Freitag, 16. März 2007

Ist der Iran-Krieg abgesagt?

Imperialismus will Kontrolle

Von Karl Weiss


In einem wirklich Aufsehen erregenden Artikel hat Michael Schulzevon Glaßer in „Journalismus – Nachrichten von heute“ die Frage gestellt „Kann der Iran erobert werden?" und kommt zu dem Schluss: Nein.

Allerdings darf man die Frage stellen, ob die Frage richtig gestellt ist. Kann, soll, muss es das Ziel des US-Imperiums sein, den Iran zu erobern? Auch auf diese Frage lautet die Antwort: Nein.

Eine imperiale Macht, wenn sie auf Expansion und Machtabsicherung drängt, hat ein wesentliches Ziel: Kontrolle.

Kontrolle bedeutet im Fall Iran dreierlei: Kontrolle über die wesentlichen Ölfelder und den Ölexport, Kontrolle über wesentliche Teile der Wirtschaft des Iran und Kontrolle über die geostrategisch wichtigen Punkte des Landes.

Kriegsplan nicht auf Eroberung Irans ausgerichtet

Um diese Kontrolle zu haben, muss der Iran keineswegs erobert werden. Die großen Ölvorkommen des Iran sind fast alle im Westteil des Landes und in Plattformen im Persischen Golf gelegen, konzentriert fast völlig auf einige Provinzen: Jene, die an den Irak grenzen und an den Persischen Golf bis hinunter zur Strasse von Hormuz, wo über eine Meerenge von kaum 50 km fast 1/3 des weltweit exportierten Erdöls vorbeischwimmt. Provinzen: Kurdistan, Kermanschah, Ilam, Khusestan, Busher, Fars und Hormozgan mit insgesamt etwa 13 Millionen der 70 Millionen Einwohner (weniger als 19 %).

Bush
Schwimmt Bush auf der Macht der Angst?

Wer diese Provinzen kontrolliert, hat die Ölkontrolle und die über den wesentlichen geostrategischen Punkt: Die Strasse von Hormuz. Wird der Rest des Landes zerstört, ist damit auch jede ins Gewicht fallende wirtschaftliche Tätigkeit außerhalb dieser Provinz beseitigt.

Nach Einschätzung von Militärstrategen ist daher der Kriegsplan von USA/Israel gar nicht auf eine Eroberung des Irans ausgerichtet. Man will vielmehr nach diesem Plan in einem raschen Schlag lediglich jene Provinzen im Westteil des Irans besetzen. Dem würden in den ersten Wochen des Krieges massive Bombardierungen dieses Teiles des Irans vorausgehen, natürlich unter Aussparen der Ölquellen. Man wird nicht nur alle erkennbaren militärischen Einrichtungen angreifen, sondern schlicht und einfach alles, was nicht Ölquelle ist, also die Bevölkerung dort weitgehend ausrotten.

In die Steinzeit bomben

Das ist mit den modernen Bomben von USA/Israel in einer etwa einmonatigen Bombardierungskampagne zu schaffen. Danach würde man in die zertrümmerten Provinzen einmarschieren und die Ölquellen übernehmen.

Dann ginge der Krieg aber weiter: Wie im damaligen Jugoslawien, heute Serbien, bereits erprobt, kann man im Rest des Landes (einschließlich Teheran) jegliche wirtschaftliche Aktivität zerbomben und damit, wie es im Vietnamkrieg ein US-General aussprach, „das Land in die Steinzeit zurückbomben“.

In Nordvietnam war zur Zeit der damaligen Bombenangriffe ein Überleben fast nur in unterirdischen Bauten möglich – und auch dort nicht immer. Um im ganzen Rest-Iran fast jeden Meter Boden umgepflügt zu haben, muss man „nur“ etwa vier Jahre bomben (das war in etwa die Zeit, die Nordvietnam bombardiert wurde).

Genauer gesagt, wird es gar nicht nötig sein, so lange und mit Bombenteppichen zu bomben wie in Vietnam. Moderne Klusterbomben, die hauptsächlich gegen Menschen wirken (‚weiche Ziele’, wie sich die entmenschten Militärs auszudrücken pflegen) werden in Städten und Dörfern eingesetzt, die riesigen Tonnen-Bomben gegen jegliche erkennbare Fabrik- oder Lagerhalle, gegen Flughäfen, Strassen und Eisenbahnen, während man alles, was nach Behausungen, Läden oder Werkstätten aussieht, mit Brandbomben (Phosphorbomben) belegt. Vorher hat man mit den beliebten Cruise Missiles und den bekannten steuerbaren Bomben bereits alles dem Erdboden gleichgemacht, was eventuell militärisch von Bedeutung sein könnte.

