Hochmut kommt vor dem Fall

Höchste Arroganz: Die "Qualitätszeitungen"

Von Karl Weiss

In einem Rundschlagartikel der höchsten Arroganz hat die „Süddeutsche“ zum Gegenschlag gegen das Internet ausgeholt, das – wie sie sehr wohl bemerkt hat – die Mainstream-Medien wie die „Süddeutsche“ scharf kritisiert. Doch der Artikel verwendet kaum Argumente – und wo er sie verwendet, belegt er sie nicht. Er wirft mit Allgemeinplätzen um sich („Qualität“, „Amateure“), ohne sie mit Inhalten zu füllen.

Die bürgerlichen Massenmedien, üblicherweise „Mainstream-Medien“ genannt, kommen in den Kommentaren und Blogs des Internet nicht immer gut weg – und das hat gute Gründe. In einem Artikel der „Süddeutschen“ heißt es, im Internet gelte der Mainstream als „korrumpiert, hierarchisch, hirngewaschen, langsam und überaltert“.

Die "Süddeutsche" hat einen gewissen Bernd Graff damit beauftragt, mit den „idiotae“ und „Narren im Netz“ im Internet fertig zu werden in einem Artikel vom 8. Dezember 2007 unter der Überschrift „Die neuen Idiotae“, was ja offenbar nicht schwer ist, denn es handelt sich ja, wie er ohne alle Angst vor Verleumdungsklagen erklärt, um Idioten, die im Internet schreiben.

Interessant, dass er genau dies den Schreibern im Internet vorwirft. Dort findet man, so konstatiert er, „ein Panoptikum an Rufschädigungen, Beleidigungen, Verleumdungen und übler Nachrede“. Interessant, Herr Graff – und wie ist es mit den „idiotae“, den „Idioten“, als die Sie alle Schreiber im Internet bezeichnen (ich weiss, Sie haben nicht ausdrücklich "alle" gesagt, aber nicht eine Ausnahme erwähnt, also sind es alle), auch wenn Sie es auf lateinisch machen, damit es ein wenig gelehrt aussieht?

Da es ja so leicht ist, hat er sich auch nicht die Mühe gemacht, viel an Argumenten aufzubringen bzw. seine Argumente zu belegen. Er bringt es fertig, in seinem Artikel auf fünf (Internet-)Seiten insgesamt drei Argumente zu bringen, die halbwegs einen Versuch aufweisen, belegt zu werden. Als erstes greift er die Internet-Foren auf. Er schriebt, dort gebe es einen „Debattierklub von Anonymen, Ahnungslosen und Denunzianten“. Nur? Er vermeidet das Wort ‚nur’, das ist dem Professionalismus seiner Journalistenausbildung zu verdanken, aber da er niemand anderen erwähnt, ist es eben das! Wie ist es nun mit den „Rufschädigungen, Beleidigungen, Verleumdungen und übler Nachrede“, die Ihnen am Internet so aufgefallen sind, Herr Graff? Wenn Sie die betreiben, dann ist es „Qualität“?

Er beschriebt, was wir alle kennen, jene „Trolle“in den Foren, die einen tatsächlich ziemlich ärgern können. „Querulanten und Leute mit seltsamen Präferenzen. Freizeitaktivisten mit ein bisschen Schaum vor dem Mund.“ Er erwähnt aber mit keinem Wort, diese machen kaum 10% der Diskutanten in den Foren aus, in vielen Foren nicht einmal 1%.

Wenn man gezielt den wesentlichen Teil einer Information weglässt, um zu einem falschen Schluss zu kommen, so nennt man das Lügen mit Halbwahrheiten. Genau das macht er. Das ist dann wohl ein Beispiel der überlegenen Qualität der Massenmedien wie der „Süddeutschen“?

Und zu welchem Schluss kommt er? Die Foren seien ein „Absurditätenstadl“. Nur hat er das nicht belegt. Das wäre nämlich nur der Fall, wenn die Trolle die Foren ausmachen würden, was sie aber nicht tun. Damit hat er uns ein profundes Beispiel von „Qualitätjournalismus“ geboten.

Als zweites nimmt er Wikipedia auseinander – glaubt er jedenfalls. Er bezieht sich auf einen der Mitbegründer (von Hunderten) von Wikipedia, der dem Stress, eine Enzyklopädie zu redigieren, nicht mehr gewachsen war und nun mit den (unbestreitbaren) Fehlern in Wikipedia hausieren geht. Er will sogar einen Wissenschaftler kennen, der ausdrücklich davon abrät, Wikipedia zu benutzen, weil man dann im Examen eventuell Falsches zur Hand hat.

