Brasilien

Samstag, 30. September 2006

'Ich habe kein Leben'

Diesen Artikel gibt es jetzt in aktualisierter Form hier im Blog, hier:
http://karlweiss.twoday.net/stories/5222133/

Montag, 25. September 2006

Brasilien: Die Mordliste wird immer länger

Aktivistin für die Rechte der Landarbeiter ermordet

Von Elmar Getto

In diesem Artikel aus Anlaß der Ermordung von Frau Stang rechnet Elmar Getto wütend mit der brasilianischen Oligarchie ab. Der Artikel ist aus "Rbi-Aktuell" vom 17. Februar 2005.

Da war Chico Mendez, der einzige Fall, der außerhalb Brasiliens Aufsehen erregte, und davor und danach viele, viele Andere. Die brasilianischen Großgrundbesitzer waten in Strömen von Blut der von ihnen und in ihrem Auftrag Ermordeten. Der letzte Fall ist der einer brasilianischen 73-jährigen Nonne US-amerikanischer Herkunft, Dorothy Stang, die am 15. Februar 05 begraben wurde. Während dieser Artikel geschrieben wurde, kam bereits die nächste Mord-Meldung: Der Verfechter der Bauernrechte Soares da Costa Filho wurde am Dienstag – ebenfalls im Bundestaat Pará – ermordet aufgefunden.

Dorothy-Stang

Der gesamte Norden, Nordosten und Zentraler Westen Brasiliens, das sind zwei Drittel des Territoriums, sind weiterhin fest in den Händen der Großgrundbesitzer, zu denen heute auch noch eine Reihe reicher Landspekulanten gestoßen sind. Sie herrschen dort seit den Zeiten der portugiesischen Kolonialherrschaft. Sie werden meistens ‚Colonel’ (Oberst) genannt, wie jeder weiß, der etwas vom brasilianischen kommunistischen Schriftsteller Jorge Amado gelesen hat, der auch in Deutschland gut bekannt ist. Seit es ‚demokratische Wahlen’ in Brasilien gibt, hat sich daran nur soweit etwas geändert, als nun jeweils ein Mitglied der lokalen Herrscherfamilie gewählt wird.

Die Methoden dieser ‚kleinen Könige’ haben sich ebenfalls nicht viel geändert seit jenen Zeiten. Einer der Söhne wird Bundestagsabgeordneter, ein anderer Landtagsabgeordneter oder Bürgermeister, der dritte wird der lokale Richter und ein guter Freund der Familie leitet das Grundbuchamt. Will man ein bestimmtes Stück Land, so wird es ganz offiziell mit Richterspruch und Eintragung ins Grundbuch dem neuen Eigentümer übereignet. Falls der bisherige Besitzer es nicht freiwillig aufgibt, kommt man mit der Polizei (rein zufällig ist der örtliche Polizeikommandeur auch ein guter Freund der Familie). Diese Praxis ist so weit verbreitet, daß man schon ein eigenes Wort für diese Leute in Brasilien hat: Grileiros.

Auf diese Weise (und mit anderen Mitteln) haben die brasilianischen Großgrundbesitzer und Landspekulanten seit dem Militärputsch im Jahre 1964 in etwa 30 bis 35 Millionen kleine Bauern und Landarbeiter von ihrem Land und aus diesen Regionen vertrieben, die fast alle in die großen Städte, speziell jene im Südwesten Brasiliens, wie São Paulo und Rio de Janeiro, strömten, wo sie und ihre Nachkommen heute den wesentlicher Teil der Bewohner der Favelas (Slums) stellen.

Sarkasmus ein –

Nun gibt es aber eine Anzahl Unverbesserliche, die den natürlichen Ablauf der Dinge einfach nicht hinnehmen wollen und sich gegen diese gottgegebenen Vorgänge stellen. Sie versuchen, den kleinen Landbesitzern beizustehen und die Rechte der Landarbeiter zu verteidigen, sie gründen Cooperativen, sie dringen auf nachhaltigen Landbau und nachhaltige Extraktionswirtschaft, sie geben Rechtsschutz und holen auch schon einmal einen besserwisserischen Anwalt aus der Landeshauptstadt. Sie führen Proteste durch und bewaffnen sich auch schon mal, wenn sie bedroht werden. Sie wagen es sogar, Anklagen zu erheben gegen Militärs, Polizisten, Richter, Grundbuch-Verwalter und andere Leute, die nur ihre Pflicht tun. So fördern sie wissentlich die Gewalt auf dem Lande. Kurz, es sind dreckige Kommunisten und Terroristen, die ihren Tod absolut verdient haben.

Sarkasmus aus –

Besonders tun sich hervor bei der Verteidigung der Rechte der Landarbeiter und Kleinbauern die katholische Kirche Brasiliens mit ihrer Organisation ‚Pastoral da Terra’ (‚Hirten der Erde’) und die MST, die organisierte Bewegung der Landlosen. Sie und speziell die Funktionäre dieser Organisationen sind daher auch das ‚beliebteste’ Ziel der Morde, meistens im Auftrag der Großgrundbesitzer, oft legen diese aber auch selber Hand an.

Die katholische Kirche in Brasilien ist sehr unterschiedlich von dem, was man in Deutschland unter diesem Namen kennt. Dort wird nicht mit faschistischen oder militärdiktatorischen Herrschern eng zusammengearbeitet, dort ist man nicht das äußerst rechte Anhängsel der konservativen Parteien, dort wird „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ und „Was du dem Geringsten meiner Brüder getan hast, hast du mir getan“ noch weithin ernst genommen, kurz, die beiden Organisationen scheinen nicht im mindesten dem gleichen römischen Großkonzern anzugehören.

