Oekonomie

Freitag, 28. November 2008

Das Ende des Währungssystems

8 500 Milliarden US-Dollar

Von Karl Weiss

Nach eingehendem Studium aller vorliegenden Informationen zu den Rettungspaketen gegen die Finanzkrise und Wirtschaftskrise sowie zum wahren Umfang der Schieflagen, kommt der Berichterstatter zu folgendem Schluss: Wenn die Staaten versuchen werden, jede Bank, jedes Versicherungsunternehmen, jede Kreditkarten-Firma, sowie die großen und wichtigen Industriekonzerne zu retten, wird das zum Ende des bestehenden Welt-Währungssystems und Welt-Finanzsystems führen. Was danach ist, darüber kann man nur spekulieren.

Capitol, Washington (DC)

Die US Finanz-Informationsagentur Bloomberg hat einmal zusammengetragen, für was die US-Regierung bereits gebürgt bzw. Mittel verbindlich zugesagt hat und kommt auf einen Gesamtbetrag (der voraussichtlich innerhalb des nächsten Jahres fällig wird) von 8 500 Milliarden US-Dollar oder 8,5 Billionen US-Dollar (auf englisch: 8 500 Billion Dollars or 8,5 Trillion Dollars, das ist (etwa) eine acht mit 12 Nullen oder etwa 50% des BIP der Vereinigten Staaten).

Da sind irgendwelche Hilfen an die „notleidende“ US-Autoindustrie oder eventuell auch an die Autoteile-Industrie sowie die angekündigten Maßnahmen Konjunktur-Spritze, Infrastruktur-Investitionen und Steuererleichterungen noch gar nicht enthalten. Es kann ausgeschlossen werden, dass dies alles ganz locker aufgebracht werden kann durch weitere Verschuldung über „Dollar-Bonds“.

Barack Obama

Nach der Bloomberg-Agentur setzt sich der astronomische Betrag aus folgenden teilen zusammen:

· Die erste Teil sind Programme der Federal Reserve, der Notenbank der USA. Nach der Pleite der Lehmann-Bank hatte die Fed zwei große sogenannte Fazilitäten aufgemacht, mit denen vor allem Geldmarktfonds gestützt werden, die zusammen 2700 Mrd. Dollar ausmachen. Dazu kommt die Erweiterung des Kreditvolumens für Geschäftsbanken, das bereits vorher beschlossen worden war, in der Grössenordnung von etwa 2000 Mrd. Dollar. Als drittes hat die Fed in dieser Woche ein 800-Mrd.-Dollar-Programm zum Aufkauf von Problemhypotheken und sonstigen Kreditpapieren aufgelegt. Alles zusammen auf das Konto der Fed: 5 500 Mrd. Dollar.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

· Das zweite ist die US-Einlagensicherung. Diese Institution steht gerade für Schulden der US-Banken – und zwar in der Gesamthöhe von 1 400 Mrd. Dollar. Dazu kommt noch eine Hilfe für eine Tochter der General Electric mit 139 Mrd. Dollar, zusammen also 1539 Mrd. Dollar.

· Dazu kommt als drittes, was die Regierung bereits alles bindend zugesagt hat, darunter der 700-Mrd.-„bailout“-Plan für die Banken, die beteiligung des Staates mit 250 Mrd. Dollar an den neun größten Banken der USA, dazu auch noch, was bereits vorher in Bear Sterns investiert wurde, um den Verkauf an JPMorgan zu ermöglichen, die Gelder für AIG und noch ein paar „peanuts“ , zusammen nach Schätzung von Bloomberg 947 Mrd. Dollar.

· Der vierte größere Block ist das Geld, das der „Federal Housing“ mit einem Gesetz zur Verfügung gestellt wurde, um Hypotheken zu übernehmen, die voraussichtlich nicht bezahlt werden, das im wesentlichen die Grundlage der faktischen Verstaatlichung der beiden grossen Hypotheken-Organisationen ‚Fannie Mae‘ und ‚Freddie Mac‘ war, in einer Gesamthöhe von 300 Mrd. Dollar.

Der Rettungs-Plan

· Als fünfter größerer Block kommt dann noch die Zusage von weiteren 200 Mrd. Dollar an „Fannie“ und „Freddie“, wobei noch nicht geklärt ist, woher dies Geld kommen soll. Eventuell wird das noch in den 700-Mrd.-„bailout“-Plan eingegliedert, dann würde sich der Gesamtbetrag von 8,5 Billionen auf 8,3 Billionen Dollar verringern, was praktisch nichts ausmacht.

Dazu gibt es noch die Garantie in Höhe von 326 Mrd. Dollar, die der Citi-Group zugesagt wurden, falls sie benötigt werden sollten. Man hofft, dies wird nicht fällig werden und hat das deshalb nicht einbezogen.

Bush

Diese 8,5 Billionen Dollar sind also ausschließlich das, was zur Rettung des Finanzsystems vorgesehen war und ist. Es gibt auch andere große Kostenblöcke für den US-Haushalt, die nun deutlich ansteigen, so z.B. die Zinsbelastung für die Schulden, die ja nun deutlich mehr werden, aber auch die Rentenausgaben, weil nun die Generation der Baby-Boomer (die nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen) ins Rentenalter kommen (2010 sind es 65 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges) und die steil ansteigenden Kosten von Medicare (für ältere Menschen) und Medicaid (für bedürftige Personen). Dazu kommt das traditionell sehr hohe Zahlungsbilanz-Defizit und das hohe Haushalts-Defizit.

Alle diese offenen Rechnungen (einschließlich der bereits bestehenden Staatsschulden) hat Professor Kotlikoff von der „Federal Reserve Bank of St. Louis“ aufgemacht, eine der führenden Institutionen der „US Federal Reserve“, der US-Zentralbank. Er kommt auf einen Gesamtbetrag von 65,9 Billionen Dollar (auf englisch 65,9 Trillion Dollars), was wohl gemerkt noch keine der nun eingegangenen Verpflichtungen durch FED, Regierung usw. beinhaltet. Demgegenüber sind die jetzt anstehenden 8,5 Billionen Dollar ja geradezu „Peanuts“.

Zum Vergleich hier, was die Höhe des GNI (Gross National Income) (in etwa: Brutto-Inlands-Produkt) der USA angeht, dies belief sich (letzte einigermaßen zuverlässige Zahlen) 2006 auf etwa 12 Billionen Dollar.

Und dies sind nur die Geldmengen in den USA, die aufgebracht und ins Wirtschaftsgeschehen gepumpt werden. Wenn man nun noch anfängt, was die deutsche Bundesregierung bereits garantiert hat (alle Spareinlagen in voller Höhe, das könnte sie nie aufbringen), was in Großbritannien bereits verbraten wurde, in Frankreich, Japan usw., dann kann man ohne jede Übertreibung sagen, diese völlig absurde Steigerung der staatlichen Verschuldungen können nicht von einem Finanzsystem aufgebracht werden, das sowieso in der Krise ist.

USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

Ganz zu schweigen davon, wenn man jetzt noch anfängt, alle größeren Unternehmen mit staatlicher Neuverschuldung vor dem Bankrott zu retten. Es ist (auch ohne dies schon) sicher, das Welt-Finanzsystem gibt diese zusätzliche Verschuldung nicht mehr her. Was das heißt, wurde kurz in einem früheren Artikel zu diesem Thema beschrieben:

„... dann würde eine Flucht aus dem Dollar einsetzen, die heute mit elektronischen Methoden innerhalb von Minuten einen Wertverlust von 50% ergeben kann (...). Der Dollarkurs im Keller, der Dollar als Reservewährung praktisch nicht mehr vorhanden, die Zuverlässigkeit des Dollar unterminiert, die Wirtschaftskraft der USA angeschlagen. Plötzlich würden die gewaltigen Importe der USA etwas in der Richtung vom Doppelten kosten, was praktisch nicht zu zahlen wäre. Damit würde der ganze Wohlstand in den USA auf ein deutlich niedrigeres Niveau geworfen, viele Fabriken geschlossen, viele Arbeiter auf die Straße gesetzt. (...)

Dollar Gasp

Dazu käme die akute Gefahr einer galoppierenden Inflation, denn die Importpreise sind ja plötzlich fast doppelt so hoch. Deshalb kann dem auch nicht mit Gelddrucken oder Anleihen-Ausgeben entgegengetreten werden, denn das hätte genau diesen Effekt, die Inflation anzuheizen.

Der einzige Ausweg in einer solchen Situation ist zuzusehen, bis man am Boden des Lochs angekommen ist und dann mit der Hände Arbeit langsam wieder zu versuchen herauszukommen.

Etwas Vergleichbares ist zum Beispiel mit Argentinien am 22. Dezember 2001 und in den darauffolgenden Wochen geschehen. Das alles bedeutet nicht das Ende des Lebens in jenem Land, aber bezogen auf die USA wäre es das Ende des Supermacht-Status.“

Heute kann man – bezogen auf die internationale Situation der unbegrenzten Neuverschuldung zur Rettung von Banken und Konzernen – darüber hinaus sagen. Das gesamte Währungs- und Finanzsystem könnte das nicht überstehen.

Wie es danach aussähe, ist ungewiss und unbeschreibbar. Der Begriff kapitalistische Barbarei ist sicherlich noch schwach dafür.



Veröffentlicht am 28. November 2008 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 27. November 2008

Ein Nachruf auf die US-Industrie?

