Samstag, 13. Dezember 2008

'Herr Bisky, In welchem Land leben Sie?'

Offener Brief an Lothar Bisky anlässlich seiner Rede auf dem Landesparteitag der LINKEN in Berlin am Wochenende 6./7.12.2008

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Sehr geehrter Herr Bisky,

eigentlich hatte ich Sie als ernst zu nehmenden Politiker im Gedächtnis, aber beim Lesen dieser Parteitagsrede habe ich mich gefragt: In welchem Land lebt der eigentlich?

Reichstag - Bundestag
Deutschland: Berlin, Reichstag

Nun könnten Sie natürlich mit Recht sagen: „Sie, Herr Weiss, leben ausserhalb von Deutschland, ich lebe hier!“

Trotzdem scheint es so, als ob ich aus 10 000 km Entfernung mit meinen Kontakten in Deutschland und über das Internet, unter spezieller Erwähnung der Berliner Blogger-Szene, einen klareren Blick habe als Sie, der sie offenbar nur noch innerparteiliche Dinge sehen und nicht mehr die Bevölkerung in Deutschland. Manchmal scheint eine gewisse Entfernung wirklich den Blick auf das Ganze zu schärfen.

Wo in Ihrer Rede, Herr Bisky, erwähnen Sie die Interessen der Bevölkerung Deutschlands, wo nennnen Sie beim Namen, was die Menschen in Deutschland in diesem Moment beschäftigt?

Zugspitze
Deutschland: Zugspitze

Sie sagen, die Bevölkerung Berlins würde von der LINKEN nicht aus der Verantwortung entlassen. Und wo erwähnen Sie die Verantwortung der LINKEN für die Bevölkerung? Glauben Sie, die Bevölkerung ist für die LINKE da oder die LINKE für die Bevölkerung?

Ich spreche hier speziell von jenem Teil der Bevölkerung, der politisch wach geworden ist, der sich nicht mehr leicht von Politiker-Schmus einlullen lässt oder von „Wer gewinnt die Million?“. Das sind doch gerade jene, die potentiell LINKE wählen könnten oder sogar eintreten. Dieser immer grösser werdende Teil der Bevölkerung will doch keine Anweisung, sich gefälligst innerhalb der Berliner LINKEN zu informieren, sondern eine klare Begründung, warum man der faktischen Abschaffung der Erbschaftssteuer zugestimmt hat. Wo ist die, Herr Bisky? Wenn man gute Gründe dafür hatte, warum können die nicht dargelegt werden?

Deutschland: Köln
Deutschland: Köln

Und es sind natürlich immer beide Partner in einer Koalition verantwortlch dafür, was die Regierung tut. Sollte einer der beiden in einer wichtigen Frage den anderen übertölpeln (was einige Pressemeldungen nahelegen), kann man natürlich nicht in der Koalition bleiben. Und es ist zweifellos eine wichtige Frage, ob die Umverteilung von unten nach oben, in Deutschland am intensivsten betrieben von allen Ländern, weitergeht oder nicht. Gerade diese Umverteilung ist nicht nur unsozial, sondern sie ist auch der wesentliche Grund, warum die Krise Deutschland so intensiv trifft.

Die in diesem Moment sich rapide verschärfende Finanz- und Wirtschaftskrise erwähnen Sie überhaupt nicht, ausser im Zusammenhang der Gefahr der Zuwendung zu faschistischen Gruppen? Ja, die Bevölkerung ist sehr wohl in die Defensive gedrängt angesichts der Möglichkeit, bald auch von Hartz IV leben zu müssen und kann gerade jetzt von einer Partei erwarten, die sich Linkspartei nennt, zu erfahren, auch in dieser Situation kann man kämpfen, kann streiken, ja, man trifft dabei sogar auf einen geschwächten Gegner, denn in der Krise können die Unternehmen Produktionsausfälle durch Streik noch weniger wegstecken. Nichts davon bei Ihnen.

München
Deutschland: München

Statt dessen behaupten Sie, die Bevölkerung hätte einen solchen Auftrag gegeben: „[haben] Wählerinnen und Wähler bei leeren Kassen beschlossen: Zeigt, was ihr könnt!“

Entschuldigen Sie Herr Bisky, wo sehen Sie in Deutschland leere Kassen? Also ich kann nur die leeren Geldbeutel bei grossen Teilen der arbeitenden und arbeitslosen Schichten sehen.

Deutschland: Berlin, Brandenburger Tor
Deutschland: Berlin, Brandenburger Tor

In der deutschen Politik gibt es keine leeren Kassen! Es waren und sind immer noch Hunderte von Milliarden da, um Banken zu unterstützen, die am Spieltisch Geld verloren hatten! Es sind zig Milliarden da für die IKB, die KfW, die Hypo, die Bayerische Landesbank, Haiders Alpe-Skandalbank, die sächsische, die nord- und westdeutsche, die X und die Y – und Sie reden von leeren Kassen? In welchem Land leben Sie?

Sie mögen sagen, dies Geld ist aber nicht in der Berliner Landeskasse, na schön – und was hindert Sie daran, dann die Überweisung in diese zu fordern?

Die deutsche Politik hat seit Oktober das grösste Ausgabenpaket in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen – aber eben nur für Banken - und Sie erwähnen dies nicht einmal auf einer Parteitagsrede im Dezember, sondern sprechen von leeren Kassen! Sind Sie noch gescheit?

Deutschland: Dresden
Deutschland: Dresden

Wo waren Sie und ihre Freunde in der LINKEN, als jene Bankenrettungsaktionen beschlossen wurden? Da hungerten die politisch wachen Menschen in Deutschland nach Aussagen, die sich von dem Einheitsbrei von „leider unumgänglich“ unterschieden hätten. Als einziges Argument für die Rettung von Banken vor dem Bankrott wurde gebracht, man brauche Banken, denn es müssten Kredite gegeben werden.

Nun, es gibt etwa 2000 Banken in Deutschland. Wenn nun die Dresdner und die Commerzbank und noch (sagen wir) zwanzig andere Pleite gegangen wären, was wäre daran schlimm gewesen? Die anderen Banken hätten deren Geschäfte übernommen und wahrscheinlich auch noch viele der Filialen und einen grossen Teil der fähigen Mitarbeiter, na und?

Deutschland: Karlsruhe
Deutschland: Karlsruhe

Warum hat man diese Worte nicht von Ihnen gehört, Herr Bisky? Stattdessen beschwören Sie angeblich leere Kassen! In welchem Land leben Sie?

Wo war die Unterschriftensammlung gegen den ‚Banken-bail-out’, von den LINKEN initiiert und nicht von Bloggern?

Deutschland: Düsseldorf
Deutschland: Düsseldorf

Genau an jenem 6. Dezember des Wochenendes des Berliner Landesparteitags der LINKEN war Weltklimatag. Sie halten eine Rede dort und erwähnen nicht, wie sehr die politisch wachen Menschen in Deutschland um die Entwicklung zur Klimakatastrophe besorgt sind? Erwähnen nicht, dass genau an diesem Wochenende eine internationale Konferenz dazu zu Ende ging, die nicht einen einzigen einschneidenden Beschluss gefasst hat? Dass genau eine Woche vorher auf deutsche Initiative hin Auflagen der EU für weniger klimaschädliche Autos der europäischen Hersteller gelockert wurden, so als ob man mit der Beschleunigung der Entwicklung zur Klimakatastrophe die Wirtschaftskrise vermeiden könnte?

Auf welchem Planeten leben Sie?

Deutschland: Frankfurt
Deutschland: Frankfurt

Sie reden von einer "zweiten linken Fraktion" im hessischen Landtag. Halten Sie die SPD für links? Wo leben Sie?

Wo war die Präsenz der prominenten LINKEN auf den Veranstaltungen zum Weltklimatag, auf den Kundgebungen gegen neue Kohlekraftwerke? Wo sind Ihre Aktivitäten gegen die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke? Wollen Sie das Umweltthema den Grünen überlassen? Wo leben Sie?

Wo waren Sie oder andere offizielle Vertreter der LINKEN, als gegen den letzten Atommüll-Transport Castor mit steil ansteigenden Teilnehmerzahlen protestiert wurde? Mussten Sie in Bundestagsausschüssen hiner verschlossenen Türen ihre Zeit verplempern?

Deutschland: Stuttgart
Deutschland: Stuttgart

Warum sehe ich in keinem Bericht über die Montagsdemonstrationen das Auftreten von offiziellen Vertretern der LINKEN, ebensowenig bei der zentralen Demonstration der Montagsdemos im Oktober? Ist man zu sehr mit innerparteilichen Querelen beschäftigt?

Bei all diesen Ereignissen sah man sehr wohl Mitglieder der LINKEN und Sympathisanten und potentielle Wähler. Glauben Sie, denen fällt nicht auf, dass niemand Prominentes bzw. niemand Offizielles von Ihrer Partei dort auftaucht?

Deutschland: Münster
Deutschland: Münster

Wo glauben Sie, dass sie die politisch wach gewordenen Menschen ansprechen können? Die Berichterstattung der bürgerlichen Medien lässt kein gutes Haar an der LINKEN – auf die können sie nicht setzen. Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass in der Grössenordnung von zig Millionen Menschen in Deutschland nach den Beschlüssen der „Agenda 2010“ nicht mehr zu Wahlen gehen, aber nur ein Bruchteil dazu überging, die LINKE zu wählen oder sogar einzutreten?

Also die sozialen Fragen beschäftigen Sie nicht, ausser hinter verschlossenen Türen, die Umweltfragen spielen für Sie keine Rolle, ausser einem beiläufigen Erwähnen, die faktisch Abschaffung der Erbschaftssteuer unterstützen Sie, die Milliarden für die Banken halten Sie nicht einmal der beiläufigen Erwähnung für wert, Sie halten die deutschen Staatskassen für leer und haben im Delirium die Vorstellung, die Berliner Regierung käme mit einem linken Profil ins Bewusstsein der Menschen. Wie wollen Sie verhindern, dass die LINKE auf Dauer „eine dritte kleine Partei“ bleibt?

Ansonsten sind Sie der Meinung, die LINKE sei kein Selbstzweck. Wirklich nicht?





Wer die Rede nicht kennt, hier ist sie:

"Der Traum vom plegeleichten linken Koalitionspartner ist vorbei"

Rede von Lothar Bisky auf dem Landesparteitag der Linken in Berlin

„Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Freundinnen und Freunde,

am vergangenen Wochenende wurde mit Eurer Unterstützung eine Metropolendebatte über Berlin als europäische Stadt geführt.
Die Europäische Linke tagte zeitgleich im Kino Babylon und hat die erste gemeinsame Wahlplattform beschlossen.
Ihr seid mit viel politischem Gepäck zum Landesparteitag gekommen.
Eines ist klar: Ihr kommt von diesem Landesparteitag direkt in die Wahlkämpfe 2009! Es gibt dort keine Pause, siehe Hessen.