Neben dem ‚Pastoral da Terra’, einem ständigen Stein des Anstoßes für brasilianische Regierungen seit den Zeiten der Militärdiktatur und des Bischofs Dom Helder Câmara, gibt es auch noch den ‚Pastoral da Criança’ (‚Hirten der Kinder’), der ebenfalls keine Angst hat, der Regierung die Wahrheit zu sagen (was Regierungen dort wie woanders nicht so gerne haben).

Die ermordete Nonne lebte seit 37 Jahren in Brasilien, zuletzt bei einem kleinen Ort im Amazonasgebiet, Anapu. Als Antwort auf den Überfall der US-Regierung auf den Irak gab sie ihre US-Staatsbürgerschaft ab und wurde Brasilianerin. Sie arbeitete in Umweltschutz-, Bürger-, Friedens- und Frauenbewegungen mit.

Im Gebiet von Anapu werden, wie es die brasilianische Verfassung vorschreibt, Parzellen brachliegender Gebiete ohne Regenwald an registrierte Landlose übergeben. Ebenso werden Regenwaldgebiete abgesperrt, um dort ein nachhaltige Extraktionswirtschaft zu betreiben. Die örtlichen Großgrundbesitzer wehren sich dagegen, lassen die Häuser der Kolonen und deren Felder anzünden und bedrohen (und ermorden) die Personen, die diesen Schutz und Beistand gewähren.

Schwester Dorothy prangerte unentwegt die Untaten der Großgrundbesitzer, Grundspekulanten und ihrer Helfer an, aber auch die Ausbeutung der Edelhölzer aus dem Regenwald. So zog sie sich den Haß nicht nur der Großgrundbesitzer, sondern auch der Holzhändler zu. Sie war die Leiterin der örtlichen ‚Pastoral da Terra’.

Seit im Jahre 2001 die Drohungen immer mehr zunahmen, hat Schwester Dorothy unermüdlich die örtlichen, regionalen und Bundes-Behörden hierauf aufmerksam gemacht und um Eingreifen und Unterstützung gebeten.

Im Februar 2004 kam der nationale Beauftragte für Umweltfragen, Jean Pierre, nach Anapu, um sich ein Bild über die Situation zu machen. Kurz danach tagte in der Nähe eine parlamentarische Untersuchungskommission des Bundestages zu Landfragen, doch nichts wurde in der Realität getan.

In Anerkennung ihres Einsatzes für die Kleinbauern und Landlosen verlieh das Landesparlament des Bundesstaates Pará im Juni 2004 Schwester Dorothy die Ehrenbürgerschaft von Pará.

Eine Delegation der Vereinten Nationen besuchte im Oktober 2004 die Landeshauptstadt Belém, um die Unabhängigkeit des Justizsystems zu untersuchen. Als Betroffene von Bedrohungen wurde auch Dorothy angehört. Wiederum geschah nichts konkretes.

Für ihre Verdienste um die Menschenrechte ehrte sie die Rechtsanwaltskammer von Pará (OAB-PA) im Dezember 2004 mit dem „José Carlos Castro Preis”.

Am 2. Februar 2005 hat sie ihre Anklagen bei einer öffentlichen Audienz in Rondon dem Minister für Menschenrechte, Nilmário Miranda, vorgetragen.

Als der Oberste Bundes-Staatsanwalt am 03. Februar 2004 in Belém das ‚Nationale Programm zum Schutz der Menschenrechtsaktivisten’ präsentierte, war Dorothy da und verwies auf die zunehmende Gewalt. Wiederum blieb alles bei Worten ohne Taten.

Weder örtliche oder Landes- noch Bundesbehörden wurden in irgendeiner konkreten Weise gegen die allseits bekannten Großgrundbesitzer und Grundspekulanten der Region und die namentlich bekannten Holzhändler tätig. Die Regierung Lula, die jetzt den Tod der Schwester beklagt, ist dafür mit verantwortlich.

Die Regierung Lula ist auf die Abgeordneten aus den Regionen des Großgrundbesitzes angewiesen, um ihre „Reformen“ (Sozialabbau) durchsetzten zu können. Eben diese Abgeordneten sind aber zum großen Teil identisch mit den Familien eben dieser Großgrundbesitzer oder mit ihnen engstens verbunden. Das Ergebnis ist, daß in bester sozialdemokratischer Tradition hoch ehrenhafte Absichtserklärungen abgegeben werden, um damit die absolute Untätigkeit in der Praxis in diesen Fragen der Menschenrechte und des Umweltschutzes zu kaschieren. Das beste Beispiel ist der schon genannte Festakt zur Präsentation des ‚Programmes zum Schutze der Menschenrechtsaktivisten’ wenige Tage vor der Ermordung von Schwester Dorothy.

Im brasilianischen Bundesland Pará ist das gesamte öffentliche Leben beherrscht von den Großgrundbesitzern und Geschäftemachern. Kein Polizist, kein Staatsanwalt, kein Polizei-Kommandeur, kein Richter oder sonstiger Würdenträger kann es wagen, irgend etwas gegen die Herrscher der Region zu unternehmen, will man nicht Opfer härtester Racheakte werden. Deutlich wurde dies bereits bei den Prozessen gegen die Polizisten und Polizei-Kommandeure, die beim „Massaker von Carajás“ im gleichen Bundesland 19 Mitglieder der Landlosenbewegung abgeschlachtet hatten. Alle wurden in einem Schein-Prozeß freigesprochen. Erst auf Intervention der Bundesbehörden wurde der Prozeß neu aufgerollt.

