Donnerstag, 8. Februar 2007

Deutschland: Absurde Polizeiübergriffe häufen sich

Das Demonstrationsrecht gilt nur noch für Faschisten und Pro-Israel-Demonstranten

Von Karl Weiss

Am 5. Februar ist es in Hannover erneut, wie schon auf anderen Demonstrationen, zu absurden Übergriffen der Polizei auf die dortige Montagsdemonstration gekommen. Würgegriff, Festnahmen, Polizeigriffe, Handschellen, erkennungsdienstliche Behandlung, Ausziehen einer Frau vor männlichen Polizisten, das ganze Arsenal wurde durchgespielt.

Bereits seit einiger Zeit werden die allmontäglichen Demonstrationen gegen Hartz IV und gegen die ganze Regierungspolitik, die weiterhin in vielen Städten stattfinden, gezielt ungesetzlich überwacht und schikaniert.

Die andauernde ungesetzliche Video- und Photoüberwachung von Demonstrationen gegen die Regierungspolitik ist bereits die Regel.

Elmar auf Stuttgarter Modemo Jan 06, Polizeifahrzeuge

(Das Foto zeigt Elmar bei einem Redebeitrag auf der Stuttgarter Montagsdemo. Im Hintergrund kann man die Polizeifahrzeuge erkennen, aus denen widerrechtlich ununterbrochen fotografiert und gefilmt wurde.)

In einigen Städten, so unter anderem in Stuttgart und München, hatte die Polizei eine Auflage erfunden, die bereits wiederholt von Gerichten für nichtig erklärt wurde: Angeblich dürfe eine Lautsprecheranlage erst bei mehr als 50 Demonstranten verwendet werden.

Die Gerichte haben diese Regel bereits zurückgewiesen, denn das Recht auf Meinungsäusserung und Demonstration ist selbstverständlich nicht auf grosse Demonstrationen beschränkt. Trotzdem werden in verschiedenen Städten die Montagsdemonstranten immer wieder mit dieser angeblichen Regel konfrontiert, mit der die Polizei versucht, die Zustimmung, die bei Montagsdemonstrationen in der Regel von den Passanten kommt, zu unterbinden. Man versucht die Demonstranten oder die Kundgebung in eine versteckte Ecke abzudrängen und verbietet Lautsprecher, so glaubt man der Montagsdemobewegung den Garaus machen zu können.

Die Polizei nutzt dabei immer wieder bewusst eine Gesetzeslücke aus: Sie darf als Vertreter der Staatsmacht Auflagen verkünden, auch wenn Gerichte die bereits als unzulässig bezeichnet haben. So verkünden die Polizisten einfach, die 50-Personen-Regel gälte. Da die Montagsdemonstranten keine Möglichkeit haben, in diesem Moment das Gericht anzurufen, müssen sie sich dem unterwerfen, obwohl es rechtswidrig ist. So kommt es dann auch vor, Polizisten verkünden hämisch, man könne ja hinterher vor Gericht ziehen, Hahaha!

So war es auch wieder am 5. Februar 2007 auf der Montagsdemo in Hannover. Anfänglich waren weniger als 50 Personen anwesend, wie beide Seiten, wenn auch mit unterschiedlichen Zahlen, feststellten und die Demonstranten liessen das Mikrofon abgeschaltet.

Dann aber begannen sie mit den Passanten zu sprechen und auf die polizeilichen Methoden aufmerksam zu machen. Viele blieben stehen und so war die Kundgebung bald auf mehr als 100 Personen angewachsen. Nun setzten die Demonstranten auch den Lautsprecher ein. Alle Demonstrationsteilnehmer wie auch Passanten hatten das Recht, am Mikrofon zu sprechen (nicht nur sogenannante Prominente, wie auf anderen Demonstrationen üblich).

Die anwesende Polizei-Einheit weigerte sich nun einfach, erneut zu zählen, sie ging ohne Ankündigung mit Gewalt gegen die Kundgebung vor. Personen wurden zu Boden gestossen, einige willkürlich festgenommen, mehrere völlig überraschte Teilnehmer wurden körperlich bedrängt, wenn sie mit den Polizisten zu sprechen versuchten, um sie zur Vernunft zu bringen.

Eine Person wurde gewürgt, es wurden Handschellen angelegt, so als ob irgendeine Gefahr von einfachen Montagsdemonstranten ausgehen könnte.

Die Polizei nahm die Lautsprecheranlage weg, beendete die Demonstration, ohne irgendeine Begründung angeben zu können. Überhaupt war auffallend, die Polizisten folgten offenbar Befehlen und liessen nicht mit sich sprechen.

Der Einsatzleiter Friedrichs war plötzlich nicht mehr zu sprechen. Die Frage nach dem Einsatzleiter durch den Anmelder der hannoverschen Montagsdemonstration, Kurt Kleffel, wurde mit Festnahme beantwortet. Das sind Polizeistaat-Methoden. Weder diese noch irgendeine andere Montagsdemo hat je irgendwelche Gewalt angewandt. Der Einsatz war völlig unverhältnismässig.

