Donnerstag, 30. November 2006

São Paulo F.C. ist brasilianischer Fussballmeister

Fast alle Entscheidungen vor dem letzten Spieltag gefallen

Von Karl Weiss

Nach langen Jahren des Versuchens hat es der São Paulo Futebol Clube geschafft: Er wurde zum vierten Mal brasilianischer Meister. Er liegt damit gleichauf mit weiteren vier Vereinen, die jeweils 4 Titel aufweisen können. Die brasilianische Fußballmeisterschaft wird erst seit 1971 ausgetragen. Davor gab es nur regionale Meisterschaften.

São Paulo wurde bereits praktisch am viertletzten Spieltag Meister, als man Santos auswärts schlug und dann am drittletzten Spieltag auch rechnerisch, als sein einziger verbliebener Rivale Internacional Porto Alegre (bei Paraná Clube in Curitiba) stolperte, der dieses Jahr gegen São Paulo die Endspiele der „Taça Libertadores“- dem südamerikanischen Gegenstück zur „Champions Leage“ – gewonnen hatte und nun in der von der FIFA veranstalteten Vereinsweltmeisterschaft steht, die letztes Jahr São Paulo gegen Liverpool gewonnen hatte.

Es schien schon fast ein Fluch über dem São Paulo F.C. zu liegen, denn es wollte einfach nicht klappen mit der vierten nationalen Meisterschaft, obwohl man die ganzen letzten Jahren immer unter den besten brasilianischen Vereinen war. Im Vorjahr konnte man sogar die „Libertadores“ gewinnen, aber in der Landesmeisterschaft musste man sich mit einem Mittelplatz zufrieden geben und dem Lokalrivalen Corinthians dem Vortritt als Meister lassen.

In Europa gibt es weithin eine Unterschätzung der brasilianischen und argentinischen ersten Ligen, weil die besten Spieler beider Länder zum großen Teil bei europäischen Vereinen ihre Brötchen verdienen. Man meint offenbar, was da im Lande übrig bleibe, könne nicht mehr allzu viel hermachen. Tatsache ist aber: Die Meisterschaften der beiden führenden südamerikanischen Fußballnationen könne sich absolut mit den großen europäischen Fußball-Ligen messen.

Dies wird ja alljährlich deutlich, wenn die jeweiligen Sieger der Champions-Leage und der Libertadores – meistens im Dezember – ihre Kräfte messen, so wie dies über viele Jahre mit dem Ausscheidungsspiel in Tokio der Fall war und wie es heute als Vereinsweltmeisterschaft von der FIFA organisiert wird. Die Ergebnisse der Spiele sind extrem ausgeglichen, der Sieger hängt weitgehend von der Tagesform und anderen Zufällen ab, kurz: Die beiden besten Mannschaften der beiden Kontinente sind im wesentlichen gleichwertig. Und hier reden wir vom Sieger der Champions Leage, nicht einfach nur vom Niveau der Bundesliga oder der englischen Premier Leage.

Interessant in diesem Zusammenhang eine Diskussion, die kürzlich in einem Web-Forum stattfand, in dem über Spieler-Transfers diskutiert wird. Es wurde ein Artikel des Berichterstatters verlinkt, der zu Beginn der Bundesliga vorausgesagt hatte, dass Werder mit Diego eine gute Chance hat, mit den Bayern ohne Ballack mitzuhalten oder sie sogar zu überflügeln. Dabei wurde speziell auf die Aussage eingegangen, die brasilianische Erste Division sei von der Spielstärke her mit der Bundesliga zu vergleichen. Das sei Unsinn, wurde gesagt, einer meinte sogar, der ganze Artikel sei ein Witz.

Tatsächlich wäre der Vergleich mit der italienischen und der spanischen Ersten Liga, den beiden Vorzeigestücken Europas, wohl etwas übertrieben, wenn auch die Ergebnisse von Spielen mit den dortigen Spitzenvereinen immer ausgeglichen sind. Auf jeden Fall kann aber sowohl die argentinische als auch die brasilianische Erste Division mit der Bundesliga und der englischen Ersten Liga mithalten.

