Christliche Politik ist einfallsreich und klever
Von Karl Weiss
Na ist es denn nicht schön? Die CDU/CSU, das sind wirklich christliche Parteien, nicht wahr? Das erfreut das Herz. Und vor allem – sie haben nichts mit Ausländerfeindlichkeit am Hut – nein, wirklich nicht – das wäre ja auch unchristlich. Da ist nur immer diese kleine Diskrepanz: Jedes Mal, wenn einer unserer allerchristlichsten Politiker die allgemein bekannte Tatsache heraus trompetet, dass Ausländer mehr Straftaten in der Bundesrepublik begehen als Deutsche, dann kommt da so ein kleinkarierter Schnösel von der Gegenseite (die Nicht-Christen!) und legt die statistischen Zahlen vor, die belegen, dass bei der Gesamtheit der Straftaten wie auch bei den meisten einzelnen Straftaten die Ausländer weniger beteiligt sind als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht.
Eines der Opfer der ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Müggeln
Lediglich bei den typischen Straftaten organisierter krimineller Banden ist der Ausländeranteil leicht über dem an der Bevölkerung. Und das hat auch seine klaren Gründe: In Deutschland wird Bandenkriminalität nicht mehr systematisch verfolgt, sondern nur anhand von Einzelstraftaten, was deren Geschäft bedeutend erleichtert. Deshalb kommen Russen, Italiener und andere Mafia-Gruppen reihenweise nach Deutschland und erfreuen sich einer praktischen Nicht-Verfolgung.
Dass die christlichen Politiker diese Meinung vertreten, hat natürlich nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, nein, weit gefehlt, das ist, weil wirkliche Christen eben gegen Straftaten sind und dann muss man natürlich die der Ausländer zuerst verfolgen, oder etwa nicht?
Nun haben aber die christlichen Politiker entdeckt, wie man die blöden Statistiken austrickst. Ja, die sind nicht nur christlich, sondern auch klever! Zwei der christlichen Politiker, einer von der sozialen mit Namen Ramsauer und der andere von der demokratischen Seite mit Namen Petke, haben DEN Vorschlag des Neuen Jahres gemacht: In Zukunft sollen bei allen Straftaten die Vorfahren der Täter untersucht werden und in der Statistik herausgestellt, wenn irgendeiner dieser Vorfahren aus einem anderen Land kam. So wird man dann schon deutlich machen, was ja das Gefühl schon sagt. Ein guter christlicher Deutscher stiehlt und mordet nicht! Die Ausländer und ihre Nachfolgegenerationen dagegen, das sind ja alles Muslims, wie man weiss, die haben doch die Verbrechen im Blut!
„Nein, nein, wir christlichen Politiker haben nichts gegen Ausländer, aber was wahr ist, muss wahr bleiben.“
Opfer der ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Müggeln
Allerdings kommen da natürlich ein paar kleine Detailprobleme, aber dafür wird man schon eine Lösung finden. Das erste Problem ist, wie viele Generationen zurück man die Reinheit des deutschen Blutes verfolgen will. Am idealsten wäre es, wenn man alle bis zur Völkerwanderung zurückverfolgen würde. Dann würde sich klar herausstellen, in Deutschland wohnen mehr Ausländer als Inländer und dann könnte man endlich klar sehen: Es sind mehr Ausländerstraftaten als die von wirklichen reinrassigen Deutschen.
Nur: das funktioniert nicht, weil fast alle Familien- und Stammbücher im Dreissigjährigen Krieg verloren gegangen sind und man daher davor kaum noch was erforschen kann. Und sagen Sie nun bloß nicht, der Dreissigjährige Krieg sei ein Krieg von zwei christlichen Fraktionen gewesen. Der hatte überhaupt nichts mit dem Christentum zu tun, hören Sie?
Also wäre es angebracht, die Stammbäume zumindest bis zum Ende jenes Krieges, also 1648, zurückzuverfolgen. Dafür wären zwar in den Polizeirevieren insgesamt etwa 800 000 Personen einzustellen, die jene Arbeit der Ahnenforschung der Kriminellen übernehmen, aber damit hätten wir dann doch gleich das Konjunkturprogramm und brauchen uns überhaupt nicht mehr zu streiten. Es würde zig Milliarden kosten und würde eine Menge Arbeitslose von der Straße holen und gleich in die Volkswirtschaft fließen, das ist doch ideal!
Oder wir machen es noch einfacher und verlangen von jedem, der wegen eines Vergehens oder Verbrechens verurteilt wurde, seinen Stammbaum bis 1648 unaufgefordert abzugeben. Wenn er das nicht tut, ist er Ausländer! Dann wird sich klar herausstellen, die Straftaten werden überwiegend von Ausländern begangen!
„Nein, wir christlichen Politiker haben natürlich nichts gegen Ausländer, aber was wahr ist, muss wahr bleiben!“
Außerdem hat das noch einen anderen wunderbaren Vorteil: Alle jene Hugenotten aus Frankreich, die damals nach Deutschland strömten, würden dann auch gleich als das erscheinen, was sie sind: Ausländer. Alle jenen DeMaizieres und Lafontaines – ganz speziell natürlich die Lafontaines! Wussten wir nicht die ganze Zeit, dass dieser Lafontaine eine obskure Gestalt ist, na sehen Sie!
Und sagen sie jetzt nicht, die Hugenotten seien Christen gewesen, die von anderen Christen vertrieben wurden und in Deutschland Aufnahme fanden, die Hugenottenfrage hat nichts mit dem Christentum zu tun!
Und dann gibt es natürlich noch die Polaken, die im 19.Jahrhundert zu Tausenden ins Ruhrgebiet strömten. Da ist heute fast jeder zweite Nachname auf –ski oder –sky! Na da wird man doch wohl mal insistieren dürfen, das sind doch keine Deutschen! Außerdem wählen die -skys meistens Sozen.
Und kommen Sie mir nicht mit Podolski und Klose, deren Tore wir in der Nationalmannschaft bräuchten, Ausländer ist Ausländer! Überhaupt Klose, was ist das für ein Name, ist doch kein ehrlicher polnischer, oder?
Natürlich kann man die Sache auch vereinfachen und einfach bis zu den Grosseltern gehen: Wer auch nur einen von vier Grosseltern als Ausländer hat, ist Ausländer! Da haben wir allerdings das Problem, dass da die Nicht-Christen kommen werden und sagen, die Nazis hätten so definiert, wer Jude war: Wer auch nur einen Großelternteil als Jude hatte, war Jude. Aber wo kämen wir denn da hin, wenn wir uns mit den Nazis vergleichen ließen? Ha, wäre doch gelacht. Auf die hetzen wir Henryk Broder und der erklärt, das seien Antisemiten – jawoll, so wird das gemacht!
Aber das mit den Grosseltern hat auch so seine schwache Seite: Die Unterschiede zur jetzigen Statistik werden gering sein und dann haben wir wieder nicht, was wir wollen.
Also bleiben wir doch beim Stammbaum bis zum dreissigjährigen Krieg, das hat doch zu gut gefallen, nicht zuletzt wegen Lafontaine!
Veröffentlicht am 5. Januar 2009 in der Berliner Umschau
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