Kaum zu glauben

Von Karl Weiss

Die Industrie in den USA gilt als eine der wichtigsten auf der Welt. Der größte Teil der Software auf der Welt wird dort hergestellt, man ist eine Nation der Luft- und Raumfahrt, die Ölkonzerne sind führend, die Automobilindustrie und ihre Zulieferer waren bis vor kurzem noch die größten der Welt. Und jetzt kommt ein „Nachruf auf die US-Industrie“? Wie das?

USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

In der „Süddeutschen“ wurde ein auf deutsch übersetzter Artikel eines US-Schriftstellers veröffentlicht, in dem er vom Ende der US-Industrie spricht und das Ganze als einen Nachruf bezeichnet. Er sieht den Bankrott aller drei großen US-Autohersteller voraus und meint, man habe sich das selbst zuzuschreiben.

Nun ist ein Schriftsteller natürlich kein Fachmann für Industriepolitik, aber er sicherlich ein Fachmann im „Amerikaner-Sein“. Und so erzählt er denn:

„Den meisten Amerikanern geht es so wie mir: Sie glauben, dass in Deutschland oder Japan ( ... ) bessere elektrische Geräte und bessere Autos als in Amerika hergestellt werden. Unter diesen Voraussetzungen ist es für die amerikanischen Automobilfirmen unmöglich, wieder rentabel zu werden, und zwar unabhängig davon, wie viele Kompromisse den Gewerkschaften noch abgerungen werden.“

Das erinnerte den Berichterstatter an die Zeit , als er in den USA arbeitete. Die Firma hatte ihm einen Chevrolet-Kleinwagen zur Verfügung gestellt, der schon zwei Jahre alt war. Für deutsche Verhältnisse war das kein Kleinwagen, so etwas in der Jetta-Kategorie, aber dort war es Kleinwagen. Das Hüpferchen gab drei Mal innerhalb eines halben Jahres den Geist auf und musste abgeschleppt und repariert werden

Als man dann einen der US-Kollegen fragte, ob das normal sei, antwortete der denn auch: „Ja, bei US-Wagen ist das normal. Wenn man einen zuverlässigen will, muss man einen Japaner kaufen.“

Insofern scheint der Schriftsteller also recht zu haben. Aber was wird dann, wenn Obama, wie er schon angekündigt hat, die drei US-Autobauer vor der Pleite retten wird? Wird der Staat überhaupt genug Geld dafür aufbringen können, nachdem man ja schon die Banken gerettet hat? Oder wird dann eines Tages eine Dollar-Anleihe des Staates ‚Vereinigte Staaten von Amerika‘ keine Käufer mehr auf dem Markt finden, so wie es jetzt der Bundesrepublik mit einer Anleihe ging?

Auf welcher Basis wird Obama die Autobauer retten wollen? Und die Autoteile-Industrie, die dann unweigerlich auch gerettet werden will? Wird man wirklich für so viele neue Schulden gut sein?

Oder wird an einem jener Tage dann eine Rallye gegen den Dollar beginnen, was das Ende der Supermacht wäre?

Der Schriftsteller meint:

„Aber so geht es der amerikanischen Industrie in fast allen Bereichen, und auch das enorme Wachstum der Informationstechnik hat sich erschöpft. Microsoft und Intel sind mittlerweile auch nur noch zwei Großunternehmen, die zu viele leitende Angestellte haben. Die Telekommunikation erlebte einen Boom, der schnell vorüberging.“

Nun, er übertreibt ein wenig. Es gibt sehr wohl erfolgreiche Industrie in den Vereinigten Staaten. Die Luft- und Raumfahrtbranche und der ganze militärisch-industrielle Komplex sind so stark wie je. Zwei der fünf Großkonzerne der Ölindustrie sind US-Firmen. Die ExxonMobil ist der wertvollste, auch der größte Konzern der Welt und der mit dem höchsten Profit. ChevronTexaco ist auch nicht viel kleiner. Die Pharmabranche ist weltweit führend, auch in der Chemie hat man erfolgreiche Unternehmen aufzuweisen, es gibt auch einiges im Maschinenbau und eben auch bei den Autozulieferern, so ist z.B. die US-Firma Dana der größte Teilezulieferer weltweit.

Tatsache aber ist, alle arbeitsintensiven Fertigungen wurden in Billiglohnländer ausgelagert und das hat den Arbeitsmarkt sehr belastet. Zwar weisen die USA offiziell nur 6% Arbeitslose aus (mit stark steigender Tendenz), aber das ist gewaltsam zurechtgestutzte Statistik wie in Deutschland. Das Doppelte dürfte der Wahrheit entsprechen.

Riesige Massenentlassungen stehen nun an.

Kapitalistische Wirtschaftskrisen sind unerbittlich und werde immer hauptsächlich auf dem Rücken der arbeitenden Menschen ausgetragen.

Diese jetzt beginnende allerdings kann auch einen zusätzlichen Effekt haben: Die überragende Stellung der USA als alleinige Supermacht könnte ernsthaft angekratzt oder sogar völlig untergraben werden. Insofern kann man da wirklich eventuell von einem Nachruf sprechen.


Veröffentlicht am 27. November 2008 in der Berliner Umschau

Montag, 24. November 2008

Jahr der schlechten Nachrichten

Jetzt will es niemand gewesen sein

Fest im Sand begraben

Von Karl Weiss

Ganz offen spricht CDU-Merkel von 2009 von "einem Jahr der schlechten Nachrichten", SPD-Steinbrück von „tiefster Krise der Bundesrepublik“. Mit keinem Wort gehen sie aber darauf ein, dass sie die Hauptverantwortlichen dafür sind. Sie haben mit der „Deregulierung des Arbeitsmarktes“, mit Hartz IV und den anderen Maßnahmen der „Agenda 2010“ die deutschen Löhne auf einen Tiefpunkt getrieben, mit einer fast 20%igen Mehrwertsteuererhöhung Kaufkraft aus dem Markt genommen. Jetzt ist die Binnennachfrage zusammengebrochen – welche Überraschung! Der Export, dadurch zur einzigen Hoffnung geworden, kann wegen des weltweiten Krebsganges nicht mehr helfen, also rutscht man in die Wirtschaftskrise. So als ob das nicht einfach vorherzusehen war, steht die Politik nun mit offenem Mund und staunt.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Wann werden CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne erklären: „Wir lagen falsch. Jetzt sehen wir das ein. Wir hätten stattdessen mit Lohnerhöhungen und Massensteuer-Senkungen den Innenmarkt beleben müssen. Wir werden unsere Parteien auflösen und hoffen, andere machen es besser.“?

Nun, das ist natürlich weniger wahrscheinlich als dass der Mond noch dieses Jahr auf die Erde fällt. „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr...“.

Deutschland: 2. Quartal 2008 gegen 2.Quartal 2007 BIP Lohn Konsum Vermögen
Deutschland: Brutto-Inlandsprodukt, Löhne, Konsum und Vermögen, Vergleich 2.Quartal 0 gegen 2.Quartal 07

Hat man denn jetzt wenigstens seine Hausaufgaben gemacht, gemerkt, dass die Binnen-Nachfrage angekurbelt werden muss und entsprechende Maßnahmen eingeleitet? Nichts, nicht eine einzige klitzekleine Hilfe für die Binnen-Nachfrage. Man sieht nicht nur seine eigenen Fehler nicht ein, man verbeißt sich in ihnen.

Was schlägt zum Beispiel J. Jahnke vor, ehemaliger stellvertretender Leiter der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ in London? Mehrwertsteuer auf 15% senken, Banken verstaatlichen, damit man wieder Kredit zur Verfügung stellen kann (die Banken verweigern Kredit zu normalen Bedingungen) und Solidaritätssteuer für hohe Einkommen und hohe Kapitalerträge einführen, um das gegenzufinanzieren.

Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 - 2008 mit Trendlinie
Einzelhandelsumsatz in Deutschland 06 bis 08 mit Trendlinie

Da werden wir lange warten können, dass diese Regierung so etwas beschließt. Frau Merkel – da wird es schon wirklich grotesk – weist auf ein kleines Paket der EU für Innovationen hin, die Geld an Unternehmen verschleudern will. Werden diese Unternehmen damit Nachfrag am Markt schaffen durch Lohnerhöhungen? Natürlich nicht! Sie werden das Geld an ihre Aktionäre und Manager ausschütten, die sowieso schon alles haben und das auf die hohe Kante legen werden!

Deutschland: Einkommensverlust durch Mehrwertsteuererhöhung

Offenbar kennen diese Desaster-Parteien gar nicht das Wort „Nachfrage“. Die Krise bricht aus wegen mangelnder Nachfrage! Man muss Nachfrage schaffen, um die Tiefe der Krise zu verringern!

„Nein, Herr Weiss, da irren Sie sich. Es gibt überhaupt keine Nachfrage, Herr Weiss. Das sind Erfindungen von Sozialisten, Herr Weiss! Wir müssen nur dafür sorgen, dass das Angebot wieder erhöht wird, dann wird alles gut, Herr Weiss!“

Deutschland: Sparquote nach Einkommenskategorien
Das ist eine aufschlussreiche Statistik: In Deutschland spart offensichtlich jeder etwas, der kann; aber mit Hartz IV kann man eben nicht nur nicht sparen, sondern muss seine spärlichen Ersparnisse noch verbrauchen

Ja, so ist das mit verbohrten Ideologen. Was nicht in ihr Weltbild passt, wird ausgeblendet. Wenn man die Realität nicht erklären kann, spricht man von Zuversicht in die Zukunft. So wie Honecker, der darauf bestand, es gäbe einen Sozialismus in der DDR. Dass sich die ständig schlechter laufende Wirtschaft nicht mit sozialistischen Verhältnissen vereinbaren ließ, blendete er aus. So bleibt am Ende nur noch Klammern an die Macht, bei ihm damals und bei unseren Desaster-Parteien heute.

