Oekonomie

Freitag, 22. Mai 2009

“Deutsche Autobranche dem Untergang geweiht”

Interessante Voraussagen eines Analysten

Von Karl Weiss

Wenn man die Kolumne des Analysten Wolfgang Münchau in der „Financial Times Deutschland“ (FTD) liest, kann man sich immer auf deftig vorgetragenen Klartext einstellen. Diesmal (6.5.09) erklärt er ohne Umschweife: „Die deutsche Autobranche ist dem Untergang geweiht. Die Politik zögert ihren Tod nur künstlich hinaus."

Ford Trucks in Detroit auf Halde

Er konstatiert: Autos, die 50.000 bis 100.000 Euro kosten, werden auch in Zukunft noch Abnehmer finden, aber in so geringer Zahl, dass dies zum Nischenmarkt wird. Da weder Mercedes noch BMW noch Audi, geschweige denn Porsche, in den preislich darunter liegenden Marktbereichen besonders interessante Autos anzubieten haben, denen zudem nicht selten gleichwertige billigere Modelle entgegenstehen, wäre das die Vorhersage von klammen Zeiten in München, Stuttgart, Heilbronn, Ingolstadt und so weiter.

Allerdings sagt er nicht klar, woran das liegt. Er schreibt eher nebulös: „Die Zukunft der industriellen Massenproduktion von Fahrzeugen liegt aber woanders: Beim Tata Nano und seinen Brüdern, wie auch immer sie heißen mögen...“

Kia Autohalde

Allerdings muss er auch zugeben, dass die EU so billige Kleinwagen wie den Tata Nano irgendwie von Binnen-Markt fernhalten wird.

Was er impliziert, aber nicht sagt: Die Einkommen in Europa werden sowohl von der Zahl der Einkommenempfänger als auch von ihrer Höhe deutlich schrumpfen, da wird nicht viel für den Hochpreismarkt übrigbleiben. Hören wir genau hin, was diese Leute sagen: Sie wollen unsere Einkommen noch einmal massiv absenken!

Honda Autohalde

„Familienkutschen“, so sagt er, werden ausser dem Tata Nano noch gebraucht werden. Aber er sieht keine Möglichkeit, so etwas auf Dauer in Deutschland zu produzieren. Warum, sagt er wieder nicht. Ob er vielleicht immer noch das Märchen von den hohen Löhnen in Deutschland glaubt? Kann ja wohl nicht wahr sein.

Die Lohnstückkosten in Deutschland lagen immer bestenfalls im Mittelfeld der grossen Industrieländer – und das ist das einzige, was den Unternehmer interessiert. Lohnvergleiche in Währungsumrechnungen sind so relevant wie die berühmte Tür auf dem Mond, die zufällt.

Chrysler Dodge Autohalde

Heute allerdings sind die Lohnstückkosten auf einem Wert unter allen anderen grossen Industrieländern gefallen – das vergisst Münchau zu erwähnen. In welchem Land sollen also die Familienkutschen hergestellt werden?

Kurz: Die Alarmglocke schrillte zu früh. Zwar werden die Luxusauto-Hersteller (nicht die wirklichen, wie Rolls-Royce, sondern die Hersteller mittlerer Luxusautos wie Mercedes, BMW und Audi) gewaltig an Umsätzen einbüssen, aber das wird noch nicht das Ende der Automobilindustrie sein.

VW Brasilien Autohalde

Das wird erst kommen, wenn wir im Sozialismus sein werden und entscheiden, die Anzahl von Unfalltoten ist unmenschlich und kann nicht mehr hingenommen werden und wir werden im Laufe von vielen Jahrzehnten den gesamten Transport auf Schienen- und /oder Magnetschienen-gebundene Fahrzeuge umstellen.


Veröffentlicht am 22. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 21. Mai 2009

Ein Personalchef packt aus

Wie Frühverrentungen zum Niedergang führen können

Von Elmar Getto

Dieser Artikel wurde am 27.07.05 in der "Berliner Umschau" (damals noch "Rbi-aktuell") veröffentlicht. Er ist ein wichtiges Dokument, denn die heutige Krise ist nicht vom Himmel gefallen. Sie hat lang zurückreichende Ursachen. Die hier dargelegte Politik, der wahnwitzige Personalabbau um seiner selbst willen und die Frühverrentungen in kaum glaublichem Ausmass (die auch mit der Rentenkasse und der Arbeitslosenkasse aufräumten) sind ein wesentlicher Teil des Abbaus der Kaufkraft Deutscher Arbeitnehmer, die jetzt die wesentliche Krisenursache darstellt.(Anmerkung von 2009)

Im folgenden werden die Aussagen des (ehemaligen) Personalchefs einer größeren deutschen Firma wiedergegeben, die er in einem Interview mit Rbi-aktuell machte. Er besteht aus naheliegenden Gründen auf absoluter Anonymität. Wir haben darum auch Teile der Aussagen, die Rückschlüsse auf die Firma zulassen könnten, in der er arbeitete, weggelassen. Auch ohne sie ergibt sich ein eindrucksvolles Bild der ‚Fähigkeiten’ deutscher Spitzenmanager.

„Es begann Anfang der 80er-Jahre. Die Firma war erfolgreich, aber man konnte nicht die geplanten Steigerungsraten in Absatz und Umsatz erreichen, auch der Jahresgewinn vor Steuern nahm nicht mehr zu. (...)

Man hatte bereits seit Jahren einen großen Teil der Investitionen bei den Auslandsgesellschaften gemacht und für ...[neue Fabriken in Übersee] verwendet. Die Investitionen im deutschen Mutterhaus wurden nun praktisch ausschließlich für Rationalisierungsmaßnahmen und zur Automation verwendet.

Bereits seit 1979 gab es einen allgemeinen Einstellungsstop. Stellenausschreibungen mußten ausnahmslos vom Vorstand genehmigt werden – und der genehmigte so gut wie keine. 1982 begannen die ersten Entlassungen. Man hatte alle Abteilungsleiter angewiesen, die bekannten „Minderleister“ zu entlassen.

Wir in der Personalabteilung mußten diese als personenbedingte Entlassungen tarnen. Wir begannen Abmahnungen zu verteilen und dann – in angemessenem Zeitabstand – die Entlassung auszusprechen. Das wurde allerdings relativ teuer, denn fast alle gingen vor Gericht und erreichten einen Vergleich mit Zahlung einer Abfindung, die fast immer dem Lohn von mehreren Jahren entsprach. Es gab also keine kurzfristige Kostenentlastung – im Gegenteil. (...)

In diesen Jahren war immer mehr und mehr von Kostensenkung die Rede. Wir pflegten zu sagen, wir produzieren nicht mehr (...), sondern Kostensenkungen.

In jener Zeit war unser Lohnkostenanteil an den Gesamtkosten bereits auf 32% gesunken. Das paßte aber meinem Chef, dem Zuständigen im Vorstand für Personal und Entwicklung, nicht. Er wies mich an, eine andere Rechnung aufzumachen, in der ich den gesamten Anteil der Abschreibungen und der Zinsen aus den Kosten herausnahm und dann den Lohn- und Gehaltskostenanteil (einschließlich Sozialleistungen) an den „laufenden Kosten“ ermittelte. Da kamen wir damals immerhin noch auf 51%. (...)

Bei dieser Geschichte wurde auch deutlich, wie wenig unser Vorstand ein kollegiales Gremium war, wie wenig abgesprochen wurde und wie viele Intrigen dort gesponnen wurden. Etwa ein-einhalb Jahre danach wurde ich nämlich zu einer hochnotpeinlichen Befragung bei einigen Vorstandsmitgliedern vorgeladen. Sie wollten wissen, warum wir so deutlich höhere Personalkosten hatten als unsere Konkurrenten. Wir mit 51%, jene mit annähernd 30%. Ich erklärte, daß wir anders rechneten und daß dies auf Anordnung des Personal- und Entwicklungsvorstandes geschah. Kurz danach wurde jenes Vorstandsmitglied „auf eigenen Wunsch“ von seinen Aufgaben entbunden und ein junger Jurist wurde nun mein neuer Chef, der sich einen Sport daraus machte, ausschließlich im Befehlston mit mir zu sprechen.

Die nächsten Entlassungen bereiteten wir besser vor. Der Vorstand hatte uns aufgetragen, eine mindestens 3% des Personals umfassende Entlassungs-Kampagne zu planen. Wir beriefen also eine Sitzung mit dem Betriebsratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter ein und erklärten, warum aus betriebsbedingten Gründen diese Entlassungen notwendig seinen. Die beiden erklärten uns, ihnen gehe es darum, solche Entlassungen ‚sozialverträglich’ zu gestalten und schlugen vor, eine Frühverrentungsaktion zu starten, die bis zu dem Lebensalter ginge, bei dem die 3% erreicht würden. Man bestehe aber darauf, daß wir zunächst das Ganze auf einer Betriebsversammlung als Entlassungen ankündigen.

Und so funktionierte es. Auf der Betriebsversammlung traten Betriebsratsmitglieder auf und schimpften schrecklich. Danach war die Belegschaft wegen anstehender Entlassungen verunsichert. Wir gaben vor, tagelang mit dem Betriebsrat zu verhandeln. Dann gab der Betriebsrat ein Rundschreiben heraus, er hätte in ‚zähen Verhandlungen’ die Entlassungen in eine „Frühpensionierung“ umwandeln können. Das sei ‚sozialverträglich’. Es würden lediglich jene betroffen sein, die 59 und älter seien. Auch werde das Ganze auf freiwilliger Grundlage ablaufen.

Dann begannen wir, alle ab 59 einzeln in die Personalabteilung vorzuladen und ihnen die Vorteile der Regelung anzupreisen. Sie würden offiziell erst mit 65 in Rente gehen, also keine Abstriche an der Rente hinnehmen müssen. Für die Übergangszeit bis dahin erhielten sie einen monatlichen „Frührente“-Betrag, der etwa in der Höhe ihrer späteren Rente lag, die wir jedem einzelnen vorrechneten. Dieser Betrag wurde zum Teil von der Bundesanstalt für Arbeit, zum Teil von den Rentenversicherungsträgern übernommen. Wir zahlten lediglich einige ‚peanuts’.

Fast alle nahmen das Angebot an. Eine kleine Anzahl an Ablehnungen hatten wir schon eingerechnet, sonst hätten wir das Anfangsalter auf 60 legen können. So aber erreichten wir sogar ein wenig mehr als die 3%. Das Ganze kostete fast nichts, wir hatten die Lohnkosten deutlich gesenkt und die erschrockene Belegschaft arbeitete locker für die drei Prozent mit. Allein die Senkung des Krankenstandes aufgrund des „Entlassungs“-Schocks und der Anstieg von freiwilligen unbezahlten Überstunden waren so bedeutend, daß wir hinterher mehr geleistete Arbeitsstunden hatten als vorher.

Etwa ab diesem Zeitpunkt begannen wir auch die Ausbildung herunterzufahren. Wir waren traditionell einer der großen Ausbildungsbetriebe der ganzen Region gewesen. Wir hatten sogar ein Lehrlingswohnheim für Lehrlinge aus den entlegenen Regionen der (...), das nun geschlossen wurde. Die Zahl der Ausbildungsplätze wurde zunächst um etwa 20% verringert und wir begannen jedes Jahr erneut eine Prozentzahl der Übernahmen nach der Lehre festzulegen, die nun nie mehr 100% erreichte.

Das war zu jener Zeit, als sich eine Gruppe von „Linksaußen“ in unserer Fabrik zusammengetan hatte und begann, Flugblätter an den Eingangstoren zu verteilen. Sie griffen den Betriebsrat an, daß er dem Abbau von Arbeitsplätzen ohne Kampf zugestimmt hatte, forderten die Übernahme aller Auszubildenden und ähnliches. Zuerst ließen wir sie einfach links liegen. Wir identifizierten lediglich die Flugblattverteiler, alles Studenten aus (...).