Charakteristisch für das Klima, unter dem die Menschen dort leben müssen, sind zwei Ereignisse in unmittelbarem Zusammenhang mit Dorothys Ermordung:

- Die zuständige Polizei-Behörde von Belém hat einen Tag nach ihrer Ermordung, anstatt die Täter zu verfolgen und zu stellen, einen der engsten Mitarbeiter von Schwester Dorothy absurderweise wegen Beteiligung an dem Mord an einem Landarbeiter angeklagt.

- Kurz nach ihrer Ermordung wurde in der Kleinstadt Anapu (auf deren Gebiet der Mord geschah) in aller Öffentlichkeit ein Freudenfeuerwerk von den Hintermännern des Mordes abgebrannt.

Dies alles zeigt, wie die Täter und ihre Hintermänner sich sicher fühlen, genauso wie die Tatsache, daß sie schon den nächsten Mord begingen, bevor Schwester Dorothy noch beigesetzt war. Die Regierung Lula steht dem untätig gegenüber.

In Brasilien gibt es im Moment 0 (in Worten Null) Großgrundbesitzer im Gefängnis wegen eines Mordes oder Anstiftung zum Mord. Der Auftraggeber des Mordes an Chico Mendez wurde zwar verurteilt (und dies auch nur wegen des Aufsehens, den der Fall im Ausland geweckt hatte), verschwand aber nach wenigen Monaten "unerklärlicherweise" spurlos aus dem Gefängnis und wurde seitdem nicht mehr gesehen. Das heißt alle (in Worten: alle) diese Gewalttaten bleiben ungesühnt. Lediglich die armen Schweine, die sich als Mörder verdingen, kommen manchmal ins Gefängnis. In Brasilien kann man einen Mord für 5000 Reais haben (ca. 1500 Euro).

Des gleichen Geistes Kind scheinen die Verfasser von Medienveröffentlichungen in Brasilien, aber auch in Deutschland (wie z.B. im ‚Tropenwaldnetzwerk Brasilien’) zu sein, die Schwester Dorothy als ‚Missionarin’ bezeichnen. In Brasilien kann man ein Lied über ‚Missionare’ singen, speziell die Ureinwohner Brasiliens, die heute weitgehend ausgerottet sind. Missionare der verschiedensten Religionen waren immer Mitverantwortliche an diesen Ausrottungen. Sowohl durch das Absegnen von Massakern und Versklavungen, als auch durch das Einschleppen von für die Indios tödlichen Krankheiten oder durch die Entfremdung von ihren Wurzeln und den oft lebenswichtigen Naturheilkenntnissen der Medizinmänner, alle diese Gründe der Ausrottung stehen nicht zuletzt im Zusammenhang mit Missionaren. Nicht ohne Grund ist darum in Brasilien ‚missionieren’ bei Strafe verboten.

In diesem Sinne war Schwester Dorothy keine Missionarin, sie hat ihre Solidarität nie abhängig vom Glauben der Betroffenen gemacht.

Durch Zufall wurde gerade am Tag vor der Beisetzung von Schwester Dorothy im brasilianischen Bundestag gezeigt, wie die Regierung Lula abhängig von Abgeordneten aus den Regionen der Großgrundbesitzer ist. Der Bundestag trat nach der Sommerpause zum ersten Mal wieder zusammen und hatte als erstes einen neuen Bundestagspräsidenten zu wählen. Dieses Amt steht traditionsgemäß einem Vertreter der Koalition zu, auf die der Präsident sich stützt. Aber Traditionen sind keine Muß-Bestimmung. Zwei Parteien waren aus der Lula-Koalition ausgestiegen (PMDB und PPS) und sie hatte keine formale Mehrheit mehr.

Trotzdem galt der Kandidat Lulas als praktisch schon fast gewählt. Plötzlich trat aber ein Abgeordneter, ohne überhaupt von einer Partei vorgeschlagen worden zu sein, als Gegenkandidat auf und warb um Stimmen mit dem Versprechen, er werde sich als Bundestagspräsident für eine Erhöhung der Diäten einsetzen. Und siehe da – er gewann im zweiten Wahlgang gegen den Lula-Kandidaten mit einer komfortablen Mehrheit. Der neue brasilianische Bundestagspräsident, ein gewisser Cavalcanti, ist der Vertreter der am meisten rechts stehenden Partei im Bundestag und – wer hätte es gedacht - genau eines jener Mitglieder einer der herrschenden Familien im Bundesstaat Pernambuco, Nordosten Brasiliens – und Großgrundbesitzer. Charakteristisch auch für die ganze Besetzung des Bundestags, mit welchem Argument man dort Präsident werden kann.

Jetzt wird die Regierung verstärkt Schwierigkeiten haben, noch Gesetze durch das Parlament zu bringen. Man weiß nicht, ob man das nicht sogar begrüßen sollte.

Mittwoch, 20. September 2006

Nichts bleibt wie es ist

Am 1.Oktober sind allgemeine Wahlen in Brasilien

Von Karl Weiss, Rio de Janeiro

Artikel der "Berliner Umschau" von heute

Am Sonntag, den 1. Oktober sind allgemeine Wahlen in Brasilien. Es werden der Präsident, der gesamte Bundestag, alle Länderparlamente, alle Gouverneure (Ministerpräsidenten der Länder) und die Hälfte der Senatoren gewählt. Wenn kein politisches Erdbeben mehr geschieht, wird Präsident Lula wiedergewählt werden, wahrscheinlich im ersten Wahlgang, eventuell auch erst im zweiten.

