Die Briten schlagen alle Minus-Rekorde
Von Karl Weiss
Obwohl großsprecherisch angekündigt worden war, Großbritannien werde im dritten Quartal 09 aus der Krise herauskommen, war die Wirklichkeit anders: Das britische Brutto-Inlandsprodukt (BIP) sank im dritten Quartal dieses Jahres um 0,4% gegenüber dem Zweiten, in dem es auch bereits um 0,6% zurückgegangen war. Das bedeutet einen Rückgang des BIP im Jahresvergleich um 5,2%. Auch im Vorquartal war schon ein ähnlicher Rückgang im Jahresvergleich registriert worden: -5,5%.
Damit sinkt das BIP im Vereinigten Königreich nun bereits im sechsten Quartal nacheinander. Das hatte es noch nie gegeben seit Beginn der Statistik zu diesem Punkt. Der Vertreter einer großen Britischen Versicherung sagte: „Das dritte Quartal ist furchtbar. In den Daten gibt es nichts Positives.“
Das „Handelsblatt“ gibt als Hauptursache in dem diesbezüglichen Artikel vom 23.10.09 an, dass Großbritannien eine weit geringeren Industrie-Anteil am BIP habe als etwa Frankreich und Deutschland. Dadurch seien auch die Exporte insgesamt schwach. Hier gibt es also eine klare Parallele von Großbritannien mit den USA, siehe auch diesen Artikel: „Fortschreitende Desindustrialisierung der USA: (https://karlweiss.twoday.net/stories/5993170/ )
Großbritannien läuft auch Gefahr, im BIP von Frankreich überholt zu werden. Eine schwierige Situation für Premier Brown, der bis Mitte kommenden Jahres allgemeine Wahlen ausschreiben muss. Der konservative Herausforderer Cameron sieht sich schon in der Rolle des Premierministers und verkündet bereits ohne Unterlass, in diesem Falle eine Volksabstimmung über die erweiterten EU-Rechte des Lissabon-Vertrages anzusetzen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass eine solche Abstimmung mit einem herzhaften „Nein“ ausgehen würde.
So blicken viele Europa-Politiker mit Sorgen auf die tiefe Krise, in welche die Briten abgerutscht sind. Speziell das Britische Pfund ist angeschlagen. Es geht in schnellen Schritten auf das 1:1 mit dem Euro zu, während es noch nicht lange her ist, dass ein Pfund ein und ein halb Euro waren.
Das könnte zwar den britischen Exporten zugute kommen, aber dazu müsste man natürlich eine weite Vielfalt von Industrieprodukten zu exportieren haben und nicht nur Finanzdienstleistungen – mit anderen Worten Luftbuchungen.
Noch zu Beginn der Krise saß die britische Bankenwelt auf höchsten Rossen. Als gleich nach der Beginn der Krise eine Demonstration von aufgebrachten Bürgern durchs Londoner Finanzviertel zog, warfen die Banker mit einem zynischen Lächeln Münzen auf die Demonstranten da unten auf der Straße. Es scheint so, als ob die Geschichte beschlossen hat, sie zur Rechenschaft zu ziehen.
Veröffentlicht am 26. Oktober 2009 in der Berliner Umschau