Deshalb sage ich eines gleich zu Beginn. Ich freue mich, dass sich der Landesverband konsolidiert hat, dass die Fraktion bissiger geworden ist, dass das linke Profil über Berlin hinaus zu spüren ist.
Der Traum vom pflegeleichten linken Koalitionspartner ist vorbei und ich denke mir, das bekommt sogar der Berliner SPD gut. Nun zerbreche ich mir meinen Kopf seltener über die Berliner SPD. Mich bewegt das Wachsen einer europäischen und einer bundesdeutschen LINKEN und die wächst ja auch, nur geht der Prozess nicht immer ganz sorgenfrei.
Da möchte ich eines klar festhalten: Berlin ist kein exterritoriales Oppositionsgebiet, wenn es um die ganze Partei geht. Berlin ist Teil dieser ganzen Partei.
Gerade hier lernen wir, wie der ÖBS, die Sicherung der Daseinsvorsorge und die Gemeinschaftsschule an Durchsetzungskraft gewinnen und welche Anforderungen das ergibt.
Hier lernen wir, was dies im Alltag oft für Zeit braucht, und was es für Hartnäckigkeit bedeutet.
In Berlin verweisen wir nicht nur darauf, was linke Politik anmahnt und schieben gesellschaftliche Debatten mit an wie beim Mindestlohn und dies ist wichtig.
Hier in Berlin haben überdies Wählerinnen und Wähler bei leeren Kassen beschlossen: Zeigt, was ihr könnt!
Und wir haben die Herausforderung angenommen. Ich sage WIR eben weil Berlin Teil der Bundespartei ist. Ihr habt die Herausforderungen konkret zu machen: lernend und wissend was ein Bundesland gestalten kann, ahnend, dass Bürgerinnen und Bürger genau dies nur bedingt interessiert, nicht wissend, dass manch Parteimitglied Konkretes oft gar nicht wissen will. Mein Eindruck wächst bisweilen: Je weiter weg von Berlin, je uninformierter, desto fundierter die Meinung über die Regierungskonstellation in Berlin und die Glaubwürdigkeit linker Politik. Zuerst gilt: Informiert Euch bei den Berlinern, auch jetzt, da die Erbschaftssteuer im Bundesrat beschlossen wurde, informiert Euch wie und warum Berlin dafür gestimmt hat, wie die Debatte im Landesverband und im Senat geführt wurde: statt übereinander zu reden. Ich empfehle allen: Erst informieren, dann diskutiert sich's besser!
Ich will generell darauf aufmerksam machen, dass wir alle gemeinsam auf solidarische Kritik nicht verzichten können. Doch eines ist mir auch wichtig: Manch Glaubwürdigkeitsmesser von einigen Parteimitgliedern stimmt so gar nicht mit den Glaubwürdigkeitsbarometern von Wählerinnen und Wählern überein. Und das sollte uns doch zu denken geben: Unsere Politik muss doch nicht nur in der Partei, sondern auch in der Öffentlichkeit durchgesetzt werden. Aus kritischen 13% Zustimmung für die LINKE in Berlin 2006 geht es jetzt Richtung 20% im Land und dies beim Mitregieren. Das ist bemerkenswert. Glückwunsch!
Es war also richtig mit eigenen Projekten als Berliner Linke erkennbar zu werden. Und ihr habt Euch gegen eine zögerliche SPD durchgesetzt: Es ist endlich zu einem Tarifabschluss gekommen. Ich finde diese Entwicklung ermutigend auch für Thüringen für unseren Wahlmarathon 2009 generell. Linke in Landesregierung, so hoffe ich doch, bleiben keine Insellösung in der Hauptstadt.
Außerdem: Ihr habt Finanzkrisenerfahrung durch den Finanzkrisenproduzenten CDU: Erst in Berlin (Landowsky), dann in Sachsen und nicht zuletzt in Bayern. Inzwischen sehen wir die Finanzkrise weltweit.
Es ist höchste Zeit, Genossinnen und Genossen, dass die kritische Begleitung praktischer Politik aus den letzten ideologischen Gräben kommt und dauerhaft zur informierten Sachlichkeit übergeht.

Kritik in der Sache die ist notwendig und auch helfend doch der Streit, wer der wahre Linke ist, gehört in die Vergangenheit und ist, mit Verlaub, politische Onanie. Solch Gezänk macht uns weder attraktiv, noch zwingt es in irgendeiner Weise zu Lernprozessen, zum Informieren, zum Nachfragen, zum Miteinander statt Übereinander sprechen.
Und das gilt nicht nur für die Berliner Landespolitik! Lasst mich eines noch hinzufügen. Die LINKE insgesamt hat wie es sich für eine junge Partei, mit vielen kulturellen und linken politischen Wurzeln gehört manch Konfliktpotential, und ich weiß, wovon ich rede.
Zu manchem, was wir unbedingt auszudiskutieren haben, gehört Fingerspitzengefühl. Was haben wir gekonnt, wenn Menschen am Ende verletzt sind oder uns gar den Rücken kehren. Mit dem Holzhammer der öffentlichen Rundschreiben bekommt eine wachsende Partei Probleme, nach denen es mich nicht gedrängt hat.
Ich möchte es ganz deutlich sagen: Regionale Personalprobleme gehören weder auf einen Landesparteitag, noch in offene Briefe!
Wir sind angetreten, linke Politik für mehr soziale Gerechtigkeit zu machen. Das ist wirklich das einzige, ich wiederhole das einzige, was Menschen an dieser Partei interessant finden, und zwar auf längere Sicht. Es ist auch das einzige, was uns eine Existenzberechtigung gibt. Die LINKE ist kein Selbstzweck!

Liebe Genossinnen und Genossen, ich hatte es eingangs schon gesagt: in der vergangenen Woche hat die Partei der Europäischen Linken erstmalig eine Wahlplattform für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 beschlossen. Und es gab schon deutlich emotionale Momente, wenn etwa mein Freund Stelios vom SYNASPISMOS in Athen, in Glasgow lebend, sagte, dass er auf eine solche Gemeinsamkeit der Linken 50 Jahre gewartet habe. Wir haben Darin gemeinsame Ziele für eine bessere Politik in Europa festgehalten, uns für mehr Demokratie, eine Europäische Sozialunion, für eine Europa der Abrüstung und der ökologischen Vernunft ausgesprochen. Dieses verbindende Profil linker Politik zu erarbeiten, dass haben 30 Parteien aus 23 Ländern, ob aus Oppositions- oder Regierungsperspektive, geschafft.
Es ermutigt die kleinen Parteien, es zwingt die großen und traditionsreichen zu einer modernen linken Politik und das heißt: Schaut über den Tellerrand. Die Linke im 21. Jahrhundert wird europäisch sein oder sie wird nicht sein!
Und eines ist auch klar wenn auch ein 9seitiges Papier unter Linken schon ein Erfolg ist (Das werden wir bei andern Programmen im nächsten Jahr noch merken. Für neun Seiten haben wir 10 Monate gebraucht, sonst wären es 30 geworden.): Papier ist geduldig, das haben wir auf der Wahlkonferenz auch gesagt. Deshalb haben wir am letzten Wochenende klar gemacht: Diese Wahlplattform ist das Versprechen für den gemeinsamen Wahlkampf, fürs Durchsetzen unseres politischen Profils.

Nun könnte man meinen, mit dem Finanzmarktcrash und den Vorboten einer weltumspannenden Rezession würden linke Ideen wie von selbst Verbreitung finden. Die Geschichte hat uns das Gegenteil gelehrt! Eine instabile Gesellschaft ruft ganz andere Gefahren auf den Plan. Rechtspopulismus und rechtsextreme Demagogen haben Konjunktur auch europaweit. Berliner Genossinnen und Genossen, ihr habt heute morgen im Bündnis mit vielen anderen in Karlshorst ein Zeichen gegen den Aufmarsch von Neonazis gesetzt. Das halte ich für wichtig!
Wir können nicht locker lassen: Der Kampf gegen Rechtsextremismus wird und muss Teil der kommenden Wahlkämpfe sein.
Und die Europäische Linke war am letzten Wochenende mit allen vertretenen Parteien im KZ Sachsenhausen. Damit wollen wir deutlich machen, dass die Europäische Linke ihre antifaschistischen Wurzeln niemals aufgeben wird. Und die Europäische Linke wird im Januar wiederkommen und an der Ehrung für Karl und Rosa teilnehmen. Das sind Traditionen, die es lohnte, sich anzuschauen, auch wenn Vertreterinnen und Vertreter der Medien selten zu solchen Ehrungen in Konzentrationslager verirren.

Genossinnen und Genossen, man spürt es generell: Die aktuelle Finanzmarktkrise, das praktische Ende neoliberaler Mythen ist die Stunde der Politik. Ein koordiniertes europäisches Vorgehen begrüßen auch wir Linken. Doch diese sinnvolle Idee scheint bei der Kanzlerin offenbar auf eine Mauer aus Oropax und der Sehnsucht nach weiteren Exportweltmeistertiteln zu treffen. Richtig, wenn man Opel hilft. Aber es gilt dabei zu verhindern, dass das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für CO2-Killer-Autos verwendet und an den Mutterkonzern General Motors fließt. Eine Schlussfolgerung daraus wäre doch die Aufhebung des Verbots von Kapitalsverkehrskontrollen in der EU. Wenn man dies aufhebt, kann keiner unkontrolliert Kapital transferieren, das anders eingesetzt werden sollte.
Wir Linken müssen im Krisenmanagement einfordern, dass die Spirale der Umverteilung von unten nach oben beendet wird das gilt vor Ort und in Europa.
Solange menschliche Ideen, Chancen und Perspektiven in Militärinterventionen verschleudert und so verhindert werden, ist die herrschende europäische Politik mitverantwortlich für Armut und Unterentwicklung, ist mitverantwortlich für Konflikte zwischen den Völkern.

Diese Politik muss dringend verändert werden. Wir können als Ausgangsfrage durchaus formulieren: Welche Rolle spielt Europa in der Welt? Ist dieser Kontinent der vielen Kulturen, der Wanderungsbewegungen, voller bitterer und auch hoffnungsvoller Geschichte in der Lage, offen, friedlich und sozial zu werden? Da sind wir, Genossinnen und Genossen, wieder mitten in Metropolendebatten und erleben, dass Berliner Politik und Europäische Politik nicht weit voneinander entfernt liegen, wie es vielleicht scheint.

Ich finde dies auch im Antrag des Landesvorstandes »Gute Arbeit! Gute Bildung! Gute Rente! Eine starke LINKE für Berlin.« an Euren Parteitag wieder:
Da ist Landes- und Bundespolitik, Kommunal- und Europapolitik unserer Partei zusammengedacht. Da sind die kommenden Wahlkämpfe auf allen Ebenen mit dem Wachsen der Landespartei verbunden.
Wenn ihr auf dem Parteitag solch einen Fahrplan für 2009 beschließt, für die Politik in Berlin und Europa, für die Wahlkämpfe, in den Ländern, in Europa und im Bund, so weiß ich: Das Ziel, dass die »Partei DIE LINKE mehr repräsentiert als eine dritte kleine Partei« erreichen wir nur gemeinsam.

Wir werden 2009 gemeinsam zeigen, dass die LINKE eine Adresse für eine wirksame Politik gegen Umverteilung von unten nach oben, gegen Billiglohn und für gesetzlichen Mindestlohn, gegen die Rente ab 67, für gute Bildung und ein bezahlbares Gesundheitswesen, für die Beendigung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist.
Beteiligt Euch mit Euren politischen Erfahrungen aktiv an der Ausarbeitung unserer Wahlprogramme! Ich weiß, ihr seid in Wahlkämpfen verlässliche Partner, ihr seid verlässliche Partner, wenn es um die Unterstützung von Landesverbänden im Westen geht, wenn Bundes- und Europapolitik zur Abstimmung stehen.
Ich setze auf positive Signale von Eurem Landesparteitag, auf Eure politischen Erfahrungen! Ich weiß, dass Klaus Lederer mit einem guten Team wertvolle Arbeit geleistet hat, dass ROT-ROT II wie ihr es formuliert habt- inzwischen »eine richtigrote Handschrift trägt.« Und ich weiß, dass daran auch manch harte Wochen, schwierige Entscheidungen, dass daran heftige Auseinandersetzungen hängen.

Wir haben neue Kommunikationsformen zwischen dem Berliner Landesverband und dem Parteivorstand eingeführt, haben die Informationswege zwischen der Berliner Regierungspolitik und unserer Bundestagsfraktion verkürzt. Erst kürzlich waren der Landesverband und die Berliner Senatorinnen und der Senator mit dem Parteivorstand in der Debatte.
Auf all dem können wir aufbauen, wenn 2010 möglicherweise mehr LINKE in Regierung ackern und die Mühen der Ebene auch in der Mitte und im Westen der Bundesrepublik begonnen haben, wie wir doch alle hoffen.
Doch ich möchte den Berliner Landesverband als Ganzen nicht auf die Beschäftigung mit Rot-Rot in Berlin reduzieren. Wir brauchen genauso Eure guten Beiträge zu Programm- und Geschichtsdebatten, zum Konsolidierungsprozess der LINKEN bundesweit, zur Verankerung der Partei in der außerparlamentarischen Arbeit.

Wie heißt es so schön: Ab morgen gilt Raus aus den Parteitagssesseln und Rein in die Wahlkämpfe. Und ich denke wir stimmen darin überein: Hessen hat eine zweite linke Fraktion verdient! Die Bundesrepublik hat eine starke LINKE verdient! Das Europäische Parlament hat eine gemeinsame starke linke Fraktion verdient!
Und bei alle dem werden die Bürgerinnen und Bürger Berlins Euch nicht aus der Verantwortung entlassen.
In diesem Sinne wünsche ich Eurem Parteitag eine guten Erfolg.“

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Deutschland wird Hauptleidtragender der Krise

Ein Tsunami rollt heran – und in Berlin spielt man „business as usual“

Von Karl Weiss

In einem Artikel des Berichterstatters vom 1.Dezember 2006 titelte er “Die Wirtschaftskrise in Deutschland wird fürchterlich“. Er ist heute unter den 25 meist gelesensten im Blog ‚Karl Weiss – Journalismus‘. Es wurde dargelegt, die Bundesregierung fährt die Binnenachfrage mit allen Mitteln nach unten und vertraut allein auf den Export. Doch der wird schwere Einbrüche erleben, wenn der Dollar erst einmal ins Bodenlose fällt. Das war also für jemanden mit etwas Sachverstand bereits vor zwei Jahren vorhersehbar. Trotzdem blieb die Bundesregierung stur, hielt verbissen an ihrem Kurs fest mit Mehrwertsteuererhöhung exakt zum schlechtest möglichen Zeitpunkt und weiterer Niedrig-Lohnpolitik.

