Freitag, 10. Oktober 2008

Der Kosovo ist ein Krebsgeschwür im Körper des Völkerrechts

UN-Vollversammlung nimmt Resolution an

Von Karl Weiss

Wie bereits im Februar anlässlich der „Unabhängigkeitserklärung“ des Kosovo in diesem Artikel geschrieben: „Kosovo: ‚Unabhängigkeit‘ öffnet Büchse der Pandora‘“ , ist der Fall Kosovo mit der „Unabhängigkeitserklärung“ und mit der Anerkennung durch inzwischen bereits 48 der etwa 180 Länder der Erde keineswegs abgeschlossen. Im Gegenteil: Es handelt sich um eine schwärende Wunde, die ständig neue Probleme schafft, solange dies Problem nicht gelöst ist, eine Wunde im internationalen Völkerrecht.

Kosovo

Ja, es wurde in diesem Artikel sogar die These aufgestellt, die Anerkennung des Kosovo als souveränem Staat könne der erste Schritt zum dritten Weltkrieg sein.

Es dauerte denn auch nicht lange und im August fand bereits der erste Krieg statt, der ohne die Öffnung der Büchse der Pandora so wahrscheinlich nicht stattgefunden hätte: Der Ossetien-Krieg. Die NATO hatte Georgien aufgefordert, die „ungeklärten Grenzziehungen“ seines Landes in Ordnung zu bringen, also die beiden abtrünnigen Provinzen Süd-Ossetien und Abchasien mit Gewalt wieder nach Georgien einzuverleiben, und Saakashvili als treuer Diener seines Herren folgte der „Empfehlung“ und marschierte in Süd-Ossetien ein und räuberte und mordete, dass es eine Art hatte.

Das gab Russland den lange erwarteten Vorwand, nun seinerseits Truppen zu schicken und die georgischen Aggressoren aus Süd-Ossetien zu vertreiben und dabei auch gleich noch das Problem zu lösen, dass in einem Teil von Abchasien georgische Truppen gestanden hatte. Um Georgien und dem Westen eine Lektion zu erteilen, marschierte man auch noch ein Stück nach Georgien ein und machte deutlich, man hätte jederzeit das Land erobern und besetzen können.

Gebäude in Gori nach russischem Luftangriff

Dann wurde eine weitere Lektion erteilt: Süd-Ossetien und Abchasien wurden als selbständige Staaten anerkannt. Dabei hat man sich ausdrücklich auf den Fall Kosovo bezogen. Dem Westen blieb außer hilflosen Protesten nichts zu tun übrig. Man versuchte mit einer Hetzkampagne gegen Russland dies Land als Aggressor erscheinen zu lassen.

Doch nun, im Oktober, fand in der UN-Vollversammling die Abstimmung statt, die zeigte, ob die Propagandakampagne überall auf der Welt auf fruchtbaren Boden gefallen war: Serbien hatte eine Resolution eingebracht, die den Fall Kosovo vor das UN-Gericht zu bringen forderte. Will sagen, Serbien hat den integren Bestandteil seines Landes, den Kosovo, keineswegs aufgegeben.

Und so kam es, wie es kommen musste: Da die überwiegende Mehrheit der Länder sehr wohl das Völkerrecht kennt und sehr wohl weiss, die Abtrennung des Kosovo von Serbien war völkerrechtswidrig, ging die Abstimmung eindeutig aus: Mit 77 gegen 6 Stimmen wurde Serbiens Resolution angenommen, wobei 74 Enthaltungen gezählt wurden. Die Propaganda, Russland sei der Aggressor vom August und Serbien der Aggressor im Kosovo-Konflikt und nicht die NATO-Staaten, fand international nur wenig Echo.

Unter diesen Enthaltungen waren auch einige jener Länder, deren Regierungen am eifrigsten auf die Abspaltung des Kosovo gedrungen und den „neuen Staat“ als erste anerkannt hatten: Deutschland , Grossbritannien und Frankreich.

Bevölkerungsgruppen in Jugoslawien 1991

Interessant, dass es nur die USA selbst und (natürlich) Albanien (sowie vier Mini-Pazifik-Staaten, die in Wirklichkeit unter US-Recht stehen) wagten, gegen diese Resolution zu stimmen.

Es wird deutlich: Die NATO-Länder, die wesentlich für die völkerrechtswidrige Abtrennung des Kosovo von Serbien verantwortlich sind, waren sich sehr wohl bewusst, dass sie offen gegen das Recht verstossen hatten und damit einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen haben. Die kleinlaute „Enthaltung“ spricht Bände.

Es ist auch charakteristisch, dass sich ebenfalls EU-Staaten der Resolution angeschlossen haben, wie Spanien, Griechenland, Zypern und Rumänien.

Auch fünf der sechs bevölkerungsreichsten Länder der Erde, China, Indien, Russland, Indonesien und Brasilien haben sich für die Resolution ausgesprochen, wie auch andere Länder mit viel internationalem Ansehen, wie Argentinien, der Iran, Island und Norwegen.

Man kann anhand dieser Resolution erneut deutlich machen: Die US-Regierung ist es in Wirklichkeit, die sich mit ihrer Politik immer mehr isoliert und damit auch jene Regierungen, die sich mit Vorliebe in deren Anus aufhalten, wie die deutsche, die englische und die französische.

Während die Massenmedien in den „westlichen“ Ländern immer wieder den Eindruck zu erwecken versuchen, lediglich ein Handvoll von „Spinnern“ in einigen Ländern würden nicht mit der Art und Weise übereinstimmen, wie die US-Regierung die ganze Welt regiert, ist die Wirklichkeit eine andere: So mächtig auch die USA zusammen mit den EU-Ländern erscheinen mögen, in Wirklichkeit ist es diese imperialistische Politik, die weltweit isoliert ist.

Wie auch immer: Der Fall Kosovo ist weit entfernt von einer Lösung. Die „Unabhängigkeitserklärung“ und die Anerkennung durch andere Staaten haben das Problem nur vergrössert, nicht verringert.

Es ist wie mit der Besetzung eines Teiles der damaligen Tschechoslowakei durch die Hitler-Truppen: Das wurde zwar international zunächst hingenommen, aber es blieb ein Krebsgeschwür im Körper des Völkerrechts. Wird es nicht diplomatisch gelöst, wird es zu einem Krieg kommen.


Veröffentlicht am 10. Oktober 2008 in der Berliner Umschau

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