Dollars oder Mini-Nukes?
Von Karl Weiss
Professor D. Zeitel schrieb letztes Jahr in einer Veröffentlichung der ‚Staats- und wirtschaftspolitischen Gesellschaft’ (SWG), Hamburg, einer der wesentlichen Gründe, warum ein Angriff auf den Iran, hauptsächlich auf Betreiben der Regierung der USA, vorbereitet wird, sei die Ankündigung Teherans, ab März 2006 eine Erdölbörse auf Euro-Basis betreiben zu wollen. Nach seinen Angaben würde dies die absolute Vorherrschaft des Dollars im Erdölgeschäft gefährden und damit die Gefahr riesiger Verluste der US-Wirtschaft heraufbeschwören. Nun, die Ölbörse gibt es bis heute nicht und es steht auch nicht mehr fest, ob sie in Euro funktionieren wird. Tatsache bleibt aber, die USA sind auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen: Alle Erdölgeschäfte müssen in Dollars gemacht werden. Deshalb bleibt das Thema interessant. Der Iran hat die Planungen für die Ölbörse ja nicht aufgegeben.
In seinem Artikel, den man finden kann auf der Website der SWG: swg-hamburg.de, wenn man auf „Wirtschaftspolitik" klickt, legt der Profesor unter anderem dar, daß dasjenige Land, in dessen Währung die gigantischen weltweiten Erdölgeschäfte abgewickelt werden, gewaltige konkrete zusätzliche monetäre Mittel zufliessen, die unter Ökonomen mit dem Begriff „Seigniorage-Gewinne" (Münzprägegewinne) gekennzeichnet werden.
Für Nicht-Ökonomen kann dies in etwa so erklärt werden, daß jenes Land die Möglichkeit hat, in großem Umfang neues Geld zu drucken (Münzen zu prägen), ohne daß, wie normal, dadurch die interne Inflation im Lande angeheizt würde. Die imperialen Abenteuer der US-Regierung, wie der jetzige Irak-Krieg, aber auch generell das riesige US-Rüstungsprogramm hängen vollständig davon ab, daß diese Gewinne fließen. Auch daß die gigantische Verschuldung des US-Staates und das massive Aussenhandelsdefizit keine negativen Auswirkungen auf die US-Ökonomie haben, hängt von diesen Gewinnen ab.
Mit anderen Worten, die ganze imperiale Machtstellung der USA hängt wesentlich davon ab, daß weltweit das gesamte Erdöl (und nicht nur das Erdöl) in Dollar gekauft und verkauft wird.
Es wird darauf hingewiesen, daß Saddam Hussein, kurz bevor die Vorbereitungen des Irakkrieges begannen, seine Ölverkäufe auf Euro umgestellt hatte und die These aufgestellt, daß dies einer der wesentlichen Gründe des Irak-Krieges war.
Eine Ölbörse ist aber noch etwas anderes als einfach nur die Währung, in der das Öl eines Landes verkauft wird. Sie wäre vielmehr ein Konkurrenzunternehmen zu den beiden einzigen Ölbörsen, die es momentan gibt, New York Mercantile Exchange (NYMEX) in New York und International Petroleum Exchange (IPE) in London, beide in US-Händen.
Die Bedeutung der Ölbörsen ist eine mehr indirekte, denn in Wirklichkeit wird 90% des weltweiten Rohöles in langfristigen Kontrakten verkauft, die bestenfalls formal über eine der Ölbörsen gelaufen sind, bzw. gleich von vornherein in Weiterverarbeitungsanlagen des Ölkonzerns genutzt, dem auch die Ölquelle gehört. Nur größenordnungsmäßig 10% des Rohöles kommt überhaupt auf den Markt, d.h. wird in einer der Ölbörsen wirklich angeboten und gekauft.
Was die Ölbörsen so wichtig macht, ist die Tatsache, daß sich die Preise des Rohöls an den Preisen an der Börse orientieren. Steigt der Preis, z.B. für den Barrel von Brent-Öl, so werden ab diesem Zeitpunkt auch die langfristigen Kontrakte zu diesem höheren Preis getätigt bzw. es wird in der internen Abrechnung der Konzerne dieser höhere Preis zugrunde gelegt.
Viel mehr gilt dies natürlich noch für die Währung, in der sich das alles abspielt. Dies ist und war seit Urzeiten der US-Dollar.