Selbst im eigenen Lager wird das bemerkt. Die internationale Ausgabe der „Financial Times“ vom 22. November 2008 begann dann auch einen Kommentar zu diesem Thema mit dem Satz: "Deutsche Politiker haben ihre Köpfe fest im Sand begraben".

Deutschland: "Verteilungsgerechtigkeit"

Ex-Bankier Jahnke schreibt dazu: „In vielen Ländern, vor allem USA, deuten die starken Einbrüche bei den Preisen (vor allem Öl und Rohstoffe ...), darauf hin, daß es jetzt zu einer Deflation kommen kann. Solche Situationen, wie sie z.B. Japan zehn Jahre lang erlitten hat, halten immer sehr lange an, zumal die Zentralbanken mit ohnehin abgesenkten Zinsen am Ende ihres Lateins sind. Hinzu kommt, daß wegen der von den Zentralbanken erzeugten enormen Liquiditätsschwelle die Zinspolitik der Zentralbanken immer weniger zu kontrollieren ist. So liegt derzeit in USA die effektive Zinsrate bereits um 0,6 % unter der offiziellen und damit nahe 0 %. Auch in Japan war eine Immobilien- und Bankenkrise der Auslöser und konnte die Zentralbank mit Zinssenkungen jahrelang nicht mehr helfen. Bei einer ausufernden Deflation sind die Preissenkungen so stark, daß sie die realen Schulden, die sich umgekehrt bei Inflation entwerten, hochtreiben. Dies wird bei ohnehin hohen Schuldenlasten, wie derzeit, eine sozial und wirtschaftlich enorme Belastung. Es kommt dann zu einer Spirale nach unten, in der auch die Absatzmärkte immer mehr wegbrechen.“

Allerdings, sei dazu angemerkt, war bei der damaligen japanischen Krise der Rest der Welt nicht in einer solchen, sodass man sich mit Exporten wieder herausarbeiten konnte.

Alt-EU der 15: Entwicklung Arbeitskosten von 2000 bis 2008
Hier sehen wir das Ergebnis der Agenda 2010 mit Hartz IV: Die deutschen Arbeitskosten entwickelten sich - im Vergleich zu 2000 - zu den niedrigsten der alten EU der 15

Jetzt, so schreibt Jahnke weiter „rächt sich die steil gestiegene deutsche Exportabhängigkeit bei miserabler Binnenkonjunktur.“

Alles Taten der Desasterparteien: Hohe Unterstützungen (Hermes Kredite) und Garantien für Exporte bei gleichzeitigem Herunterdrehen der Löhne – und jetzt will es niemand gewesen sein.

Deutschland: Exportabhängigkeit: Anteil Auslandsumsatz am Industrieumsatz 1995 bis 2008
Hier der Beleg für die stark angestiegene Exportabhängigkeit

Wenn nun behauptet wird, gegen Ende 2009 – also nach den Bundestagswahlen – werde alles wieder besser, ist das nichts als Pfeifen im dunklen Wald – und eine Verhöhnung der Wähler.


Veröffentlicht am 24. November 2008 in der Berliner Umschau

Montag, 17. November 2008

G 20: Die Brandstifter spielen Feuerwehr

Gespenster sehen

Von Karl Weiss

Die Vorstellung, das Treffen G20 in Washington bei Präsident Bush hätte irgendein praktisches Ergebnis haben können, ist abenteuerlich. Da treffen sich die Vertreter der Regierungen der 20 größten Industrie- und Schwellenländer, genau jene, die für die Finanzkrise und die beginnende Weltwirtschaftskrise verantwortlich sind und sprechen darüber, wie diese Krisen zu bremsen seien und beim nächsten Mal zu verhindern.

Bush

Wenn diese Herrschaften sie verursacht haben, woher sollen sie denn nun plötzlich Rezepte nehmen, sie zu bekämpfen oder verhindern? So ist denn auch das einzige Ergebnis der Wunsch der Ausarbeitung von Vorschlägen, die im März einer neuen G20 vorgelegt werden sollen (bis dahin dürften fast alle 20 in der Wirtschafts-Krise sein).

Der Grund für beide Krisen, die Finanz- und die Wirtschaftskrise, ist die im Kapitalismus gesetzmässig auftretende Überproduktion, die einerseits zu überbordenden Kapital-Massen führt, die unweigerlich in die Spekulation gehen (und so die Finanzkrise verursachen) und andererseits in verzweifelte Versuche, mit noch mehr und noch effizienterer Produktion der Krise auszuweichen, die aber gerade durch diese Überproduktion verursacht ist.

Gerade die dort vereinigten Regierungschefs waren die Hauptverantwortlichen für die „Deregulierung“, die sämtliche vorher bestehenden Regeln des Finanzmarktes und des Arbeitsmarktes aufhob. Kein einziger von ihnen hat bis heute eine Erklärung abgegeben: „Wir haben Mist gebaut. Wir bitten um Entschuldigung und treten zurück.“ Im Gegenteil , man spielt sich auch noch als Arzt auf, wenn man selbst den Patienten krankenhausreif geschlagen hat.

Der Zwang zum Steigern der Profitrate, die aber gesetzmässig tendenziell fällt, macht aus der kapitalistischen Wirtschaft ein Chaos, einen tödlicher Raubbau an allen Rohstoffen, eine Unterdrückung und Ausbeutung der arbeitenden Menschen, ein unverantwortliches Missachten der natürlichen Umwelt, eine ständige Quelle von Krisen und Kriegen.

Joachim Jahnke, ehemaliger Vizepräsident der ‚Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung’ in London, schreibt dazu auf seiner Site ‚Informationsportal Globalisierung’.

„Was wollen die Großmächte mit dem G20-Gipfel erreichen? Die nächste Krise an den Weltfinanzmärkten verhindern? Wohl kaum. Denn der Markt wurde nicht von einem obskuren Hedgefond in die Luft gesprengt oder in sonst einer unbekannten Ecke des Finanzmarktes. Die Blase platzte unter den Augen der Regierungen in den auf [dem] Papier am stärksten überwachten Institutionen, nämlich den Banken, die mit viel höheren Kreditanteilen als die Hedgefonds spekuliert haben.“

Und: „Verhindern, daß die wichtigsten Handelspartner in der Krise gegeneinander arbeiten, indem jeder seine wachsende Arbeitslosigkeit zu den anderen exportieren will? Wohl kaum. Denn schon jetzt haben die beiden wichtigsten Überschußländer China und Deutschland Stützungsmaßnahmen für ihren Export und damit das Abdrücken von Arbeitslosigkeit ergriffen, China durch Steuernachlässe für Exportwaren, Deutschland durch eine Verbesserung der Ausfuhrbürgschaften. Deutschland vor allem hat bisher kein Konjunkturprogramm zur Stützung der heimischen Nachfrage aufgelegt und scheint sich weiterhin auf den Export verlassen zu wollen.“

Weiter: „Verhindern, daß die Zahl der Unternehmenspleiten mangels Kreditzugang weltweit explodiert? Wohl kaum, denn jedenfalls in Europa wurde nichts getan, um die Banken zu zwingen, Zinssenkungen und die Zusatzliquidität der Zentralbanken an die Produktionsunternehmen weiterzugeben.“

Und außerdem: „Und dann fegen die Regierungen, statt Notsteuern für die Wohlhabenden und Gutverdiener zu erheben, auch noch mit eigenen festverzinslichen Anleihen die Geldmärkte leer und verengen so den Zugang für andere. So konnte zum ersten Mal selbst die Bundesregierung ein neues 10-Jahres-Papier nicht am Markt unterbringen - eine geradezu unglaubliche Situation und Alarmzeichen, wie es größer kaum ausfallen könnte.“

Da versuchten also die Böcke zu gärtnern (Entschuldigung, Frau Merkel: Die Ziegen und Böcke). Und da wir gerade von Frau Merkel reden, die hat es auch noch fertiggebracht von einer erfolgreichen Veranstaltung zu reden, auf der „gemeinsame Anstrengungen deutlich“ geworden seien. Nun- sie hat ja nicht gesagt, für was und wessenthalben man sich angestrengt hat. Vielleicht hat man ja gemeinsam und unter Anstrengungen das ‚große Geschäft’ erledigt.

Und das Ganze unter der Schirmherrschaft von G. W. Bush, dem „Herrn des Universums“, der es fertiggebracht hat, den vernichtendsten Terroranschlag der Geschichte geschehen zu lassen, obwohl er leicht hätte verhindert werden können und der gleich zwei Kriege begonnen hat, die verloren sind. Kurz: Der Inbegriff des Erfolges!

So lassen wir denn erneut Herrn Ex-Bankdirektor Jahnke zum Schluss zu Wort kommen:
„Ohnehin kann die Gefahr weiterer Krisen nur gebannt werden, wenn die immer ungleichere Einkommensverteilung gestoppt und zurückgedreht wird. Nur auf diese Weise kann verhindert werden, daß sich Kaufkraft wie ein gigantischer Wasserfall ins Kasino verirrt, statt der Realwirtschaft zu Verfügung zu stehen. Wird der Gipfel hier ansetzen? Da müßte man schon Gespenster sehen.“


Veröffentlicht am 17. November 2008 in der Berliner Umschau

Freitag, 14. November 2008

Deutschland: Wirtschaftskrise hausgemacht

Krise handgefertigt von SPDCDUGrüneCSUFDP

Von Karl Weiss

Nun ist es offiziell: Deutschland ist als erstes der großen EU-Länder in der Wirtschaftskrise. Das Brutto-Inlands-Produkt (BIP) ist sowohl in zweiten Quartal (April, Mai, Juni) – um 0,4% - als auch im dritten Quartal (Juli, August, September) – um 0,5% - gesunken und damit ist die offizielle Definition des Eintritts in die Wirtschaftskrise erfüllt. All dies geschah also vor dem offenen Ausbruch der Finanzkrise im Oktober, wurde also nicht durch diese verursacht, hängt überhaupt nur sehr weitläufig mit ihr zusammen. Es handelt sich vielmehr um eine völlig hausgemachte Krise. Die Kaufkraft war bereits seit einiger Zeit in den Keller gefahren worden und nun verminderte sich – und brach dann ein – auch der Export. Ergebnis: Wirtschaftskrise.

Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 - 2008 mit Trendlinie
Der Einzelhandelsumsatz in Deutschland spiegelt die verschlechterten Lebensbedingngen des durchschnittlichen Deutschen in der letzten Zeit wieder. Mit Schwankungen sinkt er unaufhaltsam seit 2006. Wer soll all die produzierten Güter kaufen, wenn die Leute schon am Nötigsten sparen müssen?

Was da hauptsächlich daran gedreht hat, war die Agenda 2010 von SPD und Grünen, die auch von CDU/CSU und FDP begeistert gefeiert wurde, die massiv die Löhne gedrückt und die Kaufkraft verringert hat und anschließend die große Koalition, die dem Inlandsmarkt den Todesstoss versetzt hat. Alles Geld wurde von Schröders und Fischers Gnaden und dann von Merkels und Steinmeiers Gnaden zu den Superreichen geschaufelt, während der reale Lohn (Lohn pro Arbeitnehmer minus Inflation) Jahr für Jahr in den Keller ging. Die Deutschen haben einfach nicht mehr das Geld, all die produzierten Güter zu kaufen.

Wirtschaftswachstum der Länder im 2. Quartal 2008 gegen Vorquartal
Einbrüche im Brutto-Inlandsprodukt (BIP) im 2.Quartal 2008 gegenüber dem Vorquartal: Deutschland zusammen mit Japan, Italien, Frankreich und der Kern-EU der 15 damals schon in den Negativen

Die Superreichen zockten mit all dem Geld, das ihnen da zukam und steckten die Gewinne ein. Die Verluste ließen sie nun bei den Banken, die wiederum von uns, den Steuerzahlern, aufgefangen werden. Eigentlich hätte diese Krise daher schon früher ausbrechen müssen, doch es gab eine Verzögerung, weil der Export noch boomte – bis ins Jahr 2008 hinein. Dafür wird es nun um so katastrophaler.

Welt: Wirtschaftswachstum 3/08 gegen Vorquartal
Hier also die aktuellste Statistik zum 3.Quartal 2008: Deutschland verlor weitere 0,5% der wirtschaftlichen Aktivität und ist damit offiziell in der Wirtschaftskrise

Hier einige Auszüge aus einem der meist gelesensten Artikel im Blog Karl Weiss – Journalismus vom 1. Dezember 2006 (!): „Die Wirtschaftskrise in Deutschland wird fürchterlich“.

Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen
Hier die entlarvende Statistik über die Vorgeschichte der Krise in Deutschland: Die Nettolöhne je Arbeitnehmer (und der Konsum) bleiben vom 4. Quartal 2000 bis zum 4.Quartal 2004 praktisch unverändert, während die Produktiviät seit etwa dem 2.Quartal 2002 beständig steigt und die Unternehmens- und Vermögensgewinne zuerst zusammen mit der Produktivität, dann ab dem 3. Quartal 2003 explosionsartig ansteigen. Die Nettolöhne je Arbeitnehmer beginnen haargenau ab dem 1. Quartal 2005 mit ihrer Talfahrt, das war der Zeitpunkt der Einführung von Hartz IV.

„Speziell für Deutschland allerdings wird das Ganze zum Desaster werden. Das Wachstum ist sowieso schon spärlich, ...)“

„Doch damit nicht genug: Der deutsche Binnenmarkt gibt überhaupt nichts her. Kein Wunder, es hat in der deutschen inflationsbereinigten Lohnsumme seit 1991 nur negative Zahlen gegeben, also ständige reale Kaufkraftverluste. Die Renten, das Arbeitslosengeld, alles wurde zusammengestrichen. Die Massen haben kein Geld zu kaufen und damit die Krise zu verringern.“

„Aber auch das ist noch nicht alles: In ihrer unendlichen Weisheit hat die Bundesregierung genau für den Moment, in dem sich dies zuspitzt, zum 1. Januar 2007, die Mehrwertsteuererhöhung von drei Prozentpunkten beschlossen. Das ist die größte Steuererhöhung der Geschichte der Bundesrepublik mit fast 20 % Erhöhung. Dies wird nach Experteneinschätzungen etwa zwischen 1 und 3% bezogen auf die ganze Wirtschaft ausmachen, sagen wir 2%. [Bezogen auf Einbruch der Kaufkraft]“

Deutschland 2000 bis 2008: Veränderung Konsum privater Haushalte mit Trendlinie
Der Konsum privater Haushalte bewegt sich in Deutschland seit 2000 in etwa um das Nullwachstum herum, mit einem deutlichen Trend nach unten. Dem scharfen Einbruch im 1. Quartal 2007 wegen der Mehrwertsteuererhöhung folgt zwar für ein Quartal eine gewisse Erholung, aber seit dem 3. Quartal 2007 geht es deutlich und unaufhaltsam bergab.

Ein Kommentator der „Financial Times Deutschland“ meint unter dem Titel „Das ist Ihre Rezession, Frau Merkel!“ zur aktuellen Situation:

Meseberg-Tagung Bundesregierung

„Das Drama ist, dass die Krise jetzt erst beginnt [gemeint ist: offiziell] - und die Bundesregierung bislang noch nicht realisiert zu haben scheint, was es für Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Staatsfinanzen bedeutet, wenn die Abwärtsspirale einmal in Gang ist. Es wäre dringend an der Zeit, die Fehler einzugestehen und daraus die Konsequenzen zu ziehen: mit dem Auflegen eines wirklich spektakulären Konjunkturprogramms und erhöhter Überzeugungsarbeit bei Europas und vor allem Deutschlands Notenbankern. Aus Merkels Aufschwung wird jetzt Merkels Rezession.”

Der Kommentator hat allerdings vergessen: Auch unter Schröder wurde die Kaufkraft bereits massiv abgebaut. Frau Merkel ist also keineswegs Alleintäterin.

Schröder

In verschiedenen Artikeln und Meldungen der bürgerlichen Medien fällt auf, man „vergisst“ zu erwähnen, dies bezieht sich auf Dinge bis zum September. Statt dessen wird davon gesprochen, die Finanzkrise der USA habe nun auch die Realwirtschaft in Deutschland getroffen usw.

Ebenso wird in der Regel von mangelnden Investitionen und ähnlichem gesprochen. Doch höhere Investitionen hätten jetzt eine noch höhere Notwendigkeit der Vernichtung von Kapital hervorgebracht. Die wirkliche Ursache der Wirtschaftskrise, die Massen (in und außerhalb Deutschlands) können nicht mehr alles kaufen, was produziert wird, erwähnt niemand.

Kein Wunder, sonst müsste man ja zugeben: Marx hat Recht.

Karl Marx

So sei denn auch hier mit einem weiteren Zitat aus jenem Artikel vom 1. Dezember 2006 geendet:

„Aber so wie alles seine zwei Seiten hat, wird auch dies seine gute Seite zeigen.

Weit mehr Bundesbürger werden nun endgültig sehen: Der Kapitalismus hat keine Zukunft für sie und ihre Kinder. Ein System, das nur unermeßlichen Reichtum für eine winzige Minderheit und Arbeitslosigkeit, Krisen, Hunger, Not, Elend, Kriminalität, Krieg und Gewalt produzieren kann, muß weg! (...) Die Zeiten, als kaum einer den Kampf für nötig hielt, werden bald definitiv vorbei sein. Lebhafte, revolutionäre Zeiten stehen an!“


Veröffentlicht am 14. November 2008 in der Berliner Umschau

Montag, 10. November 2008

Steuermilliarden für Automobilkonzerne

Gewählter US-Präsident Obama kündigt Stützungspaket für Großindustrie an

Von Karl Weiss

Mit dem Abstand von nur zwei Tagen haben die US-Autokonzerne jetzt 50 Mrd. Dollar als „freundliche Unterstützung“ vom Steuerzahler angefordert und hat der gewählte Präsident Obama ein Riesen-Hilfspaket für eben diese Autokonzerne angekündigt. Er spricht vorerst „nur“ von 25 Mrd. Dollar. Kaum je wurde so deutlich: Nicht die Regierung hat das Sagen, sondern die Herren der Riesen-Konzerne.

Barack Obama

General Motors (GM), Ford und Chrysler haben im ersten Halbjahr 08 insgesamt 28,6 Mrd. Dollar an Verlusten eingefahren. Es ist klar: Für das zweite Halbjahr wird das noch deutlich mehr sein. Die Einbrüche im Auto-Umsatz (in Dollar, nicht in Stück) legen im Bereich von 30 bis 40 % Monat für Monat. Wer Angst hat, entlassen zu werden, wird sich nicht bis zum Hals verschulden für ein neues Auto. Ford hat sich auch der Forderung der europäischen Autoindustrie nach 40 Milliarden Euro angeschlossen.