Bundestag - Reichstag

Jetzt, exakt zwei Jahre später, schreibt ein Fachmann, J. Jahnke, der ehemalige Vize-Präsident der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ in London iun seinem "Informationsportal Globalisierung" : „... macht Deutschland nun haargenau zum Hauptleidtragenden einer globalen Währungskrise. Sieht denn niemand in Berlin die Lawine heran rollen?“

Weiter erklärt er: „Die Deutschen gehen auf die Sparbremse und würgen die Binnenkonjunktur weiter ab, während gleichzeitig die Exporte einbrechen. Das ist auch Folge der jahrelangen realen Auszehrung der Arbeitseinkommen und Sozialleistungen und des öffentlich geförderten Aufwuchses von Niedrigstlohnjobs ohne flächendeckenden Mindestlohn. Deutschland wird deshalb tiefer in die Krise stürzen als die meisten anderen Länder.“

Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen
Hier die entlarvende Statistik über die Vorgeschichte der Krise in Deutschland: Die Nettolöhne je Arbeitnehmer (und der Konsum) bleiben vom 4. Quartal 2000 bis zum 4.Quartal 2004 praktisch unverändert, während die Produktiviät seit etwa dem 2.Quartal 2002 beständig steigt und die Unternehmens- und Vermögensgewinne zuerst zusammen mit der Produktivität, dann ab dem 3. Quartal 2003 explosionsartig ansteigen. Die Nettolöhne je Arbeitnehmer beginnen haargenau ab dem 1. Quartal 2005 mit ihrer Talfahrt, das war der Zeitpunkt der Einführung von Hartz IV.


Nein, die Berliner Politiker klammern sich verzweifelt an ihre neo-liberalen Wahrheiten, auch wenn ihnen wahrscheinlich schon dämmert, genau diese sind dafür verantwortlich, dass Deutschland stärker von der Krise betroffen ist als andere Länder.

Sie waren es, die die großen Unternehmen praktisch steuerfrei stellten und dafür den arbeitenden Menschen das Annehmen jedes noch so niedrig bezahlten Jobs auferlegten. Sie gaben die Leiharbeit frei, die generell als Lohndumping daherkommt, sie erlaubten die Ausbeutung von „Praktikanten“ ohne Bezahlung. Sie beschlossen die Ein-Euro-Jobs, aber dafür keinen Mindestlohn, wie er in fast allen zivilisierten Staaten besteht. Sie predigten den Lohnverzicht und versprachen dafür massenhaft Arbeitsplätze, auf die man noch heute wartet.

Ja, der Realitätsverlust der Politiker von den Desaster-Parteien CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP geht so weit, dass sie schlicht und einfach negieren, die Bundesrepublik sei schwerer betroffen als andere. Dabei bräuchte man sich bloß einmal die Kurve des Einzelhandelsumsatzes in der Bundesrepublik (preisbereinigt) anzusehen. Die letzten Zahlen vom Oktober zeigen, in jenem Monat wurde bereits die Linie des Einzelhandelsumsatzes des Jahres 2000 unterschritten. Das sind die typischen Anzeichen, wenn es steil abwärts geht. Die Zahlen von vielen Jahren vorher (in diesem Fall 8 Jahre) werden unterschritten.

Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 - 2008 mit Trendlinie
Einzelhandelsumsatz in Deutschland 2006 bis 2008 mit Trendlinie
Auch der Einzelhandelsumsatz in Deutschland spiegelt die verschlechterten Lebensbedingngen des durchschnittlichen Deutschen in der letzten Zeit wieder. Mit Schwankungen sinkt er unaufhaltsam seit 2006 und kommt jetzt bei den 100 von Jahr 2000 an. Wer soll all die produzierten Güter kaufen, wenn die Leute schon am Nötigsten sparen müssen?

Sie könnten, wenn sie dieser Zahl nicht glauben, sich auch einmal die des Auftragseingangs der Industrie ansehen. Die von August und September 2008 lagen in Deutschland bereits bei minus 9,6%, während andere große EU-Länder weit geringere Rückgänge aufwiesen oder sogar noch einen geringen Anstieg: Italien -3,6%, Spanien – 0,4%, Frankreich +0,7% und der Durchschnitt der 15 Kern-EU-Länder –3,9%.

Nun liegen auch die Oktober-Zahlen für Deutschland über den Auftragseingang der Industrie vor, veröffentlicht am 5. Dezember. Sie sind ein Desaster. Jahnke schreibt: „Die deutschen Industrieaufträge sind im Oktober 2008 tiefer eingebrochen als jemals seit der Wiedervereinigung. Seit dem Gipfel im Juni letzten Jahres vor Ausbruch der Krise verloren die Aufträge saisonbereinigt bereits 20 %, davon aus dem Ausland sogar 26 % und aus dem Inland mehr als 11 % (...). Das ergibt im Vorjahresvergleich einen Rückgang von 17 %. Der Auftragsrückgang aus dem Aus- und Inland, entspricht, wenn er anhalten und voll auf die Industrieproduktion durchschlagen sollte, einem Betrag von über 269 Mrd. Euro oder mehr als 10 % des deutschen Bruttoinlandsprodukts.“

Deutschland: Auftragseingang der Industrie 2006 bis 10.08

Warum, wenn der Export einbricht, in Deutschland kein Halten mehr ist, liegt für jeden, der nicht Politiker der Desaster-Parteien ist, auf der Hand: Die Entwicklung der Löhne, der Renten, der Arbeitslosenunterstützung ist preisbereinigt auf steilem Abwärtsweg und damit haben die Deutschen kein Geld dafür, die produzierten Güter zu kaufen! So einfach ist das.

Bürgerliche Ökonomen erfanden nun dafür das absurde Wort vom „Käufer-Streik“. Das ist so ähnlich, wie Kaiserin Marie Antoinette kurz vor der französischen Revolution, die verwundert fragte, wenn das Volk kein Brot zum Essen habe, warum es dann keinen Kuchen äße. Ein hochbezahlter bürgerlicher Ökonom ist so weit vom Volk entfernt, dass er sich einfach nicht vorstellen kann, die Leute hätten kein Geld zum Kaufen. Also erfindet er die These vom „Käufer-Streik“. Das ist für ihn die einzige Erklärung, warum der Einzelhandelsumsatz Monat für Monat in den Keller rauscht, im Moment mit der Geschwindigkeit von etwa 16% pro Jahr, aber das wird dabei nicht stehen bleiben.

Woher nimmt nun Ex-Bankdirektor Jahnke seine Vorhersage der auf Deutschland zu rollenden Lawine? Nun, er sieht klar voraus: Vor allem die USA und Großbritannien geben riesige Mengen Geld zur Verringerung der Auswirkung der Krise aus und das wird ohne Zweifel auf die Dauer zu einer deutlichen Abwertung ihrer Währungen führen, damit werden die Exporte in diese Länder und die Räume, die diese Währungen nutzen, unwiderruflich auf Restmengen zusammenschnurzeln. Aber Deutschland hat bisher nichts zur Verbesserung der Massenkaufkraft getan und auch nichts angekündigt. Die Desaster-Parteien haben sich in ihre überholten Theorien verkrallt und können nicht davon lassen.

Man sehe sich nur den Vergleich der Statistik des Arbeitnehmerentgelts in Kaufkrafteinheiten an: Nimmt man das Jahr 2000 in Hundert, so stieg dieser Index in Irland bis 2007 um 76%, in der Schweiz um 35%, in den USA um 30%, in der ‚EU der 15‘ im Schnitt um 27%, in Japan um 21% und als niedrigstem Index von allen Ländern in Deutschland um 9%. Das sind wohl gemerkt nur jene, die Arbeit haben! Wenn zusätzlich die Arbeitslosigkeit auf etwa 8 Millionen stieg (wirkliche Zahl, nicht die geschönte der Bundesregierung), woher soll das Volk Geld haben, die Güter zu kaufen?

Welt: Vergleich - Arbeitnehmerentgelt in Kaufkrafteinheiten

Und das war die Entwicklung bis 2007. Jetzt in der Krise wird das alles noch einmal schlechter. Die von den Desaster-Partei-Politikern geäußerte Hoffnung, 2010 werde es schon wieder aufwärtsgehen, ist angesichts der Tatsachen absurd. 2010 wird noch nicht einmal der Abwärts-Rutsch beendet sein, zumal man ja nicht das geringste tut, um in Zukunft statt der völligen Exportabhängigkeit einen gesunden Inlandskonsum zu schaffen, der als Basis der Wirtschaft dienen kann. Länder, die sich nun über alle Massen hinaus verschulden, um die Krise zu verringern, wie die USA und England, werden mit Sicherheit zu verhindern wissen, dass Teile dieser Gelder nach Deutschland abfließen. Die Hoffnung, der Export würde schon bald wieder anziehen, ist also nichts als Ahnungslosigkeit.

„Sieht denn niemand in Berlin die Lawine heran rollen?“


Veröffentlicht am 10. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Dienstag, 9. Dezember 2008

Vorhersage des Dollar-Crash

Der FTD wird schlecht

Von Karl Weiss

Warum es der Financial Times Deutschland (FTD) schlecht wird? Sie schreibt in einem Leitartikel folgendes: „Die Anleger scheinen also tatsächlich zu glauben, dass der Fed die gewünschte Weginflationierung der Schulden misslingt. Und dass die wertlosen neuen Dollar die US-Währung nicht kollabieren lassen werden. Wenn man bedenkt, dass die Nettoersparnis der US-Gesamtwirtschaft schon im dritten Quartal, also noch bevor die Fiskalpolitik richtig losgelegt hat, auf einen annualisierten Wert von minus 249 Mrd. $ gefallen ist, wird einem da schlecht.“ Vielleicht haben Sie nicht verstanden, was hier steht, darum sei es versucht zu erklären:

Fangen wir von vorne an, bei Ben Bernanke, dem Chef der Fed. Er hat ausführlich die japanische Periode der Deflation studiert und darüber eine Untersuchung veröffentlicht. Er gibt darin an, dass es doch ein Mittel gegen die Deflation gibt, die an dem Märkten noch mehr gefürchtet wird als eine Rezession. Das Mittel heißt: Geld drucken, also schlicht und einfach riesige neue Geldmengen auf den Markt werfen und damit gezielt eine Inflation hervorrufen.

USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

Die würde dann aber im Fall des Dollars nach einer gewissen Zeit in eine Hyperinflation übergehen, was dann alle Besitzer von Dollar und Dollarbonds auf der Welt dazu veranlassen wird, in einer Rallye Dollars und Dollarbonds zu verkaufen, was dann binnen Stunden oder Tagen zu einem Wert des Dollars von ein paar Rappen vom Schweizer Franken herunterbringen wird. Mit anderen Worten: Die Pleite der USA.

Dollar Gasp

Und genau diese Voraussetzungen, so gibt die FTD an, seien nun eingetreten. Die Fed wird die Leitzinsen weiter senken, voraussichtlich auf 0,5% (was es seit Jahrzehnten nicht gab). Trotzdem wird damit die Kreditwirtschaft nicht in Schwung gebracht, die eigentlich bei solchen Zinsen Kredite geben müsste auf Teufel komm raus. Damit ist die akute Deflationsgefahr gegeben, d.h. massive Preiseinbrüche auf breiter Front. Dies aber kann die Fed der USA nicht zulassen, denn die Schulden der USA und die bereits eingegangenen Verpflichtungen überschreiten schon heute alles, was selbst eine so große Volkswirtschaft je begleichen könnte. Die Deflation würde diese Schulden noch einmal deutlich erhöhen.

Hohe Ersparnisse in den USA könnten da zwar ein Gegengewicht bilden, aber die FTD stellt dazu ja fest: Die Netto-Ersparnisse der USA sind bereits im dritten Quartal auf minus 249 Mrd. Dollar gesunken – und das war im wesentlichen noch vor der Krise. Und das angesichts des 700-Mrd.-Dollar-Pakets für die Banken , weiterer 2 700 Milliarden zum Stützen von Geldmarktfonds usw. (Gesamt-Verbindlichkeiten der Fed und der Regierung - jetzt bereits - nach Bloomberg: 8 500 Mrd Dollar).

Wirft man aber mit dem Hubschrauber Geld auf die Wirtschaft ab (das ist natürlich nur ein Bild), dann kann man künstlich eine Inflation anheizen, die dann im Verlauf alle Schulden auffrisst. Wegen dieses Bildes mit dem Helikopter wird Bernanke in einschlägigen Kreisen Helikopter-Ben genannt.

