Die Putschisten in Honduras

Die Zeiten leichter Putsche in Lateinamerika sind vorbei

Von Karl Weiss

Dank der Übersetzung ins Englische durch Kristin Bricker, die in Mexiko lebt, haben wir Zugang zu einem Artikel erhalten, der in der Zeitung „El Libertador“, der wesentlichen nicht von den Herrschenden in Honduras kontrollierten, am 20. Juli 2009 erschienen ist. Er ist überschrieben: „Dies sind die Putsch-Anführer, über sie wird gerichtet werden!“ und enthält die Fotos und Namen von 48 Männern und Frauen, die als die Anführer des Putsches in Honduras vom 28. Juni 2009 identifiziert sind.

Honduras Strassenschlacht nach Putsch

Wie aus dem Artikel hervorgeht, handelt es sich um in Honduras wohlbekannte Personen, alle aus der herrschenden Clique, die sich aus Grossgrundbesitzern, Industriellen (auch einem katholischen Kardinal) und deren Familen zusammensetzt (so wie auch in allen anderen Ländern Lateinamerikas). General Rómeo Vasquez ist als Anführer namhaft gemacht.

Im einzelnen seien folgende Sektoren dort vertreten: Nationale und internationele Bankiers, Mogule der Textil- und chemischen Industrie, Geschäftsleute aus dem Agrarbereich [Grossgrundbesitzer], Fernseh-Fürsten und „Technokraten“ [ein in Südamerika gebrauchtes Wort für Fachleute, die mit zur herrschenden Oligarchie gehören].

Chávez und Lula

In dem Artikel werden sie wie folgt charakterisiert: „Heutzutage werden sie als die Geschäftsleute der extremen Rechten angesehen, auch wenn sie in Wirklichkeit weniger ideologisch sind als korrupte Geschäftsleute, die reich geworden sind, weil sie bestimmen können, was im Land geschieht oder nicht. Sie sind die ewigen Gangster, die von „finanziellen Unterstützungen“ [des Staates] leben, sie sind es, die jene Konzessionen erhalten [zum Betreiben von Fernsehsendern und Spielcasinos, zur Ausbeutung von Mineralien oder Erdöl] und denen in der Grössenordnung von Millionen von Dollar Schulden vom Staat erlassen werden. Sie finanzieren und kontrollieren die [traditionellen] politischen Parteien und benutzen ihren Einfluss, um den National-Kongress [Parlament] und die Justiz zu beherrschen. Kurz gesagt, sie haben das Land in der Hand und erlauben keinem anderen Geschäftsmann, eine florierende Firma aufzubauen und sie drängen die Volksmassen ins Elend, denn für sie ist es völlig natürlich, dass diese unwissend und hungrig bleiben. Diese Unwissenden werden von ihnen über die Korporationen ihrer Medien manipuliert, so wie sie es nun mit diesem Putsch tun.“

Evo Morales

Der Artikel berichtet, diese Herrschenden von Honduras hätten die bereits früher als faschistisch bekannte Organisation APROH neu gegründet, die bereits in den Achtziger Jahren mit Ermordungen Opositioneller, von Gewerkschaftern und jedem, der ihnen im Weg war, bekannt geworden war. Die 48 Namen sind offenbar einer Liste der Mitglieder entnommen.

Dieses Schema, fast im gleichen Wortlaut, könnte man für jedes Land Lateinamerikas so beschreiben. Was noch nicht dazu gesagt ist: Diese Rechtsaussen-Herrschende-Oligarchie ist in all diesen Ländern engstens mit den USA verbunden, ja, man kann sagen, sie sind alle Oligarchien von US-Gnaden. Sie haben fast immer einen zweiten Wohnsitz in den USA, oft in Florida, bevorzugt aber in NewYork City. Der ehemalige Präsident Cardoso von Brasilien (1994 – 2002) lebt zum Beispiel 10 von 12 Monaten des Jahres in seinem Loft an der Fifth Street in New York.

Bolivien: Brandschatzung einer staatlichen Organisation
Hier seien noch einmal Bilder vom Putschversuch im September 2008 gegen den gewählten Präsidenten Morales in Bolivien in den Artikel gestellt.

