Von den Gründen der Kriege
Von Karl Weiss
Um nur einen groben Eindruck von den heißgeliebten Verbündeten der US-Regierung zu bekommen, hier ein Detail aus Saudi-Arabien: Eine Frau war gezwungen, sich mit einem Erpresser zu treffen. Sie wurde danach von einer Gang entführt und von allen Mitgliedern wiederholt vergewaltigt. Sie erhielt nun die Strafe von 90 Peitschenhieben, weil sie mit dem Mann, dem Erpresser, zusammen im Auto gesessen hatte. Ja, wirklich deshalb!
Was man in Saudi-Arabien so unter Recht versteht, das hat unleugbar seine düsteren Seiten, speziell was Frauen angeht. Die US-Regierung, die uns immer viel über die schlimmen Zustände für die Frauen unter den Taliban erzählt hat, hat allerdings nicht die geringsten Probleme, wenn Gleiches in Saudi-Arabien geschieht.
Wie allgemein bekannt, sind nicht nur die offiziellen Beziehungen zwischen der US- und der saudischen Regierung innig, um nicht zu sagen eng umschlungen, auch speziell die der saudischen Königsfamilie mit den Bushs besonders herzlich. Man trifft sich oft, nicht nur bei Staatsanlässen, sondern auch privat, man hatte lange Zeit gemeinsame Investitionen in bestimmten US-Firmen und auch sonst kann man dies Verhältnis nun schon beinahe als Freundschaft bezeichnen. Dazu müssten allerdings die Bushs und die saudischen Royals in der Lage sein, Freundschaft zu empfinden.
Achse des Bösen & dunkle Mächte
Wir wissen, bei bestimmten anderen Regimes, die ähnlich tyrannisch sind wie die saudische Königsdiktatur, war man schnell bei der Hand, solche Regimes als „Unrechtstaaten“, „Macht des Bösen“ , „Achse des Bösen“ oder „dunkle Mächte“ zu bezeichnen oder in letzter Zeit hauptsächlich als „Schurkenstaaten“.
Handelt es sich aber um Verbündete, worunter die US-Regierung versteht, dass man ihren Befehlen gehorcht, so brauchen sich diese Regimes nicht die mindeste Mühe geben.
Es ist weder irgendeine Art von (auch nur Schein-)Demokratie erforderlich, wie sich z.B. an Saudi-Arabien zeigt, noch brauchen die grundlegenden Menschenrechte Geltung zu haben, wie etwa die Beispiele Kolumbien, Indonesien oder Marokko belegen. Dass Folter kein Hinderungsgrund ist, von der US-Regierung wohlgelitten zu sein, ist sowieso selbstverständlich. Ägypten und die Türkei sind hier typische Beispiele. Ebenso gilt das für Länder, die sich nicht an die Nichtweiterverbreitungsregeln für Atomwaffen halten und einfach auch ins Geschäft mit Atombomben einsteigen. Diese Länder sind sogar besonders eng mit den USA liiert, wie die Beispiele Israel und Pakistan zeigen. Auch mit Indien ist man dabei einen Atomdeal zu vereinbaren, was deren heimliche Atombombe (einschließlich heimlicher Trägerrakete) noch ausdrücklich legitimiert.
Das Beispiel Pakistan ist in jeder Beziehung besonders interessant, denn es besteht heute kaum ein Zweifel, Osama Bin Laden ist in Pakistan untergeschlupft oder benutzt jedenfalls pakistanischen Boden als „sicheren Hafen“, um eventuellen Verfolgungen zu entfliehen. Nun war ja aber der einzige Grund, warum man offiziell das Afghanistan der Taliban angriff, eben genau jener: Osama Bin Laden war da und die Taliban lieferten ihn nicht aus. Nach dieser Diktion müsste nun Pakistan überfallen werden. Ach ja, da war natürlich auch noch die Unterdrückung der Frau unter den Taliban. Ist es damit in Pakistan besser bestellt?
Die Berichte zeigen, dieser Punkt ist praktisch deckungsgleich in großen Teilen Pakistans mit dem Afghanistan der Taliban. Können wir also bald einen Pakistan-Krieg erwarten? Nun, irgendwie kommt die US-Regierung mit ihren Begründungen wohl nicht so ganz klar.
90 Peitschenhiebe für das Vergewaltigungsopfer
Extremstes Beispiel aber ist und bleibt Saudi-Arabien. Nicht nur, dass die Königsfamilie dort als absolute Tyrannei herrscht, nicht nur, dass man bereits beginnt mit der Atomtechnik, nicht nur, dass so etwas wie Wahlen absolut verpönt sind, nicht nur, dass die grundlegendsten Menschenrechte nicht gelten, dazu kommt auch noch die spezielle Unterdrückung der Frau, genau jene Begründung, die gerne nachgeschoben wird, wenn von den Gründen des Überfalls auf Afghanistan die Rede ist.
Da kommen wir eben zurück auf jene 90 Peitschenhiebe, die jene vergewaltigte Frau in Saudi-Arabien einzustecken hat, weil sie erpresst wurde.
Haben Sie irgendetwas gehört davon, dass Saudi-Arabien nun unter die Schurkenstaaten eingereiht wurde? Nein? Seltsam!
Man könnte fast zu der Meinung kommen – wenn man nicht sicher wüsste, dies wäre eine krude Verschwörungstheorie – die US-Regierung täuscht uns ständig über die Gründe, warum sie – mit oder ohne Alliierte – in bestimmte Länder einfällt und dort keinen Stein auf dem anderen lässt; dass sie dies in Wirklichkeit aus imperialistischen Gründen tut, um Kontrolle über Rohstoffquellen wie Erdöl zu haben, über geostrategisch bedeutende Punkte oder über die Länder, welche einen Großteil der Rauschgiftproduktion der Welt beherbergen – aber wie gesagt, das sind natürlich krude Verschwörungstheorien von Antiamerikanisten!
Veröffentlicht am 8. März 2007 in "Journalismus - Nachrichten von heute"