Immobilienkrise USA

Was mit dem Bild vom ´Mit-dem-Hubschrauber-abwerfen-von-Geld´ gemeint ist, drückt die FTD so aus: „Aber die Chancen stehen gut, dass Ben Bernanke den Hubschrauber diesmal tatsächlich losschickt - dem Staat frisches Zentralbankgeld an die Hand gibt, damit dieser damit Straßen baut, Abwasserkanäle saniert, Lehrer einstellt oder Forschungsprojekte auflegt.“

Nur: Die FTD konstatiert, die Anleger, also jene, die nun ihr Geld irgendwo in sicheren Häfen unterzubringen versuchen, glauben nicht an dies Szenario. Sie halten weiterhin, so wie es seit 1945 war, die USA für den sichersten Hafen - und den Dollar und die Dollarbonds. Die FTD erklärt sie für fast verrückt, weil sie heute von der Fed zehnjährige Dollar-Bonds zu 2,7% Zinsen kaufen.

Mit anderen Worten: Die Anleger, also alle, die noch Haufen von Geld haben, sind in heller Panik. Sie versuchen ihr Geld gegen weitere Verluste zu sichern – wie auch immer. Dabei nehmen sie Zinsen in Kauf, die fast gleich Null sind – und sie glauben, die USA würden nie pleite gehen. Die FTD drückt aber indirekt aus, genau das, die Pleite der USA, wird bewusst herbeigeführt werden.

Northern Rock Pleite

Neben den Anlegern, die ihren Augen nicht glauben wollen, wären dann die Staaten die Hauptverlierer, die heute einen großen Teil ihrer Reserven in Dollars bzw. Dollar-Bonds angelegt haben, das ist vor allem China, das praktisch den gesamten Staatsschatz in Dollar hat, die dann so gut wie nichts mehr Wert sein werden. Daneben aber auch Japan, das ebenfalls große Teile der Währung auf Dollar bzw. Dollar-Bonds gestützt hat, dazu auch Süd-Korea und nicht zu vergessen Großbritannien und – das durfte ja nicht fehlen – die Bundesrepublik Deutschland. Alle diese Länder müssten eigentlich jetzt heimlich beginnen, ihre Dollar-Abhängigkeit zu verringern und Dollars und Dollar-Bonds gegen andere Währungen bzw. Staatsanleihen zu wechseln, aber man kann die Voraussage wagen, sie werden es nicht tun – oder jedenfalls nur in geringem Masse. Genauso wie sie vom Ausbruch der Krise überrascht wurden, genauso werden sie vom Dollar-Crash überrascht werden.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Nun so sei es denn: Ich, Karl Weiss, der die Krise vorausgesagt hatte, warne hiermit heute, am 9.Dezember 2008: Der Dollar wird crashen.

Es gibt bereits jetzt keine Möglichkeit mehr, die Verpflichtungen alle zu bedienen und es wird ohne jeden vernünftigen Zweifel zum „Hubschrauber-Einsatz“ kommen, also zum massiven Gelddrucken der Fed. Dies wird spätestens auf mittlere Frist den Dollar zum Absturz bringen.

Es gibt auch die Möglichkeit, diesen Crash durch eine neue internationale Währungsordnung von Typ „Bretton Woods“ zu verhindern, aber diese Wahrscheinlichkeit ist extrem gering, denn da müsste die USA Zugeständnisse machen, die praktisch auszuschließen sind oder die Anderen müssten an die USA Zugeständnisse machen, die nur völlig Verrückte machen würden.

Wer viel Geld verdienen will (und die Möglichkeiten dazu hat), sollte Put-Options gegen den Dollar erwerben – am besten für einen Zeitpunkt deutlich in der Zukunft, denn es wird voraussichtlich dauern, bis das platzt (die Immobilienblase platzt seit drei Jahren und ist immer noch nicht fertig damit).

Vor allem aber, liebe kleine und mittlere Anleger (das sind die, welche bis zu 10 Millionen Euro anzulegen haben), gehen Sie aus dem Dollar und US-Staatsanleihen heraus, damit Sie nicht noch mehr verlieren.


Veröffentlicht am 9. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Montag, 8. Dezember 2008

São Paulo erneut brasilianischer Fussballmeister

Internacional gewann Südamerika-Cup

Von Karl Weiss, Belo Horizonte

Der São Paulo F.C. ist zum dritten Mal hintereinander brasilianischer Meister geworden und damit auch Rekordmeister mit insgesamt 6 Titeln (eine nationale Meisterschaft wird in Brasilien erst seit 1971 ausgetragen). Es reichte dem Verein ein 1:0 bei Goiás Goiánia, um das Ergebnis des Rivalen Gremio Porto Alegre bedeutungslos zu machen.

Schon am letzten Mittwoch hatte die brasilianische Mannschaft Internacional Porto Alegre mit einem 1 : 1 in der Verlängerung die Copa Sulamericana gewonnen, das südamerikanische Gegenstück zum UEFA-Pokal. In einem spektakulären Spiel im Stadion „Beira Rio“ (Flussufer) in Porto Alegre gelang es der argentinischen Mannschaft von Estudiantes La Plata, das 0:1 aus dem Hinspiel auszugleichen und bis zum Ende der normalen Spielzeit ebenso ein 0:1 auswärts zu erreichen, was zur Verlängerung führte. Aus einem Tumult vor dem Tor von Estudiantes, bei dem der Ball zweimal abgewehrt wurde, aber dann beim dritten Mal doch ins Tor ging, entstand der Ausgleich von Internacional in der zweiten Hälfte der Verlängerung.

Die letzten Spielminuten wurden zu einem Spektakel. Estudiantes warf alles nach vorne, der Torwart spielte 30 Meter vor seinem Tor letzter Mann und man drängte auf die erneute Führung. Internacional war so erschöpft von der Aufholjagd, dass man nicht in der Lage war, den Ball in den eigenen Reihen zu halten oder das leere Tor anzuvisieren. Minutenlange unübersichtliche Szenen mit fast allen Spielern unmittelbar vor den Inter-Tor waren das Ergebnis. Aber auf dieser Seite ging der Ball nicht hinein, was das Elfmeterschiessen bedeutet hätte. Brasilianische Mannschaften haben eine lange Geschichte von verlorenen Elfmeterschiessen gegen argentinische in südamerikanischen Ausscheidungen. Schließlich erlöste der Schlusspfiff Internacional und die Feiern begannen.

Internacional nennt sich nun den einzigen Meister, der alles gewonnen hat. Gemeint ist damit die Libertadores, die man 2006 gewann, ebenso wie den Titel des Vereinsweltmeisters in Japan, die Titel brasilianischer Meister, Meister von Rio Grande do Sul und des brasilianischen Pokals natürlich sowieso und nun eben auch noch den Südamerika-Cup, den noch kein anderer brasilianischer Verein gewonnen hat – den es allerdings auch erst seit fünf Jahren gibt.

Als um 17 Uhr Ortszeit am Sonntag alle zehn Spiele des letzten Spieltags angepfiffen wurde, begannen die spannendsten 90 Minuten in der brasilianischen A-Serie seit langem. 8 der 10 Spiele waren noch bedeutend für eine der Entscheidungen: Meister, Plätze in der Libertadores und Abstieg. Lediglich die beiden Begegnungen zwischen Sport Recife und Coritiba und zwischen Fluminense Rio de Janeiro und Ipatinga hatten keine Bedeutung mehr. Wären alle Spiele 0 : 0 unentschieden ausgegangen, hätte sich folgendes Bild ergeben: São Paulo wäre Meister, Gremio, Palmeiras São Paulo, und Cruzeiro Belo Horizonte hätten die anderen Plätze für die „Libertadores“(Gegenstück zur Champions Leage) ergattert, während nach Ipatinga und Portuguesa São Paulo, die bereits feststanden, auch Vasco da Gama Rio de Janeiro und Figuerense Florianopolis zum Abstieg verurteilt gewesen wären. So ging es am Ende auch aus.

Aber natürlich blieben nicht alle Spiele beim 0:0. Die ersten Tore fiel in Recife, wo es um nichts mehr ging. Aber dann begannen schon Tore zu fallen, die etwas hätten ändern können. Zuerst erzielte in Curitiba Atlético Paranaense das 1:0 gegen Flamengo Rio de Janeiro, was Atlético sicher vom Abstieg retten würde und Flamengo von der Libertadores fernhalten. Dann ein Tor von höchster Bedeutung in der 23. Minute in Brasilia, wohin Goiás das Entscheidungsspiel verlegt hatte: 1:0 für São Paulo gegen Goiás. Der zweifache Meister steht damit unmittelbar vor dem dritten Titel hintereinander. Dann erneut zwei entscheidende Tore in der 25. Minute: 1:0 für Vitória bei Vasco und fast gleichzeitig das 1:0 von Internacional gegen Figuerense Florianópolis. Beide unterlegenen Vereine wären damit abgestiegen.

Kurz danach das 2:0 für Atlético Paranaense, nun schon fast sicher vor dem Abstieg gesichert und Flamengo noch entfernter dem Platz in der Libertadores.

Dann eine große Überraschung: Die bereits abgestiegene Portuguesa erzielt das 1: 0 bei Cruzeiro, das aber immer noch in der Libertadores wäre, weil Flamengo ebenfalls zurückliegt. Doch dann, 33. Minute: Flamengo gelingt das 1:2 gegen Atlético Paranaense und darf wieder Hoffnung schöpfen. Dann erneut die kalte Dusche: 38. Minute: 3:1 für Atlético Paranaense. Zwei Minuten später aber erneut das Anschlusstor für Flamengo. Fünf Tore in der ersten Halbzeit in Curitiba!

Zur Halbzeit seht es so: São Paulo ist Meister, Palmeiras und Cruzeiro wären zusammen mit Gremio in der Libertadores, Vasco und Figuerense abgestiegen.

Die zweite Halbzeit beginnt mit einem Paukenschlag: Botafogo erzielt das 1:0 gegen Palmeiras, das aber trotzdem in den Libertadores-Plätzen bleibt, weil die beiden Rivalen auch zurück liegen – allerdings muss der vierte der brasilianischen Meisterschaft in Qualifikationsspiele, um endgültig in der Libertadores zu landen.

Dann ein Tor für Figuerense zum 1:1-Ausgleich, was immer noch den Abstieg bedeutet, aber Hoffnung. Ein Sieg und man wäre draußen aus der Abstiegszone – wenn Nautico nur gegen Santos verlieren würde.

Dann kurz nacheinander zwei Tore in Belo Horizonte fúr Cruzeiro: 2: 1. Das wäre der dritte Platz für Cruzeiro.

Noch eine halbe Stunde zu spielen und die Entscheidungen bleiben die gleichen wie zur Halbzeit.

18.30 Uhr: 15 Minuten zu spielen: Elfmeter für Gremio gegen Atlético Mineiro im heimischen Stadion. Sicher verwandelt durch Tcheco. 1: 0 für Gremio. Aber São Paulo führt weiterhin und bleibt auf Meisterkurs.

Dann das Führungstor für Figuerense: 2:1 gegen Internacional, damit wäre Figuerense immer noch nicht gerettet, weil Náutico zwar gleich viel Siege hat, aber eine weit bessere Tordifferenz. Dann sogar des dritte Tor für Figuerense, aber es reicht immer noch nicht.

Atlético Paranaense erzielt dann noch das 4:2, was aber nichts mehr ändert. Dann die Verdammnis für Vasco im eigenen Stadion: 2: 0 für Sport, die letzten Hoffnungen auf den Klassenerhalt schwinden.

Währenddessen baut Cruzeiro seinen Sieg gegen die schon abgestiegene Portuguesa aus bis zum 4:1, was ebenfalls nichts mehr ändert. Atlético Paranaense kommt sogar zum 5:2 gegen Flamengo, auch nicht mehr von Bedeutung

Noch fünf Minuten. Es scheint alles bei dem zu bleiben, was schon in der Halbzeit feststand. Dann gelingt Gremio noch das 2:0 gegen Atlético Mineiro, aber es reicht nicht zum Titel.

Schlusspfiffe in zehn Stadien: Keine Veränderung mehr.


Veröffentlicht am 8. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Freitag, 5. Dezember 2008

Schäubles Traum - Unser Albtraum

Pizza bestellen im Jahr 2015 – Das BKA-Gesetz wird durchgewinkt

Gefunden, übersetzt und angepasst von Karl Weiss

Dieses Gespräch zwischen einem Bürger, der lediglich Pizza bestellen will und dem Mann von der Pizzeria beruht auf einem Text des bekannten brasilianischen Schriftstellers Luiz Fernando Verissimo. Er wurde von Karl Weiss übersetzt und an die deutschen Verhältnisse angepasst.