Und wenn man einen entsetzlich ironischen Akzent setzen will, kann man auch wieder die chinesische Botschaft in der Hauptstadt „pulverisieren“, wie sich die israelischen Militärs im Juli-Krieg gegen den Libanon auszudrücken beliebten. Dann würde offensichtlich, auch damals in Belgrad war es natürlich kein Versehen.

Gun

Wenn der Iran – wirtschaftlich gesehen - bis auf seine Westprovinzen nicht mehr besteht und die Westprovinzen in der Hand der US/Israel-Truppen ist (eventuell erneut mit Alliierten), so hat die Supermacht erreicht, was sie will: Kontrolle.

Zwar kann es auch für eine imperiale Macht von Interesse sein, ein Land zu besetzen und so die Arbeitskraft der Bevölkerung auszubeuten, aber das ist im Fall Iran eben wirklich nicht realistisch und kann daher auch gelassen werde.

Der grösste Genozid der Geschichte

Im übrigen ist man bereits heftig dabei, in den anderen Provinzen Aufstände der ethnischen Minderheiten zu provozieren. Kleine Summen von 10 Millionen Dollar pro Provinz haben bisher noch jegliche Gruppe von Führern ethnischer Minderheiten dazu gebracht, Aufstände zu inszenieren, besonders, wenn die Militärs anderweitig beschäftigt sind. Fragen Sie die nationalistischen Führer Kroatiens oder Bosniens, fragen Sie die Nicaragua-Contras: Die Preise für einen separatistischen „Befreiungs-Aufstand“ fallen stündlich.

Natürlich wäre ein solcher Krieg einer der grössten, wenn nicht der grösste Genozid (Völkermord) der Geschichte. Genau da muss man nun beginnen zu untersuchen, ob das wirklich machbar ist für USA/Israel. Da gibt es nämlich jenen Faktor der Akzeptanz, sowohl von seiten der Völker der Welt, als auch und speziell des Volkes der USA. Als im Vietnam-Krieg die eigene Bevölkerung mehrheitlich und schließlich mit überwältigender Mehrheit den Krieg nicht (mehr) unterstützte, musste man alle weiteren Eskalationspläne begraben, vom Einsatz von Atombomben Abstand nehmen und eine schnelle „Vietnamisierung“ des Krieges betreiben, um die eigene Bevölkerung nicht zum Aufstand gegen die Regierung zu treiben.

Ahmedinedschad

Dies ist eben auch bei einem Iran-Krieg der entscheidende Schwachpunkt. Man hat bereits ein geringe Unterstützung des Irak-Krieges im eigenen Land, da müssen sich die US-Oberen (das muss gar nicht mehr unbedingt Bush sein, das könnte auch schon der(die) nächste Präsident(in) sein) überlegen, wie lange sie so einen Krieg ohne klare Unterstützung durch die eigene Bevölkerung durchhalten könnten.

Dazu kommt, wie auch damals schon beim Vietnam-Krieg, der Faktor der weltweiten Empörung. Die Regierenden in den Kriegsnationen mögen sich noch so unbeeindruckt geben von Demonstrationen in der „Hunderttausende-„ und „Millionen“-Kategorie gegen ihre Schlächtereien, in Wirklichkeit könne sie sich nicht leisten, gegen eine klare Mehrheit der Menschen auf der Welt (die die Möglichkeit haben, sich um Weltnachrichten zu kümmern und Demonstrationen und Aufstände zu veranstalten) einen Krieg unbeeindruckt durchzuziehen.

Gerade bei den Alliierten von USA/Israel ist dies ein Schwachpunkt. Wenn in Frankreich zum Beispiel ein Generalstreik gegen die Unterstützung dieses Krieges beginnt, muss sich die französische Regierung wohl oder übel zumindest formal von eine solchen Unterstützung zurückziehen.

Dazu kommen die wirtschaftlich intensiv vernetzten Volkswirtschaften. Würde sich ein allgemeines Klima durchsetzen, es sei angebracht, nach Alternativen für Produkte aus USA/Israel zu suchen, könnte das deutliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung haben.

Da sind wir denn aber auch schon bei der wirtschaftlichen Frage. Ist ein Iran-Krieg, wie oben beschrieben, wirtschaftlich möglich?

