Boca Juniors ist erneut Favorit

"Copa Libertadores", Südamerikas „Champions League“ hat begonnen

Von Karl Weiss

In Südamerika hat die Copa Libertadores begonnen, das Gegenstück zur Champions Leage. Der Turnus der südamerikanischen Vereinsmeisterschaften im Fußball (Copa Libertadores und Copa Sulamericána, das Gegenstück zur UEFA-Cup) wurde in extremer Weise dem Europas angepasst. Meister und Vizemeister jedes Landes (10 südamerikanische Länder sind im Verband) sind für die Libertadores qualifiziert – und zwar bereits für die Gruppenphase mit 32 Mannschaften.

Romario und Parreira beim Abschiedsspiel

Dazu kommen als Besonderheit die Pokalsieger der 10 südamerikanischen Länder plus die drei eingeladenen aus Mexiko, ebenfalls Meister, Vize und Pokalsieger. Von den beiden Ländern, die in den letzten Jahren fast alle Libertadores gewonnen haben, Argentinien und Brasilien, dürfen zusätzlich der dritte und vierte der Meisterschaft teilnehmen. Als letzter kommt noch der Vorjahressieger dazu und das ergibt 38 Teilnehmer

Zuerst kam die Qualifikationsphase, in der auf 32 Mannschaften reduziert wird. Es mussten in 6 Hin- und Rück-Spielen folgende zwölf antreten: Die Pokalsieger mit Ausnahme der von Brasilien und Argentinien, ergibt 9, dazu die beiden Vierten aus Brasilien und Argentinien, ergibt 11, plus eine ausgeloste Mannschaft von den Dritten aus Brasilien und Argentinien, das war diesmal die argentinische Mannschaft von Lanús.

Dieses Jahr sind in der Qualifikationsphase die Pokalsieger von Kolumbien, Uruguay, Bolivien, Venezuela, Paraguay und Ekuador ausgeschieden, das heißt, undezimiert gehen in die Gruppenphase 6 argentinische Vereine (weil der letztjährige Sieger Boca Juniors aus Argentinien war), 5 aus Brasilien sowie 3 aus Peru, Chile und Mexiko. Mit jeweils 2 Vereinen müssen sich zufrieden geben: Kolumbien, Paraguay, Ekuador, Uruguay, Bolivien und Venezuela

Die drei südamerikanischen Winzländer Französisch Guyana (das Teil Frankreichs ist), Guyana und Surinam sind nicht im Verband vertreten.

In der Gruppenphase kommen, wie in der Champions Leage, die ersten beiden der Gruppen weiter, womit 16 Vereine übrig sind, dann geht es in die Achtelfinale, Viertelfinale, Halbfinale und schliesslich Finale, wobei es hier kein einmaliges Finale an vorher bestimmtem Spielort gibt, sondern auch im Finale Hin- und Rückspiel gespielt wird.

Es gibt eine Besonderheit: Die 16 Vereine, die nach der Gruppenphase übrig sind, werden nach ihren Ergebnissen in der Gruppe in eine Tabelle eingeteilt, mit Punkten, Tordifferenz, Zahl der gewonnenen Spielen usw. Dann lässt man den Spitzenreiter (Nr.1) gegen den 16. antreten, den zweiten gegen den 15. usw.

Was Jahr für Jahr immer wieder zu Polemiken führt: Die Runden werden nicht gleichzeitig ausgetragen wie in der Champions Leage, sondern an unterschiedlichen Tagen, wobei Wünsche der Vereine nach Spielverlegungen berücksichtigt werden – oder auch nicht. Aus den anderen Länder wird seit Jahren moniert, dass dabei immer wieder argentinische und urugaianische Vereine bevorteiligt würden. Sie würden oft erst spielen, wenn sie schon wissen, wie sie spielen müssen, um bestimmten schweren Gegnern auszuweichen. Der südamerikanische Fussballverband hat seinen Sitz in Uruguai und ist praktisch völlig aus argentinischen und urugayanischen Funktionären gebildet. Die beiden Hauptstädte Buenos Aires und Montevideo sind nur eine einstündige Fahrt mit der Schnellfähre auseinander gelegen.

Die beiden Finalspiele sind für den 25. Juni und den 2. Juli vorgesehen.

Die Favoriten in diesem Jahr sind vor allem Vorjahressieger Boca Juniors, im Moment mit Sicherheit eine der besten Vereinsmannschaften der Welt, daneben die Meister von Brasilien São Paulo F.C. und von Mexiko, América.

