Brasilien wird Erdöl-Nation
Von Karl Weiss
Gerade erst am 1. Mai dieses Jahres hatte Präsident Lula in einer kleinen Feierstunde das erste Erdöl aus dem „Pre-Sal“ vor der brasilianischen Küste in die Leitung strömen lassen, schon kommt bereits die dritte Meldung über ein neu gefundenes Ölfeld in der Bucht von Santos seit Februar 2009.
Der spanisch-argentinische Ölkonzern Repsol hat eine Anzahl von Lizenzen zur Erforschung nach Ölhaltigkeit für Gebiete vor der brasilianischen Küste erworben, die er zusammen mit der brasilianischen Petrobras und anderen betreibt. Im Februar hatte Repsol bereits Ölfunde in den Feldern „Piracucá“ und „Iguaçú“, beide vor der Küste von Santos, bekannt gegeben. Jetzt kommt der neue Fund dazu. Damit sind in den dortigen Feldern nun bereits 6 Bohrungen fündig geworden
Der neue Fund, bekannt geworden am 11. Mai, erhielt den Namen Panoramix und wurde in nur 170 Meter Wassertiefe erschlossen, was die Ausbeutung beachtlich erleichtert und mit einer fest auf dem Meeresgrund verankerten Plattform ausgebeutet werden kann. Allerdings wird dort auch nur eine Ausbeute von etwa 400.000 Kubikmetern Erdgas pro Tag und von etwa 1.500.000 Barril (Fässer) Erdöl täglich erwartet – das ist mittlere Grösse.
Brasilien hat seit letztem Jahr angefangen, auch das Erdgas aus den Ölfeldern zu nutzen und nicht mehr abzufackeln. Innerhalb der nächsten zehn Jahre soll der gesamte Bedarf von Erdgas aus eigenen Quellen gewonnen werden, was Brasilien vom bolivianischen Erdgas unabhängig macht.
Auch die im Kern bereits beschlossene, aber nie zur Realisierung gebrachte grosse Erdgasleitung von Venezuela bis in den Südosten Brasiliens (und weiter nach Argentinien) könnte überflüssig werden.
Die wirklich bedeutenden der brasilianischen Ölfunde sind allerdings die im „Pre-Sal“ („Vor Salz“). Im Geologen-Chinesisch drückt das aus: Unter dem Salz.
In verschiedenen Teilen der Weltmeere gibt es Kilometer unter dem Meeresgrund dicke Salzschichten. In vielen Fällen befinden sich noch einmal einen halben oder ein Kilometer darunter Erdölfelder. So ist es mit einer der grössten Ansammlungen von grösseren Ölfeldern, das je gefunden wurde, das sich im Abstand von über hundert Kilometer vor der brasilianischen Küste von Gebieten vor dem Staat São Paulo bis nach Norden in Gebiete vor dem Staat Bahia hinzieht. Sie liegen 5 bis 6 Kilometer unter der Wasseroberfläche und in Wassertiefen von etwa 4 Kilometer. Solche Felder waren bisher nicht zugänglich. Die in Brasilien von verschiedenen, auch ausländischen, Gruppen entwickelte Technik des Bohrens und Förderns von schwimmenden Plattformen aus macht es nun erstmals möglich, solche „Pre Sal“-Ölfelder auszubeuten.
Es soll bis zum Jahr 2020 an etwa 15 verschiedene Stellen eine Ausbeutung dieser Ölfelder geben. Die Investitionen dafür sind gewaltig und können nicht allein von der Petrobras und dem brasilianischen Staat aufgebracht werden. Es wurden bereits Verträge über Milliarden-Investitionen mit China geschlossen, das später in Erdöl bezahlt werden soll.
Wenn all dies verwirklicht ist, kann Brasilien zu einem der ganz grossen Erdölexporteure werden, in etwa in der Grössenordnung des Iran.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Brasiliens Brutto-Inlandsprodukt zu etwa 75 % aus internem Konsum besteht. Das hat auch dazu geführt, dass Brasilien weit weniger von der derzeitigen Welt-Wirtschaftskrise betroffen ist als die meisten Industrieländer. Voraussichtlich wird Brasilien im Jahr 2009 ein Null-Wachstum aufweisen. Das bedeutet aber, dass sich das Rekordjahr 2008 wiederholen wird.
Auch als grosser Erdölexporteur wird also Brasilien nicht zu einem extrem von Exporten abhängigen Land werden - wie Deutschland es war und deshalb jetzt besonders leidet – oder wie es andere Entwicklungsländer zu völlig vom Erdölkonsum und –preis abhängigen Nationen macht, wie Venezuela, Nigeria oder den Iran.
Im Moment muss Brasilien noch heftige Mengen von Diesel importieren, weil ein grosser Teil der in Brasilien bisher gefundenen Erdölqualitäten extrem dickflüssig ist und von brasilianischen Raffinerien nicht verarbeitet werden kann. Ausser durch den Bau einer neuen grossen Raffinerie versucht Brasilien dies Problem durch Beimischen von Biodiesel zu bekämpfen. Heute hat bereits der gesamte in Brasilien verbrauchte Diesel-Kraftstoff 5% Bio-Diesel beigemischt.
Der Export von Erdöl dagegen ist bisher nur gering, aber offiziell gilt Brasilien bereits als Erdöl-autark. In brasilianischen Reais ergibt sich aber im Moment noch ein Defizit.
Wenn Russland und/oder Italien nicht aufpassen, wird Brasilien sie im Brutto-Inlandsprodukt überholen.
Veröffentlicht am 19. Mai 2009 in der Berliner Umschau