System ohne Ausweg
Von Karl Weiss
Originalveröffentlichung
Die meisten Kommentare über das Desaster des kapitalistischen Finanzsystems in diesen Tagen versuchen zu beruhigen, zu verniedlichen und so zu tun, als ob mit den Hilfsplänen für die armen krisengeschüttelten Banken alles ausgestanden wäre. Vor allem aber wiederholen sie unter Unterlass: Es ist keine Krise des Systems, es ist eine Krise von Leuten, die falsch gehandelt haben. Sie erklären aber nicht, wieso alle „Finanzagenten“ in gleicher Weise zur gleichen Zeit falsch gehandelt haben und wieso es für das Volk immer hiess, es sei keine Geld da, während für die „Finanzagenten“ hunderte von Milliarden von Euro (oder Dollar) bereitstehen. Zwischen den Zeilen kann man aber manchmal erkennen: Der Kommentator weiss selbst, dass er schönredet.
Es gibt aber auch ehrlichere Kommentare, wie zum Beispiel der von Peter L. Bernstein in der New York Times unter dem Titel „What’s free abour free enterprise?“ (Was ist frei am freien Unternehmertum?)
Nachdem er entschieden die unsinnigen Geldmengen verteidigt, mit denen die Staaten in diesemMoment jene Zocker in den Banken und Finanzinstitutionen belohnen, die am skrupellosesten im grossen Kapital-Casino gewettet und verloren haben, meint er:
“The subprime mortgage mess, the huge leverage throughout the system, the insidious impact of new kinds of derivatives and other financial paper, and, at the roots, the vast underestimation of risk could not have happened in a planned economy. A superjumbo bailout is the inescapable result, but at some point we must confront its more profound implications.”
“Das Riesenproblem mit den faulen Haus-Hypotheken, der gigantische Gebrauch von „leverage“ im ganzen Finanzsystem (Kaufen auf Pump und Bezahlen mit dem erwarteten Gewinn) und die versteckte Gefährlichkeit der neuen Arten von „derivates“ (Finanztitel, bezogen auf Finanztitel, bezogen auf Finanztitel usw., ähnlich einem Kettenbrief-System) und anderen Finanztiteln und im Kern, das unglaubliche Unterschätzen der Risiken hätten in einer geplanten Ökonomie nicht passieren können. Das „Superjumbo“-Unterstützungspaket ist das unausweichliche Ergebnis, aber zu irgendeinem Zeitpunkt müssen wir uns mit dem beschäftigen, was dies alles im Gunde bedeutet.“
Auch Bernstein treibt die Analyse noch nicht tief genug, denn er unterstellt den „Finanzagenten“ noch, die Risiken unterschätzt zu haben. Das kann man in Wirklichkeit ausschliessen. Diese „Finanzagenten“ sind äusserst gerissene Zocker. Sie wussten von den Risiken, aber sie wussten auch, sie selbst würden sie nicht zu tragen haben. Sie würden zum Zeitpunkt des „Crash“(das ist JETZT) ihre Schäfchen längst im Trockenen haben und das kapitalistische System würde gezwungen sein, die Finanzinstitutionen zu unterstüzen, denn ohne sie funktioniert der Kapitalismus nicht.
Kurz: Das Ganze war kein Falsch-Funktionieren des kapitalistischen Systems, es war das kapitalistische System.
Das ist der Kern des kapitalistsichen Systems: Die Gewinne werden privatisert, die Verluste werden sozialisiert, dh. die Allgemeinheit muss sie tragen. Diese Erkenntnis deutet Bernstein an, wenn er sagt, das alles hätte es in einer geplanten Ökonomie nicht gegeben und man müsse sich fragen, was das im Grunde heisst.
Nun, er darf in seiner Funktion nicht weiterdenken (er ist Redakteur eines Financial Newsletters) und schon gar nicht in der New York Times, aber wir können und wir dürfen und wir sollen: Im Sozialismus wird die Gesamheit derer, die arbeiten und Werte schaffen, der Besitzer des Staates und der Fabriken und Banken sein. Sie werden direkt Einfluss auf die Staatsgeschäfte haben und werden lernen dies klug zu nutzen.
Der Staat wird planen, was produziert und gebraucht wird, wird die nötigen Finanzmittel dazu verteilen und es wird keine Politiker geben, die alle vier Jahre in einer Kampagne riesigen Ausmasses wiedergewählt werden. Alle Repräsentanten werden in den Betrieben und Stadtteilen gewählt und sind täglich, stündlich abwählbar. Das ist der Kern des Rätesystems. Die unmittelbare Beteiligung des Arbeiters an der Macht.
Wir werden aufmerksam sein müssen, wenn unsere Repräsentanten eventuell ehrgeizig und machtgierig werden und sie rechtzeitig abberufen. Zusätzlich wird es eine übergeordnete Kontrollinstanz geben, die hilft, solche Typen zu erkennen und aus der Verantwortung zu entfernen. Wer Verantwortung hat, wird dadurch keine persönlichen Vorteile haben, höchstens mehr Arbeit. So wird man da schon einen guten Teil der Karrieristen fernhalten.
So werden wir verhindern, was in Russland und der DDR und China geschah: Die Übernahme des Systems durch kleinbürgerliche Karrieristen.
Der Kapitalismus macht sich gerade selbst kaputt, seine Protagonisten sind in heller Aufruhr und wissen nicht aus noch ein. Die Frage ist jetzt, wie den Sozialismus errichten und wie verhindern, dass er wieder zurückgedreht wird zum Kapitalismus.
So wird die Überschrift von Bernsteins Artikel zu einem Menetekel an der Wand des Systems: „Was ist frei am freien Unternehmertum?“ Nichts! Freiheit ist Sozialismus!