Gedankenpolizei
Die extremistisch-hysterischen Christen in den USA drücken ihr Lehre mit Gewalt durch
Von Karl Weiss
Was schon erwartet worden war angesichts der Aggressivität, mit der die „wiedergeborenen“ Christen in den USA vom Typ Bush vorgehen, ist nun Wirklichkeit geworden. Eine Lehrerin (Direktorin) in Texas, die es wagte, immer noch die wissenschaftlich bewiesene Lehre der Evolution der Arten und der Entwicklung des Menschen aus der Tierwelt zu lehren, wurde von einer Bush-Mitarbeiterin gefeuert.
Christine Castillo Comer, die seit 27 Jahren Lehrerin für Naturwissenschaften im US-Bundestaat Texas war und seit 9 Jahren Direktorin für Naturwissenschaften in der staatlichen texanischen Erziehungs-Behörde, wurde im November entlassen. Sie hatte die Lehre der Evolution gelehrt - begründet von Charles Darwin und später in aller Ausführlichkeit bewiesen und erweitert – und das ist für die fanatisch-hysterischen Christen vom Typ Bush ein Delikt, denn Gott habe schließlich die Erde und den Himmel vor 6000 Jahren erschaffen und zwar in sechs Tagen.
Diese Lehre, Kreationismus genannt, wird von den „wiedergetauften“ Christen der extrem rechten und fanatischen Kirchen in den USA, deren einer auch Bush angehört, als göttliche Wahrheit behandelt, die damit logischerweise nicht wissenschaftlicher Widerlegung offensteht. Sie haben bereits in vielen US-Bundesstaaten durchgesetzt, dass diese abstruse Annahme neben der wissenschaftlichen Evolutionstheorie an den Schulen gelehrt werden muss.
Auch in Texas ist das so. Die Lehrer sollen eine „ausgewogene“ und „neutrale“ Position zwischen den beiden sich völlig widersprechenden Versionen der Geschichte der Natur und der Menschheit einnehmen. Wie das möglich sein soll, hat man vorsichtshalber offen gelassen.
Dagegen sagte Frau Comer, dazu befragt, die Direktiven des Staates hierzu seien klar: „Die Evolution ist nicht einfach eine gute Idee. Sie ist eine Gesetzmäßigkeit.“
Und so ist das immer, wenn die Dinge nicht klar geregelt sind: Alles steht zur Interpretation offen. In diesem Fall verlangte man von der Direktorin, ihre eigene Überzeugung von der Wissenschaftlichkeit der Evolutionstheorie völlig zu verbergen und nach aussen hin so zu tun, als seien beide Theorien möglich. Das stimmt exakt mit der widerlichen Tendenz zur Heuchelei überein, der von oben der ganzen US-amerikanische Gesellschaft übergestülpt wird.
Wie das im Einzelnen vor sich ging, beschreibt ein Artikel der „New York Times“ vom 4. Dezember 2007. Christine hatte an ein wissenschaftliches Forum in Texas die Ankündigung eines Vortrags per E-mail geschickt, der sich kritisch mit der Kreationismus-Theorie auseinandersetzt. Innerhalb einer Stunde, noch bevor das E-Mail überhaupt gelesen worden war, wurde sie zu einer Koordinatorin gerufen. Diese, eine gewisse Ms. Reynolds, arbeitet auf nationaler Ebene in der Erziehungs-Verwaltung. Sie war persönliche Assistentin von Präsident Bush, als er noch Gouverneur von Texas war.
Diese Person mit Bezug nach „ganz oben“ erklärte Christine, sie habe das E-Mail gelesen (das bis dahin noch nicht einmal die Empfänger geöffnet hatten) und es handele sich um eine „Unregelmässigkeit“, ausreichend für eine Entlassung. Christine, so sagte sie, fuhr es durch den Kopf: „Was ist das, die Gedankenpolizei?“
Anschliessend wurde ihr von ihrem Vorgesetzten eröffnet, man habe ausreichend Material, um sie entlassen zu können und werde dies tun, wenn sie nicht selbst um Entlassung bäte. So in die Ecke gedrängt, reichte Christine ihre Entlassung ein.
Im nächsten Februar wäre eine Kommission zusammengetreten, die auf der Texas-Ebene die Vorgaben zu den Inhalten des Naturwissenschaftsunterricht überprüfen und neu definieren würde, eine Kommission, die nur im Zehn-Jahres-Abstand tagt. Dort hätte Christine eine Stimme gehabt. Der Vorsitzende dieser Kommission ist ein gewisser Don MacLeroy, der Religion lehrt und als fanatischer Verfechter des Kreationismus bekannt ist. Ein Zusammenhang dieser Tatsachen mit der Entlassung Christines wurde geleugnet.
Warum die E-Mail-Adresse von Christine Comer dann offenbar unter Überwachung stand und bei der ersten Gelegenheit zugeschlagen wurde, weiss aber niemand zu erklären.
Es wird immer deutlicher, wie die Rechtsaussen aus der christlichen Ecke in den USA vorgehen, um Stück für Stück das ganze Land auf die „richtige“ Linie zu bringen und den Oppositionellen (sie pflegen sie Dissidenten zu nennen, jedenfalls in anderen Ländern) ihre Lebensgrundlage zu nehmen. "Die werden schon sehen wie weit sie damit kommen."
Bleibt anzumerken, dass es sich nicht einfach um eine Kuriosität aus den USA handelt. Vielmehr haben die christlichen Politiker in Deutschland um Merkel, Schäuble und Beckstein bereits die ersten Schritte unternommen, um auch in Deutschland die christliche Lehre (nach ihrer Version) als Staatsräson einzuführen
Sind die USA bereits auf dem Wege zu einem „Gottesstaat“ nach dem Vorbild von Saudi-Arabien und dem Iran – nur mit der christlichen Abart -, so sind die ersten Bewegungen in diese Richtung auch in Deutschland bereits gemacht. Siehe dazu die beiden Dossiers „Verschärfung Sexualstrafrecht“, hier und hier.
Veröffentlicht am 13. Dezember 2007 in der Berliner Umschau
Originalartikel