Beginn des Falls der Supermacht?
Von Karl Weiss
Es kann kein Zweifel mehr bestehen: Die Vorbereitungen eines Überfalls von USA/Israel auf den Iran sind offensichtlich und sehr weit gediehen. Man muss allen Ernstes davon ausgehen, dieser Überfall wird in naher Zukunft stattfinden.
Inzwischen haben sich die beiden Kriegsmächte bereits in eine Situation hineinmanövriert, in der ihnen ein Zurückweichen als Schwäche ausgelegt würde. Damit stecken sie in einer selbst gelegten Falle. Es ist kaum zu glauben, aber sind beide Regierungen wirklich nicht in der Lage zu sehen: Dieser Überfall wird voraussichtlich einen Flächenbrand im Nahen Osten und eine Wirtschaftskrise auf der Welt auslösen, die aller Voraussicht nach das Ende des US-Imperiums einläuten könnte?
Tatsächlich sind die Erfahrungen mit imperialen Mächten im Kapitalismus meistens genau diese: Haben sich solche Mächte einmal auf bestimmte Ziele eingeschossen und ihr Prestige an das Erreichen dieser Ziele gebunden, scheinen ihnen logische Gedankengänge (innerhalb ihrer verbrecherischen Imperialisten-Strategie) nicht mehr oder nur noch beschränkt zugänglich zu sein.
Der Berichterstatter hat dies bereits in einem Artikel zum Ende des Libanon-Krieges im August letzten Jahres angedeutet, „USA/Israel haben den Krieg bereits verloren“, der ein wenig Aufsehen erregte. Hier einige Auszüge:
„Das deutsche Kaiserreich hätte im Ersten Weltkrieg spätestens Ende 1916 sehen müssen, dass der Krieg verloren war und versuchen, zu einem Frieden unter annehmbaren Bedingungen zu kommen. Stattdessen... (man lese in den Geschichtsbüchern nach).“
„Die Ähnlichkeit zu gewissen Aspekten des 1. Weltkrieges wird immer deutlicher. Damals strebte der deutsche Imperialismus nichts weniger als die Weltherrschaft an. Ab dem Moment, als die Möglichkeit der Niederlage ins Auge gefasst werden musste, gebärdete er sich wie ein tollwütiger Hund. Millionen und Abermillionen mussten dafür sterben.“
„Zwar war die US-Regierung durch den Albtraum gewarnt, den sie im Irak und teilweise auch schon in Afghanistan durchlebt, aber Cheney, Rumsfeld und deren Umfeld glauben anscheinend immer noch fest daran, dass man jedes Problem lösen kann, wenn man einfach noch mehr Gewalt anwendet.“
„Frau Rice hat es in einem unbedachten Moment bereits gesagt: „Der Neue Nahe Osten“(...) das ist das Gebiet vom Suezkanal bis zur indischen Grenze unter Einbeziehung von Aserbeidschan, das betrifft also außer Israel zunächst Teile von Ägypten, dann Palästina und Jordanien, Libanon, Syrien, Irak, Iran, Saudi-Arabien, die Emirate, Jemen, Kuweit, Oman, Katar, Aserbeidschan, Afghanistan und Pakistan. (...)Ihre Aussage heißt nichts anderes, als dass USA/Israel sich dieses ganze Gebiet unterwerfen und auf Dauer militärisch kontrollieren wollen. Das ist objektiv unmöglich.“
„Selbst wenn man unterstellen will, dass ... in einem großen Krieg die Eroberung dieses ganzen Gebiets möglich wäre, ist es objektiv unmöglich, es auch zu kontrollieren, denn man hätte es mit Hunderten von Guerilla-Gruppen zu tun. Man bräuchte zig Millionen, wenn nicht Hunderte von Millionen von ausgebildeten Soldaten - die es nicht gibt - zur Kontrolle der Situation in diesen Ländern, um nicht in Albtraum-Situationen wie im Irak und in Afghanistan zu geraten.“
Was damals in jenem Artikel noch gar nicht thematisiert worden war, aber noch weit klarer auf eine Niederlage der Kriegsfürsten USA/Israel hindeutet, ist die bis zum Zerreißen gespannte Situation der weltweiten kapitalistischen Ökonomie. Die Zentralbanken sind bereits mit fast täglichen Interventionen dabei, den Dollar und andere Währungen vor dem Absturz zu bewahren und große Konzern- und Hedge-Fonds-Crashs zu verhindern, denn sie wissen, ein einziges halbwegs ernstes Ereignis in diesem Moment könnte der Ausgangspunkt einer weltweiten Wirtschaftskrise sein, eventuell so tiefgreifend, dass die Krise von 1929 bis 1939 dagegen ein Kinderspiel gewesen wäre.
Es gibt nicht den geringsten Zweifel: Der Überfall auf den Iran durch USA/Israel würde höchstwahrscheinlich eine Wirtschaftskrise fast unmittelbar auslösen. Dazu braucht es gar nicht die Horrorszenarien der Gegenschläge, die dem Iran und seinen schiitischen Anhängern zur Verfügung stehen und die sicherlich – zumindest teilweise – zu erwarten wären. Allein die Erwartung der Märkte auf eine Verknappung des Erdöles dürfte bereits ausreichen, denn die Weltwirtschaft kann in diesem Moment schwerlich einen Ölpreis von über 100 Dollar pro Barrel für mehrere Monate verkraften.
Diesmal nämlich ist es speziell die US-Wirtschaft, die anfällig ist. Die USA haben das höchste Haushaltsdefizit aller Länder aller Zeiten, sie haben das höchste Außenhandelsdefizit aller Länder aller Zeiten, sie haben die höchste Staatsverschuldung aller Länder aller Zeiten und das Wachstum seiner Wirtschaft, ständig völlig abhängig vom internen Konsum, ist auf dem Weg, sich der Null-Grenze anzunähern. In dieser Situation würde der Ausbruch der weltweiten Krise ausgehend von den USA mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Dollarsturz hervorrufen, der eventuell auch andere Währungen (z.B. das britische Pfund) mit sich reißen könnte.
Damit könnte die Vorherrschaft des Dollars auf den Märkten der Welt gefährdet sein – abhängig davon, wie tief der Sturz tatsächlich ausfällt. Ein Euro von 1,60 Dollar z.B. könnte für die Macht USA (und nicht nur für
sie) eine Katastrophe darstellen.
Würden nämlich aufgrund des Absturzes des Dollars die Mächte, deren Währungen auf den Dollar- und Dollarbond-Reserven beruhen (hauptsächlich China, Japan, Südkorea und Grossbritannien), aus dem Dollar flüchten, um ihre Devisenreserven zu retten, so könnte der Dollar seine Funktion als Referenzwährung, als Reservewährung, als Zahlungsmittel für Erdöl und als faktische internationale Währung verlieren.
Damit aber wäre das Imperium USA seiner wesentlichen Basis entkleidet und würde über kurz oder lang als Supermacht abzudanken haben. Wir würden nach dem Fall der einen Supermacht Sowjetunion innerhalb von 20 Jahren auch Zeuge des Falls der zweiten (und heute einzigen) Supermacht werden, was alle internationalen politischen Karten neu mischen würde.
Veröffentlicht am 26. Februar 2007 in der "Berliner Umschau"