Hier steckt ein ganz anderes Potential, einen solchen Krieg unmöglich zu machen (jedenfalls bis auf weiteres) als bei der reinen Frage nach der Eroberbarkeit des Iran.

Die Wehen der Weltwirtschaftskrise

Nach allem, was man heute vorhersehen kann, stehen wir am Anfang, wahrscheinlich schon in den ersten Wehen, einer weltweiten Wirtschaftskrise, die ihren Ausgangspunkt in den USA hat. Hier könnte sich schnell ein Szenario entwickeln, das die kriegstreibenden Mächten veranlasst, es sich zweimal zu überlegen, ob sie nun einen neuen Krieg beginnen.

Aber selbst, wenn wir annehmen, eine solche Wirtschaftskrise sei nicht am Werden, oder wenn wir annehmen, sie würde entgegen den allgemeinen Erwartungen eher schwach ausfallen, etwa so wie die von 2000 bis 2003, so sind die wirtschaftlichen Erwägungen im Zusammenhang mit einer Wirtschaftskrise doch die wahrscheinlich wesentlichsten, die das Zweigespann von diesem Krieg, jedenfalls innerhalb kurzer Sicht, abhalten könnten.

Der Krieg würde nämlich eine Wirtschaftskrise auslösen, unabhängig davon, ob diese nicht sowieso schon imminent ist. Eine einfache Überlegung bestätigt dies. In der ersten Phase des Krieges, wenn hauptsächlich die Westprovinzen des Irans bombardiert würde, noch bevor Truppen marschieren, hat der Iran noch eine Fülle von Möglichkeiten zu reagieren.

Er würde sicherlich auf die eine oder andere Weise für ein Sinken des weltweiten Ölangebots sorgen (eventuell sogar unterstützt von Hugo Chávez). Der Iran ist immerhin der viertgrösste (oder fünftgrösste, je nach Quelle) Ölexporteur der Welt. Dies würde ebenso unweigerlich den Ölpreis in die Höhe treiben, wahrscheinlich bis auf 100 Dollar pro Barrel oder höher.

Das ist aber ein Ölpreis, den die US-Wirtschaft nicht lange ertragen kann. Die USA ist bei weitem der grösste Erdölimporteur und die gesamte wirtschaftliche Aktivität ist von diesem Öl abhängig. 100 Dollar pro Barrel würden einen generellen Preissprung auslösen (nicht nur beim Benzin) und die US-Binnennachfrage, den Motor der ganzen Weltwirtschaft, ernsthaft beeinträchtigen. Das wäre der Beginn einer US-Wirtschaftskrise, die sich dann nach allen bisherigen Erfahrungen über die ganze Weltwirtschaft ausbreiten würde.

Die wäre aller Voraussicht nach von einem deutlichen Dollarverfall begleitet, denn die anderen Wirtschaften würden versuchen, sich so weit wie möglich von den US-Ereignissen abzukoppeln. Genau dies aber macht es dann fast unmöglich den Iran-Krieg weiterzuführen.

Es müssen nämlich andauernd neue Dollar gedruckt werden, um all die Bomben zu kaufen, aber die dafür ausgegebenen Dollar-Bonds fänden nicht mehr den reißenden Absatz wie heute. Die Geldvermehrungsmaschine Dollar wäre gestoppt. Das wäre nichts weniger als der Fall der einzigen Supermacht USA, seine Umwandlung zu einer von mehreren Großmächten, der schlimmste Albtraum der USA/Israel-Politiker.

Das genau könnte sie wirklich davon abhalten, in absehbarer Zeit diesen Krieg zu beginnen. Die eben begonnene Konferenz der Irak-Anrainer mit den Großmächten zeigt genau in diese Richtung: Anscheinend will man in diesem Moment den Fall Iran am köcheln halten, aber noch nicht den Iran-Krieg beginnen.


Veröffentlicht in "Journalismus - Nachrichten von heute" am 16.März 2007.

Originalartikel

Naive Umweltschützer geben Massenmedien Stichworte

Brasilien: Urwaldroden für Alkohol?

Von Karl Weiss

In einem Artikel zu Kraftstoffen aus Biomasse greift die „Süddeutsche" erneut eine Sage auf, die bereits geraume Zeit im Blätter- und Bildschirmwald herumgeistert: Das Zuckerrohr für den Alkohol, der bereits 60% aller brasilianischen Kraftstoffe ausmacht, werde auf Gelände angebaut, das dem Regenwald durch Roden oder Abbrennen entrissen würde. Falsch.