Bei den nächsten Betriebsratswahlen stellte die Gruppe eine Oppositionsliste gegen die Liste der [Name der DGB-Gewerkschaft] auf. Alle wurden aus der Gewerkschaft ausgeschlossen. Sie erhielten auch einen Betriebsratssitz. Allerdings hatten wir nun die vollständige Liste aller Mitglieder und konnten sie versetzen, so daß sie weit entfernt voneinander arbeiteten und sie unter spezielle Überwachung stellen, so daß ihnen Kontakte während der Arbeitszeit erschwert wurden. Wir schickten auch Leute zu ihren Treffen. Dort wurde klar, daß sie nie über zwei oder drei Leute aus dem Betrieb als „Sympatisanten“ hinauskamen, die sie versuchten, zum Beitritt zu ihrem Klub zu überreden. Und davon war einer noch „unser“ Mann.

Im Laufe der Zeit gelang es uns, alle aus dem Betrieb zu entfernen. Der Betriebsrat half uns dabei, denn man wollte auch keine unliebsamen Kritiker. Fast alle wurden personenbedingt entlassen. Wenn ein Meister z.B. ein Fehlverhalten bezeugte, gab es wenig zu deuteln an diesen Entlassungen. Einer z.B. hatte sich für einen Gang zum Betriebsrat abgemeldet, aber die Betriebsräte bestätigten, daß er nicht im Büro bei ihnen war. Wupps, war er draußen. Da wir diese Entlassungen über eine Anzahl von Jahren hinzogen, gelang es ihnen auch nie, eine Bewegung dagegen zu entfachen. (...)

Zwei Jahre nach der ersten Entlassungswelle über Frühpensionierungen war der Appetit des Vorstands auf eine neue Aktion dieser Art geweckt. Zwar gab es keinerlei Probleme mit den Steigerungsraten des Absatzes und auch der Gewinn war hervorragend, aber der Vorstand meinte, er könne höher sein. Diesmal mußten wir etwas erfinden, um die neue Welle der Frühpensionierungen zu „verkaufen“. Erneut „schluckten“ es aber sowohl die Älteren, die in Frührente gingen, als auch die Belegschaft und der Betriebsrat.

Die „Linken“, zu diesem Zeitpunkt noch im Unternehmen, versuchten eine Abwehrfront aufzubauen, aber es gelang ihnen nicht. Die Argumentation des Betriebsrates, nur so könnten betriebsbedingte Entlassungen verhindert werden, setzte sich durch.

Diesmal hatten wir die Altersgrenze auf 58 Jahre gelegt. Dadurch kamen die beiden Jahrgänge, die schon wieder hineingewachsen waren und ein weiterer Jahrgang in den Bereich der Frühpensionierung. Das waren zu diesem Zeitpunkt fast 4% der Belegschaft, die so hinausbefördert werden konnten.

Diesmal waren die Bedingungen für die Frührentner schon nicht mehr so günstig wie bei der ersten Aktion, doch die Früpensionierten hatten sich nicht alles durchgelesen und bemerkten es erst hinterher. Für uns war wiederum wesentlich, daß wir die Übergangszahlungen fast völlig auf die Rentenkassen und Arbeitslosenkassen abwälzen konnten. Wiederum klappte es im wesentlichen, daß der Rest der Belegschaft deren Arbeit mitmachte, wenn es auch zu einzelnen Reklamationen kam.

Dann kamen die neunziger Jahre. (...) Nun hatten wir auch einen Standort im Osten. Jede neue Produktionslinie wurde nun ausgeschrieben, ob man sie in [Ausland], im Osten oder im Mutterwerk ansiedelt. Alle mußten Kosten senken oder es wurde wieder mit Entlassungen gedroht. (...)

Das waren die großen Zeiten der Flexibilisierung. Wir konnten weitgehend die Überstundenzuschläge abschaffen. Das ergab deutliche Einsparungen. Die Produktionsarbeiter bekamen Stundenkonten, auf die ihre Überstunden kamen und wenn die Konten bis an die Grenze voll waren, akzeptierten die meisten weitere Überstunden, die dann verfielen. Auch dieser Effekt ergab Kosteneinsparungen. Zusammen mit den Automatisierungen konnten wir jetzt die Personalkosten auf 28% senken.

Dann kam die Öffnungsklausel im Tarifvertrag für „notleidende“ Unternehmen, die es erlaubte, den Samstag als Regelarbeitstag einzuführen und jegliche Zuschläge für Samstagsarbeit abschaffte. Es gelang uns, eine scheinbare „Notsituation“ im Mutterwerk zu simulieren, indem Mittel in den Osten verlagert wurden und schon fielen auch die Zuschläge für Samstagsarbeit weg.

Bei jeder der Tariferhöhungen rechneten wir nun auch unsere übertarifliche Leistungen an, so daß bis etwa zum Jahr 2000 solche Leistungen zur extremen Ausnahme geworden waren. Wir zahlten nun puren Tarif. So schafften wir es, unseren Personalkostenanteil bis dahin auf etwa 25% der Gesamtkosten zu reduzieren. (...)

Die Gerüchte über anstehende Entlassungen wurden nun die Regel. Im Werk im Osten wurde geflüstert, es würden Produktionen ins Ausland verlegt, im Mutterhaus, sie würden in den Osten verlegt. Die Drohung, in den Osten umziehen zu müssen, wirkte fast so gut wie die Entlassungsdrohung. (...)

Nun wurden in beiden Werken regelmäßig Frühverrentungen durchgeführt. Allerdings waren nun die Bedingungen für die Frührentner deutlich ungünstiger. Nach der vorherigen Frühverrentungsaktion waren die Kandidaten schon deutlich vorgewarnt, denn eine große Zahl der Frührentner vom letzten Mal hatte gedacht, die gleichen Bedingungen wie die ersten zu bekommen, bekam sie aber nicht.

Jetzt waren alle sehr skeptisch und fanden bald heraus, daß die Zeit bis zur Verrentung mit einem geringen Zuschuß überbrückt werden mußte und zusätzlich auch noch mit 63 oder bei Frauen mit 58 in Rente gegangen werden mußte und damit ein deutlicher Abschlag an der Rente hinzunehmen war. Diesmal bekamen wir nicht genug Freiwillige zusammen, obwohl wir diesmal die Aktion für alle ab 56 geöffnet hatten. Wir mußten eine Zwangs-Frühverrentung durchführen, was eine Menge mehr Arbeit bedeutet.

Nach dieser neuen Verrentungsaktion gab es erste Schwierigkeiten an einigen Stellen in der Produktion und im Lager und Versand. Es fehlten erfahrene Kräfte, die schon fast jeden Typ von Problemen erlebt hatten und wußten, wie zu reagieren war. Die Verbliebenen hatten außerdem nicht mehr die absolute Identifizierung mit der Firma, wie sie früher unsere Belegschaft ausgezeichnet hatte. Wenn man unter der ständigen Drohung von Entlassung steht, hebt das nicht die Arbeitsmoral. Die nun deutlich verjüngte Belegschaft ließ einige Male voraussehbare Fehlleistungen oder Unfälle sehenden Auges geschehen, weil – wie einer sich ausdrückte – „sollen die doch den Karren an die Wand fahren“. (...)

Diesmal konnten wir von der Frühverrentungsaktion nur geringfügig mit verringerten Kosten profitieren, denn den verringerten Personalkosten standen Anstiege anderer Kosten gegenüber. (...)

Zwar wurden die Fehlzeiten deutlich verringert wegen der ständigen Angst vor Entlassung, aber gleichzeitig gingen Genauigkeit und Arbeitsgeschwindigkeit zurück.

Auch im Osten machten wir eine Frühverrentungsaktion, die dort besser angenommen wurde, so daß wir dort bei der Freiwilligkeit bleiben konnten. Auch war die Arbeitsmoral dort besser, so daß wir eine Anzahl neuer Produktionslinien dorthin legten. Damit waren aber im Mutterwerk erneut Maßnahmen zum Personalabbau angesagt. Wir offerierten für Freiwillige die Übersiedlung in den Osten, das nahmen aber nur 9 Arbeiter an. Damit mußte nun schon die vierte Frühverrentung angesetzt werden, zu erneut verschlechterten Bedingungen. Diesmal setzten wir das Mindestalter auf 50 Jahre und planten das Ganze von Anfang an als Zwangs-Frühverrentung.

Der Vorstand hatte diesmal nicht die Frühverrentung vorgeschlagen, sondern die Summe genannt, die an Personalkosten eingespart werden sollte. Wir hatten nun einen deutlich verjüngten Vorstand (der nun fast ohne Fachleute auskam und im wesentlichen von Juristen und Betriebswirtschaftlern gebildet wurde), der den einzelnen Werksbereichen nun jährlich Vorgaben gab, die bis Ende des Jahres erreicht werden mußten. Für uns in der Personalabteilung waren das nun Personalkostenverringerungen.

Ich hatte im Gespräch mit dem für mich zuständigen Vorstandsmitglied darauf hingewiesen, daß meine Vorgabe nur mit massiver Personalabbau umgesetzt werden könnte und dies voraussichtlich zu Engpässen in Produktion, Vertrieb, Lager und Auslieferung führen würde. Auch die Instandhaltung würde wohl über alle Maßen ausgedünnt – speziell, wenn der Abbau wieder über Frühverrentungen abgewickelt würde.

Er beschied mir aber kühl, ich solle mich nicht um Bereiche außerhalb meiner Verantwortung kümmern, das müsse ich dem Vorstand überlassen. Wenn eine weitere Frühverrentungsaktion nachteilig sei, dann könne ich ja eine „einfache“ betriebliche Entlassungsaktion ansetzen. Die Gespräche mit dem Betriebsratsvorsitzenden ergaben aber, daß er Entlassungen quer durch die Abteilungen anhand von durch die Abteilungsleiter zu erstellenden Listen, wie ich sie als Alternativkonzept vorgesehen hatte, für ihn nicht akzeptierbar waren.

Er sagte mir, daß wir dem Betriebsrat immer einen Spielraum für gewisse „Verbesserungen“ lassen müßten, sonst könne der Betriebsrat und die Gewerkschaft nicht mehr garantieren, daß die Arbeiter im Betrieb still hielten, die sowieso schon eine ziemliche Wut im Bauch hätten. Konkret hieß das, ich kündigte die Entlassungsaktion an, die in diesem Fall 10% der Belegschaft betreffen sollte – und der Betriebsrat würde dann in „zähen Verhandlungen“ mit mir das Schlimmste abwenden und die Aktion in eine Frühverrentung umwandeln können. So geschah es.

So wurden praktisch alle, die 50 und mehr Jahre alt waren, aus der Firma in die Frührente abgeschoben. Die Abteilungsleiter standen Schlange bei mir, um zu protestieren, aber ich verwies sie alle auf den Vorstand – der sie dann wieder an mich verwies. (...)

Für jenes Jahr wurde dann auch eine generelle Nichtübernahme verkündet. Die Ausbildungsplätze waren zu diesem Zeitpunkt bereits auf 40% unseres früheren Standes zusammengestrichen worden. (...)

Tatsache war, daß nach dieser vierten und bei weitem größten Frühverrentungsaktion wirklich ernste Probleme in den schon genannten Bereichen auftraten.

Speziell die Instandhaltung war von der „Ausdünnung“ betroffen. Da die speziellen Probleme der Instandhaltung an keiner Hochschule gelehrt werden, waren hier die erfahrenen Mitarbeiter unersetzlich. Die Kenntnis von Hunderten von „Tricks“, die erfahrenen Instandhalter anwenden, waren mit den älteren Mitarbeitern verschwunden. Die Verbliebenen wußten zwar die Theorie, die Praxis ist aber weit vielfältiger. Das Ergebnis waren deutliche Anstiege an Ausfällen von Maschinen und Anlagen mit extrem kostenintensiven Ausfällen von Produktion und mit teuren und langandauernden Reparatureinsätzen, die von außerhalb zugekauft werden mußten.

