen, wird Sarkozy sagen, wird allen diesen Ländern sagen, wie man in Ordnung bringt, was sie hervorgebracht haben.“

Chávez und Lula

Weiterhin sagte er: „Die jetzige Krise eröffnet die Möglichkeit, es jenen heimzuzahlen, die immer dachten, sie wüssten mehr als wir, wie man mit hoher Arbeitslosigkeit umgeht, denn was die bisher hervorgebracht haben, waren große Geldsummen für Banker.“

„Die Krise ist eine Folge der Politik dieser Länder in den vergangenen 20, 30 Jahren. Diese Krise wurde nicht in Brasilien geboren und nicht durch die Politik von Hugo Chávez, sie entstand aus der Logik dieser Länder in dieser Periode, dass der Staat zu gar nichts nutze sei und der „Markt“ die Länder entwickeln und soziale Gerechtigkeit bringen würde. Dieser „Gott Markt“ ist nun zusammengebrochen, weil es keine Kontrolle gab, aber stattdessen Spekulation.

Und nun? Welchen „Gott“ bitten sie jetzt um Hilfe? Den Staat, der doch zu gar nichts nutze war! Doch nun gibt er Milliarden von Dollar und Euro, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.“

Lula kündigte auch ein Programm zum Bau von einer Million „Volkshäuser“ an, kleine Häuser, die armen Familien gegen eine symbolische Miete zur Verfügung gestellt werden. Er hob auch hervor, dass die halbstaatliche brasilianische Petrobras mit Milliardenbeträgen dabei sei, mehrere neue große Ölquellen im Atlantik vor der brasilianischen Küste zu erschließen, was eine große Zahl von Arbeitsplätzen schaffen würde. Er behauptete: „ ... das brasilianische Volk wird nicht für diese Krise zahlen.“ Ob er damit den Mund zu voll genommen hat, muss sich noch herausstellen.


Veröffentlicht am 2. Februar 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 27. Januar 2009

Wirtschaftskrise - Geht es bald wieder aufwärts?

Arschkriecher-Journalismus

Von Karl Weiss

Ein Kommentar der „Süddeutschen“ vom 21.1.09 ist optimistisch: Ab dem 2. Quartal 09, also ab April, gehe es schon wieder aufwärts mit der deutschen Wirtschaft. Was? Welche Erleichterung! Wir hatten schon gedacht, wir stünden noch am Anfang der Krise, dabei stehen wir schon fast am Ende! Fragt sich nur: Auf welchen konkreten Zahlen beruht diese Vorausschau?

Ja, und da sind wir am Knackpunkt. Es gibt gar keine solche konkreten Zahlen, der Kommentar versucht nicht einmal, solche zu erfinden. Vielmehr deuten alle wirklichen Zahlen auf einen sich eher noch beschleunigenden Abschwung hin, weil sich die weltweiten Effekte addieren. Der Kommentator gibt einfach wieder, was im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung steht. Und dort steht: Ab April geht es bereits wieder aufwärts.

Das übertrifft nun allerdings alles, was man bisher schon an Arschkriecher-Journalismus gelesen hat. Einfach die Wunschträume der Bundesregierung kommentarlos als bare Münze ausgeben, dazu gehört schon viel Mut. Hier sei zitiert, was der Kommentator schreibt:

„Das Ende der Rezession ist absehbar.“ „Nach einem neuerlich Einbruch der Wirtschaftsleistung im laufenden ersten Quartal dieses Jahres wird das BIP in den drei Folgequartalen wieder kontinuierlich wachsen ...“ „ ... bedeutet das, dass Deutschland - anders als in mancher Überschrift suggeriert - nicht am Beginn, sondern am Ende der Rezession steht.“ „Kein Grund zur Resignation“

Das ist Hofberichterstattung vom Feinsten. Nicht einmal in einem Nebensatz wird auch nur angedeutet, man müsse doch fragen, woher die Bundesregierung diese ihre Sicherheit nimmt? Gibt es etwa einen der wichtigen Wirtschafts-Indikatoren, der auch nur eine leichte Verminderung der Steilheit des Absturzes anzeigt? Nein, es gibt ihn nicht. Wenn es ihn nämlich gäbe, würde man auf ihm herumreiten bis zum geht-nicht-mehr.

Tatsächlich gibt es eine Umfrage, die bei den Befragten keine weitere Verschlechterung der Stimmung feststellt, aber das hängt natürlich davon ab, wie schlecht die schon vorher war und außerdem sind Stimmungen noch lange nicht Realitäten. Der Mensch pflegt sich gerne an Strohhalme zu klammern, nur ist eben in der jetzigen Situation noch nicht EIN realer Strohhalm aufgetaucht, der sich auf Wirtschaftsdaten bezieht. Alle wirklichen Wirtschaftsdaten sind unverändert in freiem Fall: Industrieproduktion, Beschäftigungsindex, Konsum, Einzelhandelsumsatz, Auftragseingang Industrie, Exporte usw. Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, was wiederum auf Deutschland zurückwirkt usw.

Das kürzlich bekanntgegebene „Konjunkturpaket“ ist nach Einschätzung aller glaubwürdigen Experten (darunter auch der IWF) fast wirkungslos und zudem viel zu klein. Darauf kann irgendeine Art von Erholung also nicht basiert werden.

Der frühere Vize-Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, Joachim Jahnke, schreibt dazu in seinem ‚Informations-Portal Globalisierung‘ (http://www.jjahnke.net/index.html ): „Die neoliberale Globalisierung schlägt zurück: Der Exportweltmeister verliert seine Hosen und vieles mehr. (...) Es ist längst ärgerlich. Dieselben Kräfte, die in Deutschland den Niedriglohnsektor aufgebaut und die Masseneinkommen real zurückgeführt haben, setzen in ihren Prognosen immer wieder und immer wieder falsch auf ein Anspringen der Nachfrage eben dieser am Einkommen strangulierten Verbraucher. So jetzt wieder der Bundeswirtschaftsminister im Jahreswirtschaftsbericht.“

Also lassen wir den Minister, die Kanzlerin und die ganze Bundesregierung sowie die „Süddeutsche“ weiter träumen und an Wunder glauben.


Veröffentlicht am 26. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 26. Januar 2009

Dossier Auswirkungen Wirtschaftskrise I

Wer wird am meisten leiden? - Was ist anders in Brasilien?

Von Karl Weiss

Es soll untersucht werden, wer in dieser Krise noch relativ gut wegkommt, wer am schlimmsten dran sein wird und wie die Menschen auf die Krise reagieren werden. Während die Industrieländer weltweit in einem steilen Wirtschafts-Abschwung sind, dessen Ende noch nicht abzusehen ist und die Entwicklungsländer praktisch ohne Ausnahme in eine schwere Wirtschafts-Krise eingetreten sind, gilt für Brasilien immer noch die Vorhersage eines mäßigen Wachstums der Wirtschaft für 2009. Warum? Was ist in Brasilien anders?

Zunächst: Es gibt fünf Typen von Ländern, wenn es um die Empfindlichkeit gegenüber den Weltmarktkrise geht:

1. Länder wie die USA, das ist nur die USA selbst

2. Länder vom Typ Japan, das trifft auch auf Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien, evtl. auch auf Russland zu.

3. Länder vom Typ China, das könnte auch für Indien zutreffen

4. Länder vom Typ Brasilien, das könnte evtl. auch für Russland und evtl. Indien zutreffen

5. Länder vom Typ Nigeria oder Indonesien, das trifft auf praktisch alle Entwicklungsländer zu.

Die Auswahl der genannten Länder ist natürlich nicht zufällig. Die Reihenfolge der Länder nach Größe des „Gross Domestic Product“ (GDP) , auf deutsch Brutto-Inlandsprodukt (BIP), war für 2007 (die 2008-Zahlen liegen noch nicht vor) nach PPP-Methode die folgende:

1. USA

2. China

3. Japan

4. Indien

5. Deutschland

6. Vereinigtes Königreich

7. Frankreich

8. Italien

9. Brasilien

10. Russland

Nigeria ist nicht unter den ersten 15, ist aber von der Bevölkerungszahl her zusammen mit Indonesien das wichtigste Entwicklungsland.