Hatte man bisher die Linie gefahren, alle Verluste so weit wie möglich zu verstecken, um einem weiteren Absturz der Aktienkurse zu verhindern, hat man nun die umgekehrte Strategie eingeschlagen: Die Situation der Automobilindustrie wird in den schwärzesten Farben gemalt, Verluste tauchen aus allen Ecken auf und man tut sogar etwas, was eigentlich kein Manager tun darf, der noch bei Trost ist: Den Bankrott ankündigen. Ein Sprecher von GM liess verlauten, Anfang 2009 (also wenn Obama ins Amt eingeführt wird) würde man wohl die Rechnungen nicht mehr bezahlen können.

Die Drohung mit dem Konkurs wird denn auch noch untermauert: Der deutsche Kreditversicherer Euler Hermes hat laut WDR den Versicherungsschutz für Kreditrisken von Opel- (GM) oder Ford-Zulieferern aufgehoben. Im Klartext: Nicht nur die eigentliche Autoindustrie, sondern auch die Teile-Zulieferer stehen bereits auf den Listen der Konkursverdächtigen. Nur mit einem grossen Unterschied: Mit wenigen Ausnahmen sind diese Unternehmen keine Monopolkonzerne, d.h. sie gehören nicht zur herrschenden Klasse und können daher auch nicht Gelder vom Steuerzahler einfordern. Für sie wird die Frage der Zahlungsunfähigkeit oft zur Realität werden.

Um die Grössenordnungen deutlich zu machen: Um die 80 bis 90% der Teile für ein Auto werden heute in der Zulieferer-Industrie hergestellt. Selbst die Metallbearbeitung des Motorblocks und das Pressen der Karosserieteile, die man bisher noch fast immer im eigenen Haus erledigte, wird jetzt bereits vermehrt in die Autoteile-Industrie ausgelagert. Im eigentlichen Automobilwerk wird praktisch nur noch zusammengesetzt und lackiert. Glatte 80% oder mehr der Arbeitsplätze, die direkt mit Teilen eines neuen Autos zu tun haben, sind in der Zuliefererindustrie. Das Arbeitsplatzargument ist also vorgeschoben.

Demgegenüber sind GM und Ford inbankrottabel: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein solcher Konzern pleite. Uns wird das natürlich mit dem Argument des „Rettens der Arbeitsplätze“ verkauft. Allerdings könnte man mit solchen Summen das doppelte an Arbeitsplätzen schaffen.

Wenn diese Konzerne 50 Mrd. Dollar brauchen, fordern sie das Geld eben an. Wenn sie 500 Mrd. Dollar brauchen, ebenso. Für sie ist es völlig egal, ob der Staat das vernünftigerweise überhaupt aufbringen kann, ob die so gemachten Schulden der Bevölkerung eines Landes nicht Bürden auferlegen, die untragbar sind. Wenn der Staats-Haushalt zu immer grösseren Teilen zu einem Schulden-Haushalt wird, ist das für sie schnurzpiep-egal.

Obama hat denn auch pflichstschuldig gleich ein Hilfspaket angekündigt. Allerdings spricht er davon, das sei für die Entwicklung umweltfreundlicher Autos vorgesehen. Wie er denn überprüfen will, wie das verwendet wird, hat er nicht erklärt. Man kann wetten, das Paket für die Auto-Giganten wird genausowenig wie das für die Banken an ernst zu nehmende Bedingungen geknüpft werden. Wie wir inzwischen wissen, haben Banken und Versicherungen, die mit Staatsgeldern gerettet wurden, nicht nur das Luxusleben ihrer Manager weiterhin bezahlt, sondern auch weiterhin hohe Boni für ihre Spitzenleute gezahlt und zum Teil Dividenden an Aktionäre ausgeschüttet.

Die Automobil-Riesen haben denn auch bereits eine parallele Argumentationskette angeworfen: Da gebe es hohe Kosten für die Firmen-Krankenversicherung und für die Pensionszusagen für jene, die sich zur Ruhe setzen. Für diese Zwecke, so wurde schon angekündigt, brauche man auch Geld, denn das seien Kosten.

Nun, es gibt in den USA keine gesetzlichen Krankenversicherungen. Entweder man versichert sich privat oder man hat eine Krankenversicherung vom Unternehmen, in das man natürlich genauso einzahlen muss wie wir hier in Deutschland in die Krankenkassen. Dies als Kosten für das Unternehmen zu bezeichnen, ist ein wenig verwegen. Ähnlich ist es mit den Pensionszusagen, die bei den Grosskonzernen üblich sind – es gibt ja auch keine staatliche Rentenversicherung in den USA. Auch für diese Zusagen muss natürlich eingezahlt werden. Soweit die Konzerne da Zuschüsse geben, sind das ebenfalls keine Kosten. Dafür hat man nämlich weniger Lohnerhöhungen gegeben. Ausserdem steht dem Unternehmen die ganze Zeit bis zur Pensionierung das eingezahlte Geld zur Verfügung, um damit Zinsen und Zinseszinsen einzustecken. In der Regel ist die Pensionskasse ein einträgliches Geschäft für ein Gross-Unternehmen – wenn man sich nicht verzockt hat.

Was die Unternehmen der Autoindustrie (und wohl auch die anderen Monopolkonzerne) anstreben, dürfte die vollständige oder teilweise Übernahme der Krankheitskosten und der Pensionen der älteren Beschäftigten nach ihrer Pensionierung durch den Staat sein, sprich den Steuerzahler. Kurz: es gibt keinerlei Limitierungen mehr für den Rausch des Raffens dieser Leute: Gibt der Finanzmarkt nicht mehr die dicken Grundgehälter und Millionen-Boni und die Milliarden von Dividendenzahlungen her, dann muss eben der Steuerzahler herhalten.

Und – wie gesagt: Die Bürde der Schulden – schnurzpiep!


Veröffentlicht am 10. November 2008 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 5. November 2008

Können Sie das glauben?

Da bleibt selbst dem schärfsten Kritiker des Kapitalismus der Mund offen

Von Karl Weiss

Der Berichterstatter hatte so eine Ahnung, dass Banken, die von den Milliarden-Paketen aus Steuergeldern gerettet wurden, dann auch noch Dividenden an ihre Aktionäre auszahlen. Aber im Gespräch mit einem äußerst glaubwürdigen Herrn ließ er sich überzeugen: Selbstverständlich wird jeder Bank, der ‚unter die Arme gegriffen wird‘ auferlegt, keine Dividende für dieses Jahr zu zahlen, eventuell sogar noch fürs nächste Jahr. Er erklärte mir: „Würden die auch noch Dividenden zahlen, dann würde das ja alle Grenzen der Zivilisiertheit und des Mindest-Anstands übertreten und der Kapitalismus hätte ausgedient, denn niemand würde das noch zusätzlich zu allem anderen akzeptieren.“

Der Rettungs-Plan

Nun, Zivilisiertheit und Anstand gibt es nicht mehr – der Kapitalismus hat ausgedient. US-Banken, die Gelder aus dem „bail out“-Fond erhalten haben, haben Dividenden angekündigt, die gleich hoch sein sollen wie im letzten Jahr. Es wird also Steuerzahlergeld direkt an Aktionäre weitergereicht.

Der Berichterstatter hatte sich von den glaubwürdigen Herrn leicht überreden lassen, denn es ist wirklich zu unglaubwürdig. Selbst als scharfer Kritiker des Kapitalismus bleibt einem bei so viel rotzfrecher Unverschämtheit der Mund offen stehen. US-Kongressabgeordnete haben erklärt, damit sei das Rettungspaket `ad absurdum` geführt. Nun wurde auch noch bekannt: Der US-Finanzminister Paulsen hatte den Banken lediglich auferlegt, nicht mehr Dividende als im letzten Jahr auszuzahlen. Kein Wunder, Paulsen war selbst Spitzenmanager einer großen Investmentbank.

Sind die noch bei Trost?

Das muss man sich wirklich langsam auf der Zunge zergehen lassen. Da sind sogar Banken dabei, die insgesamt an ihre Aktionäre mehr auszahlen werden als sie als Hilfe vom Staat erhalten haben. Zum Beispiel die `Bank of New York Mellon`, der 3 Milliarden Dollar aus dem Rettungspaket in den Schlund gestopft worden waren, kündigte eine Dividendenzahlung an, die sie insgesamt 3,3 Milliarden Dollar kosten wird.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Gleichzeitig kommt auch aus Grossbritannien eine ähnliche Nachricht: Die `Royal Bank of Scotland` (RBS), die nur mit Millarden von Steuerzahlergeldern überlebte, hat eben bekanntgegeben, sie werde an ihre Manager insgesamt 1,79 Milliarden englische Pfund ausschütten, als Boni für gute Leistungen (nachdem eben diese selben Manager die Bank in den Abgrund geführt haben). Das sind grössenordnungsmässig 3,2 Milliarden Euro. Der Sprecher des Finanzministeriums ihrer Majestät, Vince Cable, nannte das gegenüber dem `Guardian`: „Die machen die Regierung zu Trotteln!“

Als drittes kam einen Tag später die Notiz im `Wall Street Journal` aus den USA, auch dort werden hohe Angestellte von mehreren Finanzinstituten, die Staatsknete bekommen haben, extrem hohe Summen von Geld als Gehälter und für ihre Altersabsicherung bekommen. Der Umfang beläuft sich auf insgesamt 40 Millarden Dollar, laut einer anderen Meldung sogar 70 Milliarden Dollar.