In Wirklichkeit sind alle wesentlichen und grossen Zuckerrohr-Anbauflächen in den südöstlichen Bundesstaaten (São Paulo, Minas Gerais, Rio de Janeiro und Espirito Santo) Brasiliens, im südlichen Bundesstaat Parana oder im Staat Bahia angesiedelt, Tausende von Kilometern von den Amazonas-Regenwäldern entfernt.

Regenwald

Zwar gab es auch in diesen Bundesstaaten früher in den Küstenregionen Regenwälder (Mata Atlântica), aber die sind schon seit Beginn des letzten Jahrhunderts weitgehend vernichtet worden, etwa zu 92%, als noch niemand an Alkohol für Autos auch nur dachte.

Die restlichen 8% wurden und werden in keinem Fall in große, industriell bebaute Zuckerrohrfelder umgewandelt. Die meisten großen Zuckerrohr-Anbaugebiete sind im Landesinneren der genannten Staaten, wo es nie Regenwälder gab.

Andererseits sind in den großen Regenwaldgebieten des Amazonas, das betrifft in Brasilien die Bundesstaaten Amazonas, Acre, Rondonia, Roraima, Teile vom Amapá und Maranhão sowie den Norden der Staaten Pará, Tocantins und Mato Grosso, keinerlei große Zuckerrohranbaugebiete bekannt und (noch) keine Alkoholfabriken angesiedelt.

Auch das andere grosse, weitgehend naturbelassene Urwald- und Sumpfgebiet in Brasilien, der Pantanal, an den Grenzen zu Bolívien und Paraguay gelegen, weist keinen großangelegten Zuckerrohranbau auf. Zwar gab es Pläne dafür, die wurden aber vor kurzem fallengelassen. Dort gibt es allerdings eine Alkoholfabrik in Bau.

Die ganze Geschichte mit den Meldungen, die durch die Medien geistern, angeblich würde in Brasilien Regenwald für Zuckerrohranbau zur Alkoholgewinnung gerodet, scheint ursprünglich auf die Artikel eines Deutschen mit Namen Suchanek zurückzuführen zu sein.

Dieser Zeitgenosse rühmt sich in einem Artikel im „Neuen Deutschland" vom 6. März 2006, bereits 1988 in einem Artikel vor dem ‚Alkohol im Tank’ gewarnt zu haben. Er schreibt: „Während Menschen im Nordosten des Landes verhungerten, opferte die brasilianische Regierung die besten Böden und Regenwaldgebiete dem Autofahren mit dem vermeintlichen Biotreibstoff."

Das sind gleich zwei dumme Verdrehungen. Zum einen: Die Tatsache, daß viele Menschen in Brasilien (damals wie heute) hungern, hat sehr viel mit dem Kapitalismus zu tun, in dem wir leben und nichts, aber absolut nichts, mit dem Fehlen guter Böden zum Anbau von Nahrungsmitteln. Die Menschheit hat in diesem Moment die Möglichkeit, für 12 Milliarden Personen genug Nahrung zu produzieren, während wir bisher nur etwa 6 Milliarden Menschen sind. Das Problem ist also eines der einseitigen Verteilung der Reichtümer, die es wesentlichen Teilen der Menschheit nicht ermöglichen, Nahrungsmittel zu kaufen, während andererseits Nahrungsmittel in riesigem Maßstab vernichtet werden.

Das zweite unsinnige in diesem Argument ist die Erwähnung der Regenwaldgebiete. Wie oben schon dargelegt, wurden keinerlei nenneswerte Regenwaldgebiete dem Zuckerrohranbau zur Alkoholgewinnung geopfert. Schließlich schreibt er auch noch von „vermeintlichem" Biotreibstoff, so als ob Alkohol aus Zuckerrohr keine regenerierbare Energie auf biologischer Grundlage wäre.

Liest man ein wenig weiter bei ihm, so sieht man auch, warum dies sein Anliegen ist. Er schreibt: „Es ist der falsche Ansatz, lediglich fossile Treibstoffe durch andere auszutauschen und gleichzeitig die Zahl der Autos weiter zu vermehren. Ressourcen- und Flächenverbrauch werden dadurch nicht geringer, die Luft nicht wirklich besser, nur weil die Tankstellen Palm- und Rapsöl oder Ethanol statt Benzin und Diesel verkaufen."