Die Reihenfolge nach Bevölkerung ist:

1. China

2. Indien

3. USA

4. Russland

5. Brasilien

6. Indonesien

7. Nigeria

Wir reden hier also über die ganz großen Länder („groß“ im Sinne von wirtschaftsstark und/oder bevölkerungsstark), stellvertretend für alle anderen.
  • Zu 1. Die USA

    Capitol, Washington (DC)

    Die USA nimmt in jeder Beziehung einen Ausnahmestellung ein. Sie hat den bei weitem größten Binnenmarkt und die bei weitem größte Wirtschaftskraft (etwa so stark wie die ganze EU der 25), sie hat die internationale Leitwährung des Dollar, sie kann – jedenfalls bisher noch – soviel Dollarnoten drucken und Dollar-Bonds ausgeben, wie sie will, sie werden immer gekauft werden – jedenfalls bis auf weiteres. Andererseits ist der US-Binnenmarkt aber gesättigt, will sagen, man kann ihn nicht leicht stützen, wenn er in einer Wirtschaftskrise einbricht (Beispiel: Eine US-Familie, die schon zwei Autos hat, die noch gut funktionieren, kann unter den Bedingungen, dass ein oder zwei Familienmitglieder von Arbeitslosigkeit bedroht sind und man Probleme hat, das Haus noch abzuzahlen, nicht so ohne weiteres mit leichten Anreizen dazu gebracht werden, die Autos gegen Neuwagen zu tauschen oder sogar noch ein Auto zu kaufen, ebenso würde eine Steuersenkung sie nicht automatisch zu höheren Ausgaben bringen). Dazu kommt: Die USA haben das größte Aussenhandelsdefizit von allen Ländern, hatten bereits vor der Krise die höchste Staatsverschuldung von allen Ländern, haben das höchste Haushaltsdefizit von allen Ländern, hängen am meisten vom Import von Gütern aus anderen Ländern ab, haben eine der höchsten Kreditaufnahmen von Privatpersonen auf der Welt (in absoluten Werten zusammen genommen bei weitem die größte) und haben eine relativ verschwindend kleine Sparquote (im Vergleich zu anderen Industrieländern). Das alles macht die USA trotz ihrer herausragenden Stellung zu einem „Koloss auf tönernen Füßen“.

    USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

    Denn gerade die herausragende Stellung führt ja dazu, dass bis zum Dollar-Crash die Dollars und Dollar-Bonds gekauft werden und dann im Moment des Zusammenbruchs des Dollars eine Menge Staaten und Unternehmen und Einzelpersonen mit ihren wertlosen Dollars dastehen und fast alles verloren haben. Dann wird, ausgelöst durch den Zusammenbruch des Dollars, die zweite Phase der Krise eingeläutet werden, die vermutlich noch weit tiefgreifendere Auswirkungen haben wird als die erste Phase, die wir jetzt langsam zu spüren bekommen.
Dollar Gasp
  • Zu 2. Länder wie Japan

    Dies umfasst die großen Industrieländer außer den USA. Von diesen haben (hatten) nur Japan und Deutschland ins Gewicht fallende Aussenhandelsüberschüsse. Dies wird nun, in der Krise, zu einer erhöhten Sensibilität gegenüber der Krise des Weltmarktes und damit zu zusätzlichen Einbrüchen in der Wirtschaft dieser beiden Länder führen. Nur ein Beispiel: Wenn sich die jetzige Verringerung der deutschen Exporte auch nur ohne weitere Beschleunigung fortsetzt, wird das deutsche BIP 2009 schon allein deshalb um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr fallen.

    Deutschland - München

    Alle diese Länder haben relativ starke Währungen (den Euro, das Pfund und den Yen) und sie haben (mit Ausnahme des UK) eine hohe Sparquote der Bevölkerung (im Gegensatz zur USA), was automatisch zu einem „Verbraten“ von Erspartem in der Krise führt und die Auswirkungen der Krise vermindert.

    Unter diesen Ländern ist vor allem das Vereinigte Königreich (UK) auch von einer starken Immobilienkrise betroffen und hat ähnlich wie die USA eine geringe Sparquote, was nicht auf Deutschland zutrifft und besondere Schwierigkeiten für das UK bedeuten wird, sich aus der Krise herauszuarbeiten. Auch diese Länder haben wie die USA einen gesättigten Binnenmarkt, also schlechte Bedingungen für seine leichte Belebung. Alle sind nur begrenzt von Importen abhängig, haben keine hohen Aussenhandelsdefizite, (noch) keine hohen Haushaltsdefizite und keine aus dem Steuer gelaufene Staatsverschuldung, werden also Konjunkturmassnahmen in erheblichen Umfang anwenden können, wenn sie wollen (was offenbar für die Bundesregierung nicht zutrifft, sehr wohl aber auf Japan).

    Northern Rock Pleite

    Sie werden also voraussichtlich keinen Zusammenbruch der Währung und keinen Staatsbankrott erleben wie die USA, werden aber Jahre brauchen, um sich aus der Krise herauszuarbeiten. Speziell Japan, das UK und Deutschland haben ihren Staatsschatz im wesentlichen in Dollar angelegt und werden deshalb besonders unter dem Dollar-Crash zu leiden haben. Natürlich könnten die Regierungen dieser Länder sich rechtzeitig von den Dollars trennen, aber deren Nibelungentreue zu den USA ist Legende und sie werden das wohl nicht tun. Man kann also vorhersagen, gerade Frankreich und Italien werden am wenigsten schwere Auswirkungen der Krise erleben, speziell, wenn sie nicht den Fehler machen, den „sicheren Hafen“ Dollar anzusteuern.
  • Zu 3: China, evtl auch Indien (zu Indien liegen nicht genügend statistische Zahlen vor, um das einschätzen zu können)

    Wirtschaftsmacht China 1

    China wird neben den USA einer der Hauptgeschädigten dieser Krise sein. Die Politik der Neu-Kapitalistischen Führer, die auf Aufkaufen von Dollars und Dollar-Bonds beruhte, um eine günstige Parität der chinesischen Währung sicherzustellen und fast die ganze Wirtschaft auf Exporten hauptsächlich in die USA und andere Industrieländer auszurichten, wird sich nun als gigantische Fehlspekulation erweisen. Die Exporte in die USA beginnen bereits steil abzustürzen und in einem bestimmten Moment wird man aufhören müssen, alle ausgegebenen Dollar-Bonds zu kaufen. Das wird der Auslöser des Dollar-Crashes sein. Damit wird Chinas Staatsschatz innerhalb kurzer Zeit zu fast nichts werden und das kann auch zum Zusammenbruch der chinesischen Währung führen. Es ist kaum vorstellbar, dass das tiefe Loch, in das man dann fallen wird, nicht zu riesigen Aufständen und letztlich erneut zur sozialistischen Revolution in China führen wird, denn das chinesische Volk hat ja die Zeit des Sozialismus nicht vergessen. Der gewaltige Binnenmarkt Chinas ist zwar nicht gesättigt, aber man kann schon vorhersehen, die reaktionären Führer haben nichts mit Mindesteinkommen, Hilfe für die Armen und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder mit staatlichen Investitionen in riesigem Umfang am Hut und so wird eben auch der Binnenmarkt zusammenbrechen im gleichem Masse, wie die Arbeitsplätze für den Export verschwinden werden. Der Dollar-Crash - wann auch immer er genau stattfinden wird – wird eine zweite, neue Welle von Arbeitslosgleit und Elend über das chinesische Volk bringen, das sich spätestens dann sicherlich der Erfahrungen aus der Kulturrevolution erinnern wird.
Wirtschaftsmacht China
  • Zu 4: Länder vom Typ Brasilien (ob auch Russland und eventuell auch Indien mit zu dieser Kategorie gehören wird, kann nicht beurteilt werden, es liegen fast keine Daten vor)