Aber auch die Produktion als solche hatte nun Mängelrügen, Fehlchargen und andere kostspielige Ausfälle in einer weit höheren Anzahl als zuvor. Die vorher üblichen Maßnahmen, solche Ausfälle hereinzuarbeiten, klappten nicht mehr. Die Leistung der Arbeiter pro Stunde nahm ab statt zu. Andauernd standen Leute ohne Arbeit in den Hallen herum, weil technische Mängel aufgetreten waren. Die Meister, die vorher geschworen hatten, sie hätten alles im Griff, mußten nun zugeben, daß die erfahrenen Mitarbeiter, die oft wußten, was zu tun war, nicht so ohne weiteres ersetzt werden können. Viele Probleme hatten die Arbeiter und Vorarbeiter vorher selbst gelöst, ohne daß der Meister auch nur davon erfuhr. Nun waren die entscheidenden älteren und erfahrenen Vorarbeiter nicht mehr da.

Ähnliches galt für den Vertrieb, das Lager und die Auslieferung. Als die Abteilungsleiter merkten, daß sie plötzlich deutlich angestiegene Kosten in ihren Abteilungen hatten, versuchten sie, mit der Einführung striktester Regeln und ständigen Überwachungen dagegen vorzugehen. Aber das war die „falsche Medizin“. Es handelte sich nicht um die Folge von Undiszipliniertheiten, sondern um mangelnde Erfahrung. Nun fühlten sich die Verbliebenen auch zusätzlich noch nicht genügend respektiert, was erneut die Arbeitsmoral verschlechterte. Der vorher schon erwähnte Effekt des „laß sie es doch an die Wand fahren“ wurde so noch verstärkt und die Kosten stiegen noch mehr.

Das Jahr 1998 war dann ein gespanntes Jahr mit andauernden Krisensitzungen. Die Kosten waren höher als bei der Konkurrenz, das machte sich bemerkbar : Der Absatz stagnierte. Der Vorstand versuchte verzweifelt herauszufinden, was eigentlich die gestiegenen Kosten verursacht, war aber dabei auf der Suche nach Sündenböcken und nicht den wirklichen Ursachen. Ich wies mehrmals in solchen Sitzungen darauf hin, was wirklich vorgefallen war, aber der Vorstand wollte das nicht wahrhaben, denn damit hätte er seine eigene Verantwortung zugestanden.

Im Jahr 1999 zischelte mir sogar einer der Vorstände einmal zu, ich solle mich in Acht nehmen mit solchen Vorwürfen. Wie zu erwarten, wurde mir für Ende des Jahrtausends eine Frühverrentung verpaßt, angeblich zum 60. Geburtstag, aber ich wurde erst im Jahre 2000 Sechzig.

Noch im Jahre 99, ich hatte bereits eine schöne Übergangszahlung für die fünfeinhalb Jahre bis zur Rente im Vertrag, wechselte der Besitzer der Firma. (...)

Offenbar war es nicht verborgen geblieben, daß die Firma mit höheren Kosten als die Konkurrenz arbeitete und jemand glaubte, mit seinen Patentrezepten die Firma wieder auf Kurs bringen zu können und dann mit Gewinn wieder zu verscherbeln.

Es wurde in gigantischem Ausmaß in Automation und Computerisierung investiert, allerdings alles auf Pump. Ich bezweifelte damals schon, ob das der Ausweg wäre, aber es interessierte mich in Wirklichkeit schon gar nicht mehr.

Tatsache war, daß die Kosten nun erneut angestiegen waren durch die Zins- und Tilgungskosten der Finanzierung. (...)

Zwei Jahre nach meinem Ausscheiden wurde die Firma als Sanierungskandidat erneut verkauft. Inzwischen hatte es schon massive Entlassungen gegeben. (...)

Heute liegt die Firma in den letzten Zügen. Sie hat nur noch ein Drittel der Belegschaft. Voraussichtlich noch dieses Jahr wird ein Vergleichsverfahren erwartet – ob das noch etwas retten kann, ist zweifelhaft.

Ich hoffe, es wurde nicht auch die Kasse der Zusatzrente geplündert. Wenn ich mit meiner Rente auskommen müßte......“

Mittwoch, 13. Mai 2009

Zwei Maße, zwei Gewichte

Die Politik rettet die Banken – für die Bürger bleibt nichts übrig

Von Karl Weiss

Immer wenn jemand ein Konjunkturpaket gegen die Krise fordert, das tatsächlich unmittelbar in Nachfrage übergeht – also eines, das die unteren Einkommensschichten begünstigt – kommt von den westdeutschen Blockflötenparteien heftige Ablehnung – das würde wirkungslos verpuffen. In Wahrheit würde ein Programm in der Größe der Hilfen für die Banken (1000 Milliarden) die Tiefe der Krise in Deutschland gewaltig vermindern, Hunderttausende von Entlassungen verhindern. Das müsste natürlich durch eine Reichensteuer neutralisiert werden.

Aber de „Einheitsfront“ aus CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen will das nicht einsehen. Das Beispiel Frankreich lässt diese Leute kalt. Sie kümmern sich ausschließlich um die Banken. Nach dem ersten großen Paket von 500 Milliarden Euro, das bereits zum größten Teil verbraucht ist, hat man nun das System der ‚Bad Bank’ erfunden, die sich jedes Institut selbst schafft. Man hält konsequent geheim, wieviel da an weiteren Zahlungen auf den Steuerzahler zukommt. Die Schätzungen von Experten liegen zwischen weiteren 400 bis 500 Milliarden Euro.

Damit hat man also für die Banken bereits um die 1000 Milliarden Euro ausgegeben bzw. garantiert - und da sind die massiven Zahlungen für die Commerzbank und jene für die Hypo Real Estate wie auch die IKB und die noch anstehenden für die Landesbanken noch gar nicht eingeschlossen.

Zwar wird da behauptet, das müsse ja nicht automatisch alles tatsächlich in Zahlung umschlagen, weil viel ja nur Garantien sind und außerdem gebe es auch ein System der Rückzahlung, aber die Experten geben keine grosse Chance, dass irgend ein nennenswerter Teil dieser Gelder nicht ausgegeben werden muss bzw. tatsächlich nennenswert zurückfließt.

Die Experten warnen vielmehr, dass da einige Banken schon wieder anfangen, munter zu spekulieren, also bereits die nächste Bankrott-Erklärung ansteuern, die dann wieder mit Steuergeldern verhindert werden muss.

Cerstin Gammelin nennt diese ganzen noch ausstehenden Risiken in der „Süddeutschen“ eine „Zeitbombe“.

Deutsche Bank-Ackermann redet schon wieder von 25% Gewinn über Kapital. Woher soll das kommen, wenn im Moment eine hervorragend geführte Firma eines wenig von der Krise betroffenen Industriezweiges gerade mal 3% über Kapital erzielen kann? Nur aus riskanten Wetten!

Dabei zahlen die Dax-Konzerne, also die großen Industrie- und Dienstleistungsfirmen, dieses Jahr insgesamt 22 Mrd. Euro an Dividenden! Das sind nur etwa 20% weniger als der Rekord im Vorjahr. Alles macht weiter wie gehabt: Shareholder Value! Die Arbeiter stehen in Kurzarbeit und haben die Entlassung zu erwarten, die Aktionäre erhalten fast ungebremste Zahlungen! Das ist der Kapitalismus!

Irgendwelche einschneidenden Beschlüsse gegen die Spielkasino-Mentalität in den Banken hat niemand bisher gefasst und es sieht auch nicht so aus, als ob da etwas Vernünftiges käme. Redet man zum Beispiel vom Verbot der Leerverkäufe, so bricht man schon in Geschrei aus: „Sozialismus! Sozialismus!“. Wird eine auch nur geringfügige Steuer auf rein spekulative Finanztransaktionen von über 10 Millionen Euro angeregt, so erklärt man das Kind (der Kapitalismus) dürfe nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Kurz: Man hält sich bedeckt, wartet ab, bis es besser wird und macht weiter wie gehabt. Ackermann ist das lebende Denkmal dieser Haltung.

Auch Frau Merkel hat bereits deutlich gemacht: Sie will einfach auf Tauchstation gehen, die Krise durchstehen und glaubt danach wie Phönix aus der Asche wieder auferstehen und genauso weitermachen zu können wie vorher.

Besonders beeindruckend unser Lieblingspolitiker Westerwelle: Für ihn gibt es keine Krise und dementsprechend muss man ja auch nichts ändern. Nun, die Klientel der FDP steht natürlich auch in der Krise weiterhin gut da (macht es etwas aus, ob man 22 Milliarden hat oder nur noch 17 Milliarden?) und so hat er auch irgendwie Recht.

Nur: Es wird kein Zurück auf die Wirtschaft vor der Krise geben. Nach allen Einschätzungen und ohne die sozialen Verwerfungen einzurechnen, steht bereits fest: Das Niveau nach der Krise, sei es im Jahre 2015 oder 2019, wird deutlich unter dem von 2008 (1.-9.) liegen – falls es überhaupt ein `nach der Krise` innerhalb des kapitalistischen Systems geben wird.

Aber das alles wird der Politik heute ziemlich egal sein. Sie will gut durch die Wahlen im September kommen und die Krisenfolgen sollen sowieso auf uns, die kleinen Leute, abgeschoben werden. Nun, man wird sehen. Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn die kleinen Leute etwas dagegen haben und dagegen tun.


Veröffentlicht am 13. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Freitag, 8. Mai 2009

Kein Ende der Krise

Die Optimisten übersehen die wichtigste Zahl

Von Karl Weiss

Es ist genau umgekehrt: Während allenthalben eine Verringerung der Krise heruasposaunt wird, die Aktienmärkte sogar (relativ) boomen, während offiziell eine geringfügige Verringerung des Abschwungs der Produktions- und Verkaufszahlen registriert wird und manche schon das Erreichen der Talsohle kommensehen, zeigen die nackten Zahlen ein ganz anderes Bild. Die wichtigste Zahl ist dabei die des Kurses der US-Dollarbonds (Auf Deutsch: US-Staatsanleihen in Dollar). Dieser fällt, nachdem er im Dezember ein Hoch erlebte, seitdem konstant. Und das will heißen: Ernsthafteste Probleme sind für die Weltwirtschaft am Kommen!

Deutschland: Umsatz gewerbe 2007 bis März 09, 2005 gleich Hundert
Die kleinen Häkchen da unten in diesem Bild sollen als Hinweis dienen, dass die Krise vorbei sei. Das ist natürlich Unsinn. Sollte sich der Umsatz des gewerbes in Deutschland wirklich auf diesem Niveau stabilisieren, ist das bereits eine Katastrophe, aber nicht einmal das ist garantiert. Man sehe nur den Umsatz der konsumgüterindustrie ohne Häkchen!

Die aktuelle Situation der Dollar-Bonds wird von der Financial Times Deutschland (FTD) so beschrieben:

„Es geht langsam zur Sache. In Amerika ist der Kurs von 30-jährigen Staatsanleihen seit dem Hoch im Dezember inzwischen um 24 Prozent gefallen - trotz der direkten Anleihenkäufe durch die Fed. Dennoch rentieren 30-jährige in den USA gerade mal mit knapp 4,1 Prozent. Das ist schon mit Blick auf das diesjährige US-Fiskaldefizit von rund 2 000 Mrd. $ recht jämmerlich ... Also wird die Fed - ob direkt oder mithilfe der Geschäftsbanken - für große Teile des Budgetdefizits aufkommen müssen. (...) Trotz der derzeit überaus niedrigen Kapazitätsauslastung könnten die inflationären Konsequenzen der Geld- und Fiskalpolitik daher überraschend schnell sichtbar werden ... Selbst in diesem deflationären Szenario übersteigen die Chancen von Staatsanleihen deren Risiken daher nur bedingt.“

Klar? Versuchen wir einmal, das in Deutsch zu übersetzen, ohne in Alarmismus zu verfallen: Der Staat „Vereinigte Staaten von Amerika“ hat im Prinzip zwei Möglichkeiten, seine (im Moment natürlich sehr hohen) Defizite zu finanzieren: Durch Verkauf von Staatsschuldverschreibungen (Dollar-Bonds) oder durch Drucken von Geld. Über die Dollarbonds wird das immer schwieriger, weil man sie nicht mehr so leicht los wird, weil die möglichen Käufer sie nur noch mit Abstrichen als „sicheren Hafen“ ansehen können („Chancen übersteigen Risiken nur bedingt“). Es lässt sich absehen, das Defizit kann dadurch nur in Teilen finanziert werden. Man wird also in steigendem Umfang Geld drucken müssen. Das ist bei einer Welt-Reservewährung nicht unmittelbar und unbedingt inflationstreibend, aber nur in gewissem Rahmen. Geht man von einer weiteren Vertiefung der Krise mit vielen neuen Entlassungen aus und von einem andauernd verringerten Konsumumfang in den USA, so erscheint nun deutlich am Horizont die Gefahr einer Inflation des Dollars, die schnell in Hyperinflation und die völlige Entwertung des Dollars übergehen kann.