Jetzt, kurz vor der Wahl, braucht man nur die Nachrichten des Fast-Monopolsenders Globo im Fernsehen zu verfolgen und man kann beinahe sicher voraussagen, wer gewählt wird. Wird ein bestimmter Politiker oder eine Partei dort mit allen ihren Korruptionen und Sauereien gezeigt (Fakten sind ja bei allen im Überfluss vorhanden), so wird derjenige oder die Partei wahrscheinlich nicht gewinnen.

Im Moment verfolgt Globo eine doppelte Doppelstrategie: Lula ja, PT nein und PSDB ja, Alckmin nein.

Einerseits wird Lulas Partei PT mit all den Skandalen gezeigt, in die sie verwickelt ist (“Mensalão”, “Sangessugas”), andererseits wird der Präsident selbst ausgespart. Manchmal wird sogar ausdrücklich ein Politiker gezeigt, der sagt, Lula habe davon nichts gewußt.

Was wird damit erreicht? Einereits wird Lula wiedergewählt, was offenbar dem Wunsch der brasilianischen Oligarchie entspricht. Andererseits wird seine Partei immer weiter geschwächt. Sie wird auf Oppositionspolitiker angewiesen sein, um Gesetze durchzubringen. Außerdem wird jeder andere PT-Kandidat nach Lula ohne Aussicht sein. In Brasilien ist die Präsidentschaft, wie in den USA, auf zwei Perioden von vier Jahren beschränkt.

Andererseits wird die wichtigste konservative Partei PSDB (die sich lustigerweise sozialdemokratisch nennt) gezielt hochgejubelt, mit häufigem Erscheinen ihrer Politiker und langem Aussagen von ihnen, während gleichzeitig deren Kandidat Alckmin der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Es wird immer wieder und ausführlich berichtet, daß er kaum Unterstützung von der eigenen Partei hat im Präsidentschaftswahlkampf, ebensowenig von den mit ihm Alliierten. Dann wird minutiös dargelegt, wie diese Nicht-Unterstützung aussieht. Da fehlt dann auch nicht die Aussage eines mit ihm verbundenen Politkers, daß es absurd sei, was man mit dem eigenen Kandidaten mache.

Damit ereicht man einerseits wiederum, daß Lula gewählt wird, weil Alckmin, der einzige Gegenkandidat mit Aussichten, zur Schießbudenfigur wird, andererseits werden die anderen wichtigen Politiker der PSDB gefördert, was mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Wahl eines von ihnen in vier Jahren führen wird.

Das dürfte dann wohl zwischen dem voraussichtlichen neuen Gouverneur von São Paulo, Serra, und dem voraussichtlichen alten und neuen Gouverneur von Minas Gerais, Aécio Neves, ausgefochten werden. Die Staaten São Paulo und Minas Gerais sind die beiden bevölkerungsreichsten Staaten Brasiliens.

Man kann sich vorstellen, wie die Vertreter der Oligarchie mit Serra und Neves vor der Wahlkampagne gesprochen haben, ihnen klar gemacht haben, warum Lula weitere vier Jahre „regieren” soll und ebenso, wie man sicherstellt, daß einer von beiden 2010 dran sein wird.

So haben die beiden und ihr ganzer Anhang in der PSDB und außerhalb dann Alckmin zur Kandidatur drängen lassen, dann das Handtuch als Gegenkandidat geworfen und lachen sich jetzt ins Fäustchen, wie Alckmin zum Clown wird, für den Rest seiner Karriere stigmatisiert.

Das Ganze funktioniert natürlich nur in dem Maße, wie die Masse der Menschen in Brasilien, ähnlich wie die Deutschen, zwar nur noch wenige Illusionen über ihre Politikerkaste haben, aber noch keine gangbare Alternative sehen.

Sobald sie dann letztendlich aufwachen, werden sie diese Brut vom Tisch wischen, denn es gibt schon heute kaum einen Brasilianer, der noch irgendeine Art von Vertrauen in sie setzt.

Eigentlich hätte mit der Rundfunk- und Fernsehpropaganda der Parteien, die nun täglich auf die gequälten Brasilianer einprasselt, der Kandidat Alckmin, der zusammen mit seinen Verbündeten etwa die Hälfte der Zeit in Anspruch nehmen kann (über das Doppelte der Zeit der Lula-Koalition), deutlich aufholen müssen in der Wählergunst. Das ist aber aus den genannten Gründen nicht geschehen. So blieb Lula bei fast 50 % der Umfrageergebnisse, während Alckmin nie aus dem 30%-Ghetto herauskam (wenn alle unentschiedenen, Nichtwähler und Ungültigwähler herausgerechnet wurden).

In Brasilien herrscht Wahlpflicht. Wer nicht wählt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und wird bestraft, kann z.B. keinen Paß mehr beantragen. Man kann dem aber relativ einfach ausweichen. Es gibt nämlich die Möglichkeit, sich in jedem beliebigen Wahllokal (außer in der eigenen Stadt) als abwesend zu entschuldigen, denn man kann nur in dem Wahllokal wählen, in dem man angemeldet ist. Ist man am Wahltag an einem anderen Ort, geht man einfach mit seiner Wahlkarte in ein Wahllokal außerhalb des Wohnorts und gibt „Abwesenheit“ an.

