Lulas Brasilien, Teil 2 - Brasilien und die Sklaverei

Höchste bisher verhängte Strafe für Sklavenhaltung

Von Elmar Getto

In Brasilien (wie auch in anderen Entwicklungsländern) werden in nicht zu unterschätzendem Umfang Sklaven gehalten. Gerade ist ein brasilianischer Senator (!) wegen Sklavenhaltung zur höchsten Strafe verurteilt worden, die für dieses Delikt im Land je ausgesprochen wurde. Raten Sie einmal, wie hoch diese Strafe war.

Zuckerhut von der Botafogo-Bucht aus

Die modernen Sklavenhalter erklären die Sklaven nicht mehr zu Sklaven, sie sagen, es seien Landarbeiter. Zunächst schickt man Anwerber in Gegenden, wo z. B. die Trockenheit gewütet hat und eine große Anzahl von Menschen hungern und dringend irgend eine Art von Beschäftigung brauchen. So bekommt man schnell seine „Landarbeiter“ zusammen. Dann werden sie auf den Lastwagen der Anwerber verfrachtet und zum Großgrundbesitz des Sklavenhalters gefahren, der typischerweise Zig Kilometer vom nächsten bewohnten Ort entfernt liegt. Ihnen wird ein niedriger, aber üblicher Lohn versprochen. Tatsächlich zahlt man ihnen auch Lohn.

Nur sind sie darauf angewiesen, ihre Lebensmittel im Laden des Großgrundbesitzers zu kaufen, wo sie leider „ein wenig“ teuer sind. In kürzester Zeit sind die „Landarbeiter“ bis über beide Ohren beim Großgrundbesitzer verschuldet. Nun sagt man ihnen auch, daß sie natürlich nicht ‚verduften’ dürfen, bis sie ihre Schulden bezahlt haben. Da der Lebensunterhalt aber immer mehr kostet als sie Lohn erhalten, kommen sie nie mehr aus der Falle.

In der Praxis ergibt sich de-facto-Sklaverei: Der „Herr“ zahlt zwar den Lebensunterhalt, aber keinen Lohn. Oft sind auch recht rüde Methoden des Antreibens zur Arbeit üblich. Sehr beliebt sind solche Sklavenkolonnen zum Abholzen von Regenwald, was Schwerarbeit darstellt.

Von Zeit zu Zeit tut die Regierung (in diesem Fall die brasilianische) etwas für ihr Image und schickt ein paar Polizisten in die Großgrundbesitze und läßt einen oder zwei der Sklavenhalter auffliegen. Da fast alle wirklich großen Großgrundbesitzer im Parlament oder im Senat sitzen, kann man damit Parlamentarier abstrafen, die sich den Wünschen der Regierung widersetzt haben oder auch schon mal persönliche Fehden austragen. In Wirklichkeit geschieht natürlich nichts wirklich Ernsthaftes den Sklavenhaltern, sie werden nur zu Geldstrafen verurteilt.

Damit sind wir auch schon bei der Auflösung des obigen Rätsels. Die gewaltige Strafe für den ertappten brasilianischen Senator war eine Geldstrafe über 760 000 Reais, das sind etwa 230 000 Euro. Ein wirklich großer Großgrundbesitzer verdient soviel an einem Tag und bezahlt das aus der Portokasse.

Brasilien (topographisch)

Brasilien war das letzte große Land, das die Sklaverei abschaffte. Erst im Jahre 1888, als jedes sich halbwegs zivilisiert vorkommende Land schon keine Sklaverei mehr hatte, benutzte die Tochter des amtierenden brasilianischen Kaisers Dom Pedro II, die Prinzessin Isabel, eine Abwesenheit ihres Vaters, um die Abschaffung der Sklaverei zu verkünden.

Brasilien hatte schwarze Sklaven in beeindruckender Anzahl importiert, kein Vergleich mit den geringen Zahlen der nordamerikanischen Vettern. Sie gingen (wie auch jene) nach ihrer Befreiung nicht zurück nach Afrika, sondern blieben im Land, vermehrten sich und mischten sich mit den Weißen. So stellen heute die Nachfahren von Sklaven die überwiegende Mehrheit der Brasilianer dar.


Das geht inzwischen schon soweit, daß weiße Brasilianer im Ausland ungläubig gefragt werden, ob sie wirklich Brasilianer seien, man habe sie sich etwas.....dunkler vorgestellt.

Wie auch immer, die ganze brasilianische Gesellschaft ist heute noch geprägt von der erst kürzlich abgeschafften Sklaverei (117 Jahre sind nichts in der Entwicklungsgeschichte einer Gesellschaft).

So verwundert es auch nicht, daß die brasilianische Gesellschaft eine mehr symbolische Bestrafung für einen Sklavenhalter akzeptiert. Und in Brasilien gilt sowieso: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als daß ein Reicher in das Gefängnis einzieht.

Diesmal war der Sklavenhalter ein gewisser Joao Ribeiro, Senator der Partei PFL, die als gesamtes als eine Partei der Großgrundbesitzer angesehen werden kann. Sie hat es seit vielen Jahren verstanden, das Zünglein an der Waage der brasilianischen Politik zu sein und ist von größtem Einfluß. Präsident Lula hat keine Mehrheitskoalition mehr im Parlament und muß sich jedes mal, wenn er ein Gesetz durchbringen will, eine Mehrheit zusammenkaufen. Dabei ist er auch immer auf Politiker der PFL, im Repräsentantenhaus wie im Senat, angewiesen.

Der Spitzenpolitiker hatte für unbekannte Zeit 32 Landarbeiter wie Sklaven auf einer seiner Besitzungen gehalten und war erwischt worden. Seiner politischen Karriere wird dies nicht im mindesten schaden.

Wenn Sie gemeint hatten, für Sklavenhaltung müßten Gefängnisstrafen ausgesprochen werden, so mögen Sie zwar recht haben, sind aber offenbar nicht mit den Verhältnissen in der Politik vertraut, sei es in Deutschland oder Brasilien.


Dieser Artikel von Elmar Getto, der zweite Teil unserer Reihe "Lulas Brasilien", erschien ursprünglich in Rbi-aktuell am 19.4. 2005. Er ist so aktuell wie nie.

Hier geht es zum Teil 1 der Reihe "Lulas Brasilien", hier zum Teil 3, hier zum Teil 4, hier zum Teil 5, hier zum Teil 6, hier zum Teil 7 und hier zum Teil 8.

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