USA: ‚Eine Krise von Vergewaltigungen Jugendlicher in unseren Gefängnissen’
Von Karl Weiss
Die US-Gesellschaft, schon geprägt von Gewalt seit den Zeiten der ersten europäischen Einwanderer, die Indianer ausrotteten, wird nun, da das Zeitalter des Kapitalismus zu Ende geht, das von den USA geprägt wurde wie von keinem anderen Land, zu einer immer gewaltsameren und hasserfüllten Gesellschaft, die brutalste Gewalt, sexuell und nicht sexuell, gegen Jugendliche und junge Männer und Frauen hinter ihren Gefängnismauern als normal, ja eventuell sogar als wünschenswert hinnimmt.
In einem Artikel der New York Times wird zum Beispiel vom 16 Jahre alten Rodney berichtet, der wegen Brandstiftung sofort zu Gefängnis ohne Bewährung verurteilt wurde (Man vergleiche die Verurteilungen von Priestern in Deutschland, die zig Kinder vergewaltigt haben: Alle erhalten Bewährung). Er wurde nicht in einer Jugendstrafanstalt untergebracht, sondern in einem Erwachsenengefängnis, eine Praxis, die immer mehr um sich greift in den USA, ebenso wie das Verurteilen von Kindern zu Gefängnis.
Bereits innerhalb der ersten Woche im Gefängnis wurde er von Mitgefangenen vergewaltigt („sodomized“: der US-englische Begriff für homosexuelle Vergewaltigung). Da über ein Drittel der US-Gefängnis-Insassen HIV-positiv sind, musste vermutet werden, er sei bereits angesteckt worden. Er beantragte daraufhin, in eine geschützte Institution verlegt zu werden, was ihm verweigert wurde. In den darauffolgenden Monaten wurde er von Mitgefangenen wiederholt verprügelt, musste ihnen immer wieder zu oralem Sex zur Verfügung stehen (auch eine Art von Vergewaltigung) und auch noch ausgeraubt. Danach konnte er die ständige Furcht, den Horror, in dem er lebte, nicht mehr aushalten: Er erhängte sich.
Dies ist kein Einzel- und schon gar kein Ausnahmefall. Die Statistik zeigt: „Juvenils“ (das sind Gefangene unter 18 Jahren) habe statistisch ungefähr die doppelte Chance, im Gefängnis vergewaltigt zu werden als Erwachsene. Das gilt sowohl für Jungen als auch für Mädchen. Die Vergewaltiger sind oft Mitgefangene, aber noch häufiger die Gefängnis-Aufseher.
Eine offizielle Kommission, die solche Fälle untersuchte, kam zu dem Schluss: „Wir stehen angesichts einer Krise von Vergewaltigungen von Minderjährigen in unseren Gefängnissen.“
Nicholas D. Kristof, ein „Golden Globe“-Preisträger unter den Journalisten, berichtet in seinem Artikel zu diesem Thema, dass einer der Gründe ist, warum so viele Vergewaltigungen in den Gefängnissen – und speziell von Wärtern – stattfinden, dass man in den USA dazu übergegangen ist, auch Frauen als Wärter in Männer-Gefängnissen einzusetzen und umgekehrt. Über 10% der Jungen in Jugendstrafanstalten berichten über sexuelle Kontakte mit Aufseherinnen. Unter den Mädchen in Jugendstrafanstalten sagten 5%, bereits in sexuelle Aktivitäten mit männlichen Aufsehern verwickelt gewesen zu sein. Die Begriffe "sexuelle Kontakte" und "sexuelle Aktivitäten" sind die direkten Übersetzungen des Artikels. Der korrekte Begrif für jegliche Art von Sex zwischen Wärter(innen) und Insassen ist Vergewaltigung.
In den weiblichen Gefängnissen sind heute bereits eine Mehrheit der Aufseher männlich.
Insgesamt gibt es sogar mehr Fälle von Übergriffen weiblicher Aufseher als von männlichen.
Einer von acht Jugendlichen, die in Jugend- und anderen Gefängnissen sind, wurden im Jahr 2009 vergewaltigt. Das ist das Ergebnis einer Studie des US-Justizministeriums. Dort wurde auch berichtet über Fälle, in denen männliche Aufseher Mädchen beim Duschen beobachteten, während in anderen weibliche Jungen beim Duschen „beaufsichtigten“.
Die Kommission, die diese Fälle berichtete, nennt auch ein Gefängnis, in dem die Häftlinge routinemäßig durchsucht werden und dabei vor weiblichen Aufsehern ihre Hinterbacken öffnen müssen. Als einer dies verweigerte und darauf bestand, dies nur vor männlichen zu tun, wurde ein „Taser“ angewandt, um ihn „stillzustellen“.
Die Kommission hat Vorschläge für Änderungen gemacht, aber nichts davon wurde bisher angegangen. Man scheint in der US-Regierung und dem Rechtswesen gut mit diesen Übergriffen leben zu können. Es braucht wohl nicht mehr ausdrücklich erwähnt zu werden, dass alle diese Vergewaltigungen, seien sie durch Aufsichtspersonal oder durch andere Insassen, immer und grundsätzlich straffrei bleiben.
Auch dies ist eine der Auswirkungen der „Zero-Tolerance-Policy“ die in weiten Teilen der USA angewandt wird. Ihr letztendliches Ergebnis war, dass nun auch kleinere Transgressionen, die früher mit einer Verwarnung, einer Geldstrafe, Arbeit in wohltätigen Organisationen oder einer Bewährungsstrafe geahndet wurden, nun bereits im Regelfall mit Gefängnis ohne Bewährung bestraft werden. Dadurch wird ein ins Gewicht fallender Teil der Bevölkerung ins Gefängnis gebracht (so ist einer von acht schwarzen männlichen US-Amerikanern im Gefängnis).
Die schweren Delikte, wie Mord, Todschlag, bewaffneter Raubüberfall oder Vergewaltigung sind dadurch dort aber eben nicht zurückgegangen. Wir sollten uns ernsthaft überlegen, ob wir wirklich unseren Politikern wie damals Schill (der heute kokst) oder heute Roland Koch folgen sollten, die diese Maßnahmen auch in Deutschland einführen wollen.
Überhaupt ist es die Frage, ob wir weiterhin alles sklavisch nachahmen sollten, was aus den USA kommt. Wollen wir wirklich eine Gesellschaft voller Gewalt, Missgunst, Rachsucht und Hass?
Veröffentlicht am 9. April 2010 in der Berliner Umschau