Zweifellos ist in einer sozialistischen Zukunft die Entscheidung angesagt, ob man wirklich weiterhin den Individualverkehr mit Autos den Vorrang geben will oder ob es nicht angesagt ist, den Verkehr mit sicheren, schnellen und umweltfreundlichen Verkehrsmitteln abzuwickeln, auf Schienen oder schwebend über Schienen, die nicht jährlich Hunderttausende von Toten fordern, nur weil man sich von einem Ort zum anderen bewegen will.

Dieses Zukunftsproblem aber jetzt, im Kapitalismus, gegen die unbedingt notwendige schnelle Ablösung der fossilen Energieträger auszuspielen, ist Unsinn. Man hat sogar den Eindruck, er glaubt, ein solches Umdenken könnte im Kapitalismus stattfinden und sagt im ganzen Artikel kein Wort von der Erzeugung von CO2 , von der globalen Erwärmung, vom Klimawandel und der drohenden Umweltkatastrophe. Ob er davon nichts weiß? Ob er ein Überlebender der Umweltbewegung aus den Siebziger Jahren ist, als man dieses, heute bei weitem dringendste Problem noch nicht erkannt hatte und seitdem keinen Kontakt mehr mit der Wirklichkeit hatte? Wenn er kein völliger Idiot ist oder dies bewußt verdreht, ist er jedenfalls äußerst naiv.

Wie auch immer, er gibt den Energie-, Öl- und Auto-Konzernen und ihren Apologeten die Stichworte, warum bei den Treibstoffen, wie auch bei der Stromerzeugung, alles beim Alten bleiben müsse.

Und so greift denn auch die „Süddeutsche", eines der Lautsprecherorgane dieser Konzerne, begierig und dankbar dies Argument auf. „Das Zuckerrohr für die Alkohol-Gewinnung wird in riesigen Monokulturen angebaut, die intensiv gedüngt und bis zu fünfmal im Jahr geerntet werden. Um Platz für die Felder zu schaffen, wird der Urwald gerodet." schreibt das Monopolorgan im genannten Artikel über den Alkohol in Brasilien.

Zuckerrohrlastwagen in Brasilien mit Alkohol-Fabrik im Hintergrund

Woher man die Information mit dem gerodeten Urwald hat, schreibt man vorsichtshalber nicht, sonst könnte ja jemand dahinter kommen, daß man die Wahrheit verdreht. Das Argument mit den Monokulturen und den Düngemitteln (oft wird auch noch der intensive Gebrauch von Herbiziden und anderen hochgiftigen ‚Ziden’ hervorgehoben) ist allerdings interessant. Wann je hat die „Süddeutsche" gegen den intensiven Gebrauch von Düngemitteln und Monokulturen in der deutschen Landwirtschaft polemisiert? Oder ist es so, daß es nur erhabenen Herrenrassenmenschen zugestanden ist, Dünger und Monokulturen zu verwenden? Die Heuchelei der „Süddeutschen" schreit wirklich zum Himmel.

Und Herr Suchanek gab das Stichwort.

Nun gibt es tatsächlich Gefahren in Brasilien im Zusammenhang mit dem Alkoholprogramm. Zuckerrohr vermag nämlich besser als jede andere Pflanze das Sonnenlicht in die höchstmögliche Menge von Kohlehydraten umzuwandeln, die dann zu Alkohol vergoren werden. Die Methoden, den Alkohol, wie in den USA, aus Mais, oder wie in Schweden geplant, aus Weizen herzustellen, ebenso wie jene mit Zuckerrüben oder der anderen Alternative, Kartoffeln, sind weit weniger ergiebig. Zusätzlich kann man bei Zuckerrohr mehrere Ernten pro Jahr einbringen, zwar keine fünf, wie der Artikel behauptet, aber in der Regel zwei und öfters auch drei.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Dadurch - und durch den technologischen Vorsprung, weil man schon jahrzehntelange Erfahrung hat - kann Brasilien den Zucker-Alkohol zu heute unschlagbaren Preisen herstellen. Unlängst wurde von den brasilianischen Alkoholherstellern an die Europäische Union ein Angebot von großen Mengen Alkohol zum Einmischen in das europäische Benzin von 25 Eurocent pro Liter abgegeben. Es wurde allerdings nichts aus diesem Geschäft, denn die Ölkonzerne funkten dazwischen.