Um allem noch die Krone aufzusetzen, geben die Banken, auch nachdem sie die Staatsgelder erhalten haben, weiterhin keine Kredite zu normalen Bedingungen. Sie sitzen vielmehr auf dem geschenkten Geld und warten eine günstige Gelegenheit ab, kleinere Konkurrenten zu kaufen. Die New York Times berichtet, ein führender Manager der JP Morgan Chase habe eine solche Strategie vorgegeben. Und uns wurde das Paket – so wie in allen Ländern – unter dem Vorwand „verkauft“, man müsse die Banken retten, denn sonst gäbe niemand mehr Kredit.

Und da liegen sie nun unter ihren Schreibtischen vor Lachen über uns leichtgläubige Trottel: „Hahaha! Und die haben das noch gelaubt! Hahaha!“

Wie lange wollen wir uns noch vom Kapitalismus zu Trotteln machen lassen?


Veröffentlicht am 4. November 2008 in der Berliner Umschau


Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

"Hellseherei? Die Wirtschaftskrise"

"General Motors könnte pleite gehen"

"Fannie und Freddie in der Bredouille"

"Drei EU-Länder sind bereits in der Wirtschaftskrise"

"Wirtschaftskrise in den USA"

"Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise"

"Banken gerettet – Staaat pleite?"

"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

"Verdienen deutsche Banken Vertrauen?"

Sonntag, 2. November 2008

Zwei Gedichte

“Die freie Wirtschaft” und “Höhere Finanzmathematik“


Gefunden von Karl Weiss


In diesen Tagen der Finanzkrise, der zusammenbrechenden Banken und ihrer wundersamen Wiederauferstehung von Steuerzahlers Gnaden, gibt es, wie zu erwarten war, auch Talente, die sich die Mühe machen, das Ganze in Versform zu fassen.

Hier der Text zweier Gedichte zum Thema:

Die freie Wirtschaft

Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen.
Ihr sollt auf euern Direktor vertrauen.
Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen.
Ihr sollt alles Weitere dem Chef überlassen.
Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein,
wir wollen freie Wirtschaftler sein!
Fort die Gruppen - sei unser Panier!
Na, ihr nicht.
Aber wir.

Ihr braucht keine Heime für eure Lungen,
keine Renten und keine Versicherungen.
Ihr solltet euch allesamt was schämen,
von dem armen Staat noch Geld zu nehmen!
Ihr sollt nicht mehr zusammenstehn -
wollt ihr wohl auseinandergehn!
Keine Kartelle in unserm Revier!
Ihr nicht.
Aber wir.

Wir bilden bis in die weiteste Ferne
Trusts, Kartelle, Verbände, Konzerne.
Wir stehen neben den Hochofenflammen
in Interessengemeinschaften fest zusammen.
Wir diktieren die Preise und die Verträge -
kein Schutzgesetz sei uns im Wege.
Gut organisiert sitzen wir hier ...
Ihr nicht.
Aber wir.

Was ihr macht, ist Marxismus. Nieder damit!
Wir erobern die Macht, Schritt für Schritt.
Niemand stört uns. In guter Ruh
sehn Regierungssozialisten zu.
Wir wollen euch einzeln. An die Gewehre!
Das ist die neuste Wirtschaftslehre.
Die Forderung ist noch nicht verkündet,
die ein deutscher Professor uns nicht begründet.
In Betrieben wirken für unsere Idee
die Offiziere der alten Armee,
die Stahlhelmleute, Hitlergarden ...
Ihr, in Kellern und in Mansarden,
merkt ihr nicht, was mit euch gespielt wird?
Mit wessen Schweiß der Gewinn erzielt wird?
Komme, was da kommen mag.
Es kommt der Tag,
da ruft der Arbeitspionier:
"Ihr nicht.
Aber Wir. Wir. Wir."



Höhere Finanzmathematik

Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.
Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen - echt famos!
Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.
Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.
Trifft's hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken -
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!
Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.
Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.
Für die Zechen dieser Frechen
hat der kleine Mann zu blechen
und - das ist das Feine ja -
nicht nur in Amerika!
Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen -
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.
Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht.

Freitag, 31. Oktober 2008

Verdienen Deutsche Banken Vertrauen?

Wer hat die wahnwitzigsten Räder gedreht?

Von Karl Weiss

Deutschland rauscht in diesem Moment in eine tiefe Wirtschaftskrise, wahrscheinlich die tiefste, die es je gab, seit es ein Land gibt, das Deutschland heißt. Da wird man aktive Banken brauchen, die billige Kredite bereitstellen, damit wenigstens ein Teil der Unternehmen überleben kann. Doch die Deutschen Banken geben als Folge der Finanzkrise keinerlei Unternehmenskredite zu normalen Bedingungen. Eine hohe Prozentzahl der Bundesbürger ist für die Verstaatlichung der Banken. Ackermann beklagt eine Krise des Vertrauens in die Banken. Verdienen die Deutschen Banken Vertrauen?

Will man diese Frage beantworten, muss man zunächst einmal auf deren Aktienkurse sehen. Dort wird ihr Wert ja von den „Marktteilnehmern“ bewertet, die es eigentlich wissen müssten. Nun, alle großen deutschen Banken haben so um die 80% ihres Wertes seit Juli verloren (Deutsche Bank: 84%, Commerzbank: 80%, Postbank: 78 %, die Dresdner Bank hat keinen Aktienkurs mehr, aber die Mutter Allianz hat ebenso viel verloren). Aber es könnte ja sein, die Marktteilnehmer wissen einfach nicht Bescheid. Könnten die Banken nicht trotzdem die Retter der Nation sein?

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Wenden wir uns also der Frage zu, ob diese Banken sich in übertriebener Weise der großen Hebel bedient haben. Hierzu muss man wissen: Unter Hebel versteht man riesengrosse Finanzräder zu drehen, wenn das Eigenkapital im Vergleich dazu verschwindend klein ist. Jeder benutzt natürlich Hebel (das wird im Verhältnis zwischen Eigenkapital und Bilanzsumme gemessen), aber es wird äußerst bedenklich, wenn dahinter nur noch 1 oder 2% an Eigenkapital stehen.

Sehen wir zum Beispiel wichtige internationale US-Banken wie die Bank of America, Wachovia oder Wells Fargo: Die haben etwa 8% Ihrer Bilanzsumme an Eigenkapital und können sich darüber streiten, wer pleite gegangene Banken aufkaufen darf.

Sehen wir als nächstes auf die beiden US-Grossbanken J.P.Morgan und Citigroup und die englische HSBC-Bank: Sie weisen etwa 5% ihrer Bilanzsumme als Eigenkapital auf. Da gibt es schon bestimmte Risiken, man hat bereits ein grosses Rad gedreht.

Der Rettungs-Plan

Als nächste Kategorie gehen wir zu den Banken, die etwa 3% ihrer Bilanzsumme als Eigenkapital aufweisen können. Das ist schon kritisch, das Rad kann zu gross gewesen sein. Hierzu zählen die US-Investmentbanken Goldmann Sachs , Morgan Stanley, Lehmann Brothers, die Belgisch-Holländische Gruppe Fortis sowie die BNP. Wie alle schon wissen, ist Lehman Brothers Pleite, Fortis musste mit Riesensummen Geld zum Verkauf in Bruchstücken fit gemacht werden und die BNP wird wohl grössere Mengen an Staatsgeldern brauchen.

Schliesslich kommen wir zu der Gruppe von Banken, die völlig absurde Hebel verwendet haben und das Geld der Anleger in extreme Gefahr gebracht. Sie haben nur etwa 2% oder weniger ihrer „Räder“ (Bilanzsumme) mit Eigenkapital abgesichert, da ist alles drin. Hierzu gehören die Commerzbank, die Postbank, die ING (die bereits Staatsgelder in Anspruch genommen hat) und mit deutlich unter 2% als Spitzenreiter unserer kleinen Liste die Deutsche Bank.

Woher, glaubt Ackermann, kann er unter diesen Umständen Vertrauen erwarten?

Schliesslich fragen wir die entscheidende Frage: Sind die Deutschen Banken, nachdem ihnen das Überleben mit Steuergeldern abgesichert wurde, dazu übergegangen, wieder Kredite zu normalen Bedingungen an Unternehmen zu geben? Die Antwort ist Nein.

Wer im Moment in seinem Unternehmen nicht genug Cash hat und auf Kredite angewiesen ist, ist arm dran. Entweder er nimmt Kredite zu Wucherbedingungen auf und wird wohl Pleite gehen, sobald ihn der Absatzeinbruch erwischt, oder er geht jetzt schon pleite, weil er Rechnungen nicht zahlen kann.

Die Banken sitzen auf Riesenmengen von Euro. Sie legen sie als Tagesgelder zu niedrigen Zinsen bei der Europäischen Zentralbank an, statt Kredite zu vergeben.

Der Grund also, der uns genannt wurde, warum man mit 500 Milliarden Euro die Banken retten muss, weil es sonst nämlich niemand mehr gäbe, der Kredit vergibt, ist vorgeschoben. Es gibt überhaupt keinen Kredit zu normalen Bedingungen!

Der wirkliche Grund des Milliardenpakets ist: Die Banken haben ihre Lakaien in den Parteien einfach angewiesen, ihnen dies Geld bereitzustellen. Sie haben nämlich das Sagen.


Veröffentlicht am 31. Oktober 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

"Hellseherei? Die Wirtschaftskrise"

"General Motors könnte pleite gehen"

"Fannie und Freddie in der Bredouille"

"Drei EU-Länder sind bereits in der Wirtschaftskrise"

"Wirtschaftskrise in den USA"

"Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise"

"Banken gerettet – Staaat pleite?"

"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

"Können Sie das glauben?"