    Brasilien (topographisch)

    Mit Brasilien hat man ein Land vor sich, das nicht mehr die drei wesentlichen wirtschaftlichen Übel aller Entwicklungsländer in ausgeprägter Form hat, nämlich erstens die fehlende nationale Industrie, zweitens die fehlende Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln und drittens die Abhängigkeit der Wirtschaft von Rohstoff-Exporten. Deshalb wird dieses Land zu den „emerging countries“ gezählt. Zwar gibt es immer noch große Rohstoff-Exporte aus Brasilien, vor allem Eisenerz, Sojaschrot und Sojabohnen, Gold, Edelsteine, Fleisch sowie Kaffeebohnen und Kakao-(Schokolade-) Masse, aber in zunehmenden Ausmaß hat es Brasilien schon geschafft, auch Halbfertigprodukte oder Fertigprodukte zu exportieren, darunter Autos (vor allem von Fiat), Autoteile, Stahlhalbzeug, Stahlbrammen, Sojaöl, Schmuckstücke, Kunsthandwerk, verarbeitetes Fleisch, Orangensaft und Papierprodukte. Zwar ist die wesentliche Industrie in ausländischen Händen, aber auch die nationale Industrie spielt eine bedeutende Rolle, so u.a. die Minengesellschaft Vale, der zweitgrößte internationale Minenkonzern und die größte Gesellschaft Lateinamerikas, die halbstaatliche Petrobras, die bereits die Selbstversorgung Brasiliens mit Erdöl sicherstellt, das zweitgrößte lateinamerikanische Unternehmen ist und weitere große neue Ölvorkommen vor der brasilianischen Küste gefunden hat und die CSN und Usiminas, große Stahlhersteller in brasilianischer Hand.

    Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

    Auch die Nahrungsmittelversorgung Brasiliens ist nicht generell von Importen ahängig. Zwar werden bestimmte Produkte eingeführt, wie zum Beispiel Weizen, aber dafür werden weit grössere Mengen an Nahrungsmitteln ausgeführt – so ist Brasilien z.B. der größte weltweite Exporteur von Fleisch und Soja-Produkten.

    Brasilien hat eine extrem geringe Quote von Kauf auf Kredit (weil die Kreditzinsen irrwitzig hoch sind), weit geringer als die anderen hier verglichenen Länder und ist damit nicht von einer Welle platzender Kredite bedroht, die eine der wesentlichen Gründe für die Einbrüche im Konsum in den USA wie auch in Grossbritannien ist. Der Binnenmarkt Brasiliens ist nicht gesättigt. Bereits kleine Anreize können zu großen Ergebnissen führen, denn ein wesentlicher Teil der Bevölkerung lebt in Armut. Jegliches Geld, das bereitgestellt wird, geht sofort in den Kreislauf.

    Chávez und Lula

    Die Regierung Lula hat mit einer gezielten Injektion von viel Geld zu den armen Bevölkerungsschichten, vor allem das Programm „Bolsa Familia“ (Familien-Stipendium) und das massive Erhöhen des Mindestlohns Jahr für Jahr sowie der Erhöhung der Einkommen der Staatsbediensteten in den letzten Jahren den brasilianischen Binnenmarkt gestützt und Brasilien somit weniger abhängig von der Weltwirtschaft gemacht.

    Allerdings hat Brasilien eine schwache Währung. Bereits in den ersten Tagen der Finanzkrise stieg der Wert des Dollars von 1,57 auf 2,35 brasilianische Reais. Das entscheidende aber ist, etwa 65 - 70% des BIP Brasiliens ist interner Konsum. Das bedeutet, Brasilien ist eines der Länder mit der geringsten Aussenabhängigkeit auf der Welt. Auch wenn, wie zu erwarten, die Exporte zurückgehen und die Importe durch die spekulativ begründete Dollar-Hausse teurer werden, kann wahrscheinlich das Eintreten in die Wirtschaftskrise verhindert werden – jedenfalls bis zum Dollar-Crash. Was danach ist, lässt sich praktisch nicht vorhersagen.
  • Zu 5. Entwicklungsländer (Beispiele: Nigeria, Indonesien) Die Bevölkerung in den Entwicklungsländern wird wohl am schlimmsten unter den Krisenauswirkungen leiden müssen. Sie sind durch die drei oben schon genannten Übel gekennzeichnet (fehlende nationale Industrie, Abhängigkeit von Lebensmitteleinfuhren und Rohstoff-Ausfuhren). Das vierte und wesentliche Übel in allen diesen Ländern ist aber die jeweilige herrschende Klasse, die dort überall in Saus und Braus lebt und meistens eng mit bestimmten Imperialisten verbunden ist. Viele von ihnen sind noch Grossgrundbesitzer wie in den entwickelten Ländern zu Zeiten des Feudalismus und/oder profitieren von den Rohstoff-Ausfuhren.

    Die Rohstoffpreise haben bereits begonnen, ins Nichts zu fallen und das wird diese Länder besonders treffen. In vielen Fällen werden die Lebensmittelimporte nicht mehr ausreichen und Hunger und Not werden sich noch weiter verbreiten als jetzt schon. Die lokalen Herrschenden werden ihre Mindereinnahmen durch verstärkte Ausbeutung der eigenen Bevölkerung versuchen zu kompensieren.

    Dadurch wird aber Widerspruch zwischen den Herschenden und dem Volk noch weiter auf die Spitze getrieben und es besteht die Chance, dass sich revolutionäre Unrast ausbreitet, wie dies bereits in Lateinamerika der Fall ist.
Bleibt die Frage, wie lange es bis zum Dollar-Crash dauert. Das kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden, denn das hängt von Spekulanten ab. Eventuell kann es Jahre dauern, weil die Gläubiger-Staaten und die Spekulanten ein Interesse an der Stärke des Dollars haben. Trotzdem: Alles hat ein objektves Limit.

Voraussichtlich wird sich die erste Phase der Krise, vor dem Dollar-Crash, also Jahre hinziehen. Diese Phase wird wahrscheinlich von einer Deflation geprägt sein, wie sie sich jetzt bereits andeutet: Im Dezember war der Preisindex in den USA bereits geringfügig rückläufig. Solange aber die Deflationsphase andauert, gibt es auch keinen Ausgang aus der Krise. Wenn man aber durch Gelddrucken (Ausgabe von Staatstiteln) die Inflation anheizt, wird man in den Strudel des Dollar-Crash gezogen: Wie es bereits Marx vorausgesagt hat: Der Kapitalismus hat keinen Ausweg, er ist zum Untergang verurteilt.

Karl Marx

Allerdings hat der subjektive Faktor, das Klassenbewusstsein der Arbeiter und kleinen Angestellten, nicht mit der objektiven Entwicklung Schritt gehalten. Noch hoffen die meisten auf einen Ausweg innerhalb des Kapitalismus oder einen „Dritten Weg“, aber den gibt es nicht.

Dass die ersten Versuche, einen Sozialismus zu schaffen, am Ende gescheitert sind, bremst die Entwicklung des Bewusstseins der Notwendigkeit der sozialistischen Revolution. Allerdings lehrt die Geschichte, dass alle großen neuen Errungenschaften am Anfang Rückschläge erlebten.

Jetzt, am Anfang der Krise, ist sogar die Ängstlichkeit angesichts der Bedrohungen überwiegend. Wenn aber die ersten Kämpfe gegen das Abwälzen der Krisenlasten auf den „kleinen Mann“ erfolgreich waren, werden viele aufwachen und sehen, es geht nicht ohne Kampf.

Spätestens mit dem Dollar-Crash wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Sprung im Klassenbewusstsein weltweit einsetzen und die Massen werden aktiv nach einer Alternative suchen. Dann ist der Moment einer revolutionären Situation weltweit nicht mehr weit.


Veröffentlicht am 26. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 8. Januar 2009

Wirtschafts- und Finanzkrise - Wer war zuerst da, das Huhn oder das Ei?