Nun, er hat auch hier wieder eine Halbwahrheit verbreitet (nämlich dass Wikipedia Fehler enthält), um zu einem falschen Schluss kommen zu können. Die andere Seite der Medaille hat er nämlich „vergessen“ zu erwähnen, nämlich die Tatsache, dass alle Enzyklopädien Fehler enthalten. Alle vergleichenden Untersuchungen von anderen Enzyklopädien mit Wikipedia haben klar ergeben, die Fehlerquote ist im wesentlich etwa gleich hoch. Ber der letzten Untersuchung, die speziell den deutschen Brockhaus und die deutsche Version von Wikipedia vergleicht, kam die Internet-Enzyklopädie sogar deutlich besser weg.

Die Gründe sind ziemlich einfach. Die Qualität einer Enzyklopädie hängt im wesentlichen von der Auswahl der Autoren ab. Ein Brockhaus zum Beispiel ist aber ein Unternehmen, dass Profit abwerfen muss und kann daher nur wenige Redakteure beschäftigen, die mögliche Autoren ausfindig machen und dann festlegen, welcher Autor ein bestimmtes Sprichwort schreibt oder ob eine Mischung von Texten von Autoren verwendet wird.

Wikipedia hat den Vorteil: Für viele Themen melden sich eine Menge Autoren, die dann um die beste Version eines Textes ringen, obwohl man keinerlei Entgelt für diese Tätigkeit bekommt. Andererseits haben die traditionellen Enzyklopädien schon viele, viele Jahre Erfahrung und damit einen anderen Vorteil. Beide kommen am Ende in ungefähr auf ein Unentschieden hinaus.

Das ist allerdings nicht die Diagnose von Herrn Graff, dem „Qualitätsjournalisten“. Er war vielmehr auf der Basis jener Halbwahrheit zum Schluss gekommen, Wikipedia könne keine Qualität bieten, weil sie umsonst sei. Was umsonst ist, kann keine Qualität haben. Das ist allerdings ein alter Leitsatz der Kapitalisten, womit sie begründen, dass sie nie etwas umsonst hergeben. Nun – wir wissen inzwischen, nicht nur der Kapitalismus ist überholt, auch jener Leitsatz. Wikipedia ist der beste Beweis.

Als drittes – und nun kommen wir natürlich dem Schreiber dieser Zeilen näher -, wird die Bloggospäre ins Visier genommen. Hier macht er sich nicht einmal die Mühe, noch auf irgendein konkretes Beispiel einzugehen. Die Blogger sind vorverurteilt. Sie sind „Menschen, die lediglich neue technische Möglichkeiten nutzen, etwa um ihre Poesie-Alben zu veröffentlichen oder um ihrer Trauer über kaputte Computer Ausdruck zu verleihen“, sie bewiesen „sich in einem Blog selbst, dass er ja bloggt, also irgendwie noch lebt“.

Das ist immerhin schon etwas anmassend, zu sagen, die Blogger würden bestenfalls noch „irgendwie“ leben – aber das passt natürlich zum ganzen Artikel. Dass er auch nur irgendwelche Beispiel bringt oder Argumente oder sonst belegt, was er hier generell über die Blogger sagt, hat er natürlich nicht nötig, er ist ja ein „Qualtätsjournalist“. Nein, er geht gleich noch einen Schritt weiter und sagt über die Schreiber im Netz, sie wollten „eine Rolle in der allgemeinen Informationsbildung übernehmen, ... weil sie sonst keine Beschäftigung haben“.

Auch hier ein Schlag unter die Gürtellinie. Blogger, das sind die faulen Arbeitslosen, die sich zudem noch Hartz IV erschleichen, nicht wahr? So kommt er denn nun endlich auch zur Sache, als er über „user generated content“ lästert, „der der nicht selten ein "Loser Generated Content" ist“ (looser schreibt man übrigens mit zwei o, mein Herr „Qualitätsjournalist“).

Da sind wir denn auch schon beim Punkt, denn er kommt zu den generellen Schlussfolgerungen. Den Schreibern im Internet, den Idioten also, den „loosern“, den Leuten, die sich irgendwie beweisen müssen, dass sie „irgendwie“ noch leben, können selbstverständlich nicht die „Meinungsführerschaft beanspruchen“. Das steht nur den bürgerlichen Massenmedien zu, so wie sie der Herr Graff repräsentiert, denn im Netz ist „Fehlinformation, Denunziation und Selbstdarstellung das Tagesgeschäft der Laufkundschaft“.

An unbegründeten Pauschalurteilen fehlt es nun wirklich nicht im Artikel des „Qualitätsjournalisten“. Würde man ihm mit einer solchen Ansammlung an Vorurteilen und hochmütigen Abqualifizierungen in einem Internet-Forum begegnen, man hätte den klassischen Fall eines Trolls vor sich und die Gemeinschaft der Foren-User würde ihn schnell brandmarken.