In den bisherigen 36 ausgetragenen brasilianischen Fußballmeisterschaften, davon 32 als Turnier, erst seit 2003 mit Hin- und Rückrunde aller gegen alle, haben bisher folgende Vereine 4 Mal gewonnen: Flamengo Rio de Janeiro, Vasco Rio de Janeiro, Palmeiras São Paulo, Corinthians São Paulo und São Paulo F.C. {Es gibt eine Polemik über den Meister des Jahres 1987. Damals hatte sich ein Gegenverband gebildet und eine eigene Meisterschaft ausgetragen, die von Flamengo gewonnen wurde. Wir bleiben hier aber bei der offiziellen Zählung des CBF, des brasilianischen Fußballverbandes.}

Mit 3 Meisterschaften steht Internacional Porto Alegre zu Buche, der aktuelle Meister der Libertadores, in den beiden letzten Jahren jeweils Zweiter der Meisterschaft. Im letzten Jahr wurde man nur nicht Meister, weil Spiele wegen des Schiedsrichterskandals wiederholt wurden und so Corinthians die Mannschaft aus dem Süden Brasiliens noch abfangen konnte.

2 Meisterschaften können jeweils der Santos F.C. und Gremio Porto Alegre aufweisen. Der Rest von 9 Meisterschaften verteilt sich auf 9 weitere Clubs, darunter Guarani Campinas, ein Club, der eben von der zweiten in die dritte Liga abgestiegen ist.

Damit herrscht in Campinas Trauerstimmung, denn auch der zweite Club der Stadt, Ponte Preta, steigt nun endgültig aus der ersten Liga ab. Letztes Jahr noch mit zwei stolzen Erstligavereinen, nächstes mit einem in der dritten und einem in der zweiten Division! Campinas ist eine aufstrebende Millionenstadt im Landesinneren des Staates São Paulo, etwa eine Autostunde von der grössten Metropole der südlichen Hemisphäre entfernt. Reihenweise neue Industrieansiedlungen, himmelstrebende Wohnhochhäuser und Immobilienpreise. Boomtown. Und nun dies!

Ponte Preta hätte noch eine Chance am letzten Spieltag gehabt, aber Fluminense Rio de Janeiro, in äußerster Abstiegsnot, konnte beim schon lange abgestiegenen Tabellenletzten Santa Cruz einen Auswärtssieg mit 2:1 landen und sich absetzen. Die „Ponte“, von den Anhängern liebevoll „Macaco“genannt, der Affe, verlor dagegen zu Hause gegen Goiás Goiánia und besiegelte damit den Abstieg. Die anderen Absteiger standen schon vorher fest. Santa Cruz, Fortaleza und São Caetano müssen ebenfalls den Weg in die zweite Liga antreten.

Hart gekämpft wird noch um die letzten Plätze für die Teilnahme am nächsten „Libertadores“-Cup. Gremio Porto Alegre konnte sich bereits den dritten Platz der Meisterschaft sichern und damit den zweiten Libertadores-Platz (Der Zweite Internacional als Libertadores-Sieger ist automatisch qualifiziert). Damit haben wir die einmalige Situation, dass gleichzeitig beide Mannschaften aus Porto Alegre mit den Plätzen 2 und 3 zur absoluten Creme des brasilianischen Fußballs gehören.

Der Santos F.C., bis zu seiner Heimniederlage gegen São Paulo noch Titelanwärter, legte, wie letztes Jahr, eine Negativ-Serie am Schluss hin. Ein Unentschieden gegen einen der Mitkandidaten um die beiden letzten Plätze der Libertadores, Vasco Rio de Janeiro, reichte nicht, um den vierten Platz und damit den dritten Libertadores-Platz sicherzustellen. Allerdings tritt man im letzten Spiel gegen den Tabellenletzten Santa Cruz zu Hause an. Das müsste diesmal reichen.

Der restliche Libertadores-Platz für den Fünften wird zwischen Paraná-Clube Curitiba und Vasco Rio de Janeiro ausgetragen, Paraná mit einem Punkt Vorsprung. Paraná empfängt im letzten Spiel zu Hause Meister São Paulo, dessen Spieler wohl mit einem Kater von der Meisterfeier aufs Spielfeld kommen werden, während Vasco auswärts gegen die Überraschungsmannschaft von Figuerense Florianópolis einen schweren Stand haben wird.