Filbinger - Schäuble

„Pizza Hütte, Guten Abend!“

„Ja, hallo, ich möchte gerne Pizza bestellen.“

„Ja, würden Sie mir bitte Ihre Terror-Abwehr-Nummer geben?“

„Meine Terror-Abwehr-Nummer ist 997 338 701 341 850 – 889 445 1056 – 4“

„Danke schön, Herr Müller! Ihre Adresse ist Reichstr. 88, in 021345 Unterschönhausen bei Leinweiler und Ihre Telefon-Nummer ist 0285 – 55883, ja? Ihre Nummer bei Ihrem Arbeitgeber, der Hauser KG + Co., ist 0277 – 29445 und ihre Handy-Nummer ist 0731 – 44 67 29, richtig?“

„Korrekt! Woher wissen Sie das alles?“

„Na, wir sind natürlich direkt an die Terror-Abwehr-Zentrale angeschlossen.“

„Ach ja, natürlich! – Also ich hätte gerne zwei Familien-Pizzas wie in dem Sonderangebot, eine ‚Vier Käse’ und die andere ‚Quattro Stagione’“

„Lieber Herr Müller, das dürfte nicht unbedingt die richtige Wahl sein. Aus ihren Gesundheitsprofil geht hervor, sie haben hohe Triglycerid-Werte und außerdem sehr bedenkliche Cholesterin-Werte – Ihre Lebensversicherung verbietet ausdrücklich eine gefährliche Lebensweise.“

„Ja, da haben Sie Recht. Was empfehlen Sie denn?“

„Na da hätten wir die Super-Light-Pizza auf Joghurt-Basis mit Rettich. Das dürfte das richtige sein! Sie werden die besonders genießen.“

„Woher wissen Sie denn, dass ich die besonders genießen würde?“

„Nun, Sie haben am Samstag, den 27. Oktober diesen Jahres um 14 Uhr 53 die Site der städtischen Bibliothek in Hummesweiler besucht und dort die Site „Gourmet-Rezepte mit Rettich“. Dort haben Sie 39 Minuten verweilt. Ich schließe daraus, diese Pizza ist die richtige für Sie.“

„Uuuhfff! Na gut, also zwei Familien-Pizzas von dieser Sorte!“

„Sie werden sie sicherlich genießen, Herr Müller, ebenso wie Ihre Frau Ingrid, geborene Steinhäuser und Ihre drei Jungs Hans, Uwe und Kevin – auch wenn der letztere behindert ist.“

„Was macht das?“

„Das sind 38 Euro und 98 Cents.“

„Kann ich Ihnen meine Kreditkarten-Nummer geben?“

Stasi 2.0

„Tut mit leid, Herr Müller, aber ihr Kreditkarten-Limit ist überzogen. Sie werden wohl bar zahlen müssen.“

„Na gut, dann gehe ich eben noch beim Nachtschalter der Multi-Bank vorbei und hebe das Geld ab.“

„Hmmm, Herr Müller, das wird schwierig werden. Sie haben dort bereits ihr Kreditlimit überzogen.“

„Also kümmern Sie sich um Ihre eigenen Probleme! Sie schicken die Pizzas und ich treibe das Geld auf, ja? Wie lange wird das dauern?“

„Heute sind wir etwas eng. Das könnte zwischen 45 Minuten und 1 Stunde dauern. Aber Sie können die Pizzas auch in 15 Minuten hier abholen, wenn Sie wollen – Allerdings ist das nicht sehr empfehlenswert, mit zwei Pizzas auf dem Motorrad.“

„Na, nu aber! Woher wollen Sie denn wissen, ich würde die mit dem Motorrad abholen?“

„Entschuldigen Sie, Herr Müller, aber aus ihrem Profil der Terror-Abwehr-Zentrale hier geht hervor, sie waren bei ihrem Wagens mit zwei Raten im Rückstand und der gehört Ihnen schon nicht mehr. Allerdings gibt es da noch ein Motorrad auf ihren Namen. Ich nahm an, Sie würden das dann wohl benutzen.“

„(Die Antwort von Herrn Müller darauf kann der Öffentlichkeit wegen Paragraph 8951 a (Unflätigkeit) nicht zugänglich gemacht werden.)“

„Herr Müller, ich darf Sie bitten, mich nicht zu beleidigen. Sie können mich keineswegs mit der hinteren Auslassöffnung vergleichen. Seinen Sie vorsichtig! Sie wurden bereits letztes Jahr wegen Nichtbefolgen des Ratschlages einer Amtsperson mit einer Geldstrafe belegt. Im Wiederholungsfall würden Sie nicht unter einer Gefängnisstrafe davonkommen.“

„(Schweigen)“

„Sonst noch etwas?“

„Nein, danke. Ach so ja, vergessen Sie bitte nicht die zwei Liter Coca, die im Sonderangebot enthalten sind.“

„Entschuldigen Sie, Herr Müller, das geht leider nicht. Es ist uns ausdrücklich verboten, zuckerhaltige Getränke an Kunden mit Diabetes auszuliefern – und Ihre Frau hat Diabetes.“

„Aaaahhhh! Ich stürze mich aus dem Fenster!“

„Na das wird aber nicht viel bringen. Sie wohnen doch im Erdgeschoss!“


Veröffentlicht am 4. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Reaper - Jack the Ripper war ein Waisenknabe

Morddrohnen sind bereits im Einsatz

Von Karl Weiss

Ein kleines Vídeo nur, von 3 Minuten – aber welche Botschaft! Es geht über den „Reaper“, eine Mörderdrohne, also ein unbemanntes Flugzeug. Man kann es ferngesteuert auf jedes beliebige Ziel in der ganzen Welt steuern. Es wird klargemacht, das ist keine Kriegswaffe, es ist ein Mörderwerkzeug. Man setzt es auf ganz bestimmte Menschen an, die man ermorden will. Der Kapitalismus, der gerade begonnen hat, auf wirtschaftlicher Ebene sein wahres Gesicht zu zeigen, enthüllt nun auch, zu was all diese Aufrüstung dient: Er ist ein mörderisches System im wahrsten Sinne des Wortes.

Hier ist der Link zum Video:
http://www.youtube.com/watch?v=t36HpU1fSz8

Man lasse sich den Text der Reportage im Video ganz langsam auf der Zunge zergehen. Man sehe sich diese Bilder an. Das ist kein „Modellflugzeug“ mehr, das trägt ausgewachsene Bomben. In keinem Moment des Videos wird irgendeine Art des Einsatzes gegen irgendwelche gegnerischen Truppen auch nur erwähnt. Es wird eindeutig vom Ausschalten von Personen geredet.

Da nützt es auch nicht viel, immer wieder das Wort „Taliban“ zu benutzen, denn die Drohnen gegen Taliban haben in Afghanistan bereits massenhaft einfache Bauern, Frauen und Kinder umgebracht.

Wenn man das Video gesehen hat, ist ‚youtube’ so freundlich, einem gleich einen Riesenhaufen von ähnlichen Videos anzuzeigen. Sieht man sich einige davon an, so wird deutlich: Der „Reaper“ (Rächer)hat noch eine Anzahl von Brüdern und Schwestern: den „Exterminator“ (Auslöscher), den „Destroyer“ (Zerstörer), den „Predator“ (Raubtier), den „Hawk“ (Falke), und so weiter. So weit ersichtlich, verfügen im Moment bereits die Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Israels über diese Technik. Die Namen der Fluggeräte zeigen, wes Geistes Kind ihre Erbauer und Benutzer sind.

Früher hat man sich noch die Mühe gemacht, Regimegegner zu verfolgen, zu entführen und in Folterhöhlen zu bringen. Heute setzt man einfach einen „Reaper“ auf sie an.

Da passt es ins Bild, dass am gleichen Tag drei Bundesnachrichtendienst-Agenten im Kosovo wegen Verdacht der Täterschaft eines Sprengstoffanschlags festgenommen wurden. Peinlich, peinlich, wenn unsere Bundesregierung dabei erwischt wird, Terroranschläge durchführen zu lassen, die man dann wohl den Serben in die Schuhe geschoben hätte.

Aber in Zukunft hat sich dieses Problem erledigt. Man lässt Terroranschläge mit Bomben aus Drohnen durchführen und sagt dann einfach, es war ein islamischer Selbstmordattentäter.


Veröffentlicht am 29. November 2008 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Vor dem letzten Spieltag in der brasilianischen Fussball-A-Serie

Fast alles noch offen

Von Karl Weiss

Zu einem ausgewachsenen Krimi hat sich der letzte Spieltag am kommenden Sonntag in der brasilianischen ersten Fußball-Liga gemausert. Fast alle Entscheidungen, darunter die Meisterschaft, zwei der vier Qualifizierten für die „Libertadores“ (Gegenstück zur Champions Leage) und zwei der vier Absteiger sind noch offen. Am Mittwoch findet auch das Rückspiel im Finale der ‚Copa Sulamericana’ (Gegenstück zur UEFA-Cup) zwischen Internacional Porto Alegre (Brasilien) und Estudiantes La Plata (Argentinien) statt.


Alle Bilder in diesem Artikel sind von der "Libertadores"-Begegnung zwischen Fluminense und São Paulo in der ersten Jahreshälfte im voll besetzten Maracanã-Stadion in Rio. Damals spielte Adriano noch bei São Paulo, der heute wieder für Inter Mailand stürmt.

Obwohl die meisten dem Meister der letzten beiden Jahre, São Paulo F.C., bereits an diesem Sonntag einen Sieg im heimischen Stadion gegen den bis dahin noch abstiegsgefährdeten Verein Fluminense Rio de Janeiro zugetraut hatten, reichte es nur zu einem Unentschieden. Damit hat Gremio Porto Alegre am kommenden Sonntag noch einmal eine Chance, nachdem ihm an diesem Sonntag ein glattes 4:1 beim bereits abgestiegenen Ipatinga gelang. Fluminense entwickelt sich zu so etwas wie einem Angstgegner von São Paulo, denn man war schon in der diesjährigen „Libertadores“ im Viertelfinale gegen diesen Gegner ausgeschieden.

São Paulo muss bei Goiás Goiânia antreten, das zu Hause eine Bank ist und wird es sehr schwer haben, ein Unentschieden zu erreichen, was ihm für den Meistertitel reicht. Gremio empfängt dagegen zu Hause die Mannschaft von Atlético Mineiro aus Belo Horizonte, für die es um nichts mehr geht – es ist also alles offen. Verliert São Paulo und gewinnt Gremio, ist Gremio Meister, denn dann hat man gleiche Punktzahl, aber einen Sieg mehr.



Ähnlich eng geht es bei den beiden noch offenen Abstiegsplätzen zu, nachdem Ipatinga bereits seit letzter Woche abgestiegen war und Portuguesa São Paulo nach einem Heim-Unentschieden gegen Sport Recife endgültig in den sauren Apfel beißen muss. Gerettet vor dem Abstieg haben sich an diesem Sonntag Fluminense Rio de Janeiro mit dem Unentschieden gegen São Paulo und der F.C. Santos, der nach mehreren Niederlagen noch in Gefahr geraten war und sich nun mit einem Auswärts-Unentschieden bei Atlético in Belo Horizonte den notwendigen rettenden Punkt holte.

In Abstiegsgefahr schweben noch der drittletzte, Vasco da Gama Rio de Janeiro mit 40 Punkten, der viertletzte, Figuerense Florianopolis mit 41 Punkten und davor auf den Nichtabstiegsplätzen Atletico Paranaense mit 42 und Náutico mit 43 Punkten. Das theoretisch leichteste Spiel hat Figuerense unter diesen vier Kandidaten, das zu Hause gegen Internacional Porto Alegre antritt. Dieser Gegner hat vier Tage vorher das zweite Endspiel des Südamerika-Cups und wird entweder noch erschöpft von den Siegesfeiern oder am Boden zerschmettert von der Niederlage sein. Wenn Figuerense also gewinnt, braucht man nur noch ein Unentschieden oder eine Niederlage von Alético Paranaense, das zu Hause gegen Flamengo Rio de Janeiro antritt oder eine Niederlage von Náutico, das bei Santos zu Gast ist, und wäre gerettet. Andererseits reicht Náutico ein Unentschieden, um sich in Sicherheit zu bringen.



Vasco spielt zu Hause gegen Vitória Salvador, ein Sieg wäre kein unmögliches Ergebnis. Aber selbst dann muss Figuerense nicht den erwarteten Sieg gegen Internacional schaffen und zusätzlich noch Atlético Paraná oder Nautico verlieren, damit es für Vasco reicht. Eine andere Kombination von Ergebnissen wäre eine Niederlage sowohl von Atlético als auch von Náutico. Das könnte im Fall von deren Siegen noch Figuerense und Vasco retten. Vasco wäre dann punktgleich mit Náutico, hätte aber 12 Siege gegen nur 11 von Náutico aufzuweisen.