Die Senatorin Heloisa Helena, die so eine Art von Lafontaine Brasiliens darstellt, blieb während der Zeit der Propaganda bei Umfragezahlen um die zehn Prozent (wenn nur die entschiedenen Wähler gezählt wurden). Das ist auch überraschend, denn sie ist weiten Bevölkerungsschichten in Brasilien unbekannt gewesen. Man kann jetzt erwarten, daß sie tatsächlich um die zehn Prozent der Stimmen bekommt, das ist für eine Frau und für eine Linke sensationell in Brasilien und zeigt: Es rumort in den Köpfen der Brasilianer, nichts bleibt so, wie es ist, auch in Brasilien nicht.


Link zum Originalartikel hier

Samstag, 2. September 2006

Sind alle Männer Schweine?

Fremdgehen im Praxistest

Von Karl Weiss

Heute einmal ein anderer Artikel, die zusammengefasste Auswertung einer soziologischen Studie und Reportage für zwei brasilianische Zeitungen. Diese Studie in ausführlicher Form wird u.a. in die Diplomarbeit eines brasilianischen Soziologen eingehen. Nebenher aber auch eine unterhaltsame Geschichte, hier gegenüber dem Original leicht redigiert.

Szene in einer der meist gesehenen US-Fernsehserien: Zwei Freundinnen in einer Bar. Eine der beiden wendet sich an einen Mann in der Nähe: „Ich tue dies üblicherweise nicht, aber ich hätte jetzt große Lust, sehr lieb zu Ihnen zu sein. Ich wohne hier um die Ecke. Wollen Sie mit zu mir kommen?”
Der Mann antwortet: „O.K., nur schnell noch zahlen.” Die Frau: „Ach, ich
will das lieber doch nicht tun. War nett, mit Ihnen gesprochen zu haben.” Zu
der Freundin: „So sind die Männer, Sie zerstören mit einem Federstrich ihr
Leben, ihre Familie, alles, für ein bißchen Sex.”


Ist das wirklich so? Oder ist es ein böses Vorurteil? Diesen Fragen wollte
eine Gruppe von 8 BrasilianerInnen und einem Deutschen nachgehen. Die Gruppe bestand aus den zwei brasilianischen Journalisten Zé und Carlos, die jene Ergebnisse veröffentlichen wollten und von ihren Zeitungen dafür bezahlt wurden, aus den Hauptpersonen, den drei Frauen Marta, Letícia und Cláudia, aus zwei weiteren Beobachtern, einem Mann und einer Frau, Bento und Carla (als wissenschaftliche Begleitung), sowie aus dem Berichterstatter, der sich erbot, die Ergebnisse in Deutsch zu veröffentlichen. Später stieß noch ein Mann zu der Gruppe, Washington.

Hieronymus Bosch Der Garten der Lüste

Die Vorbereitungen wurden von Zé und Carlos, Bento und Carla zusammen mit dem Berichterstatter vorgenommen und nahmen mehr als einen Monat in
Anspruch. Es galt Frauen zu finden, die bereit sind, in dieser Weise Männer
anzusprechen und Bars, die den selbst gestellten Ansprüchen genügten.

Für die Frauen legten wir fest, sie sollten um die dreißig sein, attraktiv
und in der Lage, in natürlicher Weise Männer so anzusprechen. Es erwies sich als extrem schwierig, Frauen zu finden, die dazu bereit waren, zumal wir
auch außer Spesen keine Bezahlung in Aussicht stellen konnten.

Erst nach langen Suchen und intensivsten Diskussionen sowie speziellen
Vorkehrungen konnten wir sicherstellen, daß Marta, Letícia und Cláudia diese „Arbeit“ übernahmen. Wir hatten insgesamt 16 Mal „Ansprechen“ vorgesehen und hatten dazu acht verschiedene Bars in einer großen brasilianischen Stadt ausfindig gemacht. Da in jeder der Bars also zweimal agiert würde, blieb beim ersten Mal eine der drei Ansprech-Frauen zu Hause (sie würde beim nächsten Mal in dieser Bar agieren und sollte dann nicht mit uns in Zusammenhang gebracht werden), während alle anderen Mitglieder der Gruppe anwesend sein sollten, um den Frauen Sicherheit zu geben und um alles so minutiös wie möglich dokumentieren zu können.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 18

Die Bars lagen alle in Vierteln, in denen relativ gut situierte Leute
wohnen, weil man angesichts der Kriminalitätsrate in Brasilien besonders
vorsichtig sein muß, wenn man schon vorhat, Männer zu provozieren.

In der Praxis stellte sich heraus, daß die Szene der TV-Serie eines nicht
bedacht hatte: Alle Männer gingen im ersten Moment davon aus, von einer
Prostituierten angesprochen worden zu sein. Erst wenn bereits mit der
Ansprache geklärt wurde, daß es sich nicht darum handelte, wurde das Ganze zu einem richtigen Test. Insoweit konnten wir schon in diesem Moment eine der Ausgangsfragen beantworten, nämlich ob die Szene in der Fernsehserie realistisch war. Antwort: Nein.

Eine weitere Frage erhob sich mit der Auswahl der drei Frauen. Während Marta und Cláudia Frauen vom Typ „Mignon“ waren, dunkelhaarig, braunäuigig, attraktiv, aber verhältnismässig klein, ohne sehr ausgeprägte Kurven und ziemlich schlank, war Letícia eine ausgesprochene Schönheit: Mit ausdrucksvollem Gesicht, ausladenden Kurven und gewelltem, blond gefärbtem Haar konnte sie als „Traumfrau“ im brasilianischen Sinne gelten. Ihre Masse sind 91-62-100. Sie hat einen großen Hintern, aber ohne ein breit ausladendes Becken, was ihren Status als blendende Schönheit noch
unterstrich.

