Montag, 30. Oktober 2006

Hunger - durch EU-Agrarsubventionen gemacht

Agrarsubventionen machen Reiche reicher

Von Elmar Getto

In diesen Tagen wird der neue EU-Haushalt festgelegt, der größte Brocken wiederum der Agrarhaushalt. Ebenfalls finden Sondierungsgespräche zur nächsten großen Runde der Welthandelsorganisation statt, die wahrscheinlich wieder an den Agrarsubventionen der reichen Länder scheitern wird - falls sie überhaupt noch zustandekommt.

Was sind eigentlich diese Agrarsubventionen? Es war vorher schon vermutet worden, man brauchte aber noch die Beweise. Die Aufteilung und die Empfänger der Subventionen wurden bisher wie ein Gral gehütet. Doch jetzt wurden für sieben Länder Angaben gemacht. Damit liegen jetzt Beweise vor: Die EU-Agrarsubventionen gehen im wesentlichen an Konzerne und Großagrarier. Sie tragen so gut wie nichts dazu bei, das Sterben kleinerer Bauernhöfe zu verlangsamen, in vielen Fällen sogar im Gegenteil.


Die Subventionen gehen hauptsächlich an Grosskonzerne und -agrarier

Hier die Fakten:

Spanien:

Die 303 größten Empfänger von Subventionen aus dem EU-Agrarhaushalt erhalten über 398 Millionen Euro pro Jahr, das sind für jeden im Schnitt über 1,3 Millionen Euro. Die sieben Spitzenreiter erhalten zusammen 14,5 Millionen Euro. Das ist die gleiche Summe, die die 12 700 kleinsten Empfänger zusammen erhalten (Schnitt für diese im Jahr: 1142 Euro). 1000 Euro pro Jahr bewahrt keinen Kleinbauern vor dem Ruin.

Frankreich:

Dies ist das Land mit dem größten Anteil am EU-Agrarsubventionen mit 9,4 Milliarden Euro (21,4%) vom Gesamtkuchen von 44 Milliarden Euro. Lediglich 15% der französischen Empfänger erhalten 60% dieser Summe, also etwa 5,6 Milliarden Euro. Dagegen erhalten 70% der französischen Landwirte zusammen nur 17% der Subventionen.Die 12 größten Empfänger in Frankreich erhalten jeweils mehr als eine halbe Million Euro pro Jahr. Die zwei größten jährlich allein 1,7 Millionen.

Großbritannien:

Einer der großen Empfänger dort ist die königliche Familie, die sowieso zu den reichsten der Welt gehört. Ebenso wird der Zucker-Großkonzern Tate & Lyle mit hohen Subventionen bedacht.

Dänemark:

Die europäische Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bedenkt in Dänemark vier Minister der Regierung mit Zahlungen, mehrere Parlamentsabgeordnete und die dänische EU-Kommissarin. Diese gehen in den Bereich von Millionen Euro.

Belgien:

In Belgien waren unter den Topbegünstigten die Bank Crédit Agricole, Nestlé, Campina und BASF.

Slowakei:

In der Slowakei wurde kürzlich berichtet, daß Landwirtschaftsminister Zsolt Simon Besitzer einer Firma ist, die 2003 und 2004 1,3 Mio. Euro an Subventionen erhielt.

Niederlande:

In den Niederlanden erhielt der Landwirtschaftsminister, Cees Veerman, 150.000 Euro an Subventionen. Frühere Berichte geben an, daß die größten Empfänger von Direktzahlungen und Exportsubventionen von 1999-2003 der niederländische Zweig von Mars, der Bierkonzern Heineken NV und der US-Tabak-Hersteller Phillip Morris sind.

44 Milliarden Euro unter falscher Flagge

Es gibt keinen Zweifel, daß das Bild in allen anderen Mitgliedstaaten das gleiche ist, denn das Schema, die bestimmungen und die Vergabepraxis sind ja die gleichen.

Zusammengefaßt ergibt sich deutlich: Es werden 44 Milliarden Euro jährlich von den Geldern europäischer Steuerzahler unter dem irreführenden Markenzeichen Agrarhilfe im wesentlichen an (mit den jeweiligen Politkercliquen engst verbundene) Konzerne und Großagrarier weitergeleitet oder sogar an die Raffzahn-Politiker selbst.

Eine Überprüfung durch Vergleich der Listen der Empfänger mit denen der wichtigsten Spender der Monopolparteien würde zweifellos eine gute Zahl von Übereinstimmungen ergeben. Allerdings ist eine solche Überprüfung nun natürlich nicht mehr möglich, da ja seit Kohl jeder straffrei die Spenden verheimlichen und in schwarze Kassen leiten kann. Er braucht sie nur in schwarzen Koffern in bar empfagen und versprechen, die Spender nicht zu nennen. Die Grossbanken, Agrar-, Chemie- und Tabakkonzerne werden ja wohl nicht so unvorsichtig sein, die Spenden offiziell zu geben.

Kleinbauern benachteiligt

Sind die Großbauern die wesentlichen Empfänger großer Summen neben den Konzernen, so hat diese „Agrarpolitik" natürlich auch den genau umgekehrten Effekt wie angegeben: Die kleinen Bauern werden in der Konkurrenz mit den Großen noch weiter zurückgeworfen. Sie müssen noch eher aufgeben als wenn es keine Agrarsubventionen gäbe.

