Anheuser Busch & InBev - Wie ein Konzern zerstört wird
Von Karl Weiss
Ein klassisches und kaum zu übertreffendes Beispiel für den an Wahnsinn grenzenden Unsinn der Neoliberalen-Ikone „Sharholder-Value“ ist die in Deutschland kaum zur Kenntniss genommene Übernahme von Anheuser-Busch (A.-B.) durch den Belgisch-Brasilianischen Braukonzern InBev (International Beverages), der nun der grösste Bierbrauer der Welt ist.
Das Ganze begann in Brasilien, wo die Brauerei Brahma vor etwa 25 Jahren die neue Marke ‚Skol‘ herausbrachte, mit der es ihr gelang, an die Spitze der Beliebtheit der Biere in Brasilien zu kommen, während die eigene vorherige Marke ‚Brahma’ den zweiten Platz einnahm. Als nächstes kaufte man, nach diesem Erfolg voller Barmittel, den verbliebenen wichtigsten Konkurrenten ‚Antartica’. Damit hatte man die drei grössten Brasilianischen Biere und konnte den Markt diktieren (So werden Bars und Getränkevertriebe zum Beispiel nicht mit diesen drei meist verlangten Marken beliefert, wenn sie nicht unterschreiben, keine der Konkurrenz-Biermarken zu verkaufen). Die Coca Cola versuchte, mit der Marke ‚Kaiser‘ in diese Phalanx mit einer riesigen Werbekampagne einzudringen, die praktisch die ganzen Neunziger Jahre gefahren wurde („Kaiser ist ein grosses Bier“), aber die drei von der Brahma-Stelle blieben an der Spitze. Im neuen Jahrtausend versuchte eine vorher kaum bekannte Marke, ‚Scin’ (‚Scincariol’), mit einer ebenfalls gross angelegten Werbe-Kampagne die drei Grossen anzugreifen, aber außer ein paar Monaten von höheren Verkäufen als der dritte, ‚Antartica’, versandete auch diese Kampagne und die Dominanz besteht bis heute.
Nur um einen Eindruck zu geben: Heute wird eine Alu-Dose mit 350 ml von ‚Skol’ für etwa 1,60 Reais verkauft, jene mit ‚Brahma’ für 1,45, jene von ‚Antartica’ für 1,20, während sich Marken wie ‚Kaiser, ‚’ Scin’ oder die aufstrebenden ‚Sol’ oder ‚Itaipava’ mit 1,10 bis 1,05 zufrieden geben müssen. Noch kleinere Marken verkaufen unter 1 Real. Dabei kann höchstens ein ausgesprochener Bierkenner diese Marken mit verbundenen Augen am Geschmack unterscheiden.
Der nächste Akt war die Vereinigung der grössten belgischen Brauerei (Hauptmarke ‚Stella Artois‘), die eine starke Stellung nicht nur in Belgien hatte, einem klassischen Biertrinker-Land, sondern auch in Frankreich, England, den Niederlanden und Teilen Deutschlands, mit der Brahma-Brauerei und die Gründung der AmBev. Entgegen dem anfänglichen Eindruck, die Belgier hätten die Brasilianer aufgekauft, wurden der Präsidentenposten und sechs der wesentlichen Managerposten mit Brasilianern aus der Brahma-Küche besetzt, auch wenn der Sitz in Belgien war. Teil der AmBev/In Bev wurde dann inzwischen auch die deutsche Marke ‚Becks’.
Das brasilianische Team ist ganz ohne Zweifel völlig unbrasilianisch und eine der wohl aggressivsten und rücksichtslosesten Gruppe von Managern, die der Getränke-Weltmarkt, und sogar der Markt überhaupt je gesehen haben. Dies stellten sie unter Beweis bei der feindlichen Übernahme von Anheuser-Busch im Jahr 2008, dem US-Marktführer mit den Marken ‚Budweiser‘, ‚Bud Light‘ und ‚Michelob‘, und bei der anschliessenden versuchten Umgestaltung des US-Konzerns in eine Dividenden–Quelle der ersten Kategorie.
Anheuser-Busch war eine jener traditionellen Firmen, die aus dem 19.Jahrhundert kamen, sehr erfolgreich waren, aber dann den „Biss“ verloren und sich ein wenig verloren hatten, mit riesigen Investments in Themen-Parks, in chinesischen Bierbrauereien, in unglaublich aufwendigen Werbekampagnen, in extremen Privilegien für die eigenen Manager und im gleichzeitigen Übersehen der tatsächlichen Trends im Bier-Markt.
Zum Zeitpunkt der Übernahme 2008 verkaufte A.-B. 48,9% der Fass-Biere in den USA und verkaufte 11 „Billion“ (Milliarden) Flaschen Bier. Das machte die Brauerei zur grössten in den USA, aber die Miller und Coors waren auf den Fersen.