In zweiter Reihe sind zu erwähnen die argentinischen Vereine River Plate und der Vorjahressieger der Copa Sulamericána Arsenal Sarandí. Von den brasilianischen Vereinen – ausser São Paulo – dürften die beiden Rio-Vereine Flamengo und Fluminense eine Chance haben, denn sie haben sich wesentlich verstärkt. Von Cruzeiro aus der Stadt Belo Horizonte, von wo dies geschrieben wird, und von Santos wäre es schon als Überraschung anzusehen, wenn sie ins Halbfinale kämen.

Aus Artikeln im Internet ist zu entnehmen, dass auch Colo Colo aus Chiles Hauptstadt Santiago diesmal einen guten Kader habe. Auch Chivas Gudalajara aus Mexiko muss unter die Favoriten der zweiten Reihe gerechnet werden.

Gelegentlich kann man in Europa am Kabelfernsehen einmal Spiele der Copa Libertadores sehen. Für Fußball-Liebhaber lohnt es sich, solche Spiele anzusehen.

Sie sind weit technischer und ereignisreicher (in der Regel) als die Champions-Leage-Begegnungen, die praktisch nur für die Fans der spielenden Vereine einen Erlebniswert haben, nicht für Liebhaber eines technischen und ereignisreichen Fussballs.

Das hängt damit zusammen, dass die besten Spieler der Welt in Europa in den Vereinen der Champions-Leage spielen und diese haben Lungenflügel und ein Herzkammer-Volumen, das es ihnen ermöglicht, mehr als 14 km in einem Spiel zu laufen.

Damit ist die „Taktik“ von Spitzenspielen in Europa reduziert auf: Greift jeden Spieler der gegnerischen Mannschaft sofort an, wenn er den Ball hat, und auch so schnell wie möglich mit einem zweiten Mann. Dadurch kann auch der beste Spieler fast keine Spielzüge mehr zustande bringen. Er hat höchstens Zehntelsekunden, bis er angegriffen wird und höchstens 2 Sekunden, bis er von zwei Mann angegriffen wird. Dann kann er nur noch versuchen zu verhindern, dass seine Mannschaft den Ball verliert.

Das ganze Spiel wird mit solchen Fussballmaschinen zu einem ständigen Hin und Her im Mittelfeld mit ganz seltenen Vorstössen. Seedorf, Cannavarro und Cafu dürften drei der grössten Lungenvolumen aller lebenden Menschen haben. Tore fallen, wenn überhaupt, fast nur noch aus Standardsituationen und aus Kopfbällen. Sehen Sie sich einmal in aller Ruhe das Endspiel der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland auf einem Video an. Dann wissen Sie, wo der heutige Spitzenfussball gelandet ist.

In Südamerika spielen dagegen (mit Ausnahmen) noch normale Menschen, deren Herzkammervolumen nicht das doppelte von der Norm darstellt und daher kann fast keine Mannschaft hier dieses konsequente „Zwei-Mann-Pressing“ ein ganzes Spiel lang durchhalten.

Sobald technisch gute Spieler aber einige Momente Zeit haben, wenn sie am Ball sind, kann man Spielaufbau, überlegte Vorstösse, geniale Steilvorlagen, Torschüsse und alles weitere sehen, was den Fußball früher (und heute noch im Amateurfussball) so attraktiv gemacht hat.

Grupo 1:

Cruzeiro (BRA)

Caracas (VEN)

San Lorenzo (ARG)

Real Potosí (BOL)



Grupo 2:

Estudiantes (ARG)

Deportivo Cuenca (EQA)

Danubio (URU)

Lanús (ARG)



Grupo 3:

Boca Juniors (ARG)

Colo Colo (CHI)

Unión Maracaibo (VEN)

Atlas (MEX)


Grupo 4:

Flamengo (BRA)

Coronel Bolognesi (PER)

Nacional (URU)

Cienciano (PER)



Grupo 5:

Universidad San Martin (PER)

River Plate (ARG)

Universidad Católica (CHI)

América (MEX)



Grupo 6:

Santos (BRA)

Cucuta Deportivo (COL)

San José (BOL)

Chivas Guadalajara(MEX)



Grupo 7:

São Paulo (BRA)

Sportivo Luqueño (PAR)

Atlético Nacional (COL)

Audax Italiano (CHI)



Grupo 8:

Fluminense (BRA)

Libertad (PAR)

LDU (EQA)

Arsenal Sarandí (ARG)


Veröffentlicht am 25. Februar 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

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