Was das heißt, ist völlig unabsehbar. Ein Zusammenbruch des Dollar würde das ganze Finanz- und Wirtschaftssystem der Welt außer Kraft setzen, denn alles ist auf Dollars und Dollaranleihen aufgebaut. Wenn man behauptete, manche Banken seinen einfach zu groß, als dass man sie Pleite gehen lassen könnte und damit die Hunderte von Milliarden von Dollar für die Banken rechtfertigte, so trifft dies hundert Mal mehr auf den Dollar zu.

Nur, wenn der ins Uferlose fällt, wird es nicht genug Hunderte von Milliarden geben, um das aufzuhalten. Es wird der Übergang ins Chaos sein, jedenfalls was Finanzwelt und Wirtschaftsleben betrifft.

Interessant, dass dies so versteckt angedeutet wird und niemand offen über diese Gefahr spricht, geschweige denn etwas dagegen unternommen wird.


Veröffentlicht am 7. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 5. Mai 2009

Deutschland und High-Tech passen nicht zusammen!?

'Shareholder-Value' führt zum Desaster

Von Karl Weiss

Es war schon vor dem Ausbruch der multiplen Krise ein Schwachpunkt, aber nun hat sich der deutsche Anteil an den High-Tech-Exporten auf der Welt noch weiter verringert. Während China die USA (16,3%) als Welt-Leader überholt hat und nun für 19,1% der Welt-High-Tech-Exporte verantwortlich zeichnet, fiel Deutschland auf lediglich 1,1% zurück. Von den Europäischen High-Tech-Exporten, die sowieso nur 14,6% des Weltmarktes ausmachen, fallen auf Deutschland gerade mal 7,7%!

Scheinbar hat Deutschland sich entschieden, auf dem High-Tech-Sektor (Elektronik, Informatik, Datenverarbeitung usw.) nicht präsent zu sein. Hat Deutschland das wirklich entschieden? Vor welchen Wahlen haben welche Parteien dies auf ihr Banner gehoben und wurden gewählt? Nun, das geschah nie. Diese Entscheidungen wurden vielmehr von Konzernlenkern getroffen, die statt Deutschland entscheiden. Das nennt man Diktatur.

Anteile an Weltextport von Hightech

Die Märkte, so wurde uns von unseren schlauen Politikern immer wieder ins Ohr geblasen, lösen alle Probleme, man muss sie nur frei wirken lassen und sich jedes Eingriffs enthalten. Nun, die Märkte haben Deutschland abgehängt. Warum? Sind deutsche Köpfe weniger einfallsreich als chinesische? Natürlich nicht!

Was also hat den deutschen Ausstieg aus der High-Tech-Welt verursacht? Die Märkte! Die Märkte in Form von Entscheidungen grosser Unternehmen, die desaströs waren. Theoretisch müssten sich nach der Theorie der Apologeten des Kapitalismus alle Marktteilnehmer extrem vernünftig verhalten und alle Aspekte einer Entscheidung erwägen, bevor entschieden wird. In Wirklichkeit sind es mehr oder weniger schlaue Konzern-Lenker, die solche Entscheidungen treffen.

Deutschland war eigentlich gar nicht so schlecht aufgestellt für den Kampf um die Weltmärkte in der High-Tech-Welt. Jeder, der in den Siebziger Jahren z.B. ein wenig Köpfchen hatte, konnte vorhersehen, dies würde ein neues Riesengeschäft werden.

In der Unterhaltungselektronik z.B. war Deutschland eine Weltmacht. Da gab es Grundig, gab AEG und Telefunken, die dann zusammen gingen und gab noch eine Anzahl anderer wie Loewe etc. Doch all das wurde verspielt. Der Herr Grundig z.B. war einer jener typischen deutschen Konzernlenker, wie sie auch in anderen Branchen üblich sind: Überheblich mit Anflügen von Grössenwahn, verträgt keine Kritik, Selbstkritik existiert nicht, umgibt sich mit Speichelleckern, mobbt oder entlässt jeden selbständig Denkenden und steht schliesslich vor dem Scheiterhaufen seines Unvermögens: Die Firma geht den Bach hinunter und er sucht immer noch bei anderen die Schuld.

Diese Beschreibung, die sich auf Herrn Grundig bezog, kann man fotokopieren und auf andere bekannte Konzernlenker in Deutschland anwenden und muss kein Wort ändern: Da gab es einmal einen Herrn Borgward, der eine ganz Autofabrik gegen die Wand fuhr, dann einen Herrn Schlieker, bei dem es eine Werft war. Doch auch in letzter Zeit haben wir Beispiele. Der Herr Merkle z.B., der die ‚ratiopharm’ zu einem Konzern machte und dann eigenhändig in den Abgrund steuerte. Er brachte es sogar fertig, sich anschliessend vor einen Zug zu werfen – das war erst vor einer Anzahl von Wochen.

Das beste Beispiel aus anderen Industriezweigen, das wir im Moment bewundern können: Frau Schaeffler, die Witwe eines Konzernlenkers und Besitzerin einer grossen deutschen Industrie-Gruppe für Kugellager und Autoteile.

Sie hat alle Rekorde an Ignoranz gebrochen und tut es weiterhin: Zuerst glaubte sie, ohne Schwierigkeiten die weit grössere Continental-Gruppe schlucken zu können, den letzten verbliebenen wesentlichen deutschen Reifenhersteller, der sich inzwischen auch schon mit anderen Auto-Teilen diversifiziert hatte. Jeder vernünftige Ratgeber hätte sie dringend davor gewarnt, denn dies war nur mit unsinnig riskanten Bankkrediten möglich, welche die Banken zwar gaben (um 25% Gewinn über Kapital zu erreichen), aber zugleich als „Junk“, also als Abfall angesehen werden mussten.

Aber da waren natürlich keine vernünftigen Ratgeber, nur Ja-Sager, die sie in ihrer Umgebung duldete. Stattdessen hielt sie sich Politiker der „christlichen“ Parteien als Schosshündchen. Als die Finanzkrise begann, die Wirtschaftskrise abrupt zu beschleunigen, waren die Schäffler-Gruppe (und auch Continental) unter den ersten und am heftigsten Leidtragenden. Umsatzeinbrüche führten zu Verlusten und die benötigten Bankkredite waren zu normalen Bedingungen nicht mehr zu erhalten.

Doch nun entblödete sie sich nicht, Staatshilfe für ihre angeschlagene Doppel-Gruppe zu fordern und einen der ihr „nahestehenden“ Politiker dafür einzusetzen. Der damalige Wirtschaftsminister Glos von der CSU erklärte bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, man müsse der Schaeffler-Gruppe mit Steuergelder-Milliarden helfen, „weil da so viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden“, ohne zunächst das Ausschöpfen ihres auf viele Milliarden geschätzten Vermögens zu fordern. Glos bestand so intensiv darauf, dass man ihm den Rücktritt nahelegen musste – den er dann schliesslich auch bekanntgab.

Währenddessen trat Frau Schaeffler in Davos in einem Hundertausend-Euro-Pelz auf, was ganz zweifelsfrei ihre genaue Kenntnis von Angemessenheit belegt. Sie wiederholte damit allerdings nur die Attitude der Detroiter Autokonzernlenker, die zum ersten Hearing über ihre Bitten nach Steuerzahlermilliarden in Washington mit dem Privatjet anreisten.

Inzwischen hat sich die Situation bei Schaeffler/Continental so zugespitzt, dass Frau Schäffler sich auf einer Aktionärsversammlung, dem einzigen Ort, an dem deutsche Konzernlenker noch mit (Teilen) der Wahrheit konfrontiert werden, von einem Fachmann hören musste, wahrscheinlich seinen schon beide Gruppen nicht mehr zu retten und sie sei nur Chefin von Nichts.

Doch - wie wir unten noch sehen werden - die oben Herrn Grundig zugeschriebenen Eigenschaften sind nicht nur unter Familien-Firmen-Chefs verbreitet, sondern genauso unter Chefs von Aktiengesellschaften, denn dorthin kommt man im wesentlichen, weil man besser intrigieren und antichambrieren kann als andere.

Nun aber zurück zum High-Tech-Sektor: Auch auf dem Gebiet von Computern, Computerteilen, Gadgets, Datenverarbeitung im allgemeinen und Software war Deutschland damals keineswegs schlecht gestellt. Speziell einer der grössten deutschen Konzerne, Siemens, schien prädestiniert dafür, ein grosser Spieler auf diesem Feld zu werden. Man hatte Chip-Herstellung, Herstellung anderer Computercomponenten, man kaufte den Paderborner Computer- und Software-Spezialisten Nixdorf, man hatte eine eigene Handy-Firma, die unter den weltweit Führenden war und vor allem, man hatte an einer Reihe von Standorten in Deutschland und ausserhalb Teams von hochspezialisierten Fachleuten auf diesem Gebiet.

Doch die jeweiligen Chefs von Siemens hatten, wie fast alle anderen Konzernchefs, die 3-Monate-Krankheit: Das einzige, was interessiert, ist der Profit der nächsten drei Monate und damit die Vorausschau auf die Dividende und damit die Attraktivität der Aktie. Diese Irrsinnspolitik (selbst einer ihrer heftigster Verfechter in der Vergangenheit, der CEO der General Electric in den USA, musste nun zugeben, es war eine schädliche, unsinnige Politik) lief unter dem Namen „Shareholder-Value“. Sie war einer der wesentlichsten Komponenten dessen, was weltweit einen verschärften Konkurrenzkampf um die Märkte hervorgerufen hatte und was „Globalisierung“ genannt wurde und was die Hauptursache der sich gegenwärtig verbreitenden Krise war.

Sie beinhaltete für alle grossen Konzerne, sich auf die profitabelsten ihrer Arbeitsgebiete zu konzentrieren und alle anderen zu verkaufen oder auszulagern. So haben zum Beispiel die meisten Chemie-Konzerne, soweit sie ausreichend grosse Pharma- und/oder Biotechnik-Sparten und/oder Agro-Business-Sparten hatten, sich auf diese konzentriert und sonstige Geschäfte, vor allem die eigentliche Chemie, verkauft oder ausgelagert. Das trifft zum Beispiel auf Bayer zu, auf die Hoechst (die inzwischen schon vom französischen Rivalen geschluckt wurde und völlig vom Markt verschwand), auf die damalige Ciba-Geigy und auf Hoffmann-LaRoche.

Und so handelte Siemens unter Löscher, Vorgänger Kleinfeld oder Vorgänger von Pierer etc. etc.: Die traditionellen Arbeitsgebiete von Siemens wie Industrietechnik, Militärtechnik, Kraftwerkstechnik und Medizintechnik wurden als die profitabelsten zum „Kerngeschäft“, während High-Tech, das immer noch einen sehr kompetitiven Markt hat und daher keine höchsten Erträge hervorbingt, zum Aussterben verurteilt wurde: Man lagerte aus, wie Infineon und als Sekundär-Auslagerung Quimonda, die vor einem Monat pleite ging, man brachte in Joint-Ventures ein, was am Ende immer auf den Verkauf oder sogar die völlige Schliessen hinauslief wie bei den Siemens-Handys, die zu Ben-Q wurden und dann ganz schlossen, wie Fujitsu-Siemens-Computer, in das man zuerst die Computersparte zu einem Joint-Venture mit der japanischen Fujitsu-Gruppe einbrachte und jetzt – Meldung vom 3.5.09 - für einen Pappenstiel ganz den Japaner in den Rachen warf, oder man schloss gleich selbst.

So blieb nur ein erwähnenswerter Spieler auf dem High-Tech-Feld in Deutschland: SAP, das Firmensoftware anbietet.

