Wer Menschenrechte verteidigt, fliegt raus
Von Karl Weiss
Was das Verhältnis der Bush-Administration zu Verteidigern von Menschenrechten ist, ahnte man schon vorher. Nun weiss man es auch auch konkret: Wer Menschenrechte verteidigt, fliegt raus! Der Teil der Menschen auf der Welt - und das ist die bei weitem überwiegende Mehrheit -, für den Gerechtigkeit, Schutz vor willkürlichem Gefängnis, vor Verschwindenlassen und vor Folter noch Begriffe sind, die ihnen etwas sagen und Teil ihres Wertsystems sind, hat eine neue Märtyrerin. Die CIA-Angestellte McCarthy wurde jetzt entlassen. Sie ist verantwortlich dafür, daß Informationen über die geheimen CIA-Gefängnisse, Entführungen und Folterflüge an die ‚Washington Post’ gingen, die - wenn auch äußerst behutsam - darüber berichtete.
Danach war kein Halten mehr. Die häufigen Flüge von Flugzeugen, die offensichtlich im Dienste des CIA standen, wurden dokumentiert, ihr Zwischenlandungen und ihre Ziele. Praktisch alle Regierungen der EU wußten zwar davon, hielten aber alle dicht und weigern sich bis heute, ihre Kenntnisse zu offenbaren, einschließlich der letzten und der heutigen Bundesregierung.
Es kann inzwischen als gesichert gelten, daß zumindest in Polen, Rumänien und Bulgarien solche CIA-Geheimgefängnisse bestehen.
Im Verdacht stehen auch Tschechien und die Slowakei. Fast alle diese Foltertransporte wurden über deutschen Boden abgewickelt.
Die größten CIA-Folterlager dürften aber in Staaten des Bereichs der früheren Sowjetunion bestehen, in denen heute die Regierenden dem US-Imperialismus die Stiefel lecken.
Daneben wissen wir heute sicher, daß in Staaten, die besonders für ihre Foltergefängnisse bekannt sind, wie Ägypten, Syrien und Marokko, CIA-Gefangene „exportiert" wurden, um den Ruch der Folter nicht so direkt der US-Regierung anzuhängen. Es sind mit Sicherheit Tausende von Menschen, darunter auch Deutsche, die entweder beliebig auf offener Straße entführt und mit den bekannten Folterflügen in eines dieser Lager gebracht, oder bei Grenzübertritten festgenommen und dem CIA überstellt, oder auf Anweisung aus Washington von lokalen Polizeikräften festgenommen und ebenfalls überstellt wurden.
In diese kriminellen Machenschaften sind offensichtlich praktisch alle EU-Regierungen verstrickt, auch und gerade die Bundesregierung und ihre Vorgängerin. Denn es handelt sich um die Verbrechen der Entführung und Freiheitsberaubung. Wodurch unterscheiden sich diese Verbrechen von Festnahmen durch Polizeikräfte und rechtmäßigen Auslieferungen? Dadurch, daß für Festnahmen und Auslieferungen immer richterliche Verfügungen vorliegen bzw. bei Gefahr im Verzug nachgeliefert werden müssen, während die hier genannten Fälle niemals vor einen Richter gekommen sind und auch gar nicht kommen sollen.
Im Prinzip waren diese Machenschaften durch die Kenntnisse über das US-Folterlager in Guantanamo schon bekannt, nur betraf dies eine begrenzte Zahl von Entführten, die fast alle in Afghanistan nach dem Einmarsch der Nato-Truppen verschleppt wurden.
Frau McCarthy hat das unsterbliche Verdienst, als erste einen kleinen Zipfel des riesigen Netzes von geheimen Verschleppungen, CIA-Folterlagern und -Folterflügen aufgedeckt zu haben. Alle Menschen guten Willens auf der Erde sind ihr zu Dank verpflichtet.
Allerdings dürfte sie sich schwerlich in Sicherheit befinden. Wenn es ihr nicht gelingt unterzutauchen, könnte eventuell ihr Leben gefährdet sein. Der CIA ist eine Organisation, aus der man weder austreten kann noch so ohne weiteres entlassen wird. Die ehemaligen CIA-Kollegen sind hochspezialisierte Fachleute im Verselbstmorden von Menschen, wie wahrscheinlich vor kurzem im Fall des Journalisten Garry Webb wieder deutlich wurde.
Wenn wir also - mit einem angemessenen Zeitabstand - hören werden, daß Frau McCarthy sich aus Gram um ihre Entlassung aus dem CIA umgebracht hat, dann wissen wir Bescheid.
Dieser Artikel erschien zuerst in der "Berliner Umschau" am 27. April 2006, hier leicht redigiert.
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