Dienstag, 28. Oktober 2008

Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken

Spielen sich hier des Verbrechens Schuldige als Verfolger des Verbrechens auf?

Von Karl Weiss

Die bürgerlichen Medien wollen uns über die Krise folgendes weismachen: „Alles bezog sich auf zu freigiebig vergebene Hypotheken-Darlehen in den USA. Dies ist nun eingedämmt mit den umfangreichen Banken-Rettungspaketen in den meisten Industrieländern. Eventuell kommt noch der eine oder andere kleinere zusätzliche Ausgleichsbedarf, doch im wesentlichen ist die Finanzkrise ausgestanden. Jetzt hat man sich auf die Krise der realen Wirtschaft zu konzentrieren, die aber auch sicherlich in ein, zwei Jahren bereinigt ist.“ Dies ist aber wahrscheinlich nichts als Pfeifen im dunklen Wald.


Stimmen, die schon lange vor dieser Krise gewarnt hatten, zeichnen ein ganz anderes Bild. So schreibt zum Beispiel Joachim Jahnke, ehemaliger Vizepräsident der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ in London (Hier ist sein Infoportal: http://www.jjahnke.net/index.html , extrem interessant für jemand, der an Wirtschaftsinformationen interessiert ist): „Die miesen Unternehmensbonds sind ein weiteres Problem neben den miesen Hypothekenpapieren und den ebenfalls miesen Kreditkartenpapieren und den Credit Default Swaps von über 50 Billionen Dollar und der Möglichkeit der Pleite eines oder mehrerer großer Hedgefonds. Gegen keines dieser Risiken haben die Regierungen ein direktes Gegengift, und die Überlebensgarantie für die Banken hilft gegen die meisten dieser gigantischen Risiken sehr wenig.“


Das muss man sich ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen: Er spricht von weiteren riesigen Paketen von „faulen“ Papieren und von Riesen-Pleiten, die viel Anderes mitreißen werden:
  • 1. Die „faulen“ Hypothekenpapiere, die bereits zum großen Teil geortet sind (nach offizieller Version), wenn auch niemand bis heute deren tatsächlichen Umfang kennt. Dass die Banken nach den Rettungspaketen nicht wieder damit begonnen haben, Kredite, z.B. für Unternehmen, unter normalen Bedingungen zu geben, weder in den USA noch in Europa, sondern ihr Geld stattdessen bei den Zentralbanken zu niedrigen Zinsen anlegen, zeigt klar: Da wird noch weit mehr erwartet. Charakteristisch: Die Regierungen sind nicht in der Lage , von den Banken zu verlangen, nach der Entgegennahme von Millarden wieder Kredite zu normalen Bedingungen zu vergeben. Wiederum wird deutlich, wer das Sagen hat.
Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen
Hier die entlarvende Statistik über die Vorgeschichte der Krise in Deutschland: Die Nettolöhne je Arbeitnehmer (und der Konsum) bleiben vom 4. Quartal 2000 bis zum 4.Quartal 2004 praktisch unverändert, während die Produktiviät seit etwa dem 2.Quartal 2002 beständig steigt und die Unternehmens- und Vermögensgewinne zuerst zusammen mit der Produktivität, dann ab dem 3. Quartal 2003 explosionsartig ansteigen. Die Nettolöhne je Arbeitnehmer beginnen haargenau ab dem 1. Quartal 2005 mit ihrer Talfahrt, das war der Zeitpunkt der Einführung von Hartz IV.
  • 2. „Die miesen Unternehmensbonds“, das sind verschiedene Arten von Schuldverschreibungen von Grossunternehmen, die normalerweise von diesen als eine Art der Kapitalisierung genutzt werden. Werden sie fällig, muss das Unternehmen den Wert plus die Zinsen „bedienen“. Wird davon gleichzeitig sehr viel fällig, während zur gleichen Zeit der Absatz einbricht (siehe Einzelhandel, siehe Automobilindustrie) und die Banken keine Kredite an Unternehmen vergeben (jedenfalls nicht zu vernünftigen Bedingungen – jetzige Situation), kann damit ein Gross-Bankrott verursacht werden – oder eben auch mehrere, wenn das bei mehreren Firmen passiert. Die nicht bedienten Unternehmensbonds sind dann, wie die Hypotheken-bezogenen Papiere, „toxic waste“ (Giftmüll). Alle Finanzmarkttitel, die mit solchen Bonds abgesichert wurden, werden dann ebenfalls faul. Wer hätte auch gedacht, ein mit GM-Bonds abgesichertes Papier könne plötzlich nichts mehr wert sein.
Deutschland 2000 bis 2008: Veränderung Konsum privater Haushalte mit Trendlinie
Der Konsum privater Haushalte bewegt sich in Deutschland seit 2000 in etwa um das Nullwachstum herum, mit einem deutlichen Trend nach unten. Dem scharfen Einbruch im 1. Quartal 2007 wegen der Mehrwertsteuererhöhung folgt zwar für ein Quartal eine gewisse Erholung, aber seit dem 3. Quartal 2007 geht es deutlich und unaufhaltsam bergab.
  • 3. Die miesen Kreditkartenpapiere, ein anderer Fall. Man hat über Kreditkarten riesige Kreditlinien aufgemacht, die nun, da viele ihr Arbeit verlieren, da viele ihr Häuschen verlieren, nicht mehr bezahlt werden können. Auch darauf bezogen sich wiederum Finanzmarkttitel, die noch nicht einmal als besonders kritisch angesehen wurden, denn die Zahl der Arbeitslosen war nach unten gerechnet worden. In einer tiefen Wirtschaftskrise können diese Titel aber ebenso zu `Giftmüll` werden und wer da Geld angelegt hat, verliert es. Das kann sich auf Banken beziehen oder auf Staaten oder auch auf Unternehmen, die dann wiederum dringende Kapitalisierungsprobleme haben, während ihr Aktien gleichzeitig im Keller sind (und daher auch keine Aktien ausgegeben werden können) – und die Banken, wie schon gesagt, geben keine Kredite zu normalen Bedingungen.
Deutschland: 2. Quartal 2008 gegen 2.Quartal 2007 BIP Lohn Konsum Vermögen
Hier jetzt die aktuelle Situation unmittelbar vor dem Ausbruch der Finanzmarktkrise, als die Regierung noch von einem "Aufschwung" sprach. Nettolöhne je Arbeitnehmer (und damit Konsum) nehmen im Jahresvergleich deutlich ab, das BIP hatte noch ein Wachstum von 1,7% (basiert auf den Exporten, die erst ab August einbrachen), während die Unternehmens- und Vermögenseinkommen um 7,8% im Jahresvergleich ansteigen. Wer soll die mit der Arbeitsproduktivität steigende (1,6%) Produktion kaufen?
  • 4. „Credit Default Swaps von über 50 Billionen Dollar“, das sei erst gar nicht erklärt, aber auch das sind Finanzmarkttitel, die sich auf irgendwelche Arten von Krediten beziehen, die jetzt platzen (und bisher noch nicht berücksichtigt wurden).
Welt: Vergleich der mittleren Veränderung in den Jahren 95 bis 05 des unteren Fünftel der Einkommenspyramide
Die Verringerung des Hauhaltseinkommens und Konsum in Deutschland ist aber nicht nur eine Erscheinung der letzten drei Jahre. Bereits in den Jahren 1995 bis 2005 hatte das untere Fünftel (die unteren 20%) der Einkommenspyramide einen jährlichen Verlust zu verzeichnen (0,3% jährlich), ebenso wie in den USA, während die anderen grossen EU-Länder Grossbritannien, Frankreich und Italien noch jährliche Zuwachsraten auch bei den Ärmeren hatten.
  • 5. Schliesslich die Hedge Fonds: Viele wurden schon entlassen von Hedge Fonds, etwa 40 kleine schlossen bereits, aber es wird erwartet, dass auch ein oder mehrere grosse auf einer Menge von Giftmüll sitzen könnten und in diesem Moment versuchen, diesen loszuwerden, was aber ausserst schwierig ist, denn alle sind äusserst aufmerksam geworden bei Finanzmarkttiteln. Ob die Staaten wirklich so tollkühn sein werden, auch Hedge Fonds zu stützen, sei dahingestellt. Die großen ziehen aber genauso viel mit sich wie eine grosse Bank. Und: Auf jeden Fall können eben auch Staaten bankrott gehen. Fragen Sie mal in Island nach. Der nächste Kandidat: Ungarn. Danach stehen weitere an: Argentinien, Ukraine.
Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 - 2008 mit Trendlinie
Auch der Einzelhandelsumsatz in Deutschland spiegelt die verschlechterten Lebensbedingngen des durchschnittlichen Deutschen in der letzten Zeit wieder. Mit Schwankungen sinkt er unaufhaltsam seit 2006. Wer soll all die produzierten Güter kaufen, wenn die Leute schon am Nötigsten sparen müssen?

Wie konnte es denn nun zu all dem kommen? Die Thesen von Jahnke hierzu sind verständlich und haben viel für sich. Er zeichnet in etwa folgendes Bild:


Schritt 1:


Im Zuge der (neo-)liberalen Reformen wurden im globalen Masstab weitgehende Aktionen der „Deregulierung“ getroffen. Jegliche Kontrolle von Unternehmen, von Banken, jegliche übernationale Kontroll-Instanzen (ausserhalb con IWF und Weltbank, die ja die wesentlichen Verbreiter der Deregulierung über alle Länder waren) werden als „marktfeindlich“ verschrieen und konsequent abgelehnt. Im Gefolge wurden einer nach dem anderen, immer neue und kompliziertere Finanzmarkttitel geschaffen, die selbst von Experten nicht mehr durchschaut werden können. Wie es der Kapitalismus will, sind es genau diese Titel, die weit überhöhte Renditen versprechen. Während in der Realwirtschaft 10% Rendite auf Kapitaleinsatz bereits ein hervorragender Wert ist, konnte man auf der Basis jener Titel 25% Netto aufs Kapital erreichen. Woher diese Werte denn nun eigentlich kamen, da sie ja durch nichts in der Realwirtschaft gestützt waren, ist natürlich naheliegend: Aus der Luft. Und so mussten dann die Blasen aus Luft auch platzen. Hätte jemand seinen gesunden Menschenverstand gebraucht, wäre das sowieso klar gewesen.