Was auch noch offen steht, sind die beiden anderen Plätze in der „Copa Libertadores“ des nächsten Jahres neben den beiden verbliebenen Meisterschaftsanwärtern São Paulo und Gremio sowie Sport Recife, das bereits im ersten Halbjahr den brasilianischen Pokal gewonnen hatte. Die verbliebenen Kandidaten für zwei Plätze sind Palmeiras São Paulo mit 65 Punkten, Cruzeiro Belo Horizonte mit 64 Punkten und Flamengo Rio de Janeiro mit ebenfalls 64 Punkten, aber zwei Siegen weniger. Flamengo hat ein schweres Auswärtsspiel gegen einen der möglichen Absteiger, der bis zum Umfallen kämpfen wird, Atletico Paranaense. Das dürfte schwer werden. Cruzeiro hat ein leichtes Heimspiel gegen den schon lange abgestiegenen Verein Ipatinga aus der Stahlstadt in Minas Gerais und damit die theoretisch leichteste Aufgabe. Palmeiras hat ebenfalls ein Heimspiel, aber gegen den starken Club Botafogo Rio de Janeiro, für den es allerdings um nichts mehr geht. Da sieht also ganz nach den Plätzen für Palmeiras und Cruzeiro aus.



Für die `Copa Sulamericana’ in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres werden sich neben dem Meister sieben schon feststehende Vereine qualifizieren, das sind Internacional, Goiás, Coritiba aus der paranaensischen Hauptstadt, Botafogo, Vitória, Sport und Atlético Mineiro, dazu jener Verein, der es nicht schafft, in die „Libertadores“ zu kommen, also wahrscheinlich Flamengo.

Zuletzt noch die Ergebnisse der Halbfinale und des ersten Finalspiels des Südamerika-Cups. Internacional, das bereits seit fünf Runden nur noch mit einer Reservemannschaft in der brasilianischen Meisterschaft spielt und sich voll auf den Sieg in diesem Cup konzentriert hat, gewann beide Spiele gegen Chivas Guadalajara im ersten Halbfinale. Im zweiten standen sich die beiden argentinischen Clubs Estudiantes aus La Plata und Juniors aus Buenos Aires gegenüber. In der argentinischen Hauptstadt konnte Estudiantes ein Unentschieden erreichen und gewann dann knapp 1:0 zu Hause und zog so in die Endspiele ein.



Das erste davon wurde in Argentinien ausgetragen und sah die brasilianische Mannschaft als Sieger mit 1:0, nachdem deren Torhüter Lauro mit einigen spektakulären Rettungstaten sein Tor sauber gehalten hatte und den Titel des besten Spielers auf dem Platz bekam. Theoretisch müsste jetzt Internacional zu Hause den Titel holen, aber das glaubten auch schon die jeweils stärker eingeschätzten Mannschaften in den Endspielen in den beiden letzten Jahren, América Mexico Stadt und Colo Colo Santiago de Chile und mussten sich doch geschlagen geben. 2006 unterlag Colo Colo der unbekannten mexikanischen Mannschaft von Pachuca und 2007 war es América, der mexikanische Meister, der die bis dahin nicht hervorgetretenen argentinischen Mannschaft von Arsenal den Titel holen sah.




Veröffentlicht am 3. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Dienstag, 2. Dezember 2008

Sie sind in heller Panik!

Die Politiker der Desaster-Parteien

Von Karl Weiss

Nach außen hin tun sie ganz souverän und unbeeindruckt. Sie wissen sich aus allen Fragen herauszureden, verstehen manche bewusst falsch und sind immer mit einem eindrücklichen Wortspiel bei der Hand, die Politiker der Desaster-Parteien CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP, die das Desaster der Vertiefung der beginnenden Wirtschaftskrise zu verantworten haben. In Wirklichkeit sind sie in heller Panik. Dies kam ans Tageslicht, als Lafontaine eine Rede im Bundestag zu diesem Thema hielt. Ihm begegnete nur purer, ungehemmter Hass. Die Zwischenrufe, fast alle völlig inhaltlos, gaben Zeugnis davon.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Na aber auch. Versetzen Sie sich doch einmal an deren Stelle. Für so viele Jahre haben sie uns Bundesbürger eingewickelt mit „Demokratie“, „soziale Verpflichtung“, „Rechtsstaat“, „Friedensarmee“ und anderen Lebenslügen. Und nun schwimmen die Felle davon. CDU/CSU und SPD haben praktisch die Hälfte der Mitgliedschaft verloren. Auch der FDP und den Grünen laufen Scharen von Mitgliedern davon. Bei den Wahlen setzt es eine Niederlage nach der anderen. Im Verlauf der letzten Jahre seit Hartz IV und den anderen Maßnahmen der „Agenda 2010“ sind ihnen zusammen mehrere zehn Millionen Wähler abhanden gekommen. Heute weist eine Bundestagswahl kaum noch 70% Wahlbeteiligung auf, eine Landtagswahl wie die in Bayern 58% und Kommunalwahlen mit mehr als 50% kommen praktisch nicht mehr vor.

Sie sind ratlos, entsetzt, sie sind in heller Panik!

Da hielt also Lafontaine eine Rede im Bundestag, in diesem Fall zur Finanz- und Wirtschaftskrise, anlässlich der Haushaltsplandebatte, die in keiner Weise besonders aufregend war. Sie enthielt eine Abrechnung mit dem Neo-Liberalismus, sowohl als Hauptursache der verschärften Krise in Deutschland und anderen Ländern, als auch als Bedingung der Verarmung in Deutschland. Seine Thesen waren einfach, selbst für ein Kind verständlich.

Bundestag - Reichstag

Sie ist anzuhören oder auch einschließlich der Zwischenrufe nachzulesen hier: http://www.linksfraktion.de/rede.php?artikel=1321283878

Doch wie reagierten die Abgeordneten der anderen Fraktionen? Nun, urteilen Sie selbst: Hier eine Auswahl von Zwischenrufen bei seiner Rede:

Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ich glaube, es war wirklich gut, dass Sie damals zurückgetreten sind!

Joachim Poß (SPD): Red doch nicht so einen Stuss hier!

Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wo der Poß recht hat, hat er recht!

Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wenn er von Stuss redet, dann hat der Poß recht!

Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das ist dummes Zeug!

Volker Kauder (CDU/CSU): Ein solcher Stuss!

Steffen Kampeter (CDU/CSU): Stuss, Stuss, Stuss!

Dr. Christian Ruck (CDU/CSU): Ein seltener Blödsinn!

Otto Fricke (FDP): Sie meinen Ihre Partei!

Auf das Zitat eines Soziologen, befristete Beschäftigungen auf Dauer könnten zur Zerstörung des Charakters führen:

Dirk Niebel (FDP): Dann müssen Sie dauerhaft befristet beschäftigt gewesen sein!


Nun, wären es Abgeordnete der Linksfraktion gewesen, die da so unsachlich und zum Teil auch unflätig dazwischengerufen hätten, wären längst Verwarnungen fällig gewesen oder auch schon einmal das Verweisen aus dem Plenarsaal, aber der Sitzungsleiter war sich so einig mit den Zwischenrufern, dass er gar nicht merkte, was sich da tat. Das ist auch gut so, denn nun haben wir es schwarz auf weiss: Sie haben keine Argumente, sie können nichts zur Sache beitragen, sie können nur noch Gift spritzen: „Stuss!“ “schlechter Charakter!“

Dabei waren die heftigsten Hasser schon gar nicht mehr im Saal. Aus dem Video geht hervor, dass eine Anzahl von Abgeordneten schon am Beginn seiner Rede den Plenarsaal verließ. Dazu kommt, auf der Regierungsbank unterhielt man sich demonstrativ während seiner Rede, um seiner Abscheu Ausdruck zu geben. Lafontaine musste die Minister selbst zur Ordnung rufen, denn auch das tat der Sitzungspräsident nicht.

Wenn die Politiker nun beschlossen haben, selbst die Mindestregeln des Anstandes nicht mehr einzuhalten, was sollte uns davon abhalten, nun auch mit heftigen Zwischenrufen zu beginnen? Die deutlichsten Zwischenrufe aus dem Volk kommen im Moment von den Montagsdemonstrationen, die es weiterhin in vielen größeren Städten Deutschlands gibt. Da sollten wir nun wohl verstärkt hingehen.


Veröffentlicht am 2. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Montag, 1. Dezember 2008

Durchbruch in der Energieversorgung?

Eine Erfindung, die längst gemacht worden war

Von Karl Weiss

Eine Erfindung, die für die ganze Stromversorgung und sogar die weltweite Energieversorgung einen Durchbruch darstellt, aber im Moment nur für Laptops und Handys gedacht - und doch auch ein Prinzip, das längst bekannt ist und schon weitgehend angewandt wird. Marin Soljacic hat lediglich zwei bekannte Tatsachen zusammengefügt – und schon scheinen gewaltige Probleme gelöst. Warum hat das nicht längst vorher jemand gemacht? Es hat! Und die Anwendung der Erfindung wurde bewusst verhindert!

Doch langsam von vorne: Strom kann durch die Luft übertragen werden. Das weiss man schon seit langem. Es wird überall auch schon angewandt, nämlich in den Transformatoren. Da werden ja zwei elektrische Spulen, die – wenn Strom durch geleitet wird - zwei starke Elektromagneten darstellen, direkt nebeneinander angebracht, aber ohne physischen Kontakt und der Strom wird – und zwar durch magnetische Wellen – von einer Spule auf die andere übertragen.

Das sind nicht elektromagnetische Wellen, die wir ja für alle Art von Funkverkehr benutzten und von denen wir wissen, sie werden durch die Luft – oder auch durch luftleeren Raum – übertragen, das sind magnetische Wellen, die also von Magnet-Nord nach Magnet-Süd schwingen und ebenso durch den Raum übertragen werden. Der Fachbegriff dafür ist Induktion.

Andere bereits bekannte Anwendungen: Die Magnet-Schwebebahn, die Induktionserhitzung von Metallen bei der Härtung, die Zahnbürste, die aufgeladen wird, indem man sie in den Halter steckt und der Kochtopf, der durch Induktion direkt erhitzt wird – ohne heiße Herdplatte.

Nun , das ist alles grundlegende Elektrophysik, wie sie in der Mittelstufe gelehrt wird. Was soll da neu sein? Nichts!

Warum übertragen wir dann Strom immer über Draht und nie durch die Luft? Na sehen Sie!

Es gab da den berühmten Physiker Nikola Tesla, der den Wechselstromgenerator erfunden hat, also DIE Basis der heutigen Stromversorgung. Er wurde für seine Arbeiten damit geehrt, dass man eine international verwendete Einheit, die der Stärke eines Magnetfeldes, mit seinem Namen belegt hat: Ein Tesla. Er wollte das Prinzip schon Anfang des 20. Jahrhunderts anwenden. Er baute 1904 sogar einen Turm auf Long Island vor New York, den Wardencliff-Tower, mit dem er Strom über den Atlantik übertragen wollte. Allerdings stoppten ihn dann seine Geldgeber. Man wollte keine Stromquelle, an der sich jeder bedienen konnte.

Der Wardenclyffe Tower von Nikola Tesla

Das wäre ja Kommunismus und Kommunismus ist schließlich der Erzfeind. Im Kapitalismus muss man genau wissen: An einem Ende des Drahtes gibt ein Unternehmen den Strom ein und am anderen nimmt ein Konsument ab und es muss genau gemessen werden, wieviel, denn schließlich wollen wir ja Profit machen und dazu muss der Verbraucher zahlen – und zwar nicht zu knapp!

So hat denn der Kapitalismus die breite Anwendung dieser Technik verhindert. Doch jetzt will man trotz Kapitalismus darauf zurückkommen. Warum? Weil die Technologie der Batterien (genauer: Akkumulatoren) einfach nicht vorwärts kommt und weil heute weitaus mehr Akkus verwendet werden als früher. Wer auch immer ein Handy hat, einen Laptop oder eine elektronische Kamera, weiss: Ob der Akku nun Lithiumhydrid heißt oder sonstwie, er hat eine äußerst geringe Kapazität, die dann im Verlauf der Zeit auch noch drastisch sinkt, und ist fast immer das erste Teil des Geräts, das den Geist aufgibt.

Dazu kommt: Man muss zum Aufladen andauernd ein spezielles Kabel mit sich herumschleppen. Die Kabel sind international nicht vereinheitlicht, sondern bei jeder Firma verschieden und man braucht außerdem immer eine Steckdose, die einem aber zum Beispiel auf Reisen nicht so einfach zur Verfügung steht.