Um nur einen Eindruck zu geben: Die Hauptmarke ‚Budweiser‘ war noch vor 25 Jahren mit über 40% des US-Marktes der absolute Spitzenreiter. Zum Zeitpunkt der Übernahme war diese Beteiligung auf 9% geschrumpft. Allerdings hatte A.-B. selbst einen grossen Anteil an diesem Wandel. Heute ist ‚Bud Light‘ die grösste Einzel-Marke in den USA und die neuere A.-B.-Marke ‚Michelob‘ ist auch schon grösser als ‚Budweiser‘.
Kurz: Die Aktionäre von A.-B. waren nicht so sehr zufrieden, die Aktie gab nie zu Freudensprüngen Anlass, während es ein einziges Meer der Freuden gewesen sein muss, bei Anheuser-Busch Manager gewesen zu sein. Die oberen Chargen waren nur in Jets der firmeneigenen Flotte von Flugzeugen unterwegs, die schon den Namen Bud-Air erhalten hatte.
Grosszügige Altersabsicherung, Lebensversicherungen von der Firma und ähnliches waren an der Tagesordnung. Ausserdem war diese Brauerei eine der sichtbarsten Firmen in den USA: Ihre riesigen Werbekampagnen waren berühmt. Die besten Werbeagenturen rissen sich um den Busch-Account. Jedes Jahr wartete alles gespannt auf die neue Werbung zum „Super-Bowl“ (Endspiel der American Footbol-Liga) von ‚Bud’, die Jahr für Jahr zur besten gekürt wurde. Die Olympischen Winterspiele wurden immer exklusiv als einziges Bier gesponsort, man hielt sich eigene Frauen-Fußball-(Soccer)-Vereine, ein prächtiges Pferdegestüt mit speziellen Brauerei-Pferden und die Busch-Gardens, riesige Themen-Parks, waren in vielen Teilen der USA ein Begriff.
Übrigens: Diese Busch-Familie hat nichts mit den Präsidenten-Bushs zu tun. Sie hatten auch das c nicht aus dem Namen gestrichen wie fast alle deutschstämmigen Amerikaner dieses Namens, als es in den Weltkriegen nicht angebracht war, aus Deutschland zu stammen.
Was die Trends im Bier-Markt in den USA betrifft: Es gibt einen allgemeinen Trend zu kleinen Marken von (scheinbaren oder echten) Hinterhof-Brauereien, die es in Tausenden von Geschmacks–Nuancen gibt. A.-B. hatte keine erfolgreiche Marke dieser Art kreiert.
Da trat also nun im Jahr 2008 InBev mit einem Angebot von insgesamt 46 „Billionen“ (Milliarden) Dollar an, um A.-B. feindlich zu übernehmen. Die Familie Busch wehrte sich mit allen erdenklichen Mitteln, es wurde sogar eine grosse Investment-Bank engagiert, um das Angebot abzuwehren, aber die Aktionäre hatten das letzte Wort. Sie nahmen das Angebot von InBev an und die Buschs mussten sich mit den Brasilianern einigen.
Im November 2008 war die Einigung perfekt und nun wurde A.-B. Teil der Gruppe InBev. Damit hatten sich zwei der vier grössten Bierbrauerkonzerne zusammengeschlossen und waren nun die grösste Brauer-Firma der Welt, knapp vor dem vorherigen Spitzenreiter SABMiller, der in London sitzt.
Allerdings hatte sich die InBev mit der Ausgabe von 46 Milliarden US-Dollar für die Übernahme der A.-B. gewaltig übernommen. Man hatte einen wesentlichen Teil dieser immense Summe zwar von einem Konsortium von Banken geliehen bekommen, um diesen Coup zu landen, aber die nun fälligen Rückzahlungen und Zinsen hätten den neuen, großen Konzern für viele Jahre fast bewegungsunfähig gemacht. So hatten denn die Banken auch Bedingungen gestellt für die Gewährung dieses Jumbo-Kredits: Massive Einsparungen im ganzen Konzern, um schnell vorzeitige Rückzahlungen tätigen zu können.
46 Milliarden US-Dollar scheinen uns heute nicht viel Geld zu sein, denn wir haben gesehen, dass selbst eine kleine, völlig unwichtige Bank wie die IKB mit genau solchen Summen von der Bundesregierung „gerettet“ wurde – natürlich alles aus unseren Steuergeldern - und das ging so fix wie man ein Glas Bier trinken kann. Unser Verhältnis zu großen Summen von Geld ist gestört.
In der Wirklichkeit, da wo man nicht einfach 100 Milliarden mit Finanztransaktionen verliert oder gewinnt, in der realen Welt, wo man Güter aus Rohstoffen produzieren muss, die man dann verkaufen kann und das gegen Konkurrenten auf dem Markt, in dieser Welt sind 46 Milliarden Dollar ein Heidengeld.