Börsenkurse in der Krise: Dow, Dax und Nikkei von August 2008 bis Oktober 2008
Ausdruck der Finanzkrise: Die wichtigen Börsenbarometer Dow (US, oben), Dax (D, mitte) und Nikkei (Japan, unten) fielen in 3,5 Monaten auf etwa die Hälfte.

Schritt 2:


Es wurden in holder Eintracht überall die Reallöhne abgebaut, die prekären Arbeitsverhältnisse geschaffen, die Arbeitszeiten verlängert bei gleichem oder sogar weniger Lohn, Ein-Euro-Jobs geschaffen, viele Arbeitsplätze in Zeitarbeitsfirmen ausgelagert usw. All das führte zu einem Fall der Reallöhne praktisch weltweit. Gleichzeitig wurden die Arbeitshetze gesteigert und die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Dadurch wurde die Produktivivität gesteigert und die Einnahmen aus Kapital und Vermögen stiegen und stiegen bei gleichzeitigem Reallohnabbau.

Welt: Ansteig des Gini-Indexes von 1995 bs 2005 in verschiedenen Ländern
Der Gini-Index ist ein Mass für die Ungleichverteilng des Einkommens in einem Land. O ist völlig gleich, 1 ist absolut ungleich. Deutschland legte bereits im Zeitraum 1995 bis 2005 deutlich in diesem Index zu, d.h. es erhöhte sich die Ungleichverteilung der Einkommen. Auch in diesem Fall unterscheidet sich Deutschland darin deutlich von den anderen drei grossen EU-Ländern Grossbritannien, Frankreich und Italien, so wie auch von Japan, geht aber im Gleichschritt mit den USA.

Schritt 3:


Die Folge: Riesige Kapitalmengen der Superreichen und Firmen und Banken schwirrten um die Welt und suchten rentable Anlagen. Gleichzeitig konnte die Masse der Bevölkerung immer weniger kaufen.

Wirtschaftswachstum der Länder im 2. Quartal 2008 gegen Vorquartal
Einbrüche im Brutto-Inlandsprodukt (BIP) im 2.Quartal 2008 gegenüber dem Vorquartal: Deutschland zusammen mit Japan, Italien, Frankreich und der Kern-EU der 15 schon in den Negativen

Schritt 4:

Es gab einen Weg, diese zwei Erscheinungen in idealer Weise miteinander zu verweben: Kredit. Plötzlich konnte selbst der kleine Mann an Kredit kommen, der ihm den Konsum eröffnete, den er sich eigentlich nicht mehr leisten konnte. In den USA zum Beispiel konnte man Hypothekenkredite auf sein Häuschen im aufgeheizten Immobilienmarkt bekommen ohne Eigenbeteiligung auf den vollen Wert, der sich aber gerade erst verdoppelt hatte. Aber auch ein schöneres, neueres, grösseres Haus: Alles war möglich auf Kredit. Verschiedene Kredit-organisationen warben mit Kredit ohne Einkommensnachweis. Man konnte per Kreditkarte auf zwölf Monatsraten einkaufen – ohne zusätzliche Zinsen zahlen zu müssen (in Wirklichkeit waren die Zinsen natürlich schon im Preis enthalten). Es gab Kreditkarten, die man erst nach fünf Monaten zahlen musste. Autokredite für jemanden, der ein Auto besitzen wollte, das er sich nicht leisten konnte, wurden in 60 oder 72 Monate aufgeteilt. Kurz, wer bereit war, Kredite aufzunehmen, konnte direkt in den Konsumhimmel sehen.

Schritt 5:

Das war auch unbedingt notwendig, denn bereits seit 2005 droht eigentlich eine Überproduktionskrise am Horizont. Die Menschen konnten nicht mehr soviel kaufen, wie produziert wurde. Mit Krediten wurde so eine riesige Blase geschaffen, die den Ausbruch der Überproduktionskrise hinausschob, aber gleichzeitig nun deren Ausstrahlungsbreite, deren Umfang und deren Tiefe verstärkt. Zusätzlich wurde durch die Kreditblase ein Finanztitel-Problem geschaffen, das genau zur gleichen Zeit platzt wie die Überproduktionskrise ausbricht – jetzt. Das führt in diesem Moment zur Kombination der zwei tödlichsten kapitalistischen Krisen-Momente: Das Aufeinanderfallen der Wirtschaftskrise mit einer Finanzkrise, die den dringend benötigten Kredit rar macht bzw. mit Bedingungen behaftet, die den Kredit zur Würge-Garrotte machen.

Hier sei dokumentiert, was der Verfasser am 19. Januar 2006 in seinem ersten Artikel in der „Berliner Umschau“ schrieb:

„Es mehren sich in den letzten Tagen die Anzeichen des Beginns eines wirtschaftlichen Einbruchs, eventuell einer neuen großen weltweiten Wirtschaftskrise. Doch selbst wenn es sich für diesen Moment nur um ein Strohfeuer handeln sollte, wie ein Experte meinte, bildet sich doch im globalen Wirtschafts- und Politikgeschehen eine Gemengelage heraus, die für die nahe Zukunft eine solche Krise (...) wahrscheinlich werden lassen.“

Eine andere Aussage zu diesem Thema kam u.a. am 24. Mai 2006:

„Am Montag, den 22. Mai 2006 machten sich wahrscheinlich die ersten Anzeichen der kommenden Weltwirtschaftskrise bemerkbar.“

Man konnte also seit Anfang bzw. Frühjahr 2006 die nun ausgebrochene Krise vorhersehen. Wer nun so tut, als ob das alles eine fürchterliche Überraschung wäre, hat bewusst all diese Zeit die drei Affen imitiert und nichts hören, nichts sehen und nichts sagen wollen. Es sei dahingestellt, wie viele der „Finanzagenten“ wirklich zu blöde waren zu erkenen, was sich anbahnte und wie viele genau wussten, was kömmen würde und umso fleissiger weitermachen und ihre Schäfchen ins Trockene brachten.

Speziell sollten wir aber all den Politikern misstrauen, die nun zu riesigen Finanzpaketen greifen, um die armen notleidenden Banken und Finanzagenten zu unterstützen, aber genau das, was zu dieser Krise geführt hat, die Deregulierung aller Finanzmärkte, die ganze Zeit vorher unterstützt haben – ja sie waren es ja, die alle Regeln aufgehoben haben.

Wenn ich einer der Schuldigen eines Verbrechens bin, dann kann ich mich doch nicht wirklich zu einem der Verfolger dieser Verbrechen aufspielen– oder sogar zu einem Wohltäter der Menschheit, der vor diesen Verbrechen schützen wird, oder?

Veröffentlicht am 28. Oktober 2008 in der Berliner Umschau, hier leicht redigiert und mit Graphiken versehen.

Originalveröffentlichung

Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

"Hellseherei? Die Wirtschaftskrise"

"General Motors könnte pleite gehen"

"Fannie und Freddie in der Bredouille"

"Drei EU-Länder sind bereits in der Wirtschaftskrise"

"Wirtschaftskrise in den USA"

"Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise"

"Banken gerettet – Staaat pleite?"

"Verdienen deutsche Banken Vertrauen?"

"Können Sie das glauben?"

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

Willkommen / Impressum

Willkommen im Weblog Karl Weiss - Journalismus.
Der Weblog Karl Weiss - Journalismus ist umgezogen. neue Adresse: www.karl-weiss-journalismus.de
IMPRESSUM
Ich bin zu erreichen über weiss.karl@ rocketmail.com
Ich wünsche also allen (und mir) viel Spaß (und Ernst) mit diesem Blog.
Karl Weiss, Belo Horizonte, Brasilien

Artikel und Dossier der Woche

Artikel der Woche "CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft" Da wurde es von Frau Merkel vorhergesagt

Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Israel und der Konflikt...
ICH FRAGE MICH WARUM DIE JUDEN SO BRUTAL GEGEN DIE...
mik4777 - 30. Jan, 20:32
Abscheulich!!!
Wie man überhaupt im Ansatz auf den Gedanken kommen...
david3371 - 3. Okt, 19:02
Der Vatikan schützt die...
Sehr geehrter Herr Weiss, der Vatikan k a n n die...
MoMa - 6. Jan, 10:28
Fünf Jahre ist das jetzt...
Fünf Jahre ist das jetzt her!!! Die eine Immobilienkrise...
girico - 6. Mär, 13:34
Ich teile nicht diese...
Ein führender Landespolitiker oder ein wichtiger Geschäftsmann...
Nonkonformer - 21. Sep, 23:42

Status

Online seit 6870 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits

Archiv

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Zufallsbild

Carnaval 11 - 72

kostenloser Counter

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

AbbauRechte
AlternativPolitik
Brasilien
Deutschland
Fussball
Imperialismus
InternetundMeinungsfreiheit
Lateinamerika
Medien
NaherOsten
Oekonomie
Sozialabbau
Umwelt
Willkommen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren