Linke als Volkspartei?
Von Karl Weiss
Beeindruckend eine Studie des DIW-Instituts, die Anhänger der Linken seien nicht, wie vermutet, hauptsächlich aus den unteren Schichten (geringer Bildungsstand, geringes Einkommen) gekommen, sondern würden sich gleichmäßig über alle Bevölkerungsschichten verteilen, allerdings mit deutlichen Unterschieden im Osten und im Westen.
Siehe hier.
Das DIW schließt daraus, die Linke hätte das Zeug zur Volkspartei.
Dazu muss man bemerken, dass diese Studie ihre Befragungen 2007 vornahm, also zu einer Zeit, als die Linke in den Umfragen noch bei weitem keine 13 oder 14 Prozent der Stimmen bei der „Sonntagsfrage“ erhielt wie jetzt, das sind immerhin fast das doppelte als bei der Bundestagswahl 2005. Das sind schlechte Nachrichten für die etablierten Parteien, die sich nun wohl langsam daran gewöhnen müssen, mit der „Linken“ leben zu müssen.
Dabei muss man die allerletzten Entwicklungen noch berücksichtigen, wo der Staat, geführt von Parteien, die den Treueeid auf die Prinzipien des Neo-Liberalismus geschworen haben, jetzt entgegen allen diesen Prinzipien staatlicherseits massiv in die Wirtschaftsabläufe eingreift, die nach deren Bibel doch immer nur und gut funktionieren, wenn sich der Staat da völlig raushält.
Damit verlieren diese „bolschewistischen Neoliberalen“ das bisschen an Glaubwürdigkeit, das sie noch hatten, jedenfalls bei einer guten Anzahl von Menschen.
Kein Wunder, dass speziell die Partei, die eigentlich konservativ sein müsste, also die überkommenen Werte hochhalten, in spezieller Weise Zuspruch verliert. Letzter Stand: CDU bei 33% derer, die noch ihre Stimme abgeben, das sind etwa die Hälfte der Wahlberechtigten, macht zusammen also in etwa 16,5% der wahlberechtigten Bürger, die dieser „Volkspartei“ noch zustimmen. Die andere angebliche Volkspartei, die SPD, steht derweil auf 25%, das macht also 12,5% der Wahlberechtigten. Die Summe von beiden Regierungsparteien, nur dass man mal die richtigen Zahlen hat, kommt gerade mal auf 28% der Zustimmung der Wahlberechtigten.
Wenn die aktuellen Ausbrüche der beginnenden Weltwirtschaftskrise erst einmal in das Bewusstsein weiter Kreise der Bevökerung eingesickert sind und Hunderttausende ihren Arbeitsplatz verloren haben, dann werden da noch ganz andere Zahlen herauskommen.
Wirklich interessant ist es aber auch, die Kommentare unter diesem Artikel in der Süddeutschen zu lesen, bereits am ersten Tag weit mehr als 150. Da kommt die Wut auf die Profiteure zum Teil vehement zum Ausdruck. Einer der heftigen Verteidiger der etablierten Parteien unter den Kommentatoren, der sich ‚Passagier‘ nennt, antwortet darauf mit dem, was er wahrscheinlich für den Leibhaftigen hält:
„...wenn man Ihre Formulierungen so liest (...) dann sollten Sie überlegen, ob statt der Linken nicht die MLPD ihre wahre politische Heimat ist ...“
Danke, Herr Passagier, für die Aufklärung.
Aber auch ein anderer Kommentar hat sehr viel Beachtung gefunden, der von einer Kommentatorin stammt, die sich „Unschuldsvermutung“ nennt:
„Ich bin geborene Münchnerin (Wessi) mit Abitur und Eigentumswohnung und außerdem wertkonservative Katholikin, die (fast) jeden Sonntag in die Kirche geht.
Ich wähle die Linke und bin seit kurzem auch Mitglied, weil sie als einzige Partei das christliche Menschenbild und die christliche Soziallehre vertritt (auch wenn ich in der Familienpolitik andere Ansichten vertrete). Die sogenannten christlichen Parteien tanzen ums goldene Kalb und treten die christliche Soziallehre mit Füßen. Die SPD hat alle ihre Grundsätze verraten und ist so charakterlos geworden, dass einem schlecht werden könnte. Die Grünen sind nur noch eine grün angestrichene FDP. Die FDP ist marktradikal und sozialdarwinistisch und daher von vorherein für einen Christen indiskutabel und unwählbar. Die freien Wähler sind - ja was eigentlich ?
Wenn ich mir Sonntags die Predigt anhöre, dann bekomme ich jedesmal bestätigt, dass die Linkspartei die einzige Alternative darstellt, wenn man eine gewissenhafte und christliche Wahl treffen will. Oder um es mal wieder mit dem katholischen Bischof Helder Camara zu sagen: "Wenn ich den Armen zu Essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Wenn ich danach frage, warum sie in Armut leben, nennen sie mich einen Kommunisten." Dem ist nichts hinzuzufügen.“
Veröffentlicht am 9. Oktober 2008 in der Berliner Umschau
Originalveröffentlichung