Das ist das Schema, wie die USA ein neokololialistisches System über Lateinamerika errichtet haben. Sie halten sich in jedem Land eine ergebene Dienerschaft an der Macht und lassen diese zum Ausgleich unermesslich reich werden. Wenn Ihnen die Politik nicht mehr gefällt, lassen sie einen Militärputsch stattfinden. Alle Militäreinheiten aus Lateinamerika haben spezielle Verbindungsleute zum US-Militär, die an der weltweit bekannten Folterschule „Schule der Amerikas“ im Fort Bennett in den USA ausgebildet wurden.

Doch in etwa seit der Jahrtausendwende hat sich in Lateinamerika eine revolutionäre Unrast ausgebreitet – und zwar ausgehend von den ärmsten Ländern bzw. jenen, die besonders stark verarmten. Der erste grössere Ausbruch war im Jahr 2001 der „Argentinazzo“, ein Volksaufstand, der unmittelbar aus dem Zusammenbruch der Währung, dann auch des Finanzsystems und schliesslich des Staates einschliesslich der Regierung kurz vor Weihnachten hervorging.

Bolivien: Laden eines Verwandten von Morales gebrandschatzt

Seitdem geht es in Lateinamerika hoch her. Die Völker sind nicht mehr ganz so unwissend, wie das der oben genannte Artikel beschreibt. Überall bildet sich Aktivistengruppen und es kommt auch zu spontanen Ausbrüchen von Rebellion. Einige beginnen Marx und Engels zu lesen und wundern sich, wie die beiden Gesellschaften beschreiben (die Europäischen des 19. Jahrhunderts), die so vergleichbar sind mit den heutigen Lateinamerikas.

Seit der Jahrtausendwende haben sich in Lateinamerika mit Venezuela, Bolivien, Equador, Nicaragua und Honduras (vor dem Putsch) 5 „linke“ Regierungen installiert (nachdem ja Kuba schon lange als „links“ angesehen wird), ohne dass diese unmittelbar (so wie vorher) von Rechts-Putschen, inspiriert aus den Vereinigten Staaten, hinweggefegt werden konnten. In einer Anzahl anderer Staaten wurden die traditionellen Machtparteien durch Sozialdemokraten von der Macht verdrängt („Sozialdemokraten“ bezieht sich auf die Politik, nicht die Bezeichnung): Brasilien, Agentinien, Uruguay, Paraguay und Chile. Damit ist heute bereits die Mehrheit der Lateinamerikaner nicht mehr unter dem üblichen Machtkartell der „ewigen“ Regierungsparteien. Auch in Mexiko, dem zweitgrössten lateinamerikanischen Land nach Brasilien, konnte nur durch massive Wahlfälschung noch einmal ein Sozialdemokrat verhindert werden und erneut ein US-höriger Präsident an die Macht kommen. In Südamerika gibt es (wenn man einmal von den Winz-Ländern Französisch-Guyana, Guyana und Surinam absieht) nur noch zwei Länder, in denen noch die traditionellen Macht-Parteien (und damit uneingeschränkt die traditionellen Oligarchien) am Ruder sind: Peru und Kolumbien.

Bolivien: Mitglieder von Rechts-Milizen

Das hat sich auch in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ausgewirkt, wo der Generalsekretär bereits gegen den Willen der USA bestimmt und Kuba wieder aufgenommen wurde.

Der Putsch in Honduras trifft also auf geänderte Umstände. Die Vorstellung der Putschisten, nach ein paar Lippenbekenntnissen zur Demokratie würden alle zur Tagesordnung übergehen und das neue Regime anerkennen, ist nicht aufgegangen. Auch wenn die Ablehnung des Putsches aus den USA wirklich reines Lippenbekenntnis blieb (bis jetzt ist noch nicht einmal die „Militärhilfe“ aus den USA eingestellt worden), so zögern doch fast alle Staaten aufgrund der sehr bestimmten Haltung der lateinamerikanischen Staaten und Organisationen in diesem Moment noch, das Putsch-Regime anzuerkennen.

Bolivien: Leichen von erschossenen Kleinbauern

Nach Informationen jenes Artikels haben in Honduras bereits die Ermordungen von Putsch-Gegnern begonnen. Die Leichen verschwinden – wie immer bei den berühnmten lateinamerikanischen Todesschwadronen. Gleichzeitig haben jetzt alle Gewerkschaften des Landes zum Generalstreik aufgerufen.


Veröffentlicht am 24. Juli 2009 in der Berliner Umschau

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