Was ist ‘CALA BOCA GALVÃO’?

Ein Internet-Ereignis

Von Karl Weiss

Halb Brasilien biegt sich vor Lachen, aber es hat diesmal nicht mit den Fußballweltmeisterschaften zu tun. Die brasilianische Twitter-Seite „CALA BOCA GALVÃO” ist zum internationalen Hit geworden.

Diese Twitter-Seite wurde in Brasilien bei einem Sportereignis so oft angeklickt, dass sie in den internationalen Twitter-Rankings aufschien. Dies wiederum führte dazu, dass in den verschiedensten Ländern, auch in Deutschland, gefragt wurde: „Was ist CALA BOCA GALVÃO“?

Wer in Brasilien lebt, weiß sofort, was mit diesem Titel gemeint ist (Auflösung am Ende des Artikels).

Das führte dann dazu, dass ein paar brasilianische Spaßvögel Videos auf Englisch entwickelten, die alle möglichen Erklärungen für dieses scheinbar so schwierig zu lösendes Rätsel aufboten.

Eine Site entwickelte die Theorie, dies sei ein neuer Song von Lady Gaga.

Die größten Lachsalven ruft aber eine Seite auf Englisch in „You Tube“ hervor, die man unter eben jenem Spruch oder auch unter „Help us save the Galvão Bird“ finden kann.

In diesem Video wird nun behauptet, es gäbe einen Galvão Vogel, der vom Aussterben bedroht sei.
Gezeigt wird aber der kleine grüne Papagei, ein Vogel, der in Brasilien extrem häufig ist. Schwärme von diesem Papagei machen mit ihrem Krächzen einen Heidenkrach und haben schon so manchen hier aus einem wohlverdienten Schlaf geweckt. Selbst hier im Gebiet der Großstadt Belo Horizonte, kommen kleinere Schwärme vor. Der Vogel ist also alles andere als vom Aussterben bedroht.

Dann wird ein Bild von einem Umzug einer Sambaschule im Karneval gezeigt, auf dem die Kostümierten eine Kopfbedeckung mit grünen Federn tragen und behauptet, dieser Gebrauch seiner Federn sei der Grund für das vermeintliche Aussterben des Vogels. Alle in Brasilien wissen natürlich, dass diese Federn gefärbte Straußenfedern sind.

Dann werden Szenen von Drogenhändlern gezeigt und behauptet, die würden zu hohen Preisen die Federn des Galvão Vogels handeln. Schließlich muss auch noch der Film über einen bekannten brasilianischen Spiritisten herhalten, in dem der Schauspieler als Wissenschaftler vorgestellt wird, der angeblich zur Unterstützung der Anstrengungen aufruft, den Galvão-Vogel zu retten. Der wissenschaftliche Name des Vogels sei angeblich ‚Silentium Galvanensis’, was den aufmerksamen Beobachter eigentlich schon stutzig machen müsste.

Schließlich wird dazu aufgerufen, auf die Twitter-Seite von CALA BOCA GALVÃO zu klicken. Jeder Klick würde eine Spende von 10 Centavos für die Rettung des Vogels auslösen.

Tatsächlich kamen so auch eine Menge internationaler Klicks auf diese Seite zustande.

Zugrunde liegt diesem Zwitscher-Ereignis, dass die brasilianische eine der ganz großen Twitter-Gemeinden ist, die nicht das Englische benutzen (immerhin sind es jetzt beinahe 200 Millionen Brasilianer).

Dazu kommt, dass CALA BOCA GALVÃO für jeden außerhalb Brasiliens ein scheinbar unauflösliches Rätsel darstellt. Auch wer spanisch spricht (oder die Portugiesen) und weiß, dass CALA BOCA „Halt den Mund“ oder besser „Halts Maul“ heißt, eröffnet sich nicht, was gemeint ist.

Und nun die Auflösung: Galvão ist der Vorname des brasilianischen Sportreporters Galvão Bueno. Der spricht und kommentiert im fast Monopol-Sender Globo fast alle Sportereignisse, und das seit über 20 Jahren. Bei fast jeder Sportübertragung im Fernsehen muss man sich seine Stimme anhören. Er kann keinen Moment seinen Mund halten und seine Kommentare sind meistens seicht und manchmal auch blöde oder unsinnig, so dass der einigermaßen gebildete Teil der Leute in Brasilien (und das sind ja meistens die mit Internet-Zugang) ihn einfach nicht mehr hören kann. Der Vorname Galvão ist so selten, dass man hier sofort weiß, wer gemeint ist, wenn man den Aufschrei der gequälten Seelen CALA BOCA GALVÃO hört. So kam die Twitter-Seite „Halts Maul, Galvão“ zustande, die dann so viel Unterstützung bekam.


Veröffentlicht am 16. Juni 2010 in der Berliner Umschau. Dort steht auch das beschriebene 'You tube'-Video im Artikel. Link hier rechts


Zusatz zum Artikel (17.6.2010)

Falls jemand das für eine grobe Übertreibung oder einen Scherz hielt, so sehe er sich diesen Artikel der New York Times von gestern an:

http://www.nytimes.com/2010/06/16/nyregion/16about.html?src=mv

Es handelt sich tatsächlich um ein nie vorher gesehenes Phänomen.

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