Hier wird aus dem Grund auf diese körperlichen Merkmale eingegangen, weil
dies – jedenfalls nach unserer anfänglichen Einschätzung - bei einem
Einverständnis mit Sex innerhalb von Sekunden oder Minuten das wesentlichste sein wird, was man an diesen Frauen bemerken kann.

Hieronymus Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 17

Wir hatten in der Vorbereitung viel Zeit mit Diskussionen über den Punkt
verloren, ob wir mit Letícia nicht ein ausgewogenes Ergebnis des Tests
beeinträchtigten, weil es gewissermassen nicht fair wäre, eine so attraktive
Frau ein solches Angebot machen zu lassen. Wir sollten eine Überraschung
erleben.

Bevor wir zu den Ergebnissen kommen, noch einige Anmerkungen:

Die Männer, die angesprochen werden sollten, sollten dem Aussehen nach über dreißig und jünger als 50 sein. Wir lagen bei den 14 Männern richtig in
diesem Bereich, die uns ein Interview gaben. Es ergab sich kein Zusammenhang vom Alter mit der Tendenz zur Annahme des Angebots.

Wir hatten vereinbart, die Männer nach der Ansprache zu interviewen, falls
sie dies zuließen. Wir stellten folgende Fragen: Alter, ob sie verheiratet
seien, mit einer (ihrer) Frau zusammenleben, auch mit (gemeinsamen?) Kindern zusammenleben, ob sie die Frau attraktiv gefunden hätten, die das Angebot machte, warum sie das Angebot angenommen/abgelehnt hätten, wie sie zu der hiermit im Zusammenhang stehenden moralischen Frage stünden (dabei auch religiöse Moral berücksichtigen?) und wie sie glauben, daß der ganze Test ausgehen würde.

Selbstverständlich garantierten wir allen Beteiligten Anonymität, so daß
also auch alle hier genannten Namen geändert sind.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 2

Es muß auch noch die Frage der Rassen erwähnt werden, weil dies in einem
gemischtrassischen Land wie Brasilien von Bedeutung ist. Alle drei
Ansprech-Frauen waren Weiße, aber mit deutlich dunklem Teint, der auf vereinzelte schwarze Vorfahren hindeuten könnte. Unter den angesprochenen Männern waren 10 Weiße und 6 mit deutlich dunklem Teint, aber kein Schwarzer. Irgendein Zusammenhang der Ergebnisse mit der Helligkeit des Teints war in keiner Weise herzustellen.

Hier nun die generellen Ergebnisse: 8 der 16 angesprochenen Männer lehnten das Angebot ab, 8 nahmen es an. Kurz zusammengefaßt:

>>Nur die Hälfte der Männer sind Schweine.<<

In Wirklichkeit muß man dies aber weit differenzierter sehen, wie eine detallierte Auswertung deutlich macht.

Drei der 16 Männer lebten nicht mit einer Frau zusammen, davon nahmen zwei das Angebot an, einer lehnte es ab. Von den 13 Männern, die mit einer Frau zusammenlebten, nahmen also 6 das Angebot an, 7 lehnten es ab. In
Wirklichkeit gingen also nur 6 von 16 Männern nach allgemeinen
Moralvorstellungen unmoralisch auf ein Angebot ein, das sind nur 38% der
Männer in unserem Test.

Von den 6 Männern, die das Angebot annahmen und mit einer Frau
zusammenlebten, lebten 3 auch mit Kindern zusammen, entweder gemeinsamen oder Kinder der Frau. Vier der sechs waren weiß, die beiden anderen mit dunklem Teint. Angesprochen auf die moralische Frage, die ein solches Annehmen des Angebots aufwirft, wenn man mit einer Frau zusammenlebt, wurden alle sechs mehr oder weniger verlegen und stimmten zu, daß es nicht richtig gewesen wäre. Sie reklamierten aber „mildernde Umstände“, weil die Frau so attraktiv gewesen sei. Einer sagte, dies sei eine Situation gewesen, von der er ein Leben lang geträumt habe. Einige von ihnen begannen auch über Probleme in ihrem Verhältnis zu sprechen, was sie wohl auch für eine Entschuldigung hielten.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 7

Carla, eine lebenserfahrene Frau, pflegte an dieser Stelle zu sagen, es sei
kein Wunder, wenn es Probleme gäbe, wenn der Ehemann bei der ersten
Gelegenheit fremdgehe.

Interessant war auch, was jene antworteten, die abgelehnt hatten. Zwei von
ihnen waren nicht bereit zu einem Interview, gaben an, daß sie ihrer Frau
treu seien und punktum.

Zwei andere gaben als Hauptgrund für die Ablehnung nicht etwa Treue zu ihrer Frau an, sondern daß sie befürchteten, mit diesem Ansprechen eventuell von kriminellen Personen in eine Falle gelockt zu werden. In einem Land mit so hoher Kriminalität wie Brasilien kommt man natürlich leicht auf eine solche Annahme. Beide (lebten mit Frauen zusammen und) schlossen nicht kategorisch aus, daß sie auf ein solches Angebot eventuell eingehen würden, wenn es ihnen nicht verdächtig erschiene. Einer von ihnen sagte, er sehe kein moralisches Problem darin, von Zeit zu Zeit untreu zu sein, das könne dem Verhältnis zur Frau sogar gut tun. Der andere verurteilte dies aber moralisch.

Der fünfte von denen, die abgelehnt hatten, gab einfach an, er hätte gar
keine Zeit gehabt, mit der Frau zu gehen, weil er verabredet sei (er wollte
nicht mit Sprache heraus, ob mit einer Frau, er war nämlich jener, der nicht
mit einer Frau zusammenlebte, aber trotzdem abgelehnt hatte).

