Vertusche und lasse sie erneut auf die Menschheit los! - Teil 1
Von Karl Weiss
Nun gibt es also den zweiten Verdacht gegen den heutigen Papst, in seiner Zeit als Bischof bzw. Kardinal selbst an Aktionen zum Verschleiern und Verstecken und erneut auf die Menschheit loslassen von Kinder-Schänder-Priestern beteiligt gewesen zu sein.
Zwar hat in beiden Fälle jeweils ein Untergebener die Verantwortung übernommen, aber das ist in allen Diktaturen (und Scheindemokratien) so: Die höchsten Würdenträger werden immer durch „Sündenböcke“ abgesichert.
In Wirklichkeit aber spielt es überhaupt keine Rolle, ob er Papst in den beiden Fällen selbst Kenntnis der Vorgänge hatte oder sogar selbst das Verschleiern und Nicht-Anzeigen angeordnet hat. Er war nämlich in beiden Fällen der Verantwortliche.
Der erste Fall war 1980. Ratzinger war Erzbischof des Bistums München-Freising und der Pfarrer H., der wegen Vergewaltigung von Kindern aufgefallen war und deshalb aus dem Gesichtsfeld der dortigen Gläubigen genommen werden sollte, wurde vom Bistum Essen ins Münchener Bistum versetzt. Obwohl es sich um Verbrechen handelte und die Täterschaft eindeutig war, wurde er nicht den weltlichen Gerichten übergeben.
Der Generalvikar in München (das ist so eine Art von rechter Hand des Bischofs), ein gewisser Gruber, sagt heute, er habe zwar gewusst, der Pfarrer H. solle in Therapie (er sagte, damals habe man noch geglaubt, das könne durch Therapie geheilt werden), aber er schickte ihn in Wirklichkeit in eine Pfarrei nach der anderen als Hilfs-Pfarrer, wo er wieder Zugang zu Kindern hatte und erneut Opfer fand.
Nun gibt es insgesamt drei Möglichkeiten, warum die Verantwortung beim Bischof und nicht beim Generalvikar liegt:
Entweder Ratzinger hatte bereits Anweisung gegeben (oder augenzwinkernd verstehen lassen), ihn nicht mit Fällen von Kinderschänder-Priestern zu „belästigen“. In diesem Fall liegt die Verantwortung natürlich trotzdem bei ihm, denn Fälle, in denen Priester, die schwere Verbrechen begangen haben, in sein Bistum versetzt werden, kommen ja nicht jeden Monat vor. Selbstverständlich muss der Bischof als Verantwortlicher der Diözese solche schweren Fälle persönlich in die Hand nehmen oder jedenfalls die getroffenen Entscheidungen überprüfen. Tut er dies nicht, ist er als Verantwortlicher der Schuldige, nicht ein Untergebener, der irgendeine „falsche“ Entscheidung getroffen hat.
Oder Ratzinger hatte bereits generelle Anweisungen gegeben, wie solche Fälle zu handhaben seien (nämlich verheimlichen und wieder auf die Menschheit loslassen), und ist damit natürlich auch der Verantwortliche, nicht der Untergebene, der die Anweisungen ausgeführt hat.
Oder Ratzinger hat eben doch Kenntnis vom Fall gehabt und ist als Verantwortlicher natürlich verantwortlich (deshalb heißt der so).
Es kann ausgeschlossen werden, dass ein Generalvikar ohne zu wissen, wie mit solchen Fällen umzugehen ist, auf eigene Faust schwerwiegende Entscheidungen getroffen hat. In streng auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebauten Organisationen wie der katholischen Kirche ist das unmöglich oder würde zu schwersten Folgerungen führen.
Der andere Fall ist der des Kinderschänder-Priesters Murphy aus den Vereinigten Staaten, der eine lange Liste von (wahrscheinlich 200) vergewaltigten Kindern in einer Schule von Gehörgeschädigten aufzuweisen hatte, was bereits in den 80er-Jahren innerhalb der Kirche bekannt wurde.
Wenn der heutige Papst, der damals gerade zum Chef der Glaubenskongregation berufen wurde – da ist jener Job, der früher „Großinquisitor“ hieß und alle Verfahren und Behandlung innerkirchlicher Bestrafungen unter sich hat -, von diesem Fall wusste, so hat er sträflich nicht gehandelt, wenn er nicht davon wusste, so hat er sträflich diese Fragen nicht behandelt, was aufs Gleiche herauskommt.
