Anti-Terror-Gesetze früher und heute

Robert Harris´ These über das neue Detainee-Treatment-Gesetz in den USA

Von Karl Weiss

In einem Artikel von überraschender Aktualität über eine Geschichte aus dem alten Rom, die über 2000 Jahre her ist, berichtet die „New York Times“ über weitgehende Schlußfolgerungen angesichts der Verabschiedung der „Detainee-Treatment-Bill“ im US-Kapitol. Wird es das Ende der US-Republik bedeuten und das Ende der US-Weltherrschaft einläuten so wie ein ähnliches Gesetz damals das Ende der römischen Republik und der römischen Weltherrschaft?

Der Geschichtsprofessor Robert Harris, u.a. Autor des Buches „Imperium, a Novel of Ancient Rome“ schreibt in einem Artikel als Gastautor der ‚New York Times’ vom 30. September 2006 über einen Terroranschlag, der kurz vor der Zeitenwende das alte Rom erschütterte und dazu führte, ein Gesetz zur Übergabe von Vollmachten an einen Kriegsführer Roms zu verabschieden, das nach seiner Ansicht das Ende der römischen Demokratie und Republik bedeutete und letztendlich sogar das Ende des römischen Reiches einleitete.

Er sieht eine Parallele zu dem „Detainee-Bill“ (genau gesagt, heißt das Gesetz nicht so, es wurde als „Military Commissions Act“ verabschiedet, aber es hat seinen Namen trotzdem weg), der genau am Tag des Erscheinens des Artikels vom US-Repräsentantenhaus verabschiedet und in einer formalen Sitzung von den führenden Personen von Senat und Repräsentantenhaus unterschrieben wurde.

Sehen Sie selbst:

Im Jahr 68 vor Christus wurde das damalige Rom, zu diesem Zeitpunkt bereits der Herrscher der bekannten Welt, von einem überraschenden und brutalen Terroranschlag betroffen: Direkt unter der Nase der Römer, im Hafen von Ostia, wurde die ganze Kriegsflotte des mächtigsten Reiches des Altertums in einem Streich überfallen und in Brand gesetzt. Alle Schiffe brannten nieder.

Die Terroristen nannte man damals Piraten. Allerdings handelte es sich hier nicht um ein einzelnes Piratenschiff, sondern eine umfassende Terrororganisation, die einen so vernichtenden Terroranschlag verüben konnte.

Die römische Regierung, das ist in diesem Fall der Senat von Rom gewesen, reagierte fast identisch wie das US-Reich auf die Anschläge des 11. September 2001. Es wurde ein Gestz erlassen, das einem einzelnen Herrscher umfassende Rechte zugestand, um „mit dem Piratenwesen aufzuräumen“, in diesem Fall „Pompeius dem Großen“.

Harris schreibt dazu:

Pompeius sollte faktisch den gesamten römischen Staatsschatz erhalten, 144 Millionen Sesterzen, um den „Krieg gegen den Terror“ zu finanzieren, was den Bau von 500 Kriegsschiffen beinhaltete ebenso wie den Aufbau einer Armee von 120 000 Fußtruppen und 5 000 Reitern. Eine solche Machtanhäufung [in einer Hand] war ohne Beispiel und es gab einen wirklichen Aufstand im Senat, als das Gesetz debattiert wurde.

Trotz allem wurden in einem tumultartigen Massenprotest im Zentrum Roms Pompeius Widersacher zur Unterwerfung gezwungen, die „lex Gabinia“ wurde (entgegen den Gesetzen) angenommen und Pompeius erhielt die Macht. Am Ende, einmal in See gestochen, dauerte es weniger als drei Monate, das ganze Mittelmeer von Piraten zu säubern. Auch wenn man Pompeius zugesteht, ein miltärisch-strategisches Genie gewesen zu sein, kam doch die Frage auf, ob die Piraten wirklich eine so unglaubliche Gefahr dargestellt hatten, wenn es so leicht war, sie zu besiegen.