Die Grosse Depression?

Von Karl Weiss

In der Flut von nichtssagenden und hilflosen Artikeln zur aktuellen Wirtschaftskrise gehen manchmal einige Fakten einfach unter. Das betrifft zum Beispiel die Aussage des US-amerikanischen „National Bureau of Economic Research“ (NBER), einer Regierungs-Agentur, dass die US-Wirtschaft bereits seit Dezember 2007 in der „Rezession“ (gemeint ist: Wirtschaftskrise) ist.

Die offizielle Definition der Wirtschaftskrise, von den bürgerlichen Ökonomen meist verniedlichend Rezession genannt, ist die: Sie tritt ein, wenn das Brutto-Inlandsprodukt in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen sinkt. Das war in den USA, der die Weltwirtschaft dominierenden Ökonomie (nachdem die Zahlen des zweiten und dritten Quartals korrigiert werden mussten), erst mit der Bekanntgabe der berichtigten Zahlen des zweiten und dritten Quartals 08 der Fall, was im November geschah.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Dadurch schien die Wirtschaftskrise, die ja scheinbar erst im November konstatiert werden konnte, eindeutig von der Finanzkrise ausgelöst worden zu sein, die ja zum sichtbaren Ausbruch am 15. September mit der Pleite der Lehmann Brothers Bank kam.

Allerdings ist die 2-Quartal-Regel ja nicht eine Hilfe, um den Zeitpunkt des Beginns der Wirtschaftskrise festzustellen, sie wurde vielmehr eingeführt, um nicht zu früh wegen stärkerer Schwankungen „Krise“ zu schreien, was dann tatsächlich zu einem Abschwung führen kann (wenn es auch nicht ursächlich für eine Krise sein kann). Die Regel konstatiert die Krise, sagt aber nichts über den Zeitpunkt des Beginns. Ist die Krise einmal festgestellt, definiert man den Zeitpunkt des Beginns, in dem man die verschiedenen Statistik-Zahlen genau überprüft und feststellt, ab welchem Zeitpunkt es abwärts ging, d.h. wann die Trendumkehr in den Zahlen einsetzte.

Der Rettungs-Plan

Dies hat nun das NBER getan und festgestellt: Der Beginn der Krise, der Zeitpunkt, ab dem alle wesentlichen Daten in den USA auf Abwärtstrend gingen, war im Dezember 2007! Damit aber kann man definitiv ausschließen, dass die Wirtschaftskrise von der Finanzkrise ausgelöst wurde. Eher wäre das umgekehrte denkbar: Die Finanzkrise, die natürlich längst herangereift war, denn niemand konnte ja wohl ernsthaft annehmen, dass mit dem Erfinden von „Derivaten“ wirkliche, wahre Werte geschaffen werden konnten, sie war es, die angesichts der Wirtschaft auf Talfahrt nicht mehr weiter hinausgeschoben werden konnte.

Erinnern wir uns: Bereits im Jahr 2006 stellte einer der Analysten fest: Der Immobilienmarkt der USA befindet sich im freien Fall! Und alle in den Finanzinstituten wussten das. Der Grossteil der „Derivate“ war haargenau auf jene Hypothekenkredite von Immobilien in den USA bezogen. Jede halbwegs vernünftige Person, der die Gier nicht den Verstand geraubt hat, würde nun aus solchen „Derivaten“ aussteigen, auch wenn man damit auf scheinbar leichte Gewinne in jenem Moment verzichtete. Nun, wir wissen heute: Fast alle Banken und andere Finanzinstitutionen wie Versicherungen verhielten sich in dieser Hinsicht nicht wie vernünftige Menschen.

Die andere Interpretation dieses scheinbar völlig wahnwitzigen Verhaltens ist, dass die „Finanzagenten“ sich in Wirklichkeit in vollem Umfang des Risikos bewusst waren, aber gleichzeitig wussten, wenn es zum Ausbruch kommt, kann man die Regierung zwingen, unter dem Vorwand „die Banken zu retten“ die Verluste aus Steuerzahlergeldern zu ersetzen, denn der Schwanz (die Regierung) wedelt natürlich nicht mit dem Hund (dem Kapital).

Auch als eine kleinere Bank aufgefangen werden musste, das war noch im August, hörte anscheinend niemand Warnglocken schrillen. Auch als Fannie Mae und Freddie Mac gerettet werden mussten, das war noch Anfang September: Niemand trennte sich von den zu diesem Zeitpunkt noch scheinbar profitablen Papieren. Erst als die Lehmann Brothers den Bach hinunterging, begann man plötzlich zu reagieren. Aber da kaufte einem schon niemand mehr jene „Derivate“ ab. Sie waren zu „Trash“-Papieren geworden. Da sie aber bei vielen Banken den wesentlichen Teil ihres angelegten Geldes ausmachten, mussten die Banken „Kasse machen“ und Aktien verkaufen. Damit schickten sie die Aktienkurse auf Talfahrt. So verlor der Dow Jones am folgenden Tag 7% seines Wertes, das entspricht weit höheren Werten als an jenem „Schwarzen Freitag“ im Jahr 1929 verloren gingen.

Börsenkurse in der Krise: Dow, Dax und Nikkei von August 2008 bis Oktober 2008

Damit war die Finanzkrise offen ausgebrochen und nun verstärkten sie sich gegenseitig, die Finanz- und die Wirtschaftskrise. Nur war es eben nicht so, dass die Finanzkrise die Wirtschaftskrise ausgelöst hatte.

Damit dauert die Krise in den USA aber nun bereits ein Jahr und das ist mehr als der Durchschnitt aller Krisen seit dem 2. Weltkrieg. Es gab zwar danach auch Krisen, aber die waren von kurzer Dauer.

Die Produktionstätigkeit in den USA ist nach den neuesten Zahlen auf den niedrigsten Stand seit 26 Jahren gefallen. Das sind schwerste Alarmzeichen und man muss davon ausgehen, es wird nicht nur die längste, sondern auch die tiefste Krise seit undenklichen Zeiten.

USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

Darüber hinaus sehen die Statistiker noch nicht die geringsten Anzeichen in einer Verringerung der Fallgeschwindigkeit in die Krise. Daraus schließen sie, dass die Talsohle bis einschließlich März noch nicht erreicht sein wird. Da die Zahlen aber im Moment extrem steil abfallende Nummern zeigen, würde bis April, Mai oder Juni ein bisher nicht vorstellbar niedriges Niveau erreicht werden.

Deutschland: Auftragseingang der Industrie 2006 bis 10.08

Solche statistischen Untersuchungen werden natürlich nicht an Umfragen festgemacht oder an den Aktienkursen, sondern an ganz handfesten Anzeichen, also der Industrieproduktion, der Bautätigkeit, den neuen Arbeitslos–Meldungen und dem Konsum.

Darüber hinaus wird festgestellt: Wenn die Krise so tief ausfällt, dann wird sie nach allen Erfahrungen nicht schnell wieder in eine Erholungsphase übergehen, sondern eine ausgedehnte Talsohle haben. All diese Anzeichen deuten also auf etwas hin, was eine verdammte Ähnlichkeit mit der „Großen Depression“ hat, die 1929 ausbrach und sich praktisch bis an den 2. Weltkrieg heran hinzog.


Veröffentlicht am 8. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 31. Dezember 2008

Warum war das 3.Quartal 2008 bereits Krise...

...wenn doch der Finanzcrash erst Mitte September geschah?

Von Karl Weiss

Angeblich, so erzählen uns Herr Unsinn, Frau Merkel und andere Schlauberger - so wie die Nachplapperer in den Redaktionen bürgerlicher Medien -, hat die globale Finanzkrise, die Mitte September mit der Pleite der Lehmann Brothers Bank begann, anschließend den Wirtschaftseinbruch ausgelöst, der jetzt auch von den bürgerlichen Ökonomen schon offen "Krise" genannt wird.

