Staatsbankrott der USA?
Von Karl Weiss
Was die New York Times (NYT), der Welt größte Zeitung, da im Leitartikel am 16. Februar 2010 schreibt, ist harter Tobak. Zwar hütet man sich, die angedeuteten Folgen der momentanen Politik beim Namen zu nennen (man spricht verniedlichend von „Dept Crisis“, also Schulden-Krise), aber der Inhalt ist eindeutig: Staatsbankrott der USA.
Die Argumentation läuft etwa so:
1. Die Bush-Administration hat ihre Popularität zu retten versucht mit Steuer-Senkungen und hat Ausgaben-Kürzungen versprochen, in Wirklichkeit die Ausgabe aber gesteigert. Als Obama das Amt übernahm, war er bereits in der Situation der höchsten Staatsverschuldung (in Relation zur Wirtschaftsleistung), in welcher die USA je waren.
2. Dazu kam die Krise und kamen dann die großen Banken-Rettungsaktionen, die praktische Verstaatlichung der riesigen Hypotheken-Institutionen „Fannie Mae“ und „Freddie Mac“ (die waren schon vor seinen Amtsantritt, mussten baer später aufestockt werden), die Versuche, die Konjunktur mit Milliarden-Ausgaben anzukurbeln und gleichzeitig keine Steuererhöhungen, weil Obama, um gewählt zu werden, jegliche Steuererhöhungen für alle mit Einkommen unter 250 000 Dollar pro Monat ausgeschlossen hatte.
3. Die größten Kostensteigerungen aber bringen angesichts der hochschnellenden Arbeitslosigkeit und der jetzt in Rente gehenden Baby-Boom–Generation die Systeme Medicare (Gesundheitsversorgung für jene, die keine Versicherung haben), Medicaid (für Ältere) und Social Security (Arbeitslosenunterstützung und Essensmarken-Programme), die eigentlich durch die Gesundheitsreform abgelöst werden sollten, aber Obama konnte sich nicht durchsetzen.
4. All dies zusammen steigert die Schulden immer schneller in einem Ausmaß, das als „kritisch“ bewertet wird, gemeint ist damit, die Schuldensteigerung und die ständig wachsenden Zinszahlungen werden an eine Obergrenze stoßen, an der nichts mehr geht.
5. Gleichzeitig beginnen verschiedene Länder (China vor allem) bereits, weniger US-Staats-Schuldscheine zu kaufen. Sie werden höhere Zinsen verlangen angesichts der offensichtlichen Risiken, was die Situation noch weiter verschärfen würde.
6. Massive Ausgabenkürzungen, die in solchen Situationen als Allheilmittel gelten, würden mit Sicherheit die Krise erneut anheizen und die Arbeitslosigkeit weiter erhöhen, was über die Sozialversicherungssysteme zu weiteren riesigen Ausgaben-Erhöhungen führen würde, wäre also kontraproduktiv.
7. Blieben also nur massive Steuer-Erhöhungen. Die USA sind einer der Staaten mit den geringsten Steuern. Eine Mehrwertsteuer wie in Europa mit einem Satz von z.B. 15 % könnte einiges ausmachen. So etwas ist aber praktisch undenkbar. Obama müsste seine Versprechen brechen. Die hat er aber zu einem Zeitpunkt gemacht, als diese Situation bereits abzusehen war. Er würde völlig unglaubwürdig werden. Die Republikaner würden ihn in der Luft zerreißen und zu Hackfleisch machen. Obama hat sich mit seinen Versprechungen in eine aussichtslose Lage gebracht.
Wenn aber die Schulden und der Zinsdienst immer mehr ansteigen, wenn andauernd neue Staatsanleihen aufgelegt werden müssen, um diese noch zahlen zu können, bzw. über alle Massen Geld gedruckt wird, dann kommt der Moment, in dem der Dollar seine führende Stellung verliert und/oder die US-Staatsanleihe nicht mehr als völlig sicher gilt. Ab diesem Moment bis zum US-Staatsbankrott ist es nur noch ein kurzer Weg.