Hunger - durch EU-Agrarsubventionen gemacht

Die Wirkung dieser Agrarsubventionen an die weltweit operierenden Konzerne und Grossagrarier ist aber für die Entwicklungsländer am katastrophalsten. Die Multis werfen subventionierten Lebensmittel zu Preisen auf die Märkte der Welt, bei denen die Bauern der Entwicklungsländer nicht mithalten können. Ein Großteil des Hungers in der Welt hängt mit diesen Agrarsubventionen zusammen. Gleichzeitig sind die Lebensmittel innerhalb der EU deutlich teurer als auf den Weltmärkten.

Knappe Kassen - keine Spur!

Wenn ihr Bürgermeister oder Stadtverordneter oder Landtagsabgeordneter oder Bundestagsabgeordneter oder sonstiger Teil der raffenden Politikerkaste also das nächste Mal davon spricht, für Ihr Anliegen sei kein Geld in den Kassen, es müsse gespart werden und tiefe Einschnitte seien unumgänglich, dann wissen Sie, wo dieses Geld geblieben ist (44 Milliarden Euro jedes Jahr!).

Ersatzloses Streichen der EU-Agrarsubventionen!

Dieser Artikel von Elmar Getto zu den EU-Agrarsubventionen erschien zuerst in "Rbi-Aktuell" am 11. November 2005. Hier eine vom Autor aktualisierte Version zur 1-Jahres-Feier.

Lula wiedergewählt

Erneut ein Erdrutschsieg bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien

Von Karl Weiss

War nach dem ersten Wahlgang am 1.Oktober ernsthaft in Frage gestellt, ob Lula seine Wiederwahl sichern könnte, so sind seit diesem Zeitpunkt alle Dinge für ihn gelaufen. Er hat am 29.10.06 erneut einen Sieg mit hohem Abstand, diesmal etwa im Verhältnis 60,8 : 39,2, über seinen Rivalen von der PSDB errungen, wie schon vor vier Jahren.

Um fünf Uhr nachmittags schlossen die Wahllokale, um acht Uhr abends wurde die Wiederwahl Lulas bekanntgegeben zusammen mit den Ergebnissen der Gouverneurswahlen in jenen Staaten, in denen ebenfalls ein zweiter Wahlgang notwendig wurde. Bis 21.30 waren alle Ergebnisse genau festgestellt. Ob die Vereinigten Staaten einmal in Brasilien in die Lehre gehen sollten?

Lula gewann mit deutlichem Abstand im gesamten Norden und Nordosten Brasiliens, das sind die ärmsten Regionen Brasiliens. In den Regionen Zentral-West und Südost ging der Sieg mit geringem Vorsprung an Lula, nur in der Region Süd konnte der Kandidat der Rechten, Alckmin, die Mehrheit erreichen. Der Unterschied der Stimmenzahl zugunsten Lulas liegt im Bereich von 20 Millionen Stimmen (bei etwa 100 Millionen Wählern).

Besonders beeindruckend der Umschwung in der bei weitem bevölkerungsreichsten Region Südost mit den beiden bevölkerungsreichsten Staaten São Paulo und Minas Gerais und dem Staat Rio de Janeiro mit der gleichnamigen Stadt, der zweitgrößten des Landes. Im ersten Wahlgang war diese Region eindeutig an Alckmin gegangen, mit sehr hohem Vorsprung im größten Staat nach der Bevölkerungszahl, São Paulo, in dem beide Kandidaten wohnen.

Diesmal hat Lula nicht nur, wie auch schon im ersten Wahlgang, Rio de Janeiro gewonnen, sondern auch Minas Gerais, das noch vor 4 Wochen mit Abstand an seinen Gegenspieler gegangen war. In São Paulo konnte Lula den Abstand verringern, so dass die ganze Region an ihn ging. Damit war die Wahl gewonnen.

Gleich in der ersten Woche nach dem ersten Durchgang wurden die wichtigen Weichen gestellt. Der Kandidat der Rechten, Alckmin, glaubte verstärkt die Frage die Korruption in der Regierung in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes stellen zu müssen, während die Truppe der Wahlkampfmanager der PT, der Partei Lulas, die Parole schuf: „Deixa o homen trabalhar!” „Laßt doch den Mann arbeiten!”.

Bald stellte sich heraus: Diesmal – im Gegensatz zur Wahlkampagne vorher – lag die PT richtig. Alckmin hatte nicht bedacht: Diejenigen, die wegen der Korruption in der Regierung Lula für ihn stimmen würden, hatten schon im ersten Wahlgang für ihn gestimmt. Er würde fast keine zusätzliche Stimme erhalten mit dieser Taktik. Lulas Parole kam dagegen an.

Es reichte für Lula aus, jeweils mit den ungeklärten Korruptionsskandalen der Regierung Cardoso zu antworten, derselben Partei wie Alckmin, der 8 Jahre Brasilien regiert hatte, von 1995 bis 2002. Da der Brasilianer Korruption für fast selbstverständlich hält und sowieso jedem Politiker zutraut, korrupt zu sein, war der Vorteil hier bei bei Lula.

Ausschlaggebend dürfte aber gewesen sein, dass im Moment die brasilianische Wirtschaft ein stetes Wachstum aufweist und die Arbeitslosigkeit nicht weiter ansteigt. Zwar werden wenig neue Arbeitsplätze geschaffen, aber insgesamt scheint - zumindest zeitweise – ein wenig Prosperität eingekehrt zu sein, die jene Hoffnung, die niemals stirbt, erneut angefacht und Lula zum Sieg verholfen hat.

Sie wird erneut enttäuscht werden. Die ersten „Reformen“, sprich Verschlechterungen, sind bereits angekündigt: Die Steuerreform, die politische Reform und die Rentenreform.

Veröffentlicht in der "Berliner Umschau": 30. Oktober 2006

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