Deutschland: Auftragseingang der Industrie 2006 bis 10.08

Aber: Die Zahlen des zweiten und dritten Quartals 08 zeigen bereits in den USA, Großbritannien, Deutschland, Japan und anderen Ländern deutliche Einbrüche der Wirtschaftstätigkeit. Die wesentlichen Länder sind bereits seit dem dritten Quartal in der Krise - hatten also im Oktober schon zwei Quartale sinkender Wirtschaftsaktivität hinter sich. Mitte September ist aber am Ende des dritten Quartals. Die Finanzkrise kann also die Wirtschaftskrise nicht ausgelöst haben.

Nun haben dies auch bürgerliche Ökonomen und Kommentatoren bemerkt. Der Chef-Ökonom der Financial Times Deutschland (FTD), Thomas Fricke, schreibt am 18. Dezember 2008:

"Lehman ging am 15. September pleite, was tatsächlich eine systemische Krise im Finanzsektor auslöste. Allerdings waren zu dem Zeitpunkt alle wichtigen Konjunkturindikatoren schon seit Wochen schockartig auf Talfahrt. (...)

In den USA schnellte die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslosengeld in der letzten Juli-Woche plötzlich auf Rezessionsniveau - nicht Mitte September. Im August brach der Aufwärtstrend bei Aufträgen für US-Unternehmen ab, die Bestellungen fielen binnen einem Monat um vier Prozent. Die Industrieproduktion sank ebenso abrupt im Monat vor der Lehman-Pleite - nicht danach. Das Gleiche gilt für Amerikas Exporte, die vorher monatelang geboomt hatten.

Welt: Wirtschaftswachstum 3/08 gegen Vorquartal

Für den Rest der Welt lautet der Befund ähnlich. In der Euro-Zone begannen die Stimmungsindikatoren im Juni abzustürzen, mit Zuspitzung im Juli. Auch der Ifo-Geschäftsklimaindex beschleunigte seine Talfahrt abrupt schon kurz vor der Jahresmitte. In Japan brachen im August die Aufträge für Maschinen jäh um zwölf Prozent ein. Selbst in China gab es schon Wochen vor Lehman Anzeichen für einen ernsteren Konjunkturrückschlag. Die Frage drängt sich auf: Was, in aller Welt, ist in den Monaten Juni bis August 2008 passiert, dass in diesen Wochen fast zeitgleich rund um den Globus die Konjunkturindikatoren abstürzten? Was hat diesen Schock bewirkt?"

Da steckt allerdings schon ein Wurm in der Fragestellung. Es wird gar nicht mehr nach der Ursache von Wirtschaftskrisen gefragt, sondern nur nach dem Auslöser. Also zunächst einmal: Der Kapitalismus bringt gesetzmässig Wirtschaftskrisen hervor, weil die Kapitalisten einerseits versuchen müssen, die Löhne immer mehr zu verringern und andererseits die Produktion immer weiter ausweiten müssen, um den sinkenden Profitraten zu versuchen zu entgehen, was zur Überproduktion führt. Das ist die Ursache der Wirtschaftskrise.

Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 - 2008 mit Trendlinie
Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 bis 2008 mit Trendlinie

Nur hätte diese Krise eigentlich schon viel früher ausbrechen müssen. Der konkrete Ausbruch wurde aber künstlich hinausgezögert, indem man überall, in besonderem Masse aber in den USA, den Verbrauchern leichten Kredit (und oft zu leichten) zu märchenhaft guten Bedingungen (oft auch märchenhaft unrealistisch) offerierte, was auch weithin angenommen wurde. Eine Welle von Konsum auf Kredit wurde induziert, vor allem durch steil steigende Immobilienpreise ausgelöst, was sich aber nun als eine Blase herausgestellt hat, scheinbar erhöhte Werte ohne wirklichen Hintergrund. Besonders in den USA, aber auch in Großbritannien und Spanien begannen diese Immobilienblasen bereits ab 2006 zu platzen. In Wirklichkeit ist dieser Prozess nicht ein einmaliges schnelles Platzen, sondern eine jahrelange Talfahrt.

Wer diesen Prozess verfolgt hat, konnte bereits seit 2006 den Ausbruch dieser Krise kommen sehen. Im 2. und 3. Quartal dieses Jahres gab es reihenweise Anzeichen für das konkrete Übergang in die Krise, wie Fricke (Zitat oben) darlegt.

Trotzdem gab es keinen bürgerlichen Ökonomen, der das Offensichtliche erkannt und Warnungen abgegeben hätte. Das dürfen sie nämlich nicht, denn Krisen gibt es angeblich nicht im Kapitalismus und überhaupt ist Marx ein Spinner.

Deutschland: 2. Quartal 2008 gegen 2.Quartal 2007 BIP Lohn Konsum Vermögen

So kam es dazu, dass der 15. September alle Welt unvorbereitet traf und seitdem behauptet wird, es sei eine Finanzkrise mit "Auswirkungen auch in der Realwirtschaft". In Wirklichkeit ist die Finanzkrise vor allem ein Ausdruck des völlig irrwitzigen Kreditvergabe, die zwar die Krise hinauszögern konnte, aber sie gleichzeitig vertiefte. Sie ist nichts anderes als eine Zugabe. Die eigentliche Wirtschaftskrise dagegen hat gerade erst angefangen und ihr wirkliches Ausmaß ist noch gar nicht abzusehen. Wenn behauptet wird, Ende 2009 oder im Jahr 2010 ginge es schon wieder aufwärts, ist das nichts weiter als Pfeifen im dunklen Wald.

Wenn man Analysen der kapitalistischen Wirtschaft anstellen will, aber gleichzeitig Marx verneinen muss, kommt man eben immer bestenfalls zu Kaffeesatzleserei.

Was nun die andere Frage betrifft, nämlich die konkreten auslösenden Elemente der Krise in diesem Fall, so kann Fricke schon recht haben. Er macht vor allem den extrem hohen Ölpreis zu jenem Zeitpunkt verantwortlich für das Auslösen der Krise, zusammen mit dem Schock, den die Zentralbanken in jener Situation auslösten, als sie im Juli die Leitzinsen erhöhten, weil sie meinten, es sei vor allem die Inflation zu bekämpfen.

Das dürfte wahrscheinlich als die idiotischste Einschätzung des letzen Jahrhunderts in die Geschichte eingehen.

Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen

Wenn es je einen Total-Blackout der bürgerlichen Scheinwissenschaft der Ökonomie gegeben hat, so war es die völlige Hilflosigkeit, die Sinn und Konsorten in dieser Situation an den Tag gelegt haben. Und so kann man auch ihren weiteren Vorhersagen nicht glauben, de zum Beispiel für Deutschland lediglich ein halbes bis ein Prozent an Minus in der Wirtschaftstätigkeit für 2009 vorhersehen.

Nach allen vernünftigen Einschätzungen dessen, was da auf uns zukommt, wird das Jahre dauern und weit, weit tiefer als minus 0,5% absinken.

Und selbst die geringfügigen Maßnahmen zur Verringerung der Tiefe der Krise, die jetzt noch möglich wären und die in den USA, Japan, Großbritannien und Frankreich weitgehend benutzt werden, will die Bundesregierung nicht verwenden. Jetzt den Konsum zu stützen, hält sie für unnötig.

Alles, was überhaupt diskutiert wird, soll Unternehmen helfen, aber nichts ist für den Konsumenten vorgesehen. Das beruht auf der absurden Einschätzung der "Wirtschaftsexperten" der Regierung, der Kern der Krise bestände aus Unternehmen, die an den Rand der Pleite kommen und nicht aus fehlender Möglichkeit des Konsums durch Geldmangel bei den Konsumenten.

Alle 10 größten Volkswirtschaften der Erde haben inzwischen bereits Maßnahmen angekündigt oder schon durchgeführt, die unmittelbar im Konsum wirksam werden und über mehrere 100 Milliarden Euros gehen, mit der einzigen Ausnahme der Bundesrepublik. Das wird weitere zusätzliche Prozente an Wirtschaftseinbruch in Deutschland ergeben - über den mancher anderen großen Wirtschaftsnation hinaus.