Im Kern wusste er aber von vielen Fällen von Kinderschänder-Priestern, wenn auch vielleicht nicht von Murphy zu diesem Zeitpunkt. Auf jeden Fall hat er noch im Jahre 2001 alle Fälle von sogenanntem Missbrauch ausdrücklich als geheim gekennzeichnet. Man lese nur, was der Reform-Priester Küng in einem offenem Brief vor kurzem schrieb:
„Die vatikanische Glaubenskongregation sandte über ihren Präfekten Kardinal Ratzinger (heutiger Papst) am 18. Mai 2001 ein feierliches Schreiben über die schweren Vergehen ("Epistula de delictis gravioribus") an alle Bischöfe der Welt, in welchem die Missbrauchsfälle unter die "päpstliche Geheimhaltung" ("secretum Pontificium") gestellt wurden, deren Verletzung unter Kirchenstrafe steht.“
Das heißt, noch zu diesem Zeitpunkt wurden alle verpflichtet, sogenannte Missbrauchsfälle geheim zu halten und nur der Papst persönlich hatte das Recht, sie offen zu legen, was weder der damalige noch der jetzige Papst je getan hat.
In den neunziger Jahren – und das kommt erschwerend hinzu – hat ein Bischof aus den USA ausdrücklich an den damaligen Chef der Glaubenskongregation, Ratzinger, geschrieben und um Anweisungen gebeten, wie im Fall von Murphy vorzugehen sei. Er bekam keine Antwort. Der Papst sagt nun, das sei von seinem damaligen Stellvertreter behandelt worden. Der sei verantwortlich, dass nicht geantwortet wurde. Nur gelten hier wieder die drei oben schon erwähnten Punkte, die klar machen, der Verantwortliche ist immer der Verantwortliche und kann sich nicht damit herausreden, das sei von Untergebenen behandelt worden.
Erst fast en Jahr später – und in diesem Fall war es der spätere Papst selbst – (es kann also keine Rede davon sein, er sei nicht involviert gewesen), wurde eine Antwort in die USA geschickt. Da Murphy bereits todkrank sei, wolle man ihn jetzt nicht mehr verfolgen lassen.
Zusammengefasst: Der jetzige Papst ist kein Außenstehender in Bezug auf die Fälle von Vergewaltigungen von Kindern durch Priester und Mönche und wie sie in der Kirche behandelt wurden. Er hatte bereits als Bischof Verantwortung und nahm sie nicht wahr (oder schiebt jetzt die Schuld ab, was aufs Gleiche herauskommt) und war später sogar der Hauptverantwortliche für den Umgang der Kirche mit diesen Fällen. Er ist Mister „Vertusche-und-lasse-sie-erneut-auf-die-Menschheit-los“.
Veröffentlicht am 22. April 2010 in der Berliner Umschau
Im zweiten Teil dieses Artikels sollen die Fragen beantwortet werden: „Was sind Pädophile?“, „Gibt es Missbrauch von Kindern?“, „Ab wann beginnt Vergewaltigung?“, „Was ist der Unterschied zwischen einem Priester, der ihm anvertraute Kinder vergewaltigt und dem „bösen Onkel“ der ihm persönlich nicht bekannte Kinder vergewaltigt?“ und „Handelt es sich diesen Priestern um Personen mit einer geistigen Störung?“
Zusatz zum Artikel
Am gleichen Tag des Erscheinens des Artikels lese ich hier in Brasilien folgende Meldung:
"O advogado Jeff Anderson afirmou que vai processar o Vaticano e o papa Bento 16 por não terem agido para impedir um padre de Wisconsin, nos Estados Unidos, acusado de abusar sexualmente de ao menos 200 crianças surdas entre 1950 e 1975."
Auf deutsch:
Der Anwalt Jeff Anderson (der eines der Opfer jenes Kinderschänder-Priester Murphy vertritt), hat (in den USA) bestätigt, dass er den Vatikan selbst und den heutigen Papst selbst dort verklagen wird, weil sie nichts getan haben, um den Priester (Murphy) in Wisconsin, in den USA, an weiteren Taten zu hindern, der zumindest 200 gehörlose Kinder zwischen 1950 und 1975 geschändet hat.