Der Berichterstatter kann da eigene Erfahrungen beisteuern. Damals ergab sich das Problem, man hätte bei den Wartezeiten zum Umsteigen auf Flughäfen seinen Laptop benutzen können, aber dessen Batterie hatte schon beim ersten Flug der Reise ihren Geist aufgegeben. Er machte dann in Flughafenwarteräumen Steckdosen ausfindig, die dort für die Geräte der Bodenreinigung angebracht sind und benutzte sie, ohne je erwischt worden zu sein.

All diesen Problemen will nun der Erfinder Marin Soljacic vom MIT (Massachusetts Institut of Technology) in Boston, USA, ein für alle Mal ein Ende bereiten. Er holte die Idee der Verbreitung von Strom durch die Luft aus der Schublade und regt nun an, sein Gerät (also eine Spule, die mit einer definierten Frequenz schwingt) in jedem einschlägigen Zimmer an der Steckdose anzuschließen. Welcher dafür ausgerüstete Verbraucher (mit eine Empfänger-Spule) auch immer ins Zimmer kommt (der auf die gleiche Frequenz eingestellt ist), wird sofort automatisch aufgeladen!

Drahtlos-Strom

Klingt gut, ist auch gut, aber es gibt natürlich eine weit interessantere Anwendung dieses Prinzips: Das Aufladen von Elektroautos in voller Fahrt oder jedenfalls an jeder Raststätte, während man am Imbißstand steht.

Alles, was uns heute noch daran hindert, vollständig und unmittelbar auf Elektroautos umzustellen ist ja die Frage des Akkus: Zu wenig Kapazität (oder zu schwer) und alle paar hundert Kilometer muss man für längere Zeit an die Steckdose.

Die Idee wäre, überall, zum Beispiel an Tankstellen, Raststätten und an der Seite der Autobahnen Spulen aufzustellen, die Elektrizität über die Luft an den Akku im Auto übertragen und so die Reichweite mit einer vollständigen Ladung noch weit über die heutige eines Benziners hinaus auszuweiten. Auch in der eigenen Garage könnte man statt der Steckdose die Spule verwenden und so automatisch aufladen, sobald das Auto drin ist (jeder Handy-Besitzer kennt heute das Problem, wenn man vergessen hat aufzuladen).

Hört sich gut an, nicht? Da gibt es allerdings noch die Details. Alle wirklich großen Erfindungen haben am Anfang nicht oder nicht richtig funktioniert wegen der Details. Man erinnere sich nur, wie Viele abstürzen mussten, bis der erste wirklich flog – oder der Sozialismus, der bis heute nur zeitweise funktioniert hat, weil man Details nicht oder nicht richtig vorausgesehen hatte.

Bei der Induktionsladung ist das Detail die Effizienz – außerdem funktioniert es noch nicht mit einer Spule in Bewegung. Abhängung von der Entfernung zwischen den beiden Spulen kommt nur ein Teil der Energie bei der anderen an. Das kann bis zur Hälfte gehen, was da verloren wird. Allerdings sagte Soljacic, er könne dies noch deutlich verbessern und das Problem mit der Bewegung auch. Man wird sehen. Die Industrie steht jedenfalls schon Schlange bei ihm.

Bei den Geräten macht das nicht viel aus. Wir akzeptieren heute ohne Murren, dass 80% der Energie beim Aufladen des Laptops als Wärme abgeführt wird. Beim Auto ist das dann schon etwas anderes.


Veröffentlicht am 1. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Freitag, 28. November 2008

Das Ende des Währungssystems

8 500 Milliarden US-Dollar

Von Karl Weiss

Nach eingehendem Studium aller vorliegenden Informationen zu den Rettungspaketen gegen die Finanzkrise und Wirtschaftskrise sowie zum wahren Umfang der Schieflagen, kommt der Berichterstatter zu folgendem Schluss: Wenn die Staaten versuchen werden, jede Bank, jedes Versicherungsunternehmen, jede Kreditkarten-Firma, sowie die großen und wichtigen Industriekonzerne zu retten, wird das zum Ende des bestehenden Welt-Währungssystems und Welt-Finanzsystems führen. Was danach ist, darüber kann man nur spekulieren.

Capitol, Washington (DC)

Die US Finanz-Informationsagentur Bloomberg hat einmal zusammengetragen, für was die US-Regierung bereits gebürgt bzw. Mittel verbindlich zugesagt hat und kommt auf einen Gesamtbetrag (der voraussichtlich innerhalb des nächsten Jahres fällig wird) von 8 500 Milliarden US-Dollar oder 8,5 Billionen US-Dollar (auf englisch: 8 500 Billion Dollars or 8,5 Trillion Dollars, das ist (etwa) eine acht mit 12 Nullen oder etwa 50% des BIP der Vereinigten Staaten).

Da sind irgendwelche Hilfen an die „notleidende“ US-Autoindustrie oder eventuell auch an die Autoteile-Industrie sowie die angekündigten Maßnahmen Konjunktur-Spritze, Infrastruktur-Investitionen und Steuererleichterungen noch gar nicht enthalten. Es kann ausgeschlossen werden, dass dies alles ganz locker aufgebracht werden kann durch weitere Verschuldung über „Dollar-Bonds“.

Barack Obama

Nach der Bloomberg-Agentur setzt sich der astronomische Betrag aus folgenden teilen zusammen:

· Die erste Teil sind Programme der Federal Reserve, der Notenbank der USA. Nach der Pleite der Lehmann-Bank hatte die Fed zwei große sogenannte Fazilitäten aufgemacht, mit denen vor allem Geldmarktfonds gestützt werden, die zusammen 2700 Mrd. Dollar ausmachen. Dazu kommt die Erweiterung des Kreditvolumens für Geschäftsbanken, das bereits vorher beschlossen worden war, in der Grössenordnung von etwa 2000 Mrd. Dollar. Als drittes hat die Fed in dieser Woche ein 800-Mrd.-Dollar-Programm zum Aufkauf von Problemhypotheken und sonstigen Kreditpapieren aufgelegt. Alles zusammen auf das Konto der Fed: 5 500 Mrd. Dollar.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

· Das zweite ist die US-Einlagensicherung. Diese Institution steht gerade für Schulden der US-Banken – und zwar in der Gesamthöhe von 1 400 Mrd. Dollar. Dazu kommt noch eine Hilfe für eine Tochter der General Electric mit 139 Mrd. Dollar, zusammen also 1539 Mrd. Dollar.

· Dazu kommt als drittes, was die Regierung bereits alles bindend zugesagt hat, darunter der 700-Mrd.-„bailout“-Plan für die Banken, die beteiligung des Staates mit 250 Mrd. Dollar an den neun größten Banken der USA, dazu auch noch, was bereits vorher in Bear Sterns investiert wurde, um den Verkauf an JPMorgan zu ermöglichen, die Gelder für AIG und noch ein paar „peanuts“ , zusammen nach Schätzung von Bloomberg 947 Mrd. Dollar.

· Der vierte größere Block ist das Geld, das der „Federal Housing“ mit einem Gesetz zur Verfügung gestellt wurde, um Hypotheken zu übernehmen, die voraussichtlich nicht bezahlt werden, das im wesentlichen die Grundlage der faktischen Verstaatlichung der beiden grossen Hypotheken-Organisationen ‚Fannie Mae‘ und ‚Freddie Mac‘ war, in einer Gesamthöhe von 300 Mrd. Dollar.

Der Rettungs-Plan

· Als fünfter größerer Block kommt dann noch die Zusage von weiteren 200 Mrd. Dollar an „Fannie“ und „Freddie“, wobei noch nicht geklärt ist, woher dies Geld kommen soll. Eventuell wird das noch in den 700-Mrd.-„bailout“-Plan eingegliedert, dann würde sich der Gesamtbetrag von 8,5 Billionen auf 8,3 Billionen Dollar verringern, was praktisch nichts ausmacht.

Dazu gibt es noch die Garantie in Höhe von 326 Mrd. Dollar, die der Citi-Group zugesagt wurden, falls sie benötigt werden sollten. Man hofft, dies wird nicht fällig werden und hat das deshalb nicht einbezogen.

Bush

Diese 8,5 Billionen Dollar sind also ausschließlich das, was zur Rettung des Finanzsystems vorgesehen war und ist. Es gibt auch andere große Kostenblöcke für den US-Haushalt, die nun deutlich ansteigen, so z.B. die Zinsbelastung für die Schulden, die ja nun deutlich mehr werden, aber auch die Rentenausgaben, weil nun die Generation der Baby-Boomer (die nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen) ins Rentenalter kommen (2010 sind es 65 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges) und die steil ansteigenden Kosten von Medicare (für ältere Menschen) und Medicaid (für bedürftige Personen). Dazu kommt das traditionell sehr hohe Zahlungsbilanz-Defizit und das hohe Haushalts-Defizit.

Alle diese offenen Rechnungen (einschließlich der bereits bestehenden Staatsschulden) hat Professor Kotlikoff von der „Federal Reserve Bank of St. Louis“ aufgemacht, eine der führenden Institutionen der „US Federal Reserve“, der US-Zentralbank. Er kommt auf einen Gesamtbetrag von 65,9 Billionen Dollar (auf englisch 65,9 Trillion Dollars), was wohl gemerkt noch keine der nun eingegangenen Verpflichtungen durch FED, Regierung usw. beinhaltet. Demgegenüber sind die jetzt anstehenden 8,5 Billionen Dollar ja geradezu „Peanuts“.

Zum Vergleich hier, was die Höhe des GNI (Gross National Income) (in etwa: Brutto-Inlands-Produkt) der USA angeht, dies belief sich (letzte einigermaßen zuverlässige Zahlen) 2006 auf etwa 12 Billionen Dollar.

Und dies sind nur die Geldmengen in den USA, die aufgebracht und ins Wirtschaftsgeschehen gepumpt werden. Wenn man nun noch anfängt, was die deutsche Bundesregierung bereits garantiert hat (alle Spareinlagen in voller Höhe, das könnte sie nie aufbringen), was in Großbritannien bereits verbraten wurde, in Frankreich, Japan usw., dann kann man ohne jede Übertreibung sagen, diese völlig absurde Steigerung der staatlichen Verschuldungen können nicht von einem Finanzsystem aufgebracht werden, das sowieso in der Krise ist.

USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

Ganz zu schweigen davon, wenn man jetzt noch anfängt, alle größeren Unternehmen mit staatlicher Neuverschuldung vor dem Bankrott zu retten. Es ist (auch ohne dies schon) sicher, das Welt-Finanzsystem gibt diese zusätzliche Verschuldung nicht mehr her. Was das heißt, wurde kurz in einem früheren Artikel zu diesem Thema beschrieben:

„... dann würde eine Flucht aus dem Dollar einsetzen, die heute mit elektronischen Methoden innerhalb von Minuten einen Wertverlust von 50% ergeben kann (...). Der Dollarkurs im Keller, der Dollar als Reservewährung praktisch nicht mehr vorhanden, die Zuverlässigkeit des Dollar unterminiert, die Wirtschaftskraft der USA angeschlagen. Plötzlich würden die gewaltigen Importe der USA etwas in der Richtung vom Doppelten kosten, was praktisch nicht zu zahlen wäre. Damit würde der ganze Wohlstand in den USA auf ein deutlich niedrigeres Niveau geworfen, viele Fabriken geschlossen, viele Arbeiter auf die Straße gesetzt. (...)

Dollar Gasp

Dazu käme die akute Gefahr einer galoppierenden Inflation, denn die Importpreise sind ja plötzlich fast doppelt so hoch. Deshalb kann dem auch nicht mit Gelddrucken oder Anleihen-Ausgeben entgegengetreten werden, denn das hätte genau diesen Effekt, die Inflation anzuheizen.

Der einzige Ausweg in einer solchen Situation ist zuzusehen, bis man am Boden des Lochs angekommen ist und dann mit der Hände Arbeit langsam wieder zu versuchen herauszukommen.

Etwas Vergleichbares ist zum Beispiel mit Argentinien am 22. Dezember 2001 und in den darauffolgenden Wochen geschehen. Das alles bedeutet nicht das Ende des Lebens in jenem Land, aber bezogen auf die USA wäre es das Ende des Supermacht-Status.“

Heute kann man – bezogen auf die internationale Situation der unbegrenzten Neuverschuldung zur Rettung von Banken und Konzernen – darüber hinaus sagen. Das gesamte Währungs- und Finanzsystem könnte das nicht überstehen.

Wie es danach aussähe, ist ungewiss und unbeschreibbar. Der Begriff kapitalistische Barbarei ist sicherlich noch schwach dafür.



Veröffentlicht am 28. November 2008 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 27. November 2008

Ein Nachruf auf die US-Industrie?