Veröffentlicht am 31. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Montag, 29. Dezember 2008

Der kapitalistische Krisenzyklus - "Eiszeit", "Kollaps", "Infarkt"

Krise Nr. 149

Von Karl Weiss

Der Harvard-Ökonom Robert Barro hat seit 1870 insgesamt 148 Krisen identifiziert, bei denen das Brutto-Inlandsprodukt des jeweiligen Landes um mindestens 10% gesunken ist (gegenüber dem Vorjahreszeitraum). Zwar hat die Intensität der Krisen nach dem 2. Weltkrieg zunächst deutlich nachgelassen, aber die These der bürgerlichen Ökonomen, das sei Ergebnis der verbesserten Beeinflussung, erweist sich nun als vergebliche Hoffnung. Es kann nicht im geringsten von sachlichem Beeinflußbarkeit die Rede sein. Alles, was die kapitalistische Wirtschaftskrise an Intensität verloren zu haben schien, kommt nun mit voller Wucht in der gerade begonnenen (Nr. 149) umso intensiver zur Geltung.

Damit sind so ziemlich alle Thesen der bürgerlichen Ökonomen der letzten 60 Jahre widerlegt. Natürlich gibt das niemand zu. Manche klammern sich so hysterisch an ihre eigenen Dogmen, dass sie jetzt ungeachtet der klaren Anzeichen eine Krise vorhersagen, in der es z.B. Deutschland angeblich nur zu einem Minus von 0,5% in der Wirtschaftsleistung kommen und ab dem Jahr 2010 bereits wieder aufwärts gehen wird.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Alle jene allerdings, die sich an den tatsächlichen Vorzeichen orientieren und nicht an Dogmen, sprechen von ganz anderen Zahlen und benutzen Worte wie „Eiszeit“, wie „Kollaps“ und „Infarkt“, siehe z.B. den aktuellen Leitartikel von Tobias Bayer in der Financial Times Deutschland (FTD) unter dem Titel „Die ruhigen Jahre sind vorbei“.

Er stellt die These auf, es habe eine Ansammlung von glücklichen Umständen gegeben, die dazu führten, dass die große Krise erst jetzt ausgebrochen ist. Tatsächlich hängt die Intensität der Krisen von hunderterlei Umständen ab, aber im gesamten werden die Krisen eben am Ende das tun, was sie im Kapitalismus tun müssen: Die Vernichtung von überschüssigen Produktionskapazitäten, bis die verbleibenden den vorhandenen Kaufkraft angepasst sind.

Es sieht ganz so aus, dass es da einen ziemlichen Nachholbedarf gibt und es scheint so, diesmal werden alle möglichen Eingriffe bestenfalls noch eine Verminderung der Einbrüche in bestimmten Länder bewirken können, nicht mehr und nicht weniger.

Deutschland: Brutto-Inlandsprodukt, Einkommen, Renten, Prozent gegen Vorjahr, bis 2008

Nicht dass diese Eingriffe nicht einen deutlichen Unterschied ausmachen könnten, was wir besonders in Deutschland extrem bemerken werden. Die Weigerung der großen Koalition (und der sie unterstützenden Parteien der FDP und der Grünen), auch nur ein einziges wirklich großes Konsumpaket aufzulegen, wird noch zu entsetzlichen Zuständen in Deutschland führen.

Allerdings wird sich das nicht wesentlich von jenen Zuständen unterscheiden, die in den USA nach dem Kollaps des Dollars herrschen werden oder denen in China, nachdem praktisch alle Exporte in die USA gestoppt sein werden. Man darf, ohne allzu weit vorzugreifen, von einer profunden sozialen Unrast in allen diesen Ländern ausgehen.

Dollar Gasp

Die kapitalistischen Krisen sind unerbittlich und sie sind unvermeidlich. So sind sie auch Teil des unvermeidlichen Endes des kapitalistischen Systems. Allerdings kommt dies nicht automatisch. Wir werden den entscheidenden Stoß geben müssen. Der Schreiber dieser Zeilen wird mitmachen. Und Sie?


Veröffentlicht am 29. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Dienstag, 23. Dezember 2008

Nicht alle Autobauer sind in der Krise

Zurückbesinnen auf alte Tugenden

Von Karl Weiss

Endlich einmal gute Nachrichten in krisengeschüttelten Zeiten. Ein Autohersteller hat keinerlei Absatzprobleme, ja, er legt sogar zu: Rolls Royce.

All den Pessimisten und Katastrophenszenario-Beschwörern sei das ins Stammbuch geschrieben: Nein, es gibt keine allumfassende Krise, schon gar nicht in der Automobilindustrie. Nun, da mögen einige Firmen, die vor allem auf Masse statt Klasse gesetzt haben, in Schwierigkeiten kommen, wie GM, Ford, Chrysler und Toyota, aber wer eine vernünftige Modellpolitik betrieben hat und sich nicht dem Wahn hingegeben hat, unbedingt zehntausende oder hunderttausende von Autos pro Monat verkaufen zu müssen, der steht weiterhin gut da.

Sehen Sie sich nur Rolls Royce an: Im Jahr 2008 wird man ein Rekord-Ergebnis einfahren und mehr Autos verkaufen als je zuvor. In den ersten 11 Monaten von 2008 hat man bereits 1055 Wagen verkauft, was einen „deutlich zweistelligen“ Zuwachs bei den Auslieferungszahlen bedeutet. Bis ins Jahr 2010 will man die Verkäufe auf etwa 2000 Einheiten bringen, also praktisch verdoppeln.

Haben etwa Renault und VW recht, die an die 500.000 Autos monatlich verkauften (vor der Krise) oder ist Rolls Royce der Gewinner, der es auf etwa 3 pro Kalendertag bringt? Welches Konzept ist erfolgversprechender, die Massenfertigung in frenetischem Tempo oder die gute alte minutiöse Handarbeit?

Also, boys and girls, nicht vergessen, es gibt da eine Klasse, die in keinerlei Krise steckt – jedenfalls solange wir ihr keine bescheren.


Veröffentlicht am 23. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Deutschland wird Hauptleidtragender der Krise

Ein Tsunami rollt heran – und in Berlin spielt man „business as usual“

Von Karl Weiss

In einem Artikel des Berichterstatters vom 1.Dezember 2006 titelte er “Die Wirtschaftskrise in Deutschland wird fürchterlich“. Er ist heute unter den 25 meist gelesensten im Blog ‚Karl Weiss – Journalismus‘. Es wurde dargelegt, die Bundesregierung fährt die Binnenachfrage mit allen Mitteln nach unten und vertraut allein auf den Export. Doch der wird schwere Einbrüche erleben, wenn der Dollar erst einmal ins Bodenlose fällt. Das war also für jemanden mit etwas Sachverstand bereits vor zwei Jahren vorhersehbar. Trotzdem blieb die Bundesregierung stur, hielt verbissen an ihrem Kurs fest mit Mehrwertsteuererhöhung exakt zum schlechtest möglichen Zeitpunkt und weiterer Niedrig-Lohnpolitik.

Bundestag - Reichstag

Jetzt, exakt zwei Jahre später, schreibt ein Fachmann, J. Jahnke, der ehemalige Vize-Präsident der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ in London iun seinem "Informationsportal Globalisierung" : „... macht Deutschland nun haargenau zum Hauptleidtragenden einer globalen Währungskrise. Sieht denn niemand in Berlin die Lawine heran rollen?“

Weiter erklärt er: „Die Deutschen gehen auf die Sparbremse und würgen die Binnenkonjunktur weiter ab, während gleichzeitig die Exporte einbrechen. Das ist auch Folge der jahrelangen realen Auszehrung der Arbeitseinkommen und Sozialleistungen und des öffentlich geförderten Aufwuchses von Niedrigstlohnjobs ohne flächendeckenden Mindestlohn. Deutschland wird deshalb tiefer in die Krise stürzen als die meisten anderen Länder.“

Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen
Hier die entlarvende Statistik über die Vorgeschichte der Krise in Deutschland: Die Nettolöhne je Arbeitnehmer (und der Konsum) bleiben vom 4. Quartal 2000 bis zum 4.Quartal 2004 praktisch unverändert, während die Produktiviät seit etwa dem 2.Quartal 2002 beständig steigt und die Unternehmens- und Vermögensgewinne zuerst zusammen mit der Produktivität, dann ab dem 3. Quartal 2003 explosionsartig ansteigen. Die Nettolöhne je Arbeitnehmer beginnen haargenau ab dem 1. Quartal 2005 mit ihrer Talfahrt, das war der Zeitpunkt der Einführung von Hartz IV.


Nein, die Berliner Politiker klammern sich verzweifelt an ihre neo-liberalen Wahrheiten, auch wenn ihnen wahrscheinlich schon dämmert, genau diese sind dafür verantwortlich, dass Deutschland stärker von der Krise betroffen ist als andere Länder.

Sie waren es, die die großen Unternehmen praktisch steuerfrei stellten und dafür den arbeitenden Menschen das Annehmen jedes noch so niedrig bezahlten Jobs auferlegten. Sie gaben die Leiharbeit frei, die generell als Lohndumping daherkommt, sie erlaubten die Ausbeutung von „Praktikanten“ ohne Bezahlung. Sie beschlossen die Ein-Euro-Jobs, aber dafür keinen Mindestlohn, wie er in fast allen zivilisierten Staaten besteht. Sie predigten den Lohnverzicht und versprachen dafür massenhaft Arbeitsplätze, auf die man noch heute wartet.

Ja, der Realitätsverlust der Politiker von den Desaster-Parteien CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP geht so weit, dass sie schlicht und einfach negieren, die Bundesrepublik sei schwerer betroffen als andere. Dabei bräuchte man sich bloß einmal die Kurve des Einzelhandelsumsatzes in der Bundesrepublik (preisbereinigt) anzusehen. Die letzten Zahlen vom Oktober zeigen, in jenem Monat wurde bereits die Linie des Einzelhandelsumsatzes des Jahres 2000 unterschritten. Das sind die typischen Anzeichen, wenn es steil abwärts geht. Die Zahlen von vielen Jahren vorher (in diesem Fall 8 Jahre) werden unterschritten.

Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 - 2008 mit Trendlinie
Einzelhandelsumsatz in Deutschland 2006 bis 2008 mit Trendlinie
Auch der Einzelhandelsumsatz in Deutschland spiegelt die verschlechterten Lebensbedingngen des durchschnittlichen Deutschen in der letzten Zeit wieder. Mit Schwankungen sinkt er unaufhaltsam seit 2006 und kommt jetzt bei den 100 von Jahr 2000 an. Wer soll all die produzierten Güter kaufen, wenn die Leute schon am Nötigsten sparen müssen?

Sie könnten, wenn sie dieser Zahl nicht glauben, sich auch einmal die des Auftragseingangs der Industrie ansehen. Die von August und September 2008 lagen in Deutschland bereits bei minus 9,6%, während andere große EU-Länder weit geringere Rückgänge aufwiesen oder sogar noch einen geringen Anstieg: Italien -3,6%, Spanien – 0,4%, Frankreich +0,7% und der Durchschnitt der 15 Kern-EU-Länder –3,9%.

Nun liegen auch die Oktober-Zahlen für Deutschland über den Auftragseingang der Industrie vor, veröffentlicht am 5. Dezember. Sie sind ein Desaster. Jahnke schreibt: „Die deutschen Industrieaufträge sind im Oktober 2008 tiefer eingebrochen als jemals seit der Wiedervereinigung. Seit dem Gipfel im Juni letzten Jahres vor Ausbruch der Krise verloren die Aufträge saisonbereinigt bereits 20 %, davon aus dem Ausland sogar 26 % und aus dem Inland mehr als 11 % (...). Das ergibt im Vorjahresvergleich einen Rückgang von 17 %. Der Auftragsrückgang aus dem Aus- und Inland, entspricht, wenn er anhalten und voll auf die Industrieproduktion durchschlagen sollte, einem Betrag von über 269 Mrd. Euro oder mehr als 10 % des deutschen Bruttoinlandsprodukts.“

Deutschland: Auftragseingang der Industrie 2006 bis 10.08

Warum, wenn der Export einbricht, in Deutschland kein Halten mehr ist, liegt für jeden, der nicht Politiker der Desaster-Parteien ist, auf der Hand: Die Entwicklung der Löhne, der Renten, der Arbeitslosenunterstützung ist preisbereinigt auf steilem Abwärtsweg und damit haben die Deutschen kein Geld dafür, die produzierten Güter zu kaufen! So einfach ist das.

Bürgerliche Ökonomen erfanden nun dafür das absurde Wort vom „Käufer-Streik“. Das ist so ähnlich, wie Kaiserin Marie Antoinette kurz vor der französischen Revolution, die verwundert fragte, wenn das Volk kein Brot zum Essen habe, warum es dann keinen Kuchen äße. Ein hochbezahlter bürgerlicher Ökonom ist so weit vom Volk entfernt, dass er sich einfach nicht vorstellen kann, die Leute hätten kein Geld zum Kaufen. Also erfindet er die These vom „Käufer-Streik“. Das ist für ihn die einzige Erklärung, warum der Einzelhandelsumsatz Monat für Monat in den Keller rauscht, im Moment mit der Geschwindigkeit von etwa 16% pro Jahr, aber das wird dabei nicht stehen bleiben.

Woher nimmt nun Ex-Bankdirektor Jahnke seine Vorhersage der auf Deutschland zu rollenden Lawine? Nun, er sieht klar voraus: Vor allem die USA und Großbritannien geben riesige Mengen Geld zur Verringerung der Auswirkung der Krise aus und das wird ohne Zweifel auf die Dauer zu einer deutlichen Abwertung ihrer Währungen führen, damit werden die Exporte in diese Länder und die Räume, die diese Währungen nutzen, unwiderruflich auf Restmengen zusammenschnurzeln. Aber Deutschland hat bisher nichts zur Verbesserung der Massenkaufkraft getan und auch nichts angekündigt. Die Desaster-Parteien haben sich in ihre überholten Theorien verkrallt und können nicht davon lassen.

Man sehe sich nur den Vergleich der Statistik des Arbeitnehmerentgelts in Kaufkrafteinheiten an: Nimmt man das Jahr 2000 in Hundert, so stieg dieser Index in Irland bis 2007 um 76%, in der Schweiz um 35%, in den USA um 30%, in der ‚EU der 15‘ im Schnitt um 27%, in Japan um 21% und als niedrigstem Index von allen Ländern in Deutschland um 9%. Das sind wohl gemerkt nur jene, die Arbeit haben! Wenn zusätzlich die Arbeitslosigkeit auf etwa 8 Millionen stieg (wirkliche Zahl, nicht die geschönte der Bundesregierung), woher soll das Volk Geld haben, die Güter zu kaufen?

Welt: Vergleich - Arbeitnehmerentgelt in Kaufkrafteinheiten

Und das war die Entwicklung bis 2007. Jetzt in der Krise wird das alles noch einmal schlechter. Die von den Desaster-Partei-Politikern geäußerte Hoffnung, 2010 werde es schon wieder aufwärtsgehen, ist angesichts der Tatsachen absurd. 2010 wird noch nicht einmal der Abwärts-Rutsch beendet sein, zumal man ja nicht das geringste tut, um in Zukunft statt der völligen Exportabhängigkeit einen gesunden Inlandskonsum zu schaffen, der als Basis der Wirtschaft dienen kann. Länder, die sich nun über alle Massen hinaus verschulden, um die Krise zu verringern, wie die USA und England, werden mit Sicherheit zu verhindern wissen, dass Teile dieser Gelder nach Deutschland abfließen. Die Hoffnung, der Export würde schon bald wieder anziehen, ist also nichts als Ahnungslosigkeit.