Der sechste, zusammenlebend mit Frau und Kindern, sagte, er sei nicht in
Stimmung gewesen. Er wollte nicht völlig ausschliessen, daß er unter anderen Bedingungen ein solches Angebot eventuell angenommen hätte. Er verurteilte ebenfalls ein solches Handeln moralisch, sagte aber, wir seien eben alle nur Menschen.

Der siebte schließlich sagte, er habe ein Spiel mit der Frau spielen wollen.
Er habe zwar abgelehnt, aber nur zum Schein. Er wollte wissen, wie sie
reagierte. Er wäre später eventuell doch mit ihr gegangen, abhängig davon,
wie sich das „Spiel“ weiter entwickelte. Er lebte zwar mit einer Frau
zusammen, meinte aber, es sei nicht verwerflich, gelegentlich eine andere
Frau zu haben. Nur ein dauerhaftes Verhältnis neben der Ehe lehnte er ab.
Bemerkenswert immerhin, daß er offen zugab, gleiches seiner Frau nicht
zuzugestehen.

Der achte, der abgelehnt hatte, sagte, er habe schwer mit sich gerungen,
weil er die Frau extrem attraktiv gefunden hatte. Er hatte, bevor er
ablehnte, Cláudia zunächst zu einem Drink eingeladen und mit ihr gesprochen. Schließlich habe er aber an seine Frau gedacht und habe doch abgelehnt. Auch er lehnte ein solches Handeln moralisch ab, gab aber zu, daß er das Angebot fast angenommen hätte.

Alle, die das Angebot angenommen hatten und auch jene, die es abgelehnt
hatten, aber nicht völlig ausschlossen, einmal ein solches Angebot
anzunehmen und gleichzeitig ein solches Handeln moralisch ablehnten,
bestätigten, daß ihre moralischen Vorstellungen auf religiösen Überzeugungen beruhten. Die beiden, die einen Seitensprung für akzeptabel hielten, auch wenn sie abgelehnt hatten, bekannten sich ebenfalls als gläubig.

[Dies Ergebnis ist spezifisch für ein Land wie Braslien, wo fast alle an Gott glauben oder religiös sind.]

Boticelli Geburt der Venus Ausschnitt

Entgegen unseren Erwartungen war es nicht Letícia, sondern Cláudia, die den meisten „Erfolg“ mit diesem Angebot an beliebig ausgewählte Männer hatte. Sie hatte sechs der 16 Männer angesprochen und fünf davon hatten das Angebot angenommen, der sechste hätte es fast angenommen. Alle Männer, die von Cláudia angesprochen worden waren, betonten in besonderer Weise, wie attraktiv ihnen Cláudia vorgekommen war.

Beim Auswertungsgespräch, das wir danach führten und zu dem wir auch die
angesprochenen Männer eingeladen hatten (vier waren gekommen), wurde noch einmal von allen anwesenden Männern hervorgehoben, wie sympatisch und sexy für sie Cláudia ist. Zwei der anwesenden Männer bestätigten, daß ihnen in der konkreten Situation in der Bar wie auch jetzt, im Auswertungsgespräch passierte, daß sie sexuell erregt wurden in der Nähe von Cláudia. Gleichzeitig mußten alle Männer zugestehen, daß Letícia vom Aussehen her so etwas wie eine „Traumfrau“ war – ohne aber den gleichen Effekt zu erreichen.

Hier wurde etwas deutlich, was man eigentlich schon vorher wußte, sich aber
nicht bewußt gemacht hatte: Die ersten Eindrücke, die man von anderen
Menschen bekommt, beziehen sich keineswegs ausschließlich auf die äußere Form des Körpers. Man nimmt vielmehr innerhalb von - sagen wir - einer Minute eine Vielzahl von Signalen auf (Geruch, Stimme, Sprache,
Gesichtsausdruck, Tonführung der Stimme, Art der Ausdrucksweise,
Körperhaltung, unbewußte Körperbewegungen/Kopfbewegungen beim Sprechen usw.), die einem eine Person attraktiv oder auch nicht machen. Die
generellen Regeln der Schönheit müssen nicht unbedingt mit dieser
„Attraktivität“ gleich laufen.

Die beiden anderen Frauen hatten jeweils fünf Männer angesprochen. Bei
Letícia hatten zwei Männer das Angebot angenommen, bei Marta nur einer.

Daß das Ergebnis bei Letícia so sehr unterhalb dem von Cláudia ausgegangen war, hing damit zusammen, daß ihre besondere Schönheit angesichts dieses Angebots auch zu Zweifeln geführt hatten. Die beiden Männer, die angegeben hatten, nicht angenommen zu haben, weil sie eine Falle vermuteten, waren von Letícia angesprochen worden. So hatten wir tatsächlich mit ihrer besonderen Schönheit den Ausgang der Untersuchung beeinflußt, aber im umgekehrten Sinne wie befürchtet.

Unklar blieb bis zum Schluß, warum von den fünf Männern, die Marta
angesprochen hatte, nur einer angenommen hatte. Auffallend besonders, weil Marta äußerlich sehr ähnlich wie Cláudia aussieht. Es könnte sich einfach um Zufall handeln. U.a. waren jene beiden Männer von Marta angesprochen worden, die sich nicht interviewen ließen, sondern nur sagten, sie seien ihrer Frau treu.

