Lohndumping, Sozialdumping
Von Karl Weiss
Nach mehreren US-Ökonomen und dem französischen Wirtschaftsminister hat nun auch der Luxemburgische Premier Juncker den deutschen Sonderweg gegeisselt, ausschliesslich vom Export zu leben und im Inland „Sozialdumping“ und „Lohndumping“ zu betreiben.
Er weist – mit vollem Recht – daraufhin: Die Weigerung der deutschen Regierungen, den deutschen Arbeitern anständigen Lohn zu zahlen, führt in einer Zone mit einer gemeinsamen Währung dazu, die anderen zu zwingen, das gleiche zu tun, sonst rutschen sie automatisch in ein ständig steigendes Aussenhandels-Defizit, für das sie Schulden aufnehmen müssen, was die ganze Misere der Euro-Länder ausmacht, die nun Hilfe in Anspruch nehmen müssen und dadurch den Euro als solchen in Gefahr bringen.
Die Luxemburger Zeitung „Wort“ schrieb zu seinen Äusserungen: Juncker „... verglich ... die Lohnentwicklung der beiden Länder: Während die deutschen Arbeitnehmer seit Beginn der Währungsunion 1999 bis heute mit einer schmalen Lohnsteigerung von zwölf Prozent vorlieb nehmen mussten, konnten sich die Luxemburger über 41 Prozent mehr Geld freuen. Wenn man die Inflation mit einbezieht, so Juncker, "hat sich das Realeinkommen der deutschen Arbeitnehmer verschlechtert". Schuld daran seien unter anderem die Hartz-Reformen, die "ganze Teile der Bevölkerung in den Niedriglohnsektor hinabgedrückt" hätten. "Millionen Menschen in Deutschland verdienen weniger als 700 Euro im Monat", regt sich Juncker auf.“
Hier: http://www.wort.lu/wort/web/letzebuerg/artikel/2010/08/107883/juncker-wirft-deutschland-sozialdumping-vor.php
Die Bundesregierung reagierte kühl: "Die Lohnfindung in Deutschland ist nicht Sache der Politik, sondern der Sozialpartner". Das ist die übliche Ausrede, nur versucht sie einfach vom Thema abzulenken. Hartz I bis IV wurden nicht von den „Sozialpartnern“ beschlossen, sondern von der Rot-Grünen Koalition unter heftigster Anteilnahme von Union und FDP.
Das Problem des deutschen Lohndumpings ist ja weniger, dass die Tariflöhne nicht noch minimal gestiegen wären nach 2005 – jedenfalls wenn man die Inflation nicht berücksichtigt -, sondern dass immer weniger Tariflohn bekommen. Fast alle, die heute neu eingestellt werden, sitzen auf Teilzeitarbeit, auf Niedriglohn, auf Fremdfirmenbeschäftigung, auf Zeitarbeit, anderen prekären Beschäftigungsverhältnissen oder als 'Praktikanten' gleich völlig auf Null.
Will der Tarifsektor streiken, muss er in Rechnung setzen: Wenn es schlecht läuft, wird er entlassen und anschliessend zum halben Lohn als Leiharbeiter wieder eingestellt.
Dazu kommt der Zwang für Arbeitslose, jeden Job annehmen zu müssen, obwohl es keinen Mindestlohn gibt. Die Unternehmen reiben sich die Hände und zahlen drei Euro pro Stunde.
Zudem kommt die Bundesregierung mit dem Argument, die Hartz-Gesetze hätten ja zu höherer Beschäftigung geführt. Doch die vermeintlich niedrigeren Arbeitslosenzahlen beruhen allein auf geänderter Statistik und den verschiedensten Tricks. In Wirklichkeit sind heute mehr Menschen von staatlichen Leistungen in Form von Unterhaltsleistungen oder als Aufstockung abhängig als 2005, als Hartz IV eingeführt wurde: Etwa 6 Millionen Hartz-IV-Empfänger im Vergleich mit etwa 5 Millionen im Jahre 2005.
Besonders interessant: Als die Deutschen Arbeitslosen vor 2005 zweieinhalb Jahre Arbeitslosengeld bekamen und danach Arbeitslosenhilfe, gab der Deutsche Staat deutlich weniger Geld für Arbeitslose aus als heute. Siehe diese Artikel:
"5 Millionen Arbeitslose einstellen"
"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."
Kurz: Das Sozialdumpimg, verbunden mit einem Lohndumping der Unternehmen, ist schlichte Realität – und kostet dem Staat mehr als die vorherige Regelung.
Der deutsche Export brummt im Moment wieder. In den letzten Monaten kam man erneut auf Zahlen, die kurz vor der Krise erreicht wurden. Nur: Zwei Drittel der deutschen Exporte gehen in die anderen EU-Staaten. Das Ergebnis: Der Deutsche Unternehmer hat schon ganz rote Hände vor lauter Händereiben und Unternehmen in der Rest-EU gehen reihenweise pleite.
Griechenland, dem man aufgezwungen hatte, den gleichen Weg wie Deutschland zu gehen, hat einen zweistelligen Rückgang des Brutto-Inlands-Produkts (BIP) und zugleich eine auf 15% gestiegene Arbeitslosigkeit. Die Zahlen Irlands, das ebenfalls zu den ersten Opfern der Deutschen Politik gehörte, werden bald genauso schlecht sein. Dann kommt Portugal, dann Spanien, Italien, Belgien usw.
Am Ende wird man rund um ein auf niedrigem Niveau stagnierenden Deutschland (weil die Partner die Exporte nicht mehr aufnehmen können) eine Zone von Armut haben, gegen die das heutige Afrika reich erscheinen könnte.
Das kann nicht einmal aus der Sicht der Unternehmen erstrebenswert erscheinen, aber der Kapitalist kann nie über die nächsten zwei Vierteljahre hinaus blicken. Der Kapitalismus lässt keine längerfristige Planungen zu. Es geht immer um den kurzfristigen Profit und danach hilft der liebe Gott (oder nicht). Die Möglichkeit eine Zeitlang auf zusätzlichen Profit zu verzichten, um später dann umso mehr zu machen, existiert nicht.
So verordnet also Frau Merkel ganz im Sinne des deutschen Imperialismus und Finanzkapitals einem Land Europas nach dem anderen den „Deutschen Weg“ – in den Abgrund.