So war denn auch die Tinte unter dem Vertrag der Übernahme noch nicht trocken, als das brutale Brasilianer-Team bereits Massenentlassungen ankündigte: Allein in den USA bei A.-B. wurden etwa 6% der Belegschaft unmittelbar entlassen, dazu eine große Zahl von Beratern. Auch in Belgien gab es Massen-Entlassungen (und heftige Proteste dagegen).
Gleichzeitig wurden den neuen Top-Managern höchste Zig-Millionen-Boni versprochen, wenn sie es schaffen würden, das Verhältnis von Schulden zu Einkommen innerhalb von 5 Jahren zu halbieren.
So wurden dann logischerweise gleich weitere Maßnahmen geplant und durchgeführt, die sparen bzw. Geld in die Kassen bringen würden:
- Die Busch-Gardens, die größte Themenpark-Organisation der Vereinigten Staaten, wurde verkauft, was schon einen Milliardenbetrag einbrachte, allerdings auch eine US-Ikone zerstörte. Das Freibier in den Parks wurde auch gestrichen.
- Ein wesentlicher Teil der Anteile an chinesischen Brauereien wurde verkauft. Damit hat man sich allerdings aus dem zweifellos schnell wachsenden chinesischen Bier-Markt verabschiedet. Wo will man Wachstum suchen?
- Allen hohen Managern wurden die persönlichen Assistenten und Sekretärinnen gestrichen.
- Es wurde angekündigt: Ab 2012 wird die Firma nicht mehr in die Pensionskasse für die Angestellten einzahlen. Damit sind die Altersversorgungen, speziell für jüngere Mitarbeiter, praktisch gestrichen (in den USA gibt es keine obligatorische Rentenversicherung).
- Die Löhne und Gehälter wurden gekappt. Es sollte ein Niveau von zwischen 80 und 100% des Durchschnitts für entsprechende Tätigkeiten in den USA erreicht werden. Tatsächlich sind heute die Löhne schon unter diese 80% gefallen.
- Die Manager müssen sich statt eigener repräsentativen Büros nun mit Großraumbüros zufrieden geben.
- Die Zahl der ausgegebenen Firmen-Blackberries wurden von 1200 auf 720 reduziert.
- Die Frist für die Bezahlung von Lieferanten-Rechnungen wurde von 30 Tagen auf 120 Tage erhöht.
- Die Budgets für die einzelnen Abteilungen müssen in jedem Jahr vom ersten Pfennig an neu begründet werden (Zero-Based Budgeting).
- Die gesamte Flotte von Firmen-Jets wurde verkauft und man reist nun in Flugzeuge in der Touristenklasse.
- Die vorherige Praxis, den Beschäftigten eine Lebensversicherung zu bezahlen, wurde eingestellt ab dem Jahr 2010.
- Die vorherige Praxis, entlassenen Mitarbeitern Ausgleichszahlungen zu garantieren, wurde eingeschränkt.
- Die aufwendigen Werbekampagnen wurden auf ein Minimum zusammengestrichen. Die eigenen Abteilungen für Anzeigen und Werbefilme wurden aufgelöst. Die meisten Verträge mit Werbeagenturen wurden gekündigt. Ob der Verzicht auf Werbung wirklich auf längere Sicht zu höheren Einnahmen führt, bleibt dahingestellt.
Für 2010 wurden bereits erneut Entlassungen angekündigt. Tatsache ist nämlich, dass die Bierverkäufe der InBev in den USA zurückgegangen sind. Dies wird allerdings auf die Krise zurückgeführt. Ob alle anderen Anbieter ebenfalls Rückschläge hinnehmen mussten, ist nicht bekannt.
Ein brasilianisches Magazin feiert die brasilianischen Top-Manager der InBev als die erfolgreichsten Brasilianer im Ausland. Was genau aber ist nun der Erfolg?
Die Aktien der InBev sind nach dem Einbruch durch die Übernahme deutlich gestiegen und werden nach dem Ende der Vorab-Rückzahlungen an die Banken wohl auch anständige Dividenden abwerfen. Es wird allerdings wohl eine Zeit dauern, bis die Dividenden der A.-B. wieder erreicht sein werden.
D.h., man folgt genau den Komponenten der „Shareholder-Value“-Ideologie, ohne für lange Zeit überhaupt wirklich viel Wert für die Aktien-Inhaber zu schaffen. Nur die Banken haben hohe Zinseinnahmen.
Nun fragen Sie sich einmal, geneigter Leser: Was wurde nun wirklich an Positivem geschaffen mit dieser Wahnsinnsübernahme und den vielen Arbeitslosen, die sie gekostet hat?
Gibt es irgendeinen positiven Aspekt, wenn man einmal vom Ego der brasilianischen Manager absieht, das sicherlich ein neues Höchstniveau erreicht hat?
Das ist Kapitalismus in seiner Endphase.
Veröffentlicht am 8. April 2010 in der Berliner Umschau