Montag, 20. Oktober 2008

Banken gerettet - Staat Pleite?

Wer ist am Drücker?

Von Karl Weiss

Interessanterweise hat niemand die Bundesregierung und die Abgeordneten des Bundestags gefragt, woher sie denn die 500 Milliarden Euro für das Unterstützungspaket der armen, notleidenden Banken nehmen wollen. Nun, alle ahnen schon, woher: Man wird einfach neue Schulden aufnehmen. Das wird üblicherweise über Staatsanleihen bewerkstelligt. Was aber, wenn der Staat Bundesrepublik nicht mehr für so viel gut ist?

Reichstag - Bundestag

Nur dass man eine grobe Ahnung hat, was 500 Milliarden Euro darstellen – weil diese Summe nämlich für Menschen unvorstellbar ist: Für etwa 1 Milliarde kann man eine Autofabrik hinstellen, die mehrere Tausend Autos pro Tag herstellt (wir haben hier im Grossraum Belo Horizonte gerade eine solche Investition von Fiat). Der Betrag, den man den unersättlichen Bank-Herren in den Rachen stopft, wäre also groß genug, um 500 Autofabriken auf die grüne Wiese zu stellen, von denen jede mehrere tausend Autos am Tag (am Tag!) herstellen kann.

Jeder erinnert sich noch genau, wie genau jene Bundestagsabgeordneten, die jetzt das 500-Milliarden-Paket durchgewinkt haben und deren Parteikollegen aus der Landes- und Kommunalpolitik uns wieder und wieder erklärt haben, es sei kein Geld da. Nicht einmal 10 Millionen, das sind 0,02% jenes Betrages, konnten aufgebracht werden, wenn es um die Belange der Bürger ging. Doch jetzt, als es um die Belange des Finanzkapitals geht, ist Geld in rauhen Mengen vorhanden? Ein Freund des Verfassers nennt das „Wir werden verhohnepiepelt!“.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Hatte einmal irgendein dreister Typ gewagt darauf hinzuweisen, man könne ja Schulden aufnehmen, dann bekam er einen Vortrag, der sich gewaschen hatte: Ob man denn wahnsinnig sei? Die Schulden seien heute schon so hoch, dass sie kaum noch bezahlbar seien. Man würde den kommenden Generationen eine unerträgliche Bürde auferlegen, jede weitere Staatsverschuldung müsse vermieden werden. Man könne auch jetzt bald bereits den Bundeshaushalt ausgleichen.

Und nun? Man hatte nur nach 10 Millionen gefragt und jetzt werden 500 Milliarden aus der Schatulle gezaubert? Jetzt ist plötzlich der Untergang des Abendlandes nicht mehr angesagt, wenn die Staatsschulden um Beträge erhöht werden, die menschliches Vorstellungsvermögen überschreiten? Unsere Kinder und Enkel werden nun lachen über die Staatsverschuldung?

Verhohnepiepelt? Ist das Wort nicht etwas schwach dafür?

Der Kolumnist der „Financial Times Deutschland“, Wolfgang Münchau, fragt in seinem neuesten Kommentar, ob denn nicht vielleicht der Staat pleite geht, wenn man alle Banken rettet und ob damit etwas gewonnen sein wird. Er meint, statt mit Vollgas auf eine Wand zuzufahren, würde man jetzt mit Vollgas auf einen Abgrund zufahren. Er erinnert daran: Es steht ein wirtschaftlicher Abschwung bevor (er meint eine Wirtschaftskrise) und man wird ein umfangreiches Konjunkturprogramm brauchen, damit daraus nicht eine Depression wird (damit meint er eine extrem tiefe, langandauernde Wirtschaftkrise).

Bundestag - Reichstag

Er erinnert ebenso daran, dass nach den Banken als nächstes die Versicherungen und danach die Autoindiustrie kommen werden, die ebenfalls ihren Anteil vom grossen Staatskuchen haben wollen – und damit endet es sicher nicht. Er nennt das Problem: Die langfristige Solvenz des Staates.

Wie drückt sich das aus? Dadurch, dass der internationale Bond-Markt zusammenbricht. Bond-Markt, das sind die Staatsanleihen. Die US-Staatsanleihen heissen Dollar-Bond und die europäischen Euro-Bond. Wenn der Bond –Markt zusammenbricht – und das erwartet Münchau mit Sicherheit – dann werden die entsprechenden Währungen einen nachhaltigen Wertverfall erleben.

Ausgelöst würde das von weitaus zu hohem Abrufen der Regierung (zunächst wohl jene der USA) von Geld vom internationalen Markt für (Dollar-)Bonds. Plötzlich werden „lots“ (so nennt man einen Stapel von (Dollar-)Bond-Papieren), die man anbietet, nicht mehr vollständig verkauft werden.

Capitol, Washington (DC)

Dann muss man höhere Zinsen bieten, um überhaupt noch zu verkaufen, dann reicht auch das nicht mehr und schon beginnt die Spekulation gegen die Währung, was zu ihrem katastrophalem Wertverlust führt – das dürfte zunächst der US-Dollar sein, aber angesichts der Jumbo-Bankenrettungspakete von fast allen Euro-Ländern (wie auch von Grossbritannien mit seinem Pfund und der Schweiz mit ihrem Fränkli) werden dann wohl auch andere Währungen dran sein.

Wer Lust hat, sich die Details eines Staatsbankrotts anzusehen, der braucht nur nachzulesen, was in Argentinien am 21. Dezember 2001 und den folgenden Wochen geschah (Stichwort ‚Argentinazzo‘).

Münchau meint, weltweit wäre das eine Katastrophe. Eine Katastrophe, um einer anderen auszuweichen, deren genaues Gesicht uns bisher noch niemand klar gemacht hat.

Was wäre denn daran so schlimm, wenn – sagen wir – 4 der fünf grösseren Banken in Deutschland und 40 der mittleren und kleinen Banken über die Wupper gehen würden (die Zahlen vier und vierzig mag jeder nach Gusto durch andere ersetzen – insgesamt gibt es 2003 Banken in Deutschland)? Andere Banken würden deren Geschäft und wohl auch teilweise deren Personal übernehmen, einige würden schlicht aufgekauft. Ja und? Das ist schon in vielen Branchen so geschehen, ohne dass jemand den Untergang der Welt an die Wand gemalt hätte.

Was ist daran so entsetzlich, wenn viele grosse und auch mittleren Banken eventuell vom Markt verschwinden? Nun, die Antwort ist einfach: Im Kapitalismus ist das Finanzkapital (das sind die grossen und mittleren Banken) Teil der Monopole, die die Macht haben. Sie ordnen also einfach an, ihnen diese Summen zur Verfügung zu stellen. Es geht nicht darum, dass es noch Banken gibt und die das Kreditwesen aufrecht erhalten können, es geht darum wer die Macht hat. Den Bankherren ist völlig wurscht, ob der Staat später den Bach hinunter geht oder ob die Währung entwertet wird oder ob Millionen ihre Arbeitsplätze verlieren werden. Da ist nicht ihr Bier. Sie sind am Drücker und sie haben Regierung und Parlament in der Hand.

Gut, dass wir das nun wissen. Wir sollten das wohl auch unseren Kindern und Enkeln erklären, die sicherlich diese Schulden nicht werden bezahlen wollen. Und: Am Tag nach der Revolution gibt es keine Staatsschulden mehr.


Veröffentlicht am 20. Oktober 2008 in der Berliner Umschau, hier mit einem kleinen Zusatz versehen

Originalartikel

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