„Ahnnungslose und Denunzianten“, „Häme, Verächtlichmachung, Hohn und Spott“, das alles, was er im Internet findet, fällt mit diesem Artikel auf ihn selbst zurück.

Da wird es dann am Ende schon echt peinlich, dass er nun darauf bestht, seinesgleichen, die echten Journalisten in den bürgerlichen Massenmedien, würden eben „Qualität“ liefern, während das Internet ein „Kult der Amateure“ ist.

Ja, er ist so verliebt in den Begriff „Qualität“, weil er ihn ja nicht mit Inhalt füllt, dass er sich zum Ausruf versteigt: „nein, ihr Lieben, [der Qualitätsgegensatz] besteht!“

Ja, er besteht, so wie im Artikel von Herrn Graff, nur liegt die Qualität hier beim Internet und die „Idiotie“ beim Mainstream!

Ja, er geht sogar so weit, die Demokratie für den Bereich der Information ausdrücklich für unbrauchbar zu erklären: „Was aber wiegt dann mehr? Dass das immer elitäre Denken der Mainstream-Medien im Zweifel undemokratisch ist? Oder, dass daraus Qualität entsteht?“ Nur ist der Gegensatz zu Demokratie Diktatur, nicht Qualität – und so verwundert uns denn auch die mangelnde Qualität seines Artikels gar nicht mehr. Wer unumschränkter Herrscher ist (Diktatur), braucht keine Qualität, er erklärt sich selbst einfach zur Qualität.

Aber nehmen wir doch nicht nur den Artikel von Herrn Graff, der ist ja nun wirklich grottenschlecht, was man nicht über alle Artikel der „Süddeutschen“ sagen kann. Lassen wir ebenfalls die Beispiele der Bild, der britischen „Sun“, des „Spiegel“ oder der Wiener „Kronenzeitung“ zur Seite, wo uns Herr Graff ja nun wirklich mal die Qualität hätte zeigen müssen, nein, nehmen wir ein typisches Beispiel aus jüngster Zeit zu einem vielbeachteten Thema und die „Süddeutsche“ selbst.

Vor einigen Wochen liess die Polizei in Deutschland eine Zelle von (vermutlichen) Terroristen auffliegen. Einige Personen wurden im Sauerland festgenommen. Die Süddeutsche berichtete, indem sie die Behauptungen der Innenminister, der Bundesanwaltschaft und des BKA wiederholte, ohne auch nur in einem einzigen Punkt nachzufragen, ohne die geringste Sachkenntnis zu haben noch sich Informationen bei Experten einzuholen. Angeblich hätten die vermutlichen Terroristen mit Wasserstoffperoxid einen höchst gefährlichen Sprengstoff herstellen wollen und seien kurz vor der Ausführung von Attentaten gestanden. So sagte es der BKA-Präsident und so stand es in der Süddeutsche, nicht als Zitat, sondern als Tatsache. Man wollte die bundesdeutsche Bürgerschaft auf das Streichen bürgerlicher Grundrechte einstimmen.

Es blieb dem Internet vorbehalten (in diesem Fall dem Artikel des Berichterstatters im Internet), klarzustellen, dass man mit Wasserstoffperoxid (mit oder ohne andere Komponenten) keinesfalls einen funktionierenden und handhabbaren Sprengstoff herstellen kann. Die „Sauerland-Terroristen“ konnten also keineswegs Attentate durchführen.

Wo lag also nun „Qualität“und wo lag „Amateurismus“?


Veröffentlicht am 10. Dezember 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel


Erratum

Wie um mich zu widerlegen und dem kritisierten Journalisten doch Recht zu geben, habe ich mich mit meinem schwachen English blamiert und behauptet, loser schreibe sich mit zwei o.

Danke für den Hinweis!

Er hatte aber Recht, es schreibt sich mit einem o. Welche Schmach! Ich verspreche, mich im kommenden Jahr für einen English-Kurs einzuschreiben!

So, und jetzt wollen wir sehen, ob er auch ein Erratum über seine Fehler unter den Artikel stellt oder ob er sich nach bewährter Mainstream-Manier als göttlich unanfechtbar gebärdet und nicht mit normalen Sterblichen kommuniziert.

Karl Weiss
perfectcrime - 11. Dez, 11:26

Loser

schreibt man mit einem "o".

RageAgainstTheMachine - 11. Dez, 11:30

Schöner Artikel

Ihre Artikel lese ich immer sehr gerne, danke dafür.

Leider hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen:
"loser" schreibt man tatsächlich mit einem ´o´.

http://www.dict.cc/?s=loser
http://www.dict.cc/?s=looser

Gruß und weiter so!

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