Würde nun eine Ölbörse in Euro aufgemacht, würde deren Bedeutung natürlich eindeutig davon abhängen, wieviel Erdöl dort nun tatsächlich überhaupt angeboten würde. Steht hinter einer solchen neuen Börse nun einer der großen Erzeuger von Rohöl, so könnte sie theoretisch an Bedeutung gewinnen. Der Iran ist immerhin die Nummer 5 (nach anderer Zählung Nr. 4) unter den Erdölexporteuren, wenn er auch andererseits natürlich den größten Teil seines Erdöls in festen Verträgen verkauft, die nicht von heute auf morgen aufgelöst oder umgestellt werden können.
Würde aber nun der Iran darauf bestehen, daß jeder auslaufende Vertrag auf einen Vertrag über jene Ölbörse umgestellt wird, so könnte die Börse im Verlauf von ein, zwei Jahren größere Mengen von Erdöl anbieten als jede Einzelne der anderen beiden. Es könnten auch andere Länder auf die Idee kommen, einen Teil des Öls an dieser Börse anzubieten. So hat z.B. Venezuela, immerhin Nummer 6 (nach anderer Zählung Nr. 5) unter den Ölexporteuren, bereits Interesse angemeldet.
Wer ein ganz spezielles Interesse an einer solchen Ölbörse hätte, sind natürlich die europäischen Staaten, deren Währung der Euro ist. Zwar konnten sie es nicht wagen, selbst eine solche Ölbörse aufzumachen, denn dies wäre einer Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten gleichgekommen, sie könnten aber, nach und nach und mehr oder weniger heimlich, beginnen, ihren Ölbedarf über diese Börse, und daran anschließend mit Euro-Verträgen, zu decken.
Immerhin sind die Länder der Euro-Zone, als Block genommen, der weltweit größte Importeur von Rohöl bzw. dessen Folgeprodukten. Würden die „Seigniorage-Gewinne" in Zukunft im wesentlichen den Ländern des Euro-Blocks zufließen, wären deren Haushaltsprobleme und die Probleme stagnierenden Wachstums gelöst. Allerdings muß man sehen, daß die US-Regierung einer solchen Entwicklung nicht tatenlos zusehen würde und eine Menge Möglichkeiten hat, einzugreifen.
Wenn Prof. Zeitel in seiner Schrift es so darstellt (Überschrift: ‚US-Dollar oder Mini-Nukes’), als ob es nur die Alternative eines militärischen Überfall auf den Iran oder den Fall des Dollars als Ölwährung gäbe, ist dies einseitig. Die US-Regierung hat es noch fast jedesmal geschafft, die europäischen Mächte zu überzeugen, lieber ihr zu folgen als sich mit ihr anzulegen. Das letzte Beispiel sind die Fragen nach den CIA-Folterflügen. Man hat ein allgemeines Schweigegebot erlassen und seitdem halten alle europäischen Regierungen ohne Ausnahme den Mund. Lediglich die Kommission in Brüssel ist noch etwas aufmüpfig.
Würde die USA die Europäer verpflichten, jene Ölborse am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen, so wäre kaum etwas dagegen zu machen. Trotzdem kann sie zumindest einer der Gründe sein, warum man den Überfall auf den Iran bereits geplant hat und im Moment nur noch genau abscheckt, ob er wirklich notwendig wird, oder ob man auch ohne dies die generelle Oberhoheit über die ganze Nahostregion einnehmen kann.
Die Europäer haben auch gar keinen Grund, sich deshalb mit den Partner auf der anderen Seite des Atlantik anzulegen, denn sie können schlicht und einfach auf die Zeit bauen. Der Euro als zukünftige Ölwährung wird ihnen wahrscheinlich mit der Zeit sowieso in den Schoß fallen, spätestens dann, wenn China, das im Moment die Hauptlast des US-Dollar trägt, diesen fallen läßt. Der Euro ist der automatische Ersatz und in Europa könnte man auch noch mit Recht betonen, daß man ja gar nicht Schuld ist.
Immerhin hat der Atom-Deal zwischen den Vereinigten Staaten und Indien eine neue weltweite Kräftekonstellation angedeutet. Wenn die USA und Indien sich eng verbünden, ist damit der Versuch der Isolierung Chinas verbunden, das sich nach Partnern wird umsehen müssen. Es stehen bewegte Zeiten vor uns. Selbst ein Welt-Atomkrieg in absehbarer Zeit ist nicht mehr ausgeschlossen.
Dieser Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht in der "Berliner Umschau" vom 7. März 2006. Hier wird eine aktualisierte Version vorgestellt.
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