Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise
Von Karl Weiss
Die Zahlen von Eurostat, veröffentlicht am 3. September, sind klar: Im zweiten Quartal sank das Bruttosozialprodukt (jetzt: „Brutto-Inlandseinkommen (BIE)“) der Euro-Zone um 0,2 % gegenüber der Zahl des vorherigen Quartals, von ganz Europa um 0,1% im gleichen Vergleichszeitraum. Damit tritt ein, was bereits vorausgesagt wurde: Auch die EU wird von der internationalen Wirtschaftskrise erfasst. Wird das dritte Quartal auch ein Minus ergeben, ist man auch formal in der Wirtschaftskrise, von den bürgerlichen Ökonomen schamhaft Rezession genannt.
Wie bereits in diesem Artikel veröffentlicht, befinden sich Spanien, Irland und Dänemark bereits offiziell in der Wirtschaftskrise, doch die anderen Länder Europas und der EU hatten bisher noch ein geringes Wachstum aufzuweisen. Jetzt aber sinkt dieses übrig gebliebene Wachstum schnell und die ersten Länder haben bereits (für ein Quartal) den Rubikon überschritten und stehen im Minus. Die offizielle Definition der Wirtschaftskrise ist: Zwei aufeinanderfolgende Quartale im Minus beim Gross-Domestic Product (BIE), dem international verwendeten Vergleichsmaßtab, im Vergleich zum vorhergehenden Quartal
Die nun veröffentlichten Zahlen (das sind alles Schätzungen) für einzelne Länder in Europa sind (2. Quartal gegenüber 1. Quartal): Estland: - 0,9%, Deutschland und Lettland: - 0,5%, Frankreich und Italien: - 0,3%. Bei +/- 0 lagen Vereinigtes Königreich, Schweden und Niederlande. Ein deutliches Plus weisen nur noch die Slowakei (+ 1,9%), Polen (1,5%) und Tschechien sowie Litauen mit je 0,9% auf.
Zwar ist Europa als Ganzes im Jahresvergleich immer noch im positiven Bereich (Eurozone: 0,7%, EU: 0,6%), aber auch diese Zahlen sinken schnell, wenn man erst einmal in der Wirtschaftskrise ist (in diesem Quartal gab es bei beiden betrachteten Ländergruppen bereits ein Minus von 0,7 Prozentpunkten gegenüber den vorherigen Zahlen).
Übrigens rutscht auch Japan im Moment in die Krise: - 0,5% im Vergleich zum vorherigen Quartal.
Nach diesen Zahlen wird also Deutschland gegen Ende des Jahres, wenn die Zahlen des dritten Quartals veröffentlicht werden, sogar eines der ersten Länder sein, das offiziell in die Wirtschaftskrise eintritt – und vor allem: Das erste der großen EU-Länder.
Das Schönreden, die Beschwörung des Aufschwungs, die Statistikmanipulationen bei den Arbeitslosenzahlen von Frau Merkel und der ganzen grossen Koalition helfen also nicht (was auch nicht schwer vorauszusagen war): Der Export, das letzte Faden, an dem die deutsche Wirtschaft noch hing, nachdem der Inlandskonsum bereits vorher in die Miesen abrutschte, bricht in diesem Moment mit zweistelligen Minus-Raten ein.
Nun wird sich rächen, das man ausgerechnet in dieser Situation vor der Wirtschaftskrise den Inlandskonsum mit aller Macht abgewürgt hat: Millionen von Bundesbürgern wurde in prekäre Arbeit gezwungen, die einen Lohn aufweist, der nicht zum Leben reicht. Hartz IV ist das Schicksal von über 6 Millionen Deutschen.
Speziell die Familien mit Kindern und alleinerziehende Mütter werden zwanghaft in die Armut getrieben. Man braucht nur einmal den Andrang bei einer der „Tafeln“ ansehen. Frau Merkel und Herr Beck haben Riesenmengen von Geld aus der normalen Bevölkerung herausgepresst und an die Grosskonzerne ausgeschüttet.