Am 9. Dezember 2008 wurde in diesem Artikel: „Voraussage des Dollar-Crash“ (https://karlweiss.twoday.net/stories/5375888/ ) geschrieben: „Nun so sei es denn: Ich, Karl Weiss, der die Krise vorausgesagt hatte, warne hiermit heute, am 9. Dezember 2008: Der Dollar wird crashen.“
Noch drei Anmerkungen: 1. Es spielt keine Rolle, ob zuerst die US-Staatsanleihen zusammenbrechen oder der Dollar, beides läuft aufs Gleiche hinaus. 2. Es kann sehr wohl sein, dass der Euro oder andere Währungen vorher kollabieren. Das ändert nichts an den Problemen des Dollar. 3. Das kann sich noch eine ganze Zahl von Jahren hinziehen. Die NYT spricht z.B. vom Jahr 2014. Aber Jahre vergehen schnell.
Fast gleichzeitig mit diesem NYT-Artikel kam eine Reuters-Meldung über Aussagen aus der Baseler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Dort heißt es:
„Die Staatengemeinschaft steuert nach Einschätzung der Baseler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich nach der Finanzkrise auf eine Schuldenkrise globalen Ausmaßes zu. "Die Fiskalprobleme der Industrieländer sind größer als die offiziellen Verschuldungszahlen zeigen", heißt es in einer aktuellen Studie der auch Notenbank der Notenbanken genannten BIZ...“
„Die BIZ hat immer wieder mit frühzeitigen Warnungen für Aufsehen gesorgt; so hatten BIZ-Ökonomen bereits lange vor dem Ausbruch der jüngsten Finanzkrise 2007 vor massiven Risiken bei Kreditderivaten und am US-Häusermarkt gewarnt...“ heisst es in der Meldung.
Es wird also deutlich, es handelt sich nicht um ein spezielles US-Problem, obwohl natürlich der Zusammenbruch der US-Wirtschaft die bei weitem umfangreichsten Auswirkungen hätte. Es werden ausdrücklich die Länder der Euro-Zone, Großbritannien und die USA als Kandidaten für eine „Explosion der Staatsschulden“ und eine „Vertrauenskrise bislang ungekannten Ausmaßes“ genannt. Auch hier wird ein Zeitrahmen im Bereich 2014 bis 2016 angepeilt.
Was die BIZ nicht sagt, allerdings im NYT-Artikel deutlich wird: Es gibt jetzt bereits praktisch keinen Ausweg aus dieser Situation. Es gibt nämlich nur zwei Maßnahmen, die jene „Krise bisher unbekannten Ausmaßes“ verhindern könnten: Massive Steuererhöhungen und brutale Verringerung der Staatsausgaben. Dies aber – und erst recht die Kombination von beidem – würde die Wirtschaftskrise erneut (oder weiterhin) verstärken, die Firmenpleiten würden in die Milliarden gehen und die Arbeitslosenzahlen in die Zig Milliarden.
Ja, es gäbe einen eventuellen Ausweg, nur würden sie diesen nicht nehmen: Man könnte massiv die Löhne erhöhen, könnte Mindestlöhne einführen bzw. erhöhen, die Arbeitslosenunterstützungen deutlich anheben und gleichzeitig durch die verstaatlichten Banken billige Kredite für Hausbau und Industrie-Investitionen bereitstellen und massiv Staatsangestellte einstellen. Brasilien hat bewiesen: Das funktioniert. Brasilien ist als eines der wenigen Länder bereits aus der Krise. Die Zahl der Pleiten durch diese Maßnahmen ist gering geblieben. Geld, das man unten in die Wirtschaft reinschiebt, drückt automatisch nach oben durch. Der Anstieg der Steuereinnahmen bringt dann genauso automatisch die ausgegeben Gelder wieder herein.
Nur: das würden die Konservativen und Liberalen in allen Ländern als „Sozialismus“ bezeichnen und die Sozialdemokraten ebenfalls ablehnen. Also wer soll das dann noch durchführen?
Sie werden das Schiff also auf Kurs halten und entweder links bei Szylla oder rechts bei Charybdis auf die Felsen fahren. Prost Mahlzeit!
Und nicht vergessen Revolution zu machen!
Veröffentlicht am 22. Februar 2010 in der Berliner Umschau