Allerdings mußten die Männer bei der Abschlußbesprechung zugeben, daß alle ohne Ausnahme im Vergleich der drei Cláudia am attraktivsten und am meisten sexy und Marta als am wenigsten attraktiv und sexy betrachteten. Es war auch jener Mann anwesend, der als einziger das Angebot Martas angenommen hatte.

Es ist also tatsächlich wahrscheinlich, daß bei dieser Frage, ob ein Mann
fremdgeht, die Attraktivität der möglichen Partnerin eine große Rolle
spielt. Dabei läuft diese Frage der Attraktivität nicht unbedingt mit
konventionellen Schönheitsvorstellungen konform.

Sehr aufschlußreich das Ergebnis der letzten unserer Fragen. Alle vierzehn
angesprochenen Männer, die sich befragen ließen, erklärten, daß im Grunde
jeder Mann, unabhängig von seinen Lebensumständen, aber abhängig von der Frau und der konkreten Situation, ein solches Angebot annehmen könnte.

Es ist noch von einem Ereignis zu berichten, daß etwa zur Hälfte der
Ansprech-Tests geschah und dem Ganzen noch eine neue Richtung gab. Ein
Schwarzer mit Vornamen Washington hatte Letícia in einer der Bars
‚angemacht’, als wir dort alle gemeinsam zum Angebot von Cláudia an einen
Mann versammelt waren.

Letícia hatte sich mit ihm für hinterher verabredet un die beiden hatten
wohl Gefallen gefunden aneinander, jedenfalls kam Letícia kurz danach mit
ihm auf eine unserer Zwischen-Besprechungen und sagte, er sei ein männlicher Tester der gleichen Art.

Was? Wie? Ja, sagte sie, er spreche Frauen in Bars an, um Sexpartner zu
haben und er benutze dabei eine besondere Technik.

Er erklärte uns seine Technik. Wenn die Frau ihn nicht sofort resolut abweist, nachdem er sie angesprochen hat (was etwa für die Hälfte zuträfe), kommt er ihr ganz nahe und spricht über ihre Schönheit. Dann nimmt er ihre Hand in seine und führt sie dort unten hin, wo sie sein eregiertes Glied fühlen kann. Es hat eine außerordentliche Dicke und Länge.

Die Reaktionen beschrieb er uns so: Etwa ein Drittel der Frauen ziehe sich
empört zurück (das von der Hälfte, die ihn nicht schon vorher abgewiesen
hatten). Manche beschimpften oder ohrfeigten ihn sogar. Eine habe schon
einmal die Polizei gerufen und er mußte kurz entschlossen das Weite suchen.

Etwa ein weiteres Drittel der Frauen reagiert, als ob sie nichts gefühlt
hätten und sprechen und scherzen weiter mit ihm. Meistens gehen sie dann
erst beim zweiten Treffen mit ihm ins Bett. Er sagt, wenn er es darauf
anlege, bekomme er in Regel auch die glücklichst verheirateten Frauen ins
Bett – abgesehen von denen, die ihn bereits anfänglich ablehnten (also etwa ein Drittel der Frauen, die er überhaupt ansprach). Das dritte
Drittel der Frauen dagegen, die sein Ding gefühlt hatten, zeigte sich so beeindruckt, daß er sie fast unmittelbar dazu bewegen kann, mit in seine Wohnung zu kommen und mit ihm Sex zu machen.

Er erzählte, er habe noch nicht die „Richtige“ für ihn gefunden, aber er sei
absolut verrückt nach Sex. Er brauche mehrmals in der Woche Sex. Nachdem er
gemerkt hatte, wie viele Frauen sich von den Ausmaßen seiner Männlichkeit
beeindrucken lassen, habe er angefangen, systematisch ständig neue
Sexpartnerinnen zu suchen und sie auch gefunden. In der Regel mache er nicht
mehr als fünf Mal mit der gleichen Partnerin Sex – das konnte nach kurzer
Zeit auch Letícia bestätigen.

Sie sagte, es sei tatsächlich etwas Besonderes, aber eben doch auch nicht so
verschieden zu dem mit Männern mit weniger Zentimetern. Sie sagte, sie habe
besonders die erhöhte Dicke genossen, weniger die besondere Länge. Das
letztere könne sogar wehtun.

Auf den Abschluß- und Auswertungsbesprechungen, bei denen auch Washington zugegen war, bestätigten alle anwesenden Frauen, daß es Unsinn sei, daß Frauen nicht nach Aussehen und äußerlichen Werten gingen, sondern nur nach „inneren“ oder, wie die Zyniker sagen, dem Inhalt des Geldbeutels. Die
äußeren Attribute eines Mannes seien für die Frauen sehr wohl mit
ausschlaggebend – wahrscheinlich in ähnlichem Maße wie bei den Männern - ,
wenn sie eine Einladung zum Abendessen annehmen oder etwas ähnliches.

Es konnte auch keine ableugnen, daß die Frage jener Größe für Frauen sehr
wohl ein Thema ist. Cláudia gab sogar zu, daß sie von Riesen-Pimmeln
phantasiere und träume.

So gab es denn auch noch ein kleines Nachspiel unserer Untersuchung.
Cláudia, die glücklich verheiratet ist, ließ sich mit Washington ein. Durch
einen Zufall kam es heraus. Der Ehemann war keineswegs berückt – wird aber
wohl bei ihr bleiben. Sie sagte, die Sache sei längst vorbei.

Drücken wir es so aus: Das Fremdgehen ist nicht spezifisch männlich und es
ist weit verbreitet, aber wahrscheinlich weniger – und bei Frauen mehr -,
als es Geschichtenschreiber für US-Fernsehserien glauben.


Link zum Originalartikel hier

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