Da Zuckerohr ja außerhalb der tropischen (und einem Teil der subtropischen)Zonen nicht wächst, die imperialistischen Länder aber außerhalb der Tropen liegen und nicht im Traum daran denken, die Rohstoffe für den Alkohol woanders als im eigenen Land herzustellen, gibt es eine Widersprüchlichkeit. Schon ist ein Grund gefunden, die Sache mit dem Alkohol immer wieder auf die lange Bank zu schieben.

Tatsächlich aber gibt es die Drohung, Zuckerrohr auch in den nördlichen Teilen Brasiliens und in den Ausläufern des Pantanal-Gebietes anzubauen und einen lukrativen Alkohol-Export aufzubauen.

China hat zusammen mit Brasilien an einem Projekt gearbeitet, in dem vorgesehen war, mit chinesischem Geld im Gebiet des Regenwaldes am oberen Xingú (ein anderer Nebenfluß des Amazonas) Zuckerrohranbau anzufangen und eine riesige Alkoholfabrik zu errichten. Das hätte allerdings wirklich bedeutet, daß Regenwald für Alkohol abgeholzt worden wäre. Allerdings waren die Proteste so intensiv, daß man - jedenfalls bis auf weiteres - davon Abstand nahm.

Eine andere Gefahr ist der Gouverneur von Mato Grosso, Maggi, der größte Ziegenbock, der je in der Geschichte der Menschheit zum Gärtner gemacht wurde. Maggi [Ironie, daß wir in Deutschland unter dem Namen Maggi eine Sojasoße kennen] ist der „König der Soja", der größte Sojaanbauer der Welt, der Jahr für Jahr seine Anbaugebiete tiefer und tiefer in den Regenwald im Norden „seines" Staates vortreibt und sagt, dort sei soviel, daß dies kaum einen Unterschied mache. Für ihn wird der Rio Madeira ausgebaut, ein Nebenfluß des Amazonas, so daß in Zukunft die Soja über den Amazonas exportiert werden kann und nicht mehr über den Hafen Paranaguá, was eine 3000 km langen Lastwagentransport überflüssig macht.

Dieser famose ‚Gouvernador’ und 'König' hat offenbar Blut geleckt und scheint mit Planungen zu beginnen, auch Zuckerrohr anzubauen und Alkoholfabriken zu bauen. Dies allerdings ist eine große Gefahr für die brasilianischen Regenwälder - nur war er das auch schon vorher mit seiner Soja.

Und - er ist eben Teil der brasilianischen Oligarchie, die von den imperialistischen Ländern mit aller Macht versehen wird, um sicherzustellen, daß Brasilien nie aufhört, die Zinsen für seine Schulden zu zahlen und immer neue Schulden unterschreibt, während dieser Oligarchie im Gegenzug dafür von den imperialistischen Ländern gestattet wird, unermeßlich reich zu werden.

Gegen diese „Deals" zwischen dem von ihr repräsentierten Imperialismus und den lokalen Oligarchien in den Entwicklungsländern hat man allerdings noch nie etwas gehört von der „Südddeutschen", die vorgibt, sich um die Regenwälder am Amazonas zu sorgen.


Veröffentlicht am 24. Mai 2006 in der "Berliner Umschau", hier geringfügig redigiert. Angesichts der intensiven Kampagne verschiedener Umweltverbände wie z.B. "Rettet den Regenwald" gegen die Bio-Treibstoffe ist dieser Artikel wieder besonders aktuell.


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur beginnenden Klimakatastrophe und was man dagegen tun kann:

- Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 1 – Bill Gates und George Soros investieren in Alkohol

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 2 – Was spricht gegen Bio-Kraftstoffe?

- Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 3 – Der 'Rush' gewinnt an Tempo

- Das Klima kann nicht warten – Offener Brief an „Rettet den Regenwald“

- Wie die Industrie der „Global Warming Sceptics“ funktioniert

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 4 - Endlich auch Bio-Alkohol in der Bundesrepublik

- Kofi Annan: Keine Gegenargumente mehr

- Brasilien plant völlige Umstellung auf Biodiesel

- Lulas Brasilien, Teil 4 – Abholzen und Abbrennen

- Klimakatastrophe: IPCC-Report klammert entscheidende Frage aus

- Stärkster Hurricane aller Zeiten

- Wie wird der Verkehr der Zukunft angetrieben

- Briefwechsel mit „Rettet den Regenwald“

- Ein deutscher ‚Global Warming Sceptic’

- Klimahetzer? – Klimaketzer? Eine Auseinandersetzung um die beginnende Klimakatstrophe

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Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

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