Das wars also, katholische Kirche
Von Karl Weiss
Endlich hat sich der Papst zu einem Teil der Kindersex-Skandale in der katholischen Kirche geäußert. Doch außer den offiziellen Teilen der Kirche selbst ist niemand zufrieden mit dieser Stellungnahme. Nach der unzureichenden Stellungnahme kam nun die wahre Fratze des Katholizismus zum Ausdruck, da der Augsburger Bischof Mixa von fünf ehemaligen Heimkindern des gewalttätigen Verprügelns angeklagt wird. Die Diözese reagiert: Es werden strafrechtliche Schritte gegen die „Verleumdungen“ angekündigt.
Hier ein Auszug aus dem Artikel über Reaktionen zu den Prügelvorwürfen, erhoben in fünf eidesstattlichen, von einander unabhängigen Erklärungen: „Die Vorwürfe, Mixa habe in Schrobenhausen Kinder geschlagen, bezeichnet das Bistum Augsburg in einer schriftlichen Stellungnahme als "absurd, unwahr und offenbar in der Absicht erfunden, den Bischof persönlich zu diffamieren".“
Es sei in diesem Zusammenhang erinnert: Wenn eine Tat von fünf Zeugen bestätigt wird, steht in einer z.B. strafrechtlichen Beurteilung nicht mehr die Tatsache der Tat in Frage, bestenfalls Nebenfragen wie Verjährung, geistige Zurechnungsfähigkeit des Täters, mildernde Umstände usw.
Dass die Stellungnahme des Papstes außerhalb des „harten Kerns“ der Katholiken nicht als ausreichend angesehen wurde, liegt nur zum geringsten Teil daran, dass er sich praktisch ausschließlich auf Fälle in Irland bezieht und damit bestenfalls die Spitze des Eisbergs berührt. Viel entscheidender ist, dass alle Aussagen wohlfeil sind. Betroffenheit, das Gefühl von „Schande“ und moralische Verurteilung der Täter kann man leicht im Munde führen, doch für den Verantwortlichen einer Riesen-Organisation, in der sich Fälle sexueller Aggression, Verprügeln und Vergewaltigung von Kindern häufen und Vertuschen und Negieren an der Tagesordnung ist, erwartet man Substantielles:
Zum Beispiel eine Analyse, warum gerade diese Kirche in so viele Fälle verwickelt ist und Konsequenzen daraus. Zum Beispiel eine Angebot an alle Opfer, Wiedergutmachungs-Zahlungen zu leisten. Zum Beispiel das Angebot mitzuarbeiten an Anlaufstellen für Opfer, die überall zu schaffen wären, die mit Personen außerhalb der Sphäre der Täter besetzt sind. Zum Beispiel, wie in Zukunft das Bedrohen, Vertuschen und Negieren verhindert werden soll usw. usw.
Doch nichts dergleichen! Konsequenzen, vor allem Konsequenzen müsste die katholische Kirche nun ziehen, aber da ist nur Fehlanzeige. Der hauptsächliche Punkt, der die Opfer und Hilfsorganisationen auf die Palme bringt, ist die Vertuschung und Geheimhaltung und das aggressive Drohen mit strafrechtlichen Schritten wegen „Verleumdung“ bzw. „Diffamierung“, wie jetzt wieder, wenn entsprechende Fälle denn wirklich bekannt werden. Die Katholische Kirche bestand immer darauf, zunächst eine interne Untersuchung durchzuführen. Erst wenn diese die Übergriffe bestätigt hat, sind die Kleriker bereit, eventuell auch an die Gerichtsbarkeit zu gehen, Polizei und Staatsanwaltschaft einzuschalten. Das war so und das wurde erneut bestätigt im Brief vom Papst.
Nur – die internen Untersuchungen kommen eben fast immer zu dem Schluss, die Anklagen seien nicht bewiesen und dabei bleibt es. Sieht man immer nur den Einzelfall, ist ein solcher Übergriff praktisch nicht zu beweisen, wenn der Täter leugnet – und das tut er mit Sicherheit, wenn die Taten erst kurz zurückliegen. Die Täter können bei ihren Untaten ja meist dafür sorgen, dass sie mit dem Opfer allein sind. Es ist kein Fall bekannt, in dem jemand flagranti beim sexuellen Übergriff erwischt wurde.
Die einzige Chance für die Opfer ist fast immer, speziell in Erziehungs- und Kinderbetreuungs-Organisationen, dass der Täter das tut, was von fast allen berichtet wird: Sie vergehen sich an mehr als einem Kind.
Deshalb sind neutrale Anlaufstellen so wichtig: Spätestens beim zweiten Opfer desselben Täters, das sich meldet, kann der sich nicht mehr so einfach mit Leugnen aus der Affäre ziehen. Dann ist es eben entscheidend, dass die Anlaufstelle neutral ist und nicht so tut, als ob zwei Anklagen unabhängig von einander nicht bereits einen schweren Tatverdacht darstellen. Wenn jetzt das Bistum Augsburg trotz fünf eidesstattlicher Erklärungen der ehemaligen Heimkinder so tut, als sei das kein Beweis, ist das charakteristisch: Die ehemaligen Verprügelten oder sexuell Angegriffenen werden mit der ganzen Wucht einer milliardenschweren Kirche konfrontiert, die ihren Reichtum für aggressive Anwälte einsetzt und beweise, die vor jedem Gericht ausreichen, ignoriert bzw. als Diffamierungen bezeichnet.
So werden, wie schon tausende Male vorher, die Opfer zurückgeworfen in ihre Hilflosigkeit gegenüber der übermächtigen Großorganisation, die schon viele in den Selbstmord getrieben hat.
Natürlich gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen sexuellen Aggressionen bzw. Vergewaltigungen einerseits und dem Verprügeln andererseits, aber das Gefühl der Erniedrigung und der Rechtlosigkeit vereint beide Arten von Opfern.
Das haben die innerkirchlichen Untersucher eben immer getan und tun es nun erneut. Obwohl immer Anklagen bestanden, wurde immer abgewiegelt: Es gebe keine Beweise. Nun, da in den meisten Fällen bereits Verjährung eingetreten ist, kann man leicht sagen, man fühle Scham.
Auch der Gebrauch des Wortes „Reue“ durch den Papst ist etwas außergewöhnlich. Reue kann man nach katholischer Lehre nur für eigene Sünden, eigene Verfehlungen spüren. Will der Papst damit eigene Sünden in diesem Zusammenhang zugeben? Eventuell den Fall des US-Priesters Murphy, der über 200 Kinder einer Gehörlose-Schule sexuell angegriffen haben soll, in dem von der New York Times die persönliche Verwicklung von Ratzinger aufgedeckt wurde?
Wie immer, bleiben solche Fragen ungeklärt.
Dagegen sind die Äußerungen des Vatikans über die Veröffentlichungen in den Medien von Empörung erfüllt und völlig eindeutig: Die Kirche ist Opfer, nicht Täter! Man wird mit Vorwürfen überhäuft, während doch keineswegs nur in katholischen Einrichtungen sexuelle Gewalt gegen Kinder ausgeübt wird!
Aha, wenn auch andere Morde begehen, dann ist mein Mord weniger verwerflich? Wer Dreck am Stecken hat, sollte nicht so leichtfertig andere anklagen, oder?
Aber es scheint, dass diese Kirche noch nicht einmal verstanden hat, was eigentlich in der Hauptsache der ‚Dreck am Stecken’ ist.
Sie meint, die Öffentlichkeit würde sie anklagen, diese Übergriffe gewissermaßen verursacht zu haben. Ja, es gibt die Diskussion um das Zölibat, die Zwangs-Nicht-Sexualität der Priester und viele meinen, dadurch wären manche Priester so notgeil, dass sie sich an Kindern vergehen.
Aber dies ist nicht der Kern der Vorwürfe. Der Kern ist vielmehr, dass die Kirche nicht wahrhaben will, dass es solche Fälle in ansehnlicher Zahl gibt und dass sie dazu stehen müsste, den Opfern zur Seite stehen, die Täter der Justiz übergeben, die Einschüchterung und Bedrohung der Opfer einstellen und aufhören müsste zu verdecken und zu verharmlosen.