„Sieht denn niemand in Berlin die Lawine heran rollen?“


Veröffentlicht am 10. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Dienstag, 9. Dezember 2008

Vorhersage des Dollar-Crash

Der FTD wird schlecht

Von Karl Weiss

Warum es der Financial Times Deutschland (FTD) schlecht wird? Sie schreibt in einem Leitartikel folgendes: „Die Anleger scheinen also tatsächlich zu glauben, dass der Fed die gewünschte Weginflationierung der Schulden misslingt. Und dass die wertlosen neuen Dollar die US-Währung nicht kollabieren lassen werden. Wenn man bedenkt, dass die Nettoersparnis der US-Gesamtwirtschaft schon im dritten Quartal, also noch bevor die Fiskalpolitik richtig losgelegt hat, auf einen annualisierten Wert von minus 249 Mrd. $ gefallen ist, wird einem da schlecht.“ Vielleicht haben Sie nicht verstanden, was hier steht, darum sei es versucht zu erklären:

Fangen wir von vorne an, bei Ben Bernanke, dem Chef der Fed. Er hat ausführlich die japanische Periode der Deflation studiert und darüber eine Untersuchung veröffentlicht. Er gibt darin an, dass es doch ein Mittel gegen die Deflation gibt, die an dem Märkten noch mehr gefürchtet wird als eine Rezession. Das Mittel heißt: Geld drucken, also schlicht und einfach riesige neue Geldmengen auf den Markt werfen und damit gezielt eine Inflation hervorrufen.

USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

Die würde dann aber im Fall des Dollars nach einer gewissen Zeit in eine Hyperinflation übergehen, was dann alle Besitzer von Dollar und Dollarbonds auf der Welt dazu veranlassen wird, in einer Rallye Dollars und Dollarbonds zu verkaufen, was dann binnen Stunden oder Tagen zu einem Wert des Dollars von ein paar Rappen vom Schweizer Franken herunterbringen wird. Mit anderen Worten: Die Pleite der USA.

Dollar Gasp

Und genau diese Voraussetzungen, so gibt die FTD an, seien nun eingetreten. Die Fed wird die Leitzinsen weiter senken, voraussichtlich auf 0,5% (was es seit Jahrzehnten nicht gab). Trotzdem wird damit die Kreditwirtschaft nicht in Schwung gebracht, die eigentlich bei solchen Zinsen Kredite geben müsste auf Teufel komm raus. Damit ist die akute Deflationsgefahr gegeben, d.h. massive Preiseinbrüche auf breiter Front. Dies aber kann die Fed der USA nicht zulassen, denn die Schulden der USA und die bereits eingegangenen Verpflichtungen überschreiten schon heute alles, was selbst eine so große Volkswirtschaft je begleichen könnte. Die Deflation würde diese Schulden noch einmal deutlich erhöhen.

Hohe Ersparnisse in den USA könnten da zwar ein Gegengewicht bilden, aber die FTD stellt dazu ja fest: Die Netto-Ersparnisse der USA sind bereits im dritten Quartal auf minus 249 Mrd. Dollar gesunken – und das war im wesentlichen noch vor der Krise. Und das angesichts des 700-Mrd.-Dollar-Pakets für die Banken , weiterer 2 700 Milliarden zum Stützen von Geldmarktfonds usw. (Gesamt-Verbindlichkeiten der Fed und der Regierung - jetzt bereits - nach Bloomberg: 8 500 Mrd Dollar).

Wirft man aber mit dem Hubschrauber Geld auf die Wirtschaft ab (das ist natürlich nur ein Bild), dann kann man künstlich eine Inflation anheizen, die dann im Verlauf alle Schulden auffrisst. Wegen dieses Bildes mit dem Helikopter wird Bernanke in einschlägigen Kreisen Helikopter-Ben genannt.

Immobilienkrise USA

Was mit dem Bild vom ´Mit-dem-Hubschrauber-abwerfen-von-Geld´ gemeint ist, drückt die FTD so aus: „Aber die Chancen stehen gut, dass Ben Bernanke den Hubschrauber diesmal tatsächlich losschickt - dem Staat frisches Zentralbankgeld an die Hand gibt, damit dieser damit Straßen baut, Abwasserkanäle saniert, Lehrer einstellt oder Forschungsprojekte auflegt.“

Nur: Die FTD konstatiert, die Anleger, also jene, die nun ihr Geld irgendwo in sicheren Häfen unterzubringen versuchen, glauben nicht an dies Szenario. Sie halten weiterhin, so wie es seit 1945 war, die USA für den sichersten Hafen - und den Dollar und die Dollarbonds. Die FTD erklärt sie für fast verrückt, weil sie heute von der Fed zehnjährige Dollar-Bonds zu 2,7% Zinsen kaufen.

Mit anderen Worten: Die Anleger, also alle, die noch Haufen von Geld haben, sind in heller Panik. Sie versuchen ihr Geld gegen weitere Verluste zu sichern – wie auch immer. Dabei nehmen sie Zinsen in Kauf, die fast gleich Null sind – und sie glauben, die USA würden nie pleite gehen. Die FTD drückt aber indirekt aus, genau das, die Pleite der USA, wird bewusst herbeigeführt werden.

Northern Rock Pleite

Neben den Anlegern, die ihren Augen nicht glauben wollen, wären dann die Staaten die Hauptverlierer, die heute einen großen Teil ihrer Reserven in Dollars bzw. Dollar-Bonds angelegt haben, das ist vor allem China, das praktisch den gesamten Staatsschatz in Dollar hat, die dann so gut wie nichts mehr Wert sein werden. Daneben aber auch Japan, das ebenfalls große Teile der Währung auf Dollar bzw. Dollar-Bonds gestützt hat, dazu auch Süd-Korea und nicht zu vergessen Großbritannien und – das durfte ja nicht fehlen – die Bundesrepublik Deutschland. Alle diese Länder müssten eigentlich jetzt heimlich beginnen, ihre Dollar-Abhängigkeit zu verringern und Dollars und Dollar-Bonds gegen andere Währungen bzw. Staatsanleihen zu wechseln, aber man kann die Voraussage wagen, sie werden es nicht tun – oder jedenfalls nur in geringem Masse. Genauso wie sie vom Ausbruch der Krise überrascht wurden, genauso werden sie vom Dollar-Crash überrascht werden.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Nun so sei es denn: Ich, Karl Weiss, der die Krise vorausgesagt hatte, warne hiermit heute, am 9.Dezember 2008: Der Dollar wird crashen.

Es gibt bereits jetzt keine Möglichkeit mehr, die Verpflichtungen alle zu bedienen und es wird ohne jeden vernünftigen Zweifel zum „Hubschrauber-Einsatz“ kommen, also zum massiven Gelddrucken der Fed. Dies wird spätestens auf mittlere Frist den Dollar zum Absturz bringen.

Es gibt auch die Möglichkeit, diesen Crash durch eine neue internationale Währungsordnung von Typ „Bretton Woods“ zu verhindern, aber diese Wahrscheinlichkeit ist extrem gering, denn da müsste die USA Zugeständnisse machen, die praktisch auszuschließen sind oder die Anderen müssten an die USA Zugeständnisse machen, die nur völlig Verrückte machen würden.

Wer viel Geld verdienen will (und die Möglichkeiten dazu hat), sollte Put-Options gegen den Dollar erwerben – am besten für einen Zeitpunkt deutlich in der Zukunft, denn es wird voraussichtlich dauern, bis das platzt (die Immobilienblase platzt seit drei Jahren und ist immer noch nicht fertig damit).

Vor allem aber, liebe kleine und mittlere Anleger (das sind die, welche bis zu 10 Millionen Euro anzulegen haben), gehen Sie aus dem Dollar und US-Staatsanleihen heraus, damit Sie nicht noch mehr verlieren.


Veröffentlicht am 9. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

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