Bemerkenswert: Die Quimonda hatte kurz bevor sie pleite ging, einen zukunftsweisenden Chip entwickelt, der weit weniger Energie benötigt als konventionelle, aber so oder so ging die Firma pleite – egal ob sie über dringend von der Menscheit benötigte Technik verfügt oder nicht.

Zur Meldung der Übergabe der letzten erwähnenswerten Computer-Produktion in Deutschland an die Japaner von Fujitsu schreibt ein Leser in FAZ.net am 3.5.09 folgendes:

„So verabschiedet sich Deutschland auf seinem steten Weg zum Entwicklungsland Schritt um Schritt von seiner Position als Hightech-Nation. Der Computer wurde hierzulande erfunden, künftig müssen wir alle importieren. Das erste Fernsehprogramm der Welt lief in Deutschland. Können Deutsche heute überhaupt noch einen Flachbildschirm bauen? Hier flogen auch die ersten Düsenjets, und die amerikanischen Weltraumraketen sind Abkömmlinge der V2 (ja, es ist tatsächlich so). Beim Bau des Airbus' liegt der Hightech-Bereich bei den Engländern und Franzosen, offensichtlich völlig zu Recht. Die legendäre Fototechnik, der Wankelmotor und ... und... und. Alles das machen jetzt Japaner, Koreaner, Chinesen und natürlich die Amerikaner, die nicht daran denken, sich aufzugeben. Dass wir unter den Industrienationen im Bereich der Schulausbildung und der Kinderarmut beschämende Plätze einnehmen und die Unis nicht mehr Weltspitze sind, ist bekannt. Aber, alles nicht so wichtig. Was wirklich interessiert, sind die Polit-Provinzpossen in Hessen, Bayern und Berlin.“

Dabei ist es dann besonders interessant, dass die Produkte der Kerngeschäfte von Siemens fast vollständig an öffentliche Kunden, also Staaten oder Länder oder andere öffentliche Verwaltungen gehen, was zum bekannten Siemens-Skandal geführt hatte: In zig Ländern auf der Welt hat Siemens offenbar mit Bestechung die Aufträge eingesackt und dabei auch reihenweise Gesetze gebrochen. Wenn nun klar ist, dass diese Kerngeschäfts-Bereiche nicht mehr so gut laufen werden, weil man nun nicht mehr ganz zu unverfroren mit Korruption weitermachen kann, so wäre ein Umdenken eigentlich angebracht. Aber erst im März hat man sich vom verbliebenen Anteil an Infineon getrennt und, wie gesagt, die Bekanntgabe der Siemens-Entscheidung, sich endgültig vom Computergeschäft zu trennen, ist vom 3.5.09. Man ist also weiterhin auf dem Shareholder-Value-Trip, man lernt einfach nicht dazu.

So wird denn mit diesen Siemens-Vorstandsvorsitzenden in langer Reihe deutlich: das Problem liegt nicht darin, dass bei Familienunternehmen jemand zum neuen Chef wird, der sich ausschliesslich dadurch auszeichnet, jemandes Sohn oder Tochter zu sein, oder jemand Richtigen geheiratet zu haben, das Problem liegt im System: Eine dem Zwang zu kurzfristigem Profit unterworfene kapitalistische Firma kann nicht im Interesse der Bevölkerung handeln, selbst wenn die Person an der Spitze es wollte.

Das kapitalistische System muss weg! Erst wenn wir, das Volk selbst, die wesentlichen Entscheidungen der Fabriken fällen, kann im Sinne der Bevölkerung produziert und gewirtschaftet werden.


Veröffentlicht am 5. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 14. April 2009

Italien ist der nächste Kandidat

Vorrevolutionäre Situation

Von Karl Weiss

Italien sieht sich in diesem Moment mit steigenden wirtschaftlichen und politischen Problemen konfrontiert. Die Industrieproduktion ist im Januar um über 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Das wird nur von wenigen Ländern übertroffen. Dazu kommen die nicht mehr abreißenden Demonstrationen und Manifestationen gegen das Regime Berlusconi und die immer mehr um sich greifende Macht der verschiedenen Mafia-Organisationen, die offenbar mit eben diesem Regime zusammenhängt.

Die deutschsprachige Südtiroler Zeitung ’Dolomiten’ sagt dazu „...leidet unter der globalen Rezession“, aber wesentliche Teile des Problems sind absolut hausgemacht.

Die Automobilindustrie Italiens (und das heißt im wesentlichen Fiat) verbuchte im Januar sogar einen Rückgang des Umsatzes von über 47%. Andere stark von der Schrumpfung betroffenen Bereiche der Industrieproduktion sind die Metall- und Chemie-Industrie. Die zu erwartenden Massenentlassungen werden zweifellos die Protestwelle noch anschwellen lassen.

Damit ist Italien in der Spitzengruppe der Schrumpfländer, die von Japan angeführt wird, das alles auf Export basiert hatte und nicht viel für die Stützung des Binnenmarktes tat und nun erntet, was es säte. Nicht weit dahinter Deutschland, das den Binnenmarkt mit Hartz und Co. bis zur Magersucht schrumpfte und fast 40% des Brutto-Inlandsproduktes mit Exporten erzielte. Auch hier das Resultat, das man hätte leicht vorhersehen können: 2. Platz auf der Liste der Schrumpfländer, denn die Exporte gehen in der Grössenordnung auf zwei Drittel zurück und eine Stützung des Binnenmarktes kommt ja für die Regierung nicht in Frage, während man Billionen für die Banken übrig hat.

Italien kämpft jetzt mit Großbritannien um den 3. Platz der Schrumpfländer-Liste. Nur gibt es da einen großen Unterschied: Die anderen drei Länder haben im wesentlichen stabile Staatsfinanzen, während Italien nicht nur hoch verschuldet ist, sondern auch mit hohen Aussenhandels-Defiziten und Budget-Defiziten zu kämpfen hat. Italien hat eine lahmende Binnennachfrage, weil die Reallöhne seit 2003 nicht mehr gestiegen sind - eine weitere "Errungenschaft" Berlusconis. In dieser Hinsicht übertrifft nur Deutschland die Lohnraubpolitik dort, denn hier gibt es bereits seit den neunziger Jahren keine Real-Lohnerhöhungen mehr.

Damit wird Italien jetzt von der Spekulation nach Griechenland, Portugal, Irland und Spanien als nächstes Land auf die Liste der Kandidaten für einen Staatsbankrott in Euro-Land gesetzt. Das heißt noch nicht, dass diese Staatsbankrotte unmittelbar anstehen, nicht dass sie überhaupt stattfinden werden, aber es heißt, dass eine Welle von Spekulationen gegen das jeweilige Land beginnt, welche die Situation noch verschlimmert. Vor allem macht sich das darin bemerkbar, dass die Staatsanleihen mit höheren Zinssätzen versehen werden müssen, damit man sie noch losschlagen kann.

Dazu kommt speziell bei Italien die soziale Unrast, die sich in riesigen Demonstrationen manifestiert und Spekulanten sehen vorrevolutionäre Situationen gar nicht gerne.

Nun, da der großmäulig angekündigte G20-Gipfel zu einem völligen Fehlschlag wurde, da nicht einmal ein paar der kleinen Maßnahmen gegen die ungehemmte Spekulation beschlossen wurden, die vorher gefordert worden waren, wird die weltweite Spekulation zu einem steigenden Faktor in der weiteren Entwicklung der Finanzkrise werden und eine Anzahl von Ländern gefährden. Nicht einmal die Rückkehr zu festen Wechselkursen wurde beschlossen, die wenigstens die Spekulation gegen Währungen eingeschränkt hätte - und ebensowenig das weltweite Verbot der Leerverkäufe als Waffe zum Niederreißen von Kursen, von Währungen, von Aktien, von Staatsanleihen und sonstigen Wertpapieren, ohne dass man dafür diese Werte vorher kaufen muss.

Damit kann man davon ausgehen, dass nicht nur eine Reihe von Ländern in Osteuropa, wie zum Beispiel Lettland, die Ukraine und Ungarn in ernsthafte Gefahr geraten, zu „failed States“ zu werden, sondern auch Länder der Euro-Zone wie eben Italien. Welchen Ausweg man da finden will, wenn die Spekulation nicht eingeschränkt wird, Deutschland und Frankreich schon erklärt haben, sie würden den Euro-Staaten nicht unter die Arme greifen und dann die Spekulation gegen den Euro beginnt, steht in den Sternen.

Wahrscheinlich wird man am Ende diesen Ländern doch helfen, um nicht den Euro einstampfen zu müssen.

Zu allem Überfluss hat der Reaktionär Berlusconi, dem von immer mehr Stimmen eine Verbindung mit Mafia-Organisationen nachgesagt wird, seine Partei, die ‚Forza Italia’, nun mit der rechtsextremistischen „Lega Norte“ zu einer gemeinsamen Rechtspartei vereint. Es gibt bereits eine ganze Reihe von Industrie-Bossen, die keine Bilder sehen wollen, auf denen sie Berlusconi die Hand schütteln. Unter diesen Bedingungen wird die Situation für den Ministerpräsidenten eines großen Industrie-Landes immer prekärer. Immerhin reden wir hier von der achtgrössten Industrienation.

Wer weiß, vielleicht werden in Italien auch bald die ersten Schiessbefehle auf Demonstranten gegeben werden wie in Thailand. Nach allen bisherigen Erfahrungen würde dies die Wut der Massen nur steigern.


Veröffentlicht am 14. April 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 9. April 2009

US-Arbeitslose jetzt offiziell bei 13,2 Millionen

Wie man Arbeitslosenzahlen manipuliert: US-Vorbild, Deutsche Nachahmer

Von Karl Weiss

In den USA sind die Arbeitslosenzahlen für März jetzt veröffentlicht worden. Die offizielle Arbeitslosenqote lautet jetzt 8,5%, das sind 13,2 Millionen Arbeitslose, 6,4 Mio mehr als vor Ausbruch der Krise. Das ist das höchste Niveau seit 26 Jahren – jedenfalls nach offizieller Zählung. In den letzten drei Monaten stieg die Arbeitslosigkeit mit auf das Jahr gerechnet unglaublichen 74 % steil an.

Dort, in den USA, wurde auch zuerst entdeckt, wie positiv es für eine Regierung sein kann, die Arbeitslosenzahlen in einem Land ein wenig nach unten „anzupassen“. Allerdings haben einige Nachahnmer, wie speziell die deutsche Bundesregierung, ihre Vorbilder inzwischen bereits um Längen übertroffen. Das interessiert, wenn aus den USA jetzt 8,5 % Arbeitslose gemeldet werden – während dort gleichzeitig etwa 20% der Bevölkerung in absoluter Armut leben - und wenn mal wieder die monatliche Märchenstunde von Nürnberg eröffnet wird.

Die Nachricht wurde als Horrorbotschaft gekennzeichnet: In den USA ist die Arbeitslosigkeit sprunghaft gestiegen. Jetzt seinen bereits 8,5% arbeitslos. Tatsache ist, die vorherige angebliche Arbeitslosigkeit von 5% war sowieso völlig unglaubwürdig. Nach neutralen Untersuchungen – vor der Krise – sind etwa 20% der US-Bürger im Bereich der absoluten Armut (die ist mit maximal 1 Dollar pro Tag und Person definiert). Es kann davon ausgegangen werden, diese 8,5%-Zahl bedeutet einen wesentlichen Anstieg jener 20%.

Die folgende „Kurze Geschichte der Manipulationen der Arbeitslosenzahlen“ in den USA wurde aus diesem Artikel übernommen und übersetzt:

http://www.harpers.org/archive/2008/05/0082023

„Einige Jahre nach dem Amtsantritt von Präsident Kennedy (1961) wurden Arbeiter, die nicht mehr auf Arbeitssuche waren (auch wenn der Grund war, dass es einfach keine Arbeit gab), aus der Zahl der Arbeitslosen herausgerechnet. Sie wurden als „discouraged workers“ bezeichnet, was man als ‚inaktive Arbeitslose‘ übersetzen kann. Allerdings tauchten sie damals noch in den Gesamtzahlen auf und man konnte daher leicht die wirkliche Artbeitslosenzahl errechnen.