Bleibt zu vermelden, wer denn aufsteigen wird. Meister der zweiten Liga und damit erster Aufsteiger ist der letztes Jahr abgestiegene Club Atlético Mineiro aus Belo Horizonte (dem zukünftigen Wohnort des Berichterstatters), erster brasilianischer Meister 1971, der dort mehr Anhänger hat als der Lokalrivale Cruzeiro. Dazu kommen Sport Recife, auch bereits mit einer brasilianischer Meisterschaft (das war die Rest-Meisterschaft von 1987), Náutico, ebenfalls aus Pernambuco und mit América Rio Grande do Norte aus Natál ein weiterer Club aus dem Nordosten Brasiliens, der in der vergangenen Saison alle seine Vertreter in der ersten Liga verloren gehabt hatte und nun mit Macht und drei Vereinen wieder zurückkehrt. Allerdings werden die drei die ersten Kandidaten auf den Abstieg im kommenden Jahr sein.

Und nun noch, was interessiert: Auch dieses Jahr gibt es wieder die Entdeckung eines großen Talents in der brasilianischen ersten Liga. Kurz vor Ende der Saison, am Sonntag, dem 26. November, man meinte schon, eine neu-talentlose Spielzeit melden zu müssen, tauchte wie Phönix aus der Asche ein Siebzehnjähriger auf, machte sein erstes Spiel in der ersten Liga und zog eine Schau ab. Ein Tor von ihm, zwei weitere vorbereitet – und das gegen Palmeiras São Paulo auf deren Platz.

Der Junge ist 17, ist Stürmer, hat noch die Pubertätspickel im Gesicht und reagierte deutlich erschreckt auf den Medienauflauf, den er hervorrief. Sein Verein – und das ist das beste daran – ist Internacional Porto Alegre, der Vize-Meister und Libertadores-Sieger, den man jetzt demnächst bei der FIFA-Vereinsweltmeisterschaft besichtigen kann – und das Super-Talent ist gemeldet!

Er heißt Pato, was nichts anderes als „Ente“ heißt (hatten wir da nicht mal einen Spieler „Ente“ in Deutschland, bei Rotweiss Essen?), nur ist das sein wirklicher Nachname, nicht, wie üblich in Brasilien, ein Spitzname. Dagegen war „Ente“ Lippens einer der wenigen deutschen Spitznamen.

Der Präsident von Internacional hält ihn für ein „Phänomen“. Das letzte Mal, dass dieses Wort verwendet wurde, war bei Ronaldo. Er hat betont, er habe absichtlich verhindert, Pato früher in der Meisterschaft zu bringen, weil er ihn nicht „verheizen“ will. Immerhin stand ‚Inter’ bis zum viertletzten Spieltag noch im Kampf um die Meisterschaft. Der wirkliche Grund dürfte gewesen sein: Erst jetzt konnte man die zu zahlende Ablösesumme für ihn festlegen (die heißt jetzt anders, aber es bleibt das gleiche). Brasilianische Vereine müssen 27 Millionen Reais bezahlen, ausländische 20 Millionen US-Dollar.

Natürlich heißt ein gutes Spiel von einem 17-jährigen noch gar nichts, aber wer einmal die ersten Schritte eines möglichen neuen Ronaldo sehen will,
kann sich ja mal drum kümmern, die beiden Spiele von Internacional bei der Vereinsweltmeisterschaft sehen zu können.


Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 30. November 2006

Bomben gegen Schiiten im Irak - Es ist nicht Al Quaida

Das fehlende Kettenglied - Robert Fisk: "Unbekannte Amerikaner" bomben im Irak

Von Karl Weiss

Bereits seit geraumer Zeit war zu vermuten, daß die fast täglichen Terroranschläge auf friedliche oder betende Schiiten im Irak, die von „US-Sicherheits-Quellen" der Al Quaida zugeschrieben werden, in Wirklichkeit Werk der Besatzer im Irak sind. Sie werden in den Medien meist als Selbstmordanschläge bezeichnet, haben aber oft die typischen Anzeichen ferngezündeter Bomben, wie sie der CIA verwendet. Unklar blieb aber weiterhin, wer dann die wirklichen "Selbstmordanschläge" durchführt, bei denen irakische Zivilisten das Ziel sind, der Fahrer des Sprengstoffautos aber mit in die Luft fliegt.