Doch praktisch alle Opfer berichten immer wieder das Gleiche, damals und heute, ohne Unterschied: Die Kirche negiert, solange dies möglich ist. Sie schüchtert Opfer ein mit Drohungen von strafrechtlichen und zivilrechtlichen Klagen, mit extrem teuren und aggressiven Rechtsanwälten im Rücken. Wenn die Vorwürfe erhärtet sind, versucht sie Geheimhaltungsverträge mit Abfindungen für die Opfer abzuschließen, um die Fälle nicht an die Öffentlichkeit kommen zu lassen. Lässt sich nicht mehr verhindern, das die Staatsanwaltschaft etwas davon erfährt, gibt sie extrem aggressiven Rechtsschutz für die Täter und bezahlt teuerste Rechtsanwälte, um geringe Strafen zu erreichen – was auch meistens gelingt. In Deutschland zum Beispiel ist nach Aussagen einer Opfer-Hilfs-Organisation noch nie ein Priester-Täter zu einer Strafe ohne Bewährung verurteilt worden, auch wenn er sich an zig Kindern sexuell vergangen hat.
Hier ein aktuelles Foto von Prügel-Mixa mit Kindern
Zur Beschäftigung von Privatdetektiven durch die katholische Kirche zur Einschüchterung von Opfern siehe auch diesen Artikel: „Ist der Papst der Anti-Christ?“ (https://karlweiss.twoday.net/stories/5588064/ )
Da ist es auch eine sehr fragliche Aktion, nun mit einer sogenannten Missbrauchs-Hotline unter kirchlicher Oberaufsicht vorzupreschen. „Unter der Nummer (08 00) 120 10 00 kümmern sich geschulte Berater und Therapeuten um alle, die solche Übergriffe in katholischen Einrichtungen erlebt haben.“ heißt es in der kirchlichen Ankündigung. Nach allen Erfahrungen, welche die Opfer mit der Kirche als Verantwortliche für die ihre Klagen gemacht haben, werden sie kaum je bei einer kirchlichen Institution anrufen, um Hilfe zu bekommen. Im Gegenteil, sie werden befürchten, diese Anrufe würden aufgenommen und bei Prozessen gegen sie wegen "Diffamierung" verwendet.
Und man kann das den Opfern nicht übel nehmen, vielleicht ist diese Hotline wirklich zur Verbesserung der Abwehr gegen Anklagen gedacht und nicht zur Hilfe für Opfer. Doch selbst wenn man trotz aller Erfahrungen davon ausginge, die Kirche habe lautere Absichten mit ihrer Hotline, riecht das Ganze etwas nach „Wir haben doch etwas getan“.
Tatsächlich brauchen die Opfer – und vor allem jene, die jetzt, in diesem Moment, sexuell angegriffen oder verprügelt werden – eine Hotline. Aber das muss eine sein, in der absolute Geheimhaltung gegenüber den Täter-Organisationen garantiert wird, in der die Identität der Opfer den Täter-Organisationen bis zur Erhebung der Anklage vor einem ordentlichen Gericht nicht offenbart wird, die lokale therapeutische Betreuung organisieren kann (und dazu mit Mitteln ausgestattet ist), die Kindern Zufluchtsorte anbieten kann, damit sie aus den Klauen von Sexualtätern und Prügel-Monstern befreit werden können und nicht zuletzt eine Hotline, die einen effektiven juristischen Beistand gegen die übermächtige und reiche Kirche garantieren kann.
All dies ist bei einer kirchlichen Hotline nicht denkbar.
So muss man immer wieder fragen: Ist diese Kirche betroffen, oder heuchelt sie nur Betroffenheit? Ist sie wirklich bereit, sich zu ändern oder macht sie nur Worte, um zu verdecken, wie alles beim Alten bleibt?
Veröffentlicht am 1. April 2010 in der Berliner Umschau