Kaum zu glauben

Von Karl Weiss

Die Industrie in den USA gilt als eine der wichtigsten auf der Welt. Der größte Teil der Software auf der Welt wird dort hergestellt, man ist eine Nation der Luft- und Raumfahrt, die Ölkonzerne sind führend, die Automobilindustrie und ihre Zulieferer waren bis vor kurzem noch die größten der Welt. Und jetzt kommt ein „Nachruf auf die US-Industrie“? Wie das?

USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

In der „Süddeutschen“ wurde ein auf deutsch übersetzter Artikel eines US-Schriftstellers veröffentlicht, in dem er vom Ende der US-Industrie spricht und das Ganze als einen Nachruf bezeichnet. Er sieht den Bankrott aller drei großen US-Autohersteller voraus und meint, man habe sich das selbst zuzuschreiben.

Nun ist ein Schriftsteller natürlich kein Fachmann für Industriepolitik, aber er sicherlich ein Fachmann im „Amerikaner-Sein“. Und so erzählt er denn:

„Den meisten Amerikanern geht es so wie mir: Sie glauben, dass in Deutschland oder Japan ( ... ) bessere elektrische Geräte und bessere Autos als in Amerika hergestellt werden. Unter diesen Voraussetzungen ist es für die amerikanischen Automobilfirmen unmöglich, wieder rentabel zu werden, und zwar unabhängig davon, wie viele Kompromisse den Gewerkschaften noch abgerungen werden.“

Das erinnerte den Berichterstatter an die Zeit , als er in den USA arbeitete. Die Firma hatte ihm einen Chevrolet-Kleinwagen zur Verfügung gestellt, der schon zwei Jahre alt war. Für deutsche Verhältnisse war das kein Kleinwagen, so etwas in der Jetta-Kategorie, aber dort war es Kleinwagen. Das Hüpferchen gab drei Mal innerhalb eines halben Jahres den Geist auf und musste abgeschleppt und repariert werden

Als man dann einen der US-Kollegen fragte, ob das normal sei, antwortete der denn auch: „Ja, bei US-Wagen ist das normal. Wenn man einen zuverlässigen will, muss man einen Japaner kaufen.“

Insofern scheint der Schriftsteller also recht zu haben. Aber was wird dann, wenn Obama, wie er schon angekündigt hat, die drei US-Autobauer vor der Pleite retten wird? Wird der Staat überhaupt genug Geld dafür aufbringen können, nachdem man ja schon die Banken gerettet hat? Oder wird dann eines Tages eine Dollar-Anleihe des Staates ‚Vereinigte Staaten von Amerika‘ keine Käufer mehr auf dem Markt finden, so wie es jetzt der Bundesrepublik mit einer Anleihe ging?

Auf welcher Basis wird Obama die Autobauer retten wollen? Und die Autoteile-Industrie, die dann unweigerlich auch gerettet werden will? Wird man wirklich für so viele neue Schulden gut sein?

Oder wird an einem jener Tage dann eine Rallye gegen den Dollar beginnen, was das Ende der Supermacht wäre?

Der Schriftsteller meint:

„Aber so geht es der amerikanischen Industrie in fast allen Bereichen, und auch das enorme Wachstum der Informationstechnik hat sich erschöpft. Microsoft und Intel sind mittlerweile auch nur noch zwei Großunternehmen, die zu viele leitende Angestellte haben. Die Telekommunikation erlebte einen Boom, der schnell vorüberging.“

Nun, er übertreibt ein wenig. Es gibt sehr wohl erfolgreiche Industrie in den Vereinigten Staaten. Die Luft- und Raumfahrtbranche und der ganze militärisch-industrielle Komplex sind so stark wie je. Zwei der fünf Großkonzerne der Ölindustrie sind US-Firmen. Die ExxonMobil ist der wertvollste, auch der größte Konzern der Welt und der mit dem höchsten Profit. ChevronTexaco ist auch nicht viel kleiner. Die Pharmabranche ist weltweit führend, auch in der Chemie hat man erfolgreiche Unternehmen aufzuweisen, es gibt auch einiges im Maschinenbau und eben auch bei den Autozulieferern, so ist z.B. die US-Firma Dana der größte Teilezulieferer weltweit.

Tatsache aber ist, alle arbeitsintensiven Fertigungen wurden in Billiglohnländer ausgelagert und das hat den Arbeitsmarkt sehr belastet. Zwar weisen die USA offiziell nur 6% Arbeitslose aus (mit stark steigender Tendenz), aber das ist gewaltsam zurechtgestutzte Statistik wie in Deutschland. Das Doppelte dürfte der Wahrheit entsprechen.

Riesige Massenentlassungen stehen nun an.

Kapitalistische Wirtschaftskrisen sind unerbittlich und werde immer hauptsächlich auf dem Rücken der arbeitenden Menschen ausgetragen.

Diese jetzt beginnende allerdings kann auch einen zusätzlichen Effekt haben: Die überragende Stellung der USA als alleinige Supermacht könnte ernsthaft angekratzt oder sogar völlig untergraben werden. Insofern kann man da wirklich eventuell von einem Nachruf sprechen.


Veröffentlicht am 27. November 2008 in der Berliner Umschau

Montag, 24. November 2008

Jahr der schlechten Nachrichten

Jetzt will es niemand gewesen sein

Fest im Sand begraben

Von Karl Weiss

Ganz offen spricht CDU-Merkel von 2009 von "einem Jahr der schlechten Nachrichten", SPD-Steinbrück von „tiefster Krise der Bundesrepublik“. Mit keinem Wort gehen sie aber darauf ein, dass sie die Hauptverantwortlichen dafür sind. Sie haben mit der „Deregulierung des Arbeitsmarktes“, mit Hartz IV und den anderen Maßnahmen der „Agenda 2010“ die deutschen Löhne auf einen Tiefpunkt getrieben, mit einer fast 20%igen Mehrwertsteuererhöhung Kaufkraft aus dem Markt genommen. Jetzt ist die Binnennachfrage zusammengebrochen – welche Überraschung! Der Export, dadurch zur einzigen Hoffnung geworden, kann wegen des weltweiten Krebsganges nicht mehr helfen, also rutscht man in die Wirtschaftskrise. So als ob das nicht einfach vorherzusehen war, steht die Politik nun mit offenem Mund und staunt.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Wann werden CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne erklären: „Wir lagen falsch. Jetzt sehen wir das ein. Wir hätten stattdessen mit Lohnerhöhungen und Massensteuer-Senkungen den Innenmarkt beleben müssen. Wir werden unsere Parteien auflösen und hoffen, andere machen es besser.“?

Nun, das ist natürlich weniger wahrscheinlich als dass der Mond noch dieses Jahr auf die Erde fällt. „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr...“.

Deutschland: 2. Quartal 2008 gegen 2.Quartal 2007 BIP Lohn Konsum Vermögen
Deutschland: Brutto-Inlandsprodukt, Löhne, Konsum und Vermögen, Vergleich 2.Quartal 0 gegen 2.Quartal 07

Hat man denn jetzt wenigstens seine Hausaufgaben gemacht, gemerkt, dass die Binnen-Nachfrage angekurbelt werden muss und entsprechende Maßnahmen eingeleitet? Nichts, nicht eine einzige klitzekleine Hilfe für die Binnen-Nachfrage. Man sieht nicht nur seine eigenen Fehler nicht ein, man verbeißt sich in ihnen.

Was schlägt zum Beispiel J. Jahnke vor, ehemaliger stellvertretender Leiter der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ in London? Mehrwertsteuer auf 15% senken, Banken verstaatlichen, damit man wieder Kredit zur Verfügung stellen kann (die Banken verweigern Kredit zu normalen Bedingungen) und Solidaritätssteuer für hohe Einkommen und hohe Kapitalerträge einführen, um das gegenzufinanzieren.

Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 - 2008 mit Trendlinie
Einzelhandelsumsatz in Deutschland 06 bis 08 mit Trendlinie

Da werden wir lange warten können, dass diese Regierung so etwas beschließt. Frau Merkel – da wird es schon wirklich grotesk – weist auf ein kleines Paket der EU für Innovationen hin, die Geld an Unternehmen verschleudern will. Werden diese Unternehmen damit Nachfrag am Markt schaffen durch Lohnerhöhungen? Natürlich nicht! Sie werden das Geld an ihre Aktionäre und Manager ausschütten, die sowieso schon alles haben und das auf die hohe Kante legen werden!

Deutschland: Einkommensverlust durch Mehrwertsteuererhöhung

Offenbar kennen diese Desaster-Parteien gar nicht das Wort „Nachfrage“. Die Krise bricht aus wegen mangelnder Nachfrage! Man muss Nachfrage schaffen, um die Tiefe der Krise zu verringern!

„Nein, Herr Weiss, da irren Sie sich. Es gibt überhaupt keine Nachfrage, Herr Weiss. Das sind Erfindungen von Sozialisten, Herr Weiss! Wir müssen nur dafür sorgen, dass das Angebot wieder erhöht wird, dann wird alles gut, Herr Weiss!“

Deutschland: Sparquote nach Einkommenskategorien
Das ist eine aufschlussreiche Statistik: In Deutschland spart offensichtlich jeder etwas, der kann; aber mit Hartz IV kann man eben nicht nur nicht sparen, sondern muss seine spärlichen Ersparnisse noch verbrauchen

Ja, so ist das mit verbohrten Ideologen. Was nicht in ihr Weltbild passt, wird ausgeblendet. Wenn man die Realität nicht erklären kann, spricht man von Zuversicht in die Zukunft. So wie Honecker, der darauf bestand, es gäbe einen Sozialismus in der DDR. Dass sich die ständig schlechter laufende Wirtschaft nicht mit sozialistischen Verhältnissen vereinbaren ließ, blendete er aus. So bleibt am Ende nur noch Klammern an die Macht, bei ihm damals und bei unseren Desaster-Parteien heute.

Selbst im eigenen Lager wird das bemerkt. Die internationale Ausgabe der „Financial Times“ vom 22. November 2008 begann dann auch einen Kommentar zu diesem Thema mit dem Satz: "Deutsche Politiker haben ihre Köpfe fest im Sand begraben".

Deutschland: "Verteilungsgerechtigkeit"

Ex-Bankier Jahnke schreibt dazu: „In vielen Ländern, vor allem USA, deuten die starken Einbrüche bei den Preisen (vor allem Öl und Rohstoffe ...), darauf hin, daß es jetzt zu einer Deflation kommen kann. Solche Situationen, wie sie z.B. Japan zehn Jahre lang erlitten hat, halten immer sehr lange an, zumal die Zentralbanken mit ohnehin abgesenkten Zinsen am Ende ihres Lateins sind. Hinzu kommt, daß wegen der von den Zentralbanken erzeugten enormen Liquiditätsschwelle die Zinspolitik der Zentralbanken immer weniger zu kontrollieren ist. So liegt derzeit in USA die effektive Zinsrate bereits um 0,6 % unter der offiziellen und damit nahe 0 %. Auch in Japan war eine Immobilien- und Bankenkrise der Auslöser und konnte die Zentralbank mit Zinssenkungen jahrelang nicht mehr helfen. Bei einer ausufernden Deflation sind die Preissenkungen so stark, daß sie die realen Schulden, die sich umgekehrt bei Inflation entwerten, hochtreiben. Dies wird bei ohnehin hohen Schuldenlasten, wie derzeit, eine sozial und wirtschaftlich enorme Belastung. Es kommt dann zu einer Spirale nach unten, in der auch die Absatzmärkte immer mehr wegbrechen.“

Allerdings, sei dazu angemerkt, war bei der damaligen japanischen Krise der Rest der Welt nicht in einer solchen, sodass man sich mit Exporten wieder herausarbeiten konnte.

Alt-EU der 15: Entwicklung Arbeitskosten von 2000 bis 2008
Hier sehen wir das Ergebnis der Agenda 2010 mit Hartz IV: Die deutschen Arbeitskosten entwickelten sich - im Vergleich zu 2000 - zu den niedrigsten der alten EU der 15

Jetzt, so schreibt Jahnke weiter „rächt sich die steil gestiegene deutsche Exportabhängigkeit bei miserabler Binnenkonjunktur.“

Alles Taten der Desasterparteien: Hohe Unterstützungen (Hermes Kredite) und Garantien für Exporte bei gleichzeitigem Herunterdrehen der Löhne – und jetzt will es niemand gewesen sein.

Deutschland: Exportabhängigkeit: Anteil Auslandsumsatz am Industrieumsatz 1995 bis 2008
Hier der Beleg für die stark angestiegene Exportabhängigkeit

Wenn nun behauptet wird, gegen Ende 2009 – also nach den Bundestagswahlen – werde alles wieder besser, ist das nichts als Pfeifen im dunklen Wald – und eine Verhöhnung der Wähler.


Veröffentlicht am 24. November 2008 in der Berliner Umschau

Karl Weiss - Journalismus

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