Doch es war zu spät, solche Fragen zu stellen. Mit dem ältesten Trick des politischen Handbuchs war dem Volk die Macht entrissen worden und es bekam sie nie wieder: Man hatte eine Panik erzeugt, in der jede oppositionelle Stimmme als „schwach“ oder sogar „verräterisch“ gekennzeichnet werden konnte. Pompeius blieb für sechs Jahre im Nahen Osten, etablierte überall Marionettenregimes und wurde zum reichsten Mann des [römischen] Reiches.“

Harris meint, die weitgehenden Ermächtigungen nach dem 11. September 2001 für den US-Präsidenten, zusammen mit dem nun verabschiedeten „Detainee-Bill“, stellen als historische Parallele eine (endgültige) Entmachtung des Volkes in den USA dar. Er zählt im einzelnen auf, was das neue Gesetz „Detainee-Bill“ beinhaltet:

- Die völlige Aufhebung des Rechts auf „habeas corpus“ für des Terrorismus Verdächtige, ihnen das Recht nehmend, eine Inhaftierung vom Gericht überprüfen zu lassen [ohne den Begriff des Terrorismus-Verdachts zu definieren, so daß die reine Behauptung eines Verdachts ausreicht].

- Die vorsichtige Aussage über Folter, lediglich das Zufügen „schwerer“ physischer und geistiger Leiden verbietend, wenn man Informationen vom Verdächtigen erlangen will [ohne zu definieren, was schwer und was nicht schwer ist, was jeglicher Folter Raum gibt, wenn sie nur als ‚nicht schwer’ definiert wird. In diesem Zusammenhang kommt Rumsfelds Aussage in die Erinnerung, es sei ja offensichtlich, dass niemand 'schwer' gefoltert werde, denn alle lebten ja noch].

- Die Zulässigkeit von Beweismitteln, die ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl erlangt wurden [und damit definitiv jegliche Notwendigkeit von richterlichen Durchsuchungsbefehl für die ganze USA aufhebend; man muß nur einen Terrorverdacht behaupten]

- Die Zulässigkeit, jeden Bürger der USA oder legal in den USA Lebenden als „feindlichen Kämpfer“ zu definieren [und ihn damit unbegrenzt und ohne richterliche Überprüfung einsperren zu können]

All dies bedeutet nach seiner Ansicht zusammen mit dem bereits vorher beschlossenen „Homeland Security Act“ eine Verschiebung der Macht weg vom Volk und hin zur Exekutive.

Harris erzählt weiter, was im alten Rom geschah: Die „lex Gabinia“ war faktisch die Einleitung des Endes der römischen Republik. Ein Jahrzehnt später bekam Julius Caesar, der einzige, der im Senat für das Gesetz gesprochen hatte, ähnliche Machtbefugnisse wie vorher Pompeius zugesprochen, in diesem Fall für Gallien. Während vorher der römische Staat die Armee kontrollierte, begann nun die Armee den Staat zu kontrollieren.

Die Reichtümer, die man als Heerführer in einem neu eroberten Land anhäufen konnten, bestimmten mehr und mehr die Wahlen in Rom. Als Cäsar den Rubicon überschritt, war der Rest der römischen Geschichte besiegelt. Das war im Jahr 49 vor Christus. Alles laut Harris.

Er schließt seinen Artikel mit der Hoffnung: Die „lex Gabinia“ habe genau das aufs Spiel gesetzt, was sie zu schützen vorgab. Es sei zu hoffen, dass man nicht später das gleiche vom „Detainee-Bill“sagen werde.


Veröffentlicht am 13. Januar 2007 in der "Berliner Umschau", hier der Link zum Originalartikel.


Hier sind Links zu anderen Artikeln in diesem Blog zum Abbau von bürgerlichen Rechten in den USA:

- Kann man mit Telephon-Überwachung Terrorzellen ausheben?

- Die USA am Scheideweg: Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

- USA: Faschisierung des Staatsapparates, Teil 1: Es geht gegen das eigene Volk

- USA: Faschisierung des Staatsapparates, Teil 2: 432 Millionen Dollar für ‚Internierungslager’

- Statistischer Beweis: Wahlfälschung bei den US-Präsidentschaftswahlen

- Wenn Regierungen Geiseln nehmen – Benattas, noch ein Fall von Geiselhaft

- USA: Wer Menschenrechte verteidigt, fliegt raus – CIA-Agentin entlassen

- Folter – CIA-Folterflüge und europäische Regierungen

- Wenn bürgerliche Rechte abgeschafft werden... USA – Land der Freiheit?

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Interviews mit Gunatánamo-Insassen

- USA: Erst schiessen, dann fragen – Warlord Country

- Fürchterlich schrille Schreie von gefolterten Jungen

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