Unter Richard Nixon wurde eine andere Neuerung eingeführt, um die Arbeitslosenzahlen zu minimisieren: Da es jeweils zwei Versionen gibt, die Zahlen ohne saisonale Anpassung und jene mit saisonaler Anpassung, wurde einfach dekretiert, dass man jeweils jene der beiden Zahlen veröffentlicht, die niedriger ist.

Die Reagan-Regierung fand eine weitere Quelle, wie man die Arbeitslosenzahlen manipulieren kann: Die ins Militär eingezogenen wurden nun als „Beschäftigte“ gezählt, nicht mehr als „Nicht Beschäftigte“.

Unter Clinton wurde dann die nächste „Korrektur“ angebracht: Man reduzierte nun einfach die Gesamtzahl der Arbeitskräfte, auf die sich die Prozentzahlen beziehen, indem die „discouraged workers“ ganz aus den Zahlen herausgenommen wurden, wenn sie nicht für mindestens ein Jahr Arbeit gesucht hatten. Das betraf etwa 4 Millionen Amerikaner, die vorher noch bei den „Nichtbeschäftigten“ aufgetaucht waren und nun ganz aus der Liste verschwanden, wodurch die Zahl der Beschäftigten im Vergleich zu denen nicht Beschäftigen deutlich anstieg."

Wenn also die letzte Meldung aus den USA lautet, die Arbeitslosigkeit habe 8,5% überschritten, so kann man ohne Übertreibung davon ausgehen, dass sie bereits deutlich die 12% passiert hat.

Ähnlich hat auch die deutsche Bundesregierung eine scheinbare Verringerung der Arbeitslosigkeit geschafft:

Zuerst wurden alle herausgenommen, die irgendwelche Mini-Jobs hatten mit einem Einkommen, das ihnen das Recht gibt, noch auf „Hartz IV“ aufgestockt zu werden. Dann bereinigte man die Arbeitslosenzahlen um die „Ein-Euro-Jobber“, obwohl dies laut Gesetzestext keine bezahlte Arbeit ist, sondern eine öffentliche Dienstleistung, zu der Hartz-IV-Empfänger verpflichtet werden können. Schon vorher hatte man die Leiharbeiter aus der Statistik für Arbeitslose herausgenommen. Dann wurden fast alle über 58 aus der Statistik genommen.

Als nächster Schritt wurden alle herausgenommen, die in irgendwelchen „Massnahmen“ untergebracht worden waren, auch wenn solche Massnahmen nicht mehr als überwachtes „Zeit-tot-schlagen“ wie etwa jene bei der Kolping in Würzburg und natürlich auch nicht bezahlt sind. Das, obwohl diese Personen weiterhin auf Hartz IV sitzen und völlig eindeutig Arbeitslose sind.

Schliesslich aber – und das war der „geniale“ Coup der Grossen Koalition unter Frau Merkel – hat man alle aus der Statistik herausgenommen, die an sogenannte Arbeitsvermittlungen ausgelagert worden waren. Diese Arbeitsvermittlungen vermitteln in Wirklichkeit keine Arbeit – es ist ja auch keine da -, sondern erfassen die Arbeitslosen, laden sie zu Vorträgen, geben ihnen einen Kurs, wie man Bewerbungen und Lebensläufe schreibt und halten sie einfach ausserhalb der Arbeitslosenzahlen – so als ob die Zahl der Arvbeitsplätze sich vermehren würde, wenn die Lebensläufe und Bewerbungen besser geschrieben werden.

Als letzte Massnahme, die noch dazu beiträgt, dass die Zahlen der Arbeitslosen in Deutschland zwar auch steigen , aber nicht so steil, wurden die arbeitslos Gemeldeten einer generellen Überprüfung unterzogen, was wohl bei einer nicht genannten Zahl unter irgendeinem Vorwand dazu geführt hat, dass sie nicht mehr gezählt werden zu brauchen. Die Nürnberger Anstalt hat sich geweigert, die Kriterien und Zahlen hierzu der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Nun, die Zahlen der OECD, die niemals zu übertriebenem Pessimismus geneigt hat, zur deutschen Arbeitslosigkeit sind da eindeutig: Im weiteren Verlauf der Krise soll die offizielle deutsche Zahl nach deren Einschätzung auf etwa 4,8 Millionen steigen, obwohl ja schon fast alle herausgerechnet wurden. Wir müssen also hier mit einer wirklichen Arbeitslosigkeit im Bereich von 10 Millionen rechnen.


Veröffentlicht am 8. April 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 26. März 2009

'Langsam lächerlich'

Bankrott garantiert

Von Karl Weiss

Was da die Financial Times Deutschland (FTD) am 17. März schrieb, ist schon etwas kurios. Man erklärt den Devisenmarkt für „langsam lächerlich“. Warum? Weil bei jeder kleinen zusätzlichen Erschütterung alles sofort in den Dollar und Dollarbonds flüchtet, den „sicheren Hafen“. Nur sind der Dollar und die US-Staatspapiere heute alles andere als sicher.

Der Artikel beginnt so: „Märkte neigen zum kollektiven Selbstbetrug. Dass der Dollar immer noch als sicherer Hafen gilt, ist einer der irrwitzigsten.“

Der Rettungs-Plan

Was diesen Irrwitz repräsentiert, das hatten wir bereits ausführlich dargestellt. In diesem Artikel: „Vorhersage des Dollar-Crash“ vom 9. Dezember 2008 wurde bereits gesagt: „Die Netto-Ersparnisse der USA sind bereits im dritten Quartal auf minus 249 Mrd. Dollar gesunken – und das war im wesentlichen noch vor der Krise. Und das angesichts des 700-Mrd.-Dollar-Pakets für die Banken , weiterer 2 700 Milliarden zum Stützen von Geldmarktfonds usw. (Gesamt-Verbindlichkeiten der Fed und der Regierung - jetzt bereits - nach Bloomberg: 8 500 Mrd. Dollar).“

Und das war, bevor Obama sein 800 Mrd.-Konjunktur-Paket durch den Kongress brachte und bevor die neuen Geldspritzen für AIG bekannt wurden und bevor die hohen zusätzlichen Verbindlichkeiten von ´Fannie Mae´ und ´Freddie Mac´ bekannt wurden, die zusammen noch einmal 1 000 Mrd. Dollar ausmachen. Zusammen sind das also bereits deutlich mehr als 10 000 Mrd. Dollar.

Die Vorstellung, das könnte irgendwann einmal bezahlt werden, ist absurd.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Das alles wird durch Gelddrucken bezahlt (in Form von Ausgabe von Dollarbonds und mit wirklichem Gelddrucken). Die Vorstellung, solch gewaltige Schulden könnten auf Dauer keine Hyperinflation verursachen und/oder den Dollar im Wert in den Abgrund schicken, wäre - wie sagte die FTD so schön, irrwitzig. Und wenn der Dollar zu einem Nichts wird, sind natürlich auch US-Staatsschuldverschreibungen wertlos, weil sie in Dollar ausgestellt sind.

Wir sind also hier in der gleichen Situation wie die Banken vor der Krise. Alle wussten bereits, was kommt, die Verluste waren ja schon abzusehen. Aber alle spielten Vogel Strauss – nach außen hin. In Wirklichkeit traf man natürlich bereits seine Vorkehrungen. Der CEO der Investmentbank Lehmann Brothers zum Beispiel hat bereits Monate vor dem Bankrott seiner Bank, der als Anfang der Krise gilt, eine millionenschwere Villa an seine Frau für 100 Dollar verkauft – warum wohl?

Alle tun nach außen hin noch so, als sei es nicht klar, was kommt. Die FTD nennt das „kollektiven Selbstbetrug“. In Wirklichkeit wusste man aber bereits, die Regierungen würden Milliarden und Abermilliarden für die Banken und Versicherungen locker machen müssen und war deshalb nicht wirklich besorgt.

Genau das gleiche spielt sich jetzt in Bezug auf den Kauf von Dollar-Bonds und auf den Wert des Dollars ab. Alle spielen „Business as usual“: Wenns kracht, geht man in den Dollar, wenn Silberstreifen auftauchen, versucht man schon mal den Euro.

Dollar Gasp

Aber die Rally gegen den Dollar und damit letztlich auch die Dollarbonds ist nur eine Frage der Zeit. Ist sie losgetreten, kann sie mit den modernen elektronischen Mitteln den Dollar innerhalb eines Tages auf ein Zehntel seines Wertes bringen. Zwar werden in solchen Fällen die Devisenbörsen geschlossen, aber nach der Wiedereröffnung geht die Währung doch dahin, wo ihr neuer Wert liegt.

Es gibt auch schon klare Anzeichen, dass man sich dessen bewusst ist:

1. Im Januar 2009 ist zum ersten Mal seit langem wieder eine Netto-Abfluss von Geld aus US-Wertpapieren zu verzeichnen. Während im Dezember noch 86,2 Mrd. Zufluss in Dollar-Werte herrschte, schlug dies im Januar in einen Abfluss von 148,9 Mrd Dollar um. Das sind im Moment noch keine besorgniserregend hohen Werte, aber die Tendenz ist da.

2. Die Fed, die (faktische) Nationalbank der USA, hat angekündigt, hohe Mengen von US-Dollar-Schuldverschreibungen zurückzukaufen (der Gesamtwert, zusammen mit dem Aufkauf von wertlosen Schuldtiteln, soll 1150 Milliarden US-Dollar betragen). Damit kann man natürlich eine solche Rally zunächst einmal hinausschieben oder ihr die Wucht nehmen, oder sie sogar bereits im Keim ersticken, aber das dafür ausgegebene Geld wird ja die Lage der US-Schulden nur noch unbezahlbarer machen. Damit aber wird man auf längere Sicht genau das Gegenteil erreichen: Der Bankrott des Dollars ist garantiert!


Veröffentlicht am 26. März 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 23. März 2009

OPEL UND DIE POLITIK

Opel und die Arbeitsplätze

Von Karl Weiss

Opel und sein Verhältnis zur Politik zeigt wie unter einem Brennglas die ganze Wirtschaftskrise auf, fast alle Komponenten sind gegeben und die Situation ist „komplex“, wie sich Opel-Chef Demant auszudrücken beliebt. SPD-Arbeitsminister Scholz erklärt vor den Mikrofonen, die Bundesregierung werde sich „auf jeden Fall“ engagieren und man werde das Schließen von Opel verhindern. Das kann er leicht sagen, denn er weiss, man ist in einer Koalition mit CDU/CSU. Wenn Opel am Ende geschlossen wird, kann man die Schuld der Union zuschieben.

Regierungsbank

Um das Rollenspiel perfekt zu machen, erklärt nun seinerseits Kauder, seines Zeichens Unions-Fraktionschef, „jede Art der besonderen Hilfeleistung“ für Opel sei ausgeschlossen. "Für alle Unternehmen im Land muss es die gleichen Regelungen geben. Keine Sonderbehandlung für niemand“, sagte er der Leipziger Volkszeitung (Montagausgabe vom 23.3.09).

Das ist interessant, Herr Kauder – und nun erklären Sie uns, wie das damals war, als man der IKB mit Milliarden unter die Arme griff, um sie verkaufsfähig für einen Kandidaten zu machen, dem damit ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk in den Schoss fiel. Die Union, die Sie repräsentieren und die führend in der Regierung ist, hat diese ‚Sonderbehandlung’ durchgeführt. Wo blieb da „keine Sonderbehandlung für niemand“.

Der Rettungs-Plan

Und als das große Bankenrettungspaket von 500 Milliarden Euro aufgelegt wurde, an dem sich u.a. die profitable VW-Bank dumm und dusselig verdient, wo waren Sie da, Herr Kauder, bei dieser ‚Sonderbehandlung’ einiger weniger Unternehmen im Gegensatz zu allen anderen. War es nicht ihre Union, die das hauptsächlich zu verantworten hatte? Haben Sie nicht im Auftrag der Regierung dafür gesorgt, dass die Unionsfraktion geschlossen dafür stimmte, Herr Kauder? Und dann die 100 Milliarden für die Hypo Real Estate, während Märklin und Schiesser pleite gingen, wie Sie selbst erwähnten? Haben Sie das alles schon vergessen, Herr Kauder? Alterserscheinungen? Gedächtnisschwund?