Dazu kam die härteste Steuererhöhung für den kleinen Mann (Erhöhung der Mehwertsteyuer, die speziell die niedrig Besoldeten trifft, um etwa 20%, höchste Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik) bei gleichzeitigen Steuerkürzungen für Grosskonzerne und für Reiche.
Und – bemerkenswert, wie schlau dies Politiker-Gesindel auch noch ist - man hat die Bundestagswahlen und den Moment des grössten Impakts der Krise genau auf den gleichen Zeitpunkt gelegt: 2.Hälfte 2009. Herzlichen Glückwunsch für ihr Näschen, Frau Merkel und meine Herren Politiker! Der verdiente Lohn ist Ihnen sicher!
So erklärt sich denn auch, warum der Euro seinen Höhenflug gegen den Dollar unterbrochen hat und am gleichen Tag dieser Meldung mit dem Unterschreiten von 1,44 US-$ den niedrigsten Stand seit vielen Monaten ereichte. Das nützt natürlich dem Export jetzt auch nichts mehr, denn Exporte werden nicht im Tagesrhythmus errungen, sondern in Monaten von Arbeit.
Gleichzeitig wird erneut deutlich: Die Spekulanten glauben den offiziellen Zahlen. Obwohl alle vernünftigen Kommentaristen auch die USA bereits in der Krise sehen und den offiziellen Zahlen von 3,3% Wachstum keinen Glauben schenken, bewegt sich der Dollar gegen den Euro genau entsprechend diesen Zahlen, so als ob die USA nicht in der Wirtschaftskrise wären. Na, denn spekuliert mal hübsch weiter!
Aus diesem Artikel („FTD: Dramatischer Dollar - Verfall bedroht deutschen Export - Die Wirtschaftskrise in Deutschland wird fürchterlich“) vom 1.Dezember 2006 hier noch eine Vorhersage, die sich jetzt anfängt zu bewahrheiten:
„ (...) Nun kommt aber die Wirkung der Krise als solche dazu: Massenentlassungen, Anstieg der Zahl der Arbeitslosen (der wirklichen, die veröffentlichten Zahlen mag man manipulieren können), Kurzarbeit, Werksschließungen, Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen usw. Das wird die Massenkaufkraft zusätzlich schwächen und weitere Prozente ausmachen, schätzen wir konservativ ebenfalls 2%. Damit sind wir bei –4%
Nun aber: Der Dollar wird nicht etwa bei 1,40 im Vergleich zum Euro stehen bleiben. Er wird bis zu 1,50 gehen. Damit bricht der deutsche Export, die einzige Hoffnung in Deutschland, weiter ein: Weitere 2%, damit kommen wir auf –6%. Das würde bereits die bei weitem tiefste Wirtschaftskrise der Geschichte der Bundesrepublik ausmachen.
Der Rückschlag der Wirtschaftskrise aus anderen Ländern käme noch dazu: Die können nicht mehr soviel deutsche Produkte kaufen, da sie selbst in der Krise stecken. Sind glatt noch einmal 2%, da sind wir auf –8%.
(...) Das kann in seinen desaströsen Auswirkungen bestenfalls noch mit der massiven Weltwirtschaftskrise verglichen werden, die 1929 begann und bis tief in die Dreißiger Jahre hinein ging – und selbst die könnte noch übertroffen werden.
Der Kommentator der Financial Times nennt es eine tektonische Umschichtung, was uns für die nächsten Jahre bevorsteht.“
Und hier aus dem gleichen Artikel auch noch die Schlussfolgerung:
„Weit mehr Bundesbürger werden nun endgültig sehen: Der Kapitalismus hat keine Zukunft für sie und ihre Kinder. Ein System, das nur unermeßlichen Reichtum für eine winzige Minderheit und Arbeitslosigkeit, Krisen, Hunger, Not, Elend, Kriminalität, Krieg und Gewalt produzieren kann, muß weg! (...) Die Zeiten, als kaum einer den Kampf für nötig hielt, werden bald definitiv vorbei sein. Lebhafte, revolutionäre Zeiten stehen an!“
Veröffentlicht am 4. September 2008 in der Berliner Umschau
Originalveröffentlichung
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