In der vergangenen Woche kamen einige Dokumente ans Tageslicht, die belegen, daß die Figur Al Zarkawis im Irak ebenso wie die Al Quaida dort eine Propagandalüge („PSYOP") militärischer US-Stellen ist. Auch ist es noch nicht lange her, daß zwei Mitglieder eines britischen Militärgeheimdienstes in Basra von irakischen Polizisten erwischt wurden, als sie mit einem Auto bis unters Dach voll Sprengstoff auf dem Weg zu einem belebten Markt waren.

Der CIA spielt auf der grossen Wurlitzer-Orgel

Ebenso hatten die sunnitischen Widerstandskräfte im Irak wiederholt darauf hingewiesen, daß sie ausschließlich gegen die Besatzer und deren Hilfswillige vorgingen und nicht das geringste Interesse hätten, zivile Schiiten umzubringen, während die Besatzungstruppen jedes Interesse haben zu verhindern, daß Sunniten und Schiiten im Irak gemeinsame Sache machen.

Nun gibt es auch das letzte fehlende Glied der Kette, das endgültig beweist, daß es wirklich Kräfte der Besatzungstruppen bzw. von ihnen beauftragte Kräfte sind, die jene mörderischen Bombenanschläge gegen friedliche Schiiten im Irak begehen.

Der bekannte britische Journalist Robert Fisk, der im Libanon lebt und als der best informierte westliche Journalist im Nahen Osten gilt, schrieb in einem Artikel, der ursprünglich vom 18. April stammte und nun bei ‚informationclearinghouse.info’ nachveröffentlicht wurde, daß syrische Geheimdienstquellen und irakische Zeugen aussagen, es seien „unbekannte Amerikaner", die jene mörderischen Anschläge begehen, die für das ständige Anwachsen der Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten im Irak verantwortlich sind.

Fisk berichtet, was ihm ein syrischer Geheimdienstmann erzählte: „Ein junger irakischer Mann hat uns berichtet, daß die Amerikaner ihn als Polizist im Irak trainiert haben. 70% der Zeit lernte er Auto fahren und den Rest in Waffentraining.(...) Sie gaben ihm ein Handy und ließen ihn einen Wagen in eine belebte Gegend nahe einer Moschee fahren. Dort sollte er sie anrufen. Er hatte aber dort kein Signal und mußte aussteigen, um einen Ort zu finden, an dem er das Handysignal empfangen konnte. Als er dann anrief, flog sein Auto in die Luft."

Die Amerikaner, so sagt der Geheimdienstmann, versuchen einen Bürgerkrieg zu entfesseln. Dann würden die Widerstandskämpfer der sunnitischen Seite genug mit den Schiiten zu tun haben und keine US-Soldaten mehr umbringen.

Die Geschichten, die der Geheimdienstmann erzählt, kommen aus glaubwürdigen Quellen. Schiiten aus dem Irak kommen als Pilger nach Syrien zur Sayda Zeinab Moschee außerhalb Damaskus.

Eine ganz ähnliche Story kommt von einem anderen jungen Iraker. Auch er wurde für die Polizei angeworben und bekam ein Auto und ein Handy, das er an einen belebten Ort in Bagdad zu fahren hatte, wo eine Menge einen Protest durchführte, über den er mit seinem Handy berichten sollte. Aber sein Handy funktionierte nicht, so berichtete er über den Protest aus einer Telephonzelle. Als er gesagt hatte, daß er nun von dort anruft, flog sein Auto in die Luft.

Fisk ist als extrem umsichtiger Journalist bekannt, der keine Gerüchte in die Welt setzt. Er würde dies nicht veröffentlichen, wenn er nicht vom Wahrheitsgehalt der Berichte überzeugt wäre. Damit ist nun auch durch glaubwürdige Zeugenaussagen belegt, daß es die ruchlosen Besatzer des Irak sind, die dort massiv Zivilisten bei Moscheen und auf Märkten mit Autobomben ermorden bzw. ermorden lassen.

Sie sind die Terrroristen!


Dieser Artikel wurde ursprünglich in der "Berliner Umschau" vom 20. Mai 2006 veröffentlicht, hier in leicht redigierter Version. Er erhält jetzt durch die aktuellen Ereignisse erneut besondere Aktualität und Wichtigkeit.

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