Montag, 22. Februar 2010

Schäubles Hinterlassenschaft: Die Zentral-Datenbank

„Kann ich mal die Akte des Mannes meiner Geliebten haben?“


Von Karl Weiss


Schäuble ist schon nicht mehr Innenminister, doch seine Spuren hat er unauslöschlich hinterlassen: Die Polizei-Zentral-Datenbank wird gerade auf Rechnern des BKA installiert: Fast alle Polizisten und andere „berechtigte Personen“ werden darauf Zugriff haben. Es sind dort keineswegs nur rechtskräftige Verurteilungen abgespeichert, sondern überhaupt alle Polizei- und BKA-bekannten Vorgänge, also auch alle Verdachtsfälle, auch wenn sie sich später als unrichtig herausstellten und auch alle Opfer von Straftaten werden dort fein säuberlich registriert sein. Diese General-Kartei, natürlich in elektronischer Form, wird auch an die ebenfalls in diesem Moment im Aufbau befindliche Europa-Datenbank angeschlossen werden, sodass auch im Ausland alle „berechtigten Personen“ Zugriff haben werden.

Stasi 2.0

Wie es der Zufall will, kam auf meinem Satelliten-Fernseh-Kanal hier in Brasilien im letzten Monat auf drei verschiedenen Kanälen US-Filme bzw. Serien, in denen jeweils eine fast identische Szene vorkam: Ein Polizist bittet einen anderen Polizisten – meistens einen alten Bekannten aus der Ausbildung oder einen Partner bei einem früheren Einsatz -, der Berechtigung auf Zugang zur US-weiten „Verbrecherkartei“ hat, für ihn eine Person nachzuprüfen – und der tut es, denn alte Freundschaft rostet bekanntlich nicht. In einem der Fälle handelt es sich bei dem Auskunft-Ersucher um einen Ex-Polizisten, der nun als Privat-Detektiv arbeitete. In einem anderen Fall, diesmal in der US-Fernsehserie „Law and Order - Special Victims Unit“ wurde auch klar, dass dort ebenfalls auch jegliche Verdachtsfälle und Opfer gespeichert werden. In diesem Fall wurde ein vorheriger Verdacht sogar vor Gericht benutzt (in einem erfundenen Fall in der Fernsehserie) und die Geschworenen und der Richter mit „die Beweise hätten damals nicht für eine Verurteilung ausgereicht“ beeinflusst.

Sicherlich ist Fernsehen nicht die Wirklichkeit, wenn allerdings bestimmte Szenen dort gang und gäbe sind, so muss man schließen, auch in der Wirklichkeit ist das wahrscheinlich der Fall. Und der Begriff „Verbrecherkartei“ ist völlig unzutreffend, denn man wird in 90% der Register lediglich Verdachtsfälle und Opfer haben, keine Verbrecher.

Filbinger - Schäuble
Schäuble ehrt den Faschisten Filbinger

Und wie um diesen Schluss zu unterstreichen, kommt aus Frankreich denn auch schon der erste bekannt gewordene Fall, in dem ein Polizist sich über einen Freund Zugang zu der dort heimlich bereits installierten elektronischen Zentral-Datenbank verschaffte (siehe den Fall hier: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31654/1.html ).

Dieser französische Fall ist besonders aufschlussreich, denn es handelte sich um einen Polizisten, der ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hatte. Die Daten, die er sich beschaffte, waren die des Ehemanns der Geliebten! Er versuchte an Material zu kommen, um eine eventuelle Scheidung seiner Geliebten zu erleichtern – und siehe da, er wurde fündig! Der eifrige Liebhaber in Uniform fand einen Eintrag, der den Ehemann mit dem Verdacht auf Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen in Verbindung brachte.

Doch gerade dies macht den Fall besonders interessant: Dieser Verdacht wurde nämlich gegen den Ehemann zu einem Zeitpunkt registriert, als der 6 Jahre alt war. Es wird also deutlich: Niemand wird diese Datensammlung sichten und von solchen Quatsch-Verdachten reinigen. Es wird vielmehr alles, aber auch alles dort zu finden sein: Nicht nur falsche Verdächtigungen, nicht nur der Zugang zu Personendaten von Personen, die lediglich Opfer wurde, auch längst verjährte Verkehrsdelikte, auch bereits offiziell gelöschte Verteilungen, jede Geldstrafe und jede Registrierung zum Beispiel, wenn bei einer Demonstration gegen Recht und Gesetz eingekesselt wird und die Personalien abgenommen werden. Nicht zu vergessen: Dort werden natürlich die Fingerabdrücke zugänglich sein und dann auch schon immer mehr genetische Fingerabdrücke.

Die Datenbank in Frankreich, die den 6-jährigen Auto-Hehler hergab, nennt sich STIC, wobei das I für „Infractions“ steht, also im Namen eine Kriminellen-Kartei – aber in Wirklichkeit ein Konglomerat von allem, was je Polizei-bekannt wurde. Die französische „Le Monde“, die diesen Fall bekannt machte, legte denn hierzu auch schon dar: Alle Polizisten, Beschäftigte bei der Justiz, Anwälte, Privatdetektive und Journalisten haben auf die eine oder andere Weise Zugang zu dieser Datenbank.

Dazu kommt, so wird berichtet, dass die Datenbank nur so vor Fehlern strotzt. Wegen der Unzahl von Eintragungen kann niemand diese löschen. So wird sie im Grunde, weil ihre Angaben fragwürdig sind, auch zu dem, wofür sie angeblich dienen soll, nicht zu gebrauchen sein, zur Erleichterung der Strafverfolgung wirklicher Krimineller.

Laut Angabe der „Le Monde“ sind in der französischen Datenbank etwa die Hälfte aller Franzosen erfasst.

Im genannten Fall in Frankreich kam heraus, was der Polizist getan hatte. Er wurde angeklagt und verurteilt: Zu einer Geldstrafe von einem Euro.

Zusätzlich gab ihm der Staatsanwalt noch mit auf den Weg, sich beim nächsten Mal nicht so ungeschickt zu verhalten: Wenn er den Ehemann angezeigt hätte und damit eine offizielle Untersuchung eingeleitet worden wäre, hätte er sich die Daten des Mannes legal verschaffen können.

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