An wen die Union die Schuld weiterreichen wird, deutet er auch schon an: „Ohne überzeugendes Rettungskonzept, ohne neuen Investor und ohne eine sich engagierende Hausbank kann Opel nicht auf Hilfe hoffen.“ Die Union wird also erklären, Opel sei an seinen dilettantischen Managern gescheitert, am Fehlen des Investors und an den Banken, die sich nicht engagieren wollten.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Währenddessen beschwert sich Opel-Chef Demant bereits. Er kritisierte Äußerungen von Politikern zum Rettungsplan des Unternehmens: "Da wurde der Eindruck erweckt, wir würden dilettantisch arbeiten.“ Das Management von Opel und General Motors Europe stehe immerhin vor einer hochkomplexen Aufgabe. Er hat also auch bereits die Argumente bereit, warum es am Ende nicht geklappt hat.

Dabei hat er gar nicht so unrecht, das ist wirklich „komplex“. Die Komplexität ergibt sich hauptsächlich aus dem US-Komplex, denn dort gibt es die Opel-Mutter GM. GM, seit vielen Jahrzehnten größter Autobauer der Welt, mit dem absoluten Schwerpunkt in den USA, hat sich einfach darauf konzentriert, relativ billig Autos für den US-Geschmack zusammenzubauen, die keine speziellen technischen Besonderheiten aufwiesen. Hauptmittel, um den Absatz hochzuhalten, waren Design, Marketing, Werbung und Pflege des Images als US-Ikone. Seit vielen Jahren arbeiten fast alle GM-Verkaufs-Agenturen mit immer gewaltiger werdenden US-Flaggen, die zum Teil 10 oder 20 Meter Höhe erreichten.

Das funktionierte viele Jahre. Allerdings zeichnete sich in den letzten Jahren bereits mehr und mehr ab, dass dies kein dauerhaftes Konzept war. GM hätte sich umstellen müssen, war dazu aber nicht fähig oder bereit oder beides. So hatte man kurz vor Beginn der Krise bereits die Krone des weltgrössten Autoherstellers an Toyota verloren gehabt – und das war nur ein Symptom des Niedergangs, der dann mit der Krise sofort extreme Formen annahm.

Demgegenüber war die europäische Sparte, die aus Vauxhall in England und Opel in Deutschland besteht, geradezu ein High-Tech-Center. Alles, was GM als Gruppe an modernen Konzepten entwickelte, stammt aus Rüsselsheim – oder fast alles. Moderne Einzelradaufhängungen und Federungssysteme, Magergemischmotoren, Aluminium-Zylinderköpfe und –Motorblöcke, alles was ein modernes Auto heute ausmacht, wurde in Deutschland für die GM-Gruppe entwickelt und – soweit überhaupt – nur langsam in die US-Produktion übernommen.

Hier in Brasilien kann man den Fall GM wie an einem Beispiel studieren. Es wird – auch wenn manchmal US-Wagen angeboten werden – von GM in Brasilien praktisch nur Opel hergestellt und verkauft, auch wenn man den Opels hier den Namen Chevrolet gibt. Die Autos aber heißen Corsa, Astra und Vectra und sehen genauso aus wie die vorhergehende Generation in Deutschland.

Den GM-Bossen in Detroit hätte auffallen müssen, dass 85 % ihrer Produktion außerhalb der USA praktisch unverkäuflich waren und hätten beginnen müssen, die Meinungsumfragen zu lesen, die GM-Autos in den USA nur noch mittelmäßige Noten gaben. Aber man war GM, der größte Autohersteller der Welt, der US-Markt bei weitem der größte der Welt – nie würde sich daran etwas ändern. Das gleiche Syndrom, das wir angesichts der Krise von unseren Politikern sehen, herrschte dort: WEITER WIE GEHABT!

Dass alles, was technisch Wert hat, bei Opel entwickelt wurde (oder fast alles), hat eine Ursache. Man hat Ingenieurszentren und Entwicklungsabteilungen bei Opel (vor allem in Rüsselsheim), die eigentlich einen echten Schatz darstellen. Nur ist da die „Komplexität“: Alle Opel-Patente sind keine Opel-Patente mehr, sondern wurden an die Holding in den USA transferiert und die hat sie an die Regierung der USA verpfändet, als die ersten Hilfs-Milliarden eingingen.

Zwar betont der Opel-Chef, Opel werde weiterhin Zugang zu seiner Technologie haben, aber das ist nicht der Punkt. Ein verselbständigtes Opel müsste Lizenzzahlungen von eventuell überlebenden Teilen der GM erhalten, um gewinnträchtig sein zu können. Ohne dies ist irgendeine Gewinnträchtigkeit (die wäre Voraussetzung, dass sich Investoren finden) nur zu erreichen, wenn der größte Teil der Opel-Leute entlassen wird und nur eine feine, kleine Auto-Werkstatt übrig bleibt. Dann ist aber bereits klar: Es wird keine Investoren geben und keine Banken, die da etwas riskieren. Wenn Bund oder Länder einsteigen würden, hätte sich das bald zu einem Fass ohne Boden entwickelt.

Ebenso ist völlig klar: Massive Geldgaben des Staates sind nicht akzeptabel, wenn GM immer eine 25%-Beteiligung behält und damit nach deutschem Aktienrecht jegliche Entscheidung des Aufsichtsrats verhindern kann, sprich: Immer noch das entscheidende Wort hat.

Kurz: Die Aussichten sind dunkel-schwarz bis black.

Was kann man den Opel-Beschäftigten sagen? Lasst euch nicht einlullen mit Hoffnungen, die jetzt schon ohne realen Hintergrund sind. Seht euch an, was man mit den Beschäftigten von Nokia Bochum und denen des ehemaligen Siemens-Handy-Werkes gemacht hat. Die gleichen Inszenierungen wie jetzt bei euch!

Hier ein kurzer Ausschnitt aus den Lehren der Vorgänge bei Nokia Bochum (die Bochumer Opel-Kollegen können jedes Wort davon bestätigen, sie hatten zum Teil Ehepartner, die bei Nokia arbeiteten).

„Im Fall Nokia war die Schauspielerei besonders gekonnt inszeniert. Wer auch in der Politik etwas zu sagen hatte, zeigte sich „empört“ und forderte alles mögliche, nur eben keinen Streik. Es wurde sogar einem Boykott der Nokia-Handys das Wort geredet und in einer spektakulären Aktion eine kleiner Haufen Nokia-Handys zerstört. Alles Inszenierung. Es ging nur darum, vom Streik abzulenken. Auch die Demonstrationen wurden von Politik und Gewerkschaftsführung dirigiert. Niemand durfte sprechen, der eventuell zum Streik hätte aufrufen können. Auch die Lichterkette: Alles, nur nicht Streik.

Die Betriebsratsvorsitzende Achenbach, SPD-Mitglied, machte sich besonders um den Betriebsfrieden verdient. Sie scheuchte Flugblattverteiler am Werkstor eigenhändig weg und beschimpfte sie.“Wir brauchen hier keine MLPD, die ihr Süppchen kochen will“. Die Flugblätter der MLPD hatten den Weg zum Streik dargelegt und die Erfahrungen von Opel berichtet. Wer in Wirklichkeit sein Süppchen kochte, waren die Nokia-Bosse in holder Eintracht mit ihren Lakaien, den Politikern, den Medien und den rechten Gewerkschaftsführern.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung machte diesmal sogar eine Sondereinlage und forderte medienwirksam die Rückzahlung der Subventionen von insgesamt 60 Millionen Euros (aktueller Wert), die man zusammen mit dem Bund aufgebracht hatte. Mancher mag geglaubt haben, unter dieser Drohung würde Nokia eventuell einknicken. Aber man hatte nicht durchschaut: Alles eingeübtes Theater. Man hat sich längst geeinigt, in welchem Rahmen die Firma zu zahlen haben wird an Abfindungen und Rückzahlungen. Doch die Illusion hielt vom Streiken ab.” (Auszug aus dem Artikel “Warum wurde Nokia geschlossen?“ (https://karlweiss.twoday.net/stories/4942616/ )

Es soll euch eingeredet werden, Kollegen von Opel, Streik würde den Interessen des Überlebens der Werke entgegenlaufen. Man würde einfach zumachen, wo gestreikt würde. Das ist Unsinn. Dass Opel heute noch besteht, liegt allein daran, dass immer noch Profit reinkommt – wenn der auch mit den Verlusten aus den USA gegengerechnet werden muss. Fällt aber dieser Profit aus, bleibt keine Wahl, als Zugeständnisse zu machen. So wie es beim Streik der Opel-Werker in Bochum im Jahr 2004 war: Innerhalb von Tagen war der Plan vom Tisch, das Werk zu schließen.

Ein Werk wie Bochum bringt um die 10 Millionen Euro Profit pro Tag. Wenn das ausfällt - und das wäre noch viel mehr im Fall Rüsselsheim – kann man nicht mehr in Ruhe Entlassungen planen, sondern muss handeln. Und handeln heisst in solchen Fällen in der Regel: Zugeständnisse machen. Beim Streik ist der Arbeiter am Drücker, speziell, wenn er mit Werksbesetzung geführt wie jener 2004 bei Opel Bochum.

Da könnten innerhalb von Tagen Zugeständnisse erreicht werden wie z.B.: GM gesteht zu, Opel (oder GM Europe) zu einem angemessenen Preis als Ganzes zu verkaufen. Die Patente werden in alleinige Verfügung von Opel übergehen, auch wenn sie noch unter dem Kuratell der US-Regierung stehen. Ob das natürlich für ein „Neues Opel“ ausreichte, steht nicht fest.

Dazu kommt, der Zeitpunkt für einen Streik ist extrem gut. Die Verkäufe haben angezogen. Der Astra Kombi aus Bochum findet eine steigende Zahl von Käufern. Ausserdem kommt nun gerade die Kombi-Version des neuen Insignia, die wohl die meist verkaufte sein wird. GM und Opel müssten bei einem Streik innerhalb kürzester Zeit tiefgreifende Zugeständnisse machen.

Wichtig ist, dass die Opel-Werker sich nicht an der Nase herumführen lassen. Frau Merkel will am 31.März in Rüsselsheim sprechen. Die Erfahrungen mit solchen Politikerauftritten in schliessungsgefährdeten Betrieben sind denkbar schlecht. Meist verstehen die Kumpels, die Politiker hätten fest versprochen, die Schliessung zu verhindern, aber auf der Pressekonferenz hinterher leugnen die Politiker das meistens schon ab.

Wichtig ist, PolitikerSprech zu können und zwischen den Zeilen zu lesen.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Wenn Frau Merkel zum Beispiel sagt: “Die Bundesregierung wird alles, aber auch alles in ihrer Macht stehende tun, um eine Schliessung von Opel als Ganzes zu verhindern.“, dann steht da zwischen den Zeilen: „Was aber nicht in unserer Macht steht, zum Beispiel eine Bank dazu zu bringen, das Risiko zu übernehmen, können wir eben auch nicht tun.“ Und ausserdem: „Kleine Teile von Opel könnten eventuell überleben.“

Wenn Frau Merkel sagt: „Sobald ein tragfähiges Konzept vorliegt, wird die Bundesregierung Geld zur Verfügung stellen, um Opel zu retten.“, so steht zwischen den Zeilen: „Da aber kein tragfähiges Konzept vorliegt und wahrscheinlich auch nicht möglich ist, steht kein Geld zur Verfügung.“

Wenn Frau Merkel sagt: „Mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Opel-Werken habe ich bereits über eine Aufteilung der Lasten unter Bund und Länder gesprochen.“, so steht zwischen den Zeilen: „Das Gespräch war völlig unverbindlich – es wurde noch nicht einmal über Summen gesprochen, denn es besteht keine Aussicht auf ein tragfähiges Konzept.“

Politikersprech kann man auch von Westerwelle von der FDP hören, der auf dem Kongress der Jungen Liberalen sprach. „Ich bin es Leid, dass zu Opel der Bundesadler kommt und zu den kleinen (Unternehmen) immer nur der Pleitegeier.“ Das könnte man als Aufforderung verstehen, auch kleineren Betrieben beizustehen, zumal in diesem Zusammenhang der Mittelstand erwähnt wurde. Hört man allerdings anderes aus der gleichen Rede, wird klar, das ist nicht gemeint: „Alle gerettet und am Schluss Deutschland pleite, das kann keine vernünftige Politik sein“. Er meint also, es dürfe niemand geholfen werden, will das aber nicht deutlich sagen.

