Montag, 26. April 2010

Rechtsfreier Raum Hamburg

Das BVG hat es ihnen um die Ohren geschlagen, aber die Hamburger Richter machen genauso weiter!

Von Karl Weiss

In Hamburg (und in einem Teil der Fälle auch in Berlin) werden über 90% der Prozesse geführt, die Internet-Seiten bestimmte Veröffentlichungen verbieten wollen. Sie bekommen fast immer recht, denn die Presserichter in Hamburg (und zum Teil in Berlin) urteilen konsequent und entgegen jeglicher tatsächlicher rechtlicher Würdigung für die scheinbar verletzten Persönlichkeitsrechte von mehr oder weniger „Prominenten“ und gegen das Recht auf Informations- und Pressefreiheit. Diese Zustände dauern bereits Jahre an, ohne dass es irgendjemand für nötig erachtet, da Einhalt zu gebieten.

Nun gibt es, fünf Jahre nach dem entsprechenden Prozess in Hamburg, ein Urteil des Obersten Gerichtes, des Bundesverfassungsgerichts (BVG), über eines jener typischen „Hamburger Urteile“, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Wie schon früher, weist das BVG die Ansicht zurück, die Informations- Meinungs- und Pressefreiheit müsse immer vor den Persönlichkeitsrechten von in Veröffentlichungen genannten Personen zurücktreten.

Die Verfassungsrichter schlagen der Hamburger Presse-Kammer die Argumente mit der mehrfachen Verwendung des Wortes „offensichtlich“ geradezu um die Ohren.

So gibt es im deutschen Rechtssystem Räume, nämlich Hamburg (und zum Teil Berlin) sowie das Internet, in dem die Rechte der freien Meinungsäußerung, der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit nicht den gleichen Rang einnehmen wie im Rest der Republik.

Der konkrete Fall liegt bereits Jahre zurück und war lediglich eine Feuilleton-Geschichte. Bei einem Presse-Besuch in der Wohnung der damaligen Generalsekretärin der FDP, Cornelia Piper, zeigte die Politikerin den Reportern auch einige Pflanzen, die der 18-jährige Sohn züchtete und da war auch eine Cannabis-Pflanze zu sehen, welche die aufmerksamen Journalisten erkannten. Der Sohn sagte, das sei ein Versehen und entsorgte das Pflänzchen denn auch gleich im Müll. Dort fand es die zeitungslesende Staatsanwaltschaft, ordnete Durchsuchung an und eröffnete ein Ermittlungsverfahren (das natürlich später im Sande verlief). Es wurde sogar eine offizielle staatsanwaltliche Presseerklärung abgegeben, da der Fall bereits in vielen Zeitungen stand.

So weit, so lustig.

Doch nun kam da ein lächerlicher, unbedeutender nicht-kommerzieller Blogger und berichtete auch kurz über den Fall, wobei der Name des erwachsenen Sohnes genannt wurde. Der Prominenten-Sohn, der zig Artikel in der Presse hatte durchgehen lassen, weil die Episode eben mehr kurios war als etwas, mit dem man gegen eine Politikerin argumentieren könnte, zog nun plötzlich gegen den Blogger vor Gericht und – wie es die einschlägigen Rechtsanwälte wollen, in Hamburg vor der Pressekammer.

Dort wurde der Blogger heftig verurteilt, weil die Dinge in Hamburg eben so sind. Angeblich seinen die Rechte des Söhnchens durch die Namensnennung verletzt worden und er habe Anspruch auf Unterlassung und Entschädigung. Es spielte dabei keine Rolle, dass der Artikel des Bloggers gar nicht den Sohn, sondern die Staatsanwaltschaft aufspießte, die nach Ansicht des Bloggers hier unverhältnismäßig vorgegangen war.

Nun, das BVG erklärte die Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil als „offensichtlich begründet“. Das Interessante an dem Fall ist aber, dass dies nun die Hamburger Richter nicht im geringsten stört. Sie werden weiter gegen die Meinungs- und Pressefreiheit entscheiden, wenn es ums Internet geht, denn ein Deutscher Richter ist nicht verpflichtet, entsprechend der Verfassung zu entscheiden. Im Zweifelsfall könne der durch solche Urteile Geschädigte ja vor das BVG ziehen.

Nun ist dies in der Praxis oft unmöglich, denn ein kleiner Blogger, der vielleicht einige hundert Leser im Monat oder im Jahr hat, wird üblicherweise nicht die Mittel haben, gewiefte Rechtsanwälte fünf Jahre lang zahlen zu können, die mit ihm vor das BVG ziehen.

Die Ausrede, das Internet sei ja weltweit und daher könne der Gerichtstand dahin gelegt werden, wo es der Kläger will (und das ist dann eben fast immer Hamburg oder manchmal Berlin) ist im Grunde leicht zu durchschauen. Die einfache Regelung, dass der Gerichtsstand für solche Fälle am Ort ist, wo der Internetprovider seinen Sitz hat oder dort, wo der Blogger seinen Wohnsitz hat, würde mit dieser Praxis aufräumen, aber die Bundesjustizministerin hat es ausdrücklich abgelehnt, eine solche Veränderung vorzunehmen.

Diese Praxis der deutschen Rechtsprechung reiht sich ein in andere Entscheidungen des BVG, wie zum Beispiel die zur Grundgesetzwidrigkeit von Hartz IV – aber alles bleibt beim Alten oder soll sogar noch verschärft werden. Da BVG wird auf diese Art und Weise von einem Gericht zu einem Kommentaristen-Gremium.

Interessanterweise hat man noch keinen Verfassungsschutz-Agenten gegen diese verfassungsfeindlichen Bestrebungen vorgehen gesehen.


Veröffentlicht am 26. April 2010 in der Berliner Umschau

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