Ja, lass sie doch alle arbeitslos werden, was juckt uns das! Wir haben unsere Schäfchen im Trockenen, diese Krise findet für sie statt, nicht für uns.

Vielleicht wird Westerwelle dann noch versprechen, huldvoll aus den Fenstern der Bankhochhäuser zu winken, als letzten Gruss an jene, die da unten verhungern.


Veröffentlicht am 23. März 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 10. März 2009

Wie die Gewissheiten in der Krise verschwinden

Die Flexibilität – einer der Götzen des (Neo)-Liberalismus

Von Karl Weiss

Wie gründlich jetzt mit dem Einmaleins eines jeglichen bürgerlichen Ökonomen aufgeräumt wird, ist atemberaubend. Man möchte fast meinen, die Krise wurde nur erfunden, um die Ökonomie-Schlaumeier mit dem Kopf gegen die Wand zu stoßen. Nicht dass dies einen Westerwelle irgendwie beeindrucken würde. Der schnurrt immer noch seine auswendig gelernten Sprüchlein herunter, so als ob nichts geschehen wäre.

Statistik Reallöhne

Diese Flexibilisierung, auch Flexibilisierung der Arbeit genannt, war Hauptbestandteil, eigentlich sogar der wesentlichste Bestandteil all jener wirtschaftspolitischen Ansätze, die oft als Liberalismus oder Neo-Liberalismus bezeichnet wurden, aber auch unter Marktradikalismus lief, bzw. die Namen der jeweiligen Protagonisten erhielt: ' Thatcherism' und 'Reagenomics'. Die Ökonomen selbst bevorzugten diese Maßnahmen am liebsten verniedlichend „angebotsorientierte Wirtschaftspolitik“ zu nennen.

Jetzt lehrt uns ein Wirtschaftsprofessor – es gibt also auch noch lernfähige – in einem Gastkommentar in der „Financial Times Deutschland“, wieso die Anbetung des Götzen „Flexibilisierung“ sich jetzt als so falsch herausstellt.

Der Professor der Ökonomie an der Universität Leuven mit dem Namen Paul de Grauwe hat das Erfolgsrezept „Flexibilisierung“ jetzt in der Krise unter die Lupe genommen und siehe: Es ist kontraproduktiv.

Er schreibt: „Wirtschaftlich erfolgreich waren Länder, die beim Warenverkehr und auf dem Arbeitsmarkt Flexibilität zuließen. Es winkte rasches Wachstum, wenn sie zuließen, dass Unternehmen ohne Einschränkung einstellen und entlassen konnten, und wenn Lohnvereinbarungen rasch der aktuellen Konjunkturlage entsprechend nach oben oder unten korrigiert werden konnten. Ökonomen entwickelten Wachstumsmodelle, die die Notwendigkeit der Flexibilität hervorhoben. Länder mit starren Regulierungen von Arbeitsmarkt und Warenhandel wurden von internationalen Organisationen angeprangert und zu "Strukturreformen" aufgefordert. Ganz fasziniert reagierte die Europäische Kommission auf die Idee der Flexibilität. Sie entwarf die Lissabon-Strategie mit dem Ziel, die EU in eine flexible Volkswirtschaft zu verwandeln. Großes Vorbild waren die USA. Dank ihrer Flexibilität galt Amerika als Land mit einem höher entwickelten Wirtschaftsmodell.“

Doch nun, in der Krise, wird die Wahrheit ans Tageslicht gebracht: Ursache des Problems ist, man hat so viele billige Kredite angeboten und nun sind viel Leute verschuldet, haben ein Auto auf Pump gekauft oder anderes. Auch Unternehmen und Banken konnten extrem leicht an scheinbar extrem billiges Geld kommen. Er sagt:

„Weisen Haushalte und Unternehmen (dazu zählen auch Banken) übermäßig hohe Schulden auf, müssen sie Vermögenswerte verkaufen. Die Preise für Vermögenswerte fallen, was Liquiditätsprobleme an anderen Stellen des Systems verschärft. Firmen sind gezwungen, Mitarbeiter zu entlassen und/oder Gehälter zu kürzen. Als Folge sehen sich noch weniger Haushalte imstande, ihre Schulden zu bedienen. In einer Schuldendeflation wird der Schuldendienst der einen also dadurch erschwert, dass andere sich bemühen, ihren Schuldendienst aufrechtzuerhalten. Ursache des Problems ist der Umstand, dass das Schuldenniveau eine feste nominelle Variable ist. Muss ein Verbraucher eine Hypothek von 400.000 $ abtragen, steht diese Rückzahlungsdrohung unabhängig vom Wert seines Vermögens oder seiner Einkünfte im Raum. Das Problem bei der Schuldendeflation ist also, dass man eine starre Variable hat (den Wert der Schulden), während so viele andere Faktoren (Vermögenswert, Einkünfte, Arbeitsverhältnis) flexibel sind. Je flexibler diese Variablen, desto teuflischer gestaltet sich die Eigendynamik der Schuldendeflation und desto schwieriger wird es, die Wirtschaft aus dieser Lage herauszumanövrieren.“

Hören Sie, Herr Westerwelle? "Teuflischer!"

Wahrend sich die Flexibilisierung für fast alle bürgerliche Ökonomen als wesentliche Bedingung einer erfolgreichen Volkswirtschaft darstellte, ist sie nun, in der Krise, zu einem Instrument geworden, das die Krise vertieft, den Abschwung beschleunigt, die Krisendauer verlängert.

In Deutschland wurde die Flexibilisierung durch die SPD-Grüne-Koalition eingeführt und als hauptsächliche Leitlinie verteidigt und von den christlichen und liberalen Politikern kommentiert: „Endlich sehen die es auch ein“. Wer falsch lag, waren alle vier.

Es stellte sich heraus, man musste die deutschen Entlassungsregulierungen gar nicht verändern. Man brauchte nur das Verbot der Ketten-Arbeitsverträge mit begrenzter Dauer aufheben, die Leiharbeit freigeben und dann auf das alles noch Hartz IV setzen. Fertig war das am meisten flexibilisierte Land unter allen großen Volkswirtschaften. Denn in Deutschland gab es ja keinen Mindestlohn wie in den USA, wie in Großbritannien, wie in Frankreich, wie in Japan. Der war vorher auch gar nicht nötig gewesen, denn die Regelungen der Arbeitslosenhilfe begrenzten automatisch die Beschäftigungen mit geringer Bezahlung, denn niemand konnte zum Annehmen eines Arbeitsplatzes gezwungen werden, der nicht seiner Qualifikation entsprach.

Nun aber, mit den neuen Flexibilisierungsregeln, wurde das Fehlen des Mindestlohns zu einer Lohndumping-Spirale, die sich bis heute fortsetzt. Stundenlöhne von 5, von 4 und von 3 Euro verbreiteten sich, ganz zu schweigen von den vielen einfachen Arbeiten, die nun zu Ein-Euro-Jobs wurden.

Das hatte ab etwa 2003 begonnen und wurde zu einer Epidemie ab Januar 2005 mit der Einführung von Hartz IV. Es gelang den Flexibilisierern, Deutschland fast schlagartig zum Flexibilisierungsweltmeister zu machen. Man sehe sich nur die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung an: Exakt ab Januar 2005 gehen die Reallöhne pro Kopf rasant zurück, während genau ab diesem Zeitpunkt die Einkommen aus Vermögen und Unternehmen beginnen, noch steiler anzusteigen.

Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen
Hier kann man genau verfolgen, wie die Krise vorbereitet wurde: Seit 2002 beginnt die Produktivität zu steigen und mit ihr die Unternehmens- und Vermögenseinkommen, denn nichts von dieser Produktivität wurde an die weitergegeben, die sie auf den Schultern trugen. Dann, ab Januar 2005, griff die Flexibilisierung vollständig, die Reallöhne sinken und die Unternehmens- und Vermögendseinkommen gehen ins astronomische. Dies Ungleichgewicht musste zur Krise führen.

Fast keine neuen Arbeitsverhältnisse wurden mehr auf normaler Grundlage angeboten. Fast alle waren Teilzeit oder Zeitarbeit oder prekäre Arbeitsverhältnisse oder sogar Ein-Euro-Jobs. Damit war die größte Umverteilungsmaschinerie in der Geschichte Deutschlands vom kleinen Mann zu den Gross-Unternehmen und Superreichen in Gang gesetzt worden.

Genau damit legte man die Grundlage zur jetzigen Wirtschafts- und Finanzkrise. Einerseits wurde mit diesen Maßnahmen, die ja auch in anderen Ländern in ähnlicher Form, wenn auch nicht so extrem, eingeführt wurden, die Massenkaufkraft in massiver Form verringert. Dies ist der hauptsächliche Grund der jetzigen Überproduktionskrise auf der ökonomischen Seite: Die Massen haben nicht mehr das Geld, alle produzierten Güter zu kaufen. Es muss in der kapitalistischen Krise gesetzmässig Produktionskapital vernichtet werden, d.h. Schließen von Werken und Werksteilen.

Auf der anderen Seite hat man damit den Vermögenden die Geldmittel zugeschanzt, die Basis der jetzigen Finanzkrise sind, welche der Krise erst zu ihrem wahren Umfang verhilft. Die Unternehmen und die Privatvermögen der Superreichen wurden so aufgeblasen, dass sie verzweifelt um Anlagemöglichkeiten kämpfen mussten. Ein Anlegen in neuen Produktionskapazitäten war ja nicht möglich, denn die Menschen hatten schon so wenig Geld, dass jede weitere Aufblähung der Produktionskapazitäten zum Beginn der Überproduktionskrise geführt hatte. Da fanden sie scheinbar einen Ausweg: Man konnte extrem billige Kredite in den Markt pumpen undd sich dadurch Zinsen sichern. Die Leute, die Unternehmen, die Staaten und die Banken würden damit kaufen, was sie sich gar nicht leisten können (und man bekäme Zinsen) – und die Überproduktionskrise würde hinausgeschoben.

Deutschland: Brutto-Inlandsprodukt, Einkommen, Renten, Prozent gegen Vorjahr, bis 2008

Und da ist sie, die Falle der Flexibilisierung: Die Schulden, die sich aufhäuften und von denen man wissen konnte, sie würden nicht zahlbar sein, waren nicht flexibel wie der Arbeitsmarkt. Mit großen Crashs wie der Pleite Islands, der von Lehman Brothers und den faktischen Pleiten von Fannie Mae und Freddie Mac begann die Finanzkrise, die nichts anderes ist als eine Krise platzender Kredite.

Nun haben wir also beides auf einmal – und aufgestaut bis zum geht nicht mehr. Die Finanzkrise und die Wirtschaftskrise, die ineinander übergehen, die sich gegenseitig hochschaukeln und die bisher noch nicht den geringsten Eindruck machen, die Abschwunggeschwindigkeit zu verringern.

Und alles soll auf unserem Rücken abgeladen werden. Die Banken, die Staaten, die eigentlich pleite sind, alles sollen wir „retten“ mit unserem Geld und zusätzlich sollen wir die Arbeit verlieren und dann auch noch als Sozialschmarotzer bezeichnet werden.

Die Frage ist nur: Wollen wir uns das gefallen lassen ? Wollen wir sie weiterhin unser Blut saugen lassen und auch noch gute Miene zum bösen Spiel machen? Wollen wir weiterhin alles bezahlen, was sie verursachen? Oder sollten wir sie nicht zum Teufel jagen und den echten Sozialismus errichten, in dem wir das Sagen haben?


Veröffentlicht am 10. März 2009 in der Berliner Umschau

Karl Weiss - Journalismus

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