Die Festgenommenen sollen angeblich Widerstand gegen Staatsgewalt geleistet haben. Da die Polizei alles gefilmt hat, wird man dann ja wohl den „Widerstand“ auf dem Video sehen. Man kann gespannt sein, ob diesmal das Video freigegeben wird. Beim letzten Fall versteckte die Polizei das Video, weil es gezeigt hätte, dass die Behauptungen erlogen waren.

Für die Festgenommenen gingen die ganze absurden Unglaublichkeiten auf der Wache weiter. Lange Zeit festgehalten, erkennungsdienstlich behandelt wie Kriminelle, die Leute waren wirklich empört. Der absolute Abschuss wurde dann erreicht, als man eine Frau zwang, sich vor den männlichen Polizisten auszuziehen. Sie müsse nach Waffen durchsucht werden, war die leicht durchschaubare Ausrede. Es hat noch nie eine Montagsdemonstration gegeben, auf der jemand eine Waffe getragen hätte.

Bei den Faschisten allerdings, die jene gleiche Polizei mit Samthandschuhen anfasst und stattdessen gegen Gegendemonstranten vorgeht, da könnten sie leicht fündig werden. Nur da wird nicht nach Waffen durchsucht.

Es kann nicht angehen, dass Polizisten ihre Amtsmacht dazu missbrauchen, ihren Bedarf an Ansicht wenig bekleideter Frauen zu decken.

Als Gipfel der Absurdität hat nun auch noch die Staatsanwaltschaft die Lautsprecheranlage konfiziert und will sie vernichten lassen. Es darf nicht vergessen werden, diese Staatsanwälte wie auch die polizeilichen Einsatzleiter sind weisungsgebundene Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes. Da gibt jemand Anweisungen.

Ganz anders verhält sich die Polizei, wohl auch auf Anweisung „von oben“, wenn z.B. eine Pro-Israel-Demonstration angesagt ist wie zweimal letztes Jahr bei der WM in Nürnberg, als die iranische Nationalmannschaft spielte. Die völlig überdimensionale Lautsprecheranlage wird nicht beschlagnahmt oder abgestellt, denn es sind ja Prominente anwesend, ein Vorsitzender der israelischen Gemeinde in Deutschland, Bundes- und Landtagsabgeordnete von Regierungsparteien. Zieht man die Personen auf dem Lautsprecherwagen, andere „Prominente“ und die Presse- und Fernseh-Berichterstatter ab, waren weniger als 50 „normale“ Leute anwesend. Aber da war nun plötzlich keinerlei Auflage mehr zu hören.

Dem Politiker-Pack muss der Schreck ganz schön in die Glieder gefahren sein, als die Montagsdemos gegen Hartz IV begannen. Auch jetzt, wo bundesweit nur etwa 2000 Demonstranten allmontäglich auf der Strasse sind, geben sie Anweisung für „scharfes Durchgreifen“. Wahrscheinlich ahnen sie, es werden wieder deutlich mehr werden. Da wäre es schön, man könnte sie vorher abwürgen.

In Rom sagte man: „Quod licet Iovi, non licet Bovi.“ „Was Jupiter darf, darf ein Ochse noch lange nicht“. Werden wir von denen, welche der Polizei die Weisungen erteilen, für dumme Rindviecher gehalten (während sie selbst den Status von Göttern beanspruchen)?

Die Zeiten werden härter, das Demonstrationsrecht wird ausgehebelt, die Regierung will keine kritischen Stimmen mehr hören. Tun wir ihnen den Gefallen und erfüllen ihre Albträume! Auf zu den Montagsdemonstrationen!


Veröffentlicht am 8. Februar 2007 in der "Berliner Umschau", hier leicht redigiert.


Zusatz vom 13. Februar 2007:

Nach Meldung von der Hannoveraner Montagsdemo (hier) sind insgesamt drei Verfahren gegen Kurt Kleffel eingeleitet worden und die Lautsprecheranlage ist nun wirklich vom Gericht eingezogen worden:

"Inzwischen wurden die Beschlagnahme des Lautsprecher durch einen Beschluss des Amtsgerichtes Hannover bestätigt. Mündlich wurde von der Polizei mitgeteilt, dadurch solle verhindert werden, dass mit diesem "Tatmittel" eine weitere "Straftat" begangen werden kann."

Damit ist die Sache von einem polizeilichen Exzess, den jemand vielleicht einer unvernünftigen Einzelperson hätte zuschreiben können, zu einer konzertierten Aktion des Staates geworden gegen Gegner der Regierungspolitik und zu ihrer Kriminalisierung.

Karl Weiss


Zusatz vom 17.2.2007:

Inzwischen ist auch viel Solidarität bei den Hannoveranern der Montagdemo eingegangen. Als Beispiel sei der Brief von Gernot Wolfer aus Berlin zitiert:

"Gernot Wolfer, Berlin
(Erstunterzeichner des "Berliner Bündnis Montagsdemo" 2003)
Berlin, den 8.2.2007


An die am 5.2. verhafteten Montagsdemonstranten in Hannover!
c/o: Kurt Kleffel, Anmelder der Hannoveraner Montagsdemo


Liebe Montagsdemonstranten, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Über das Internet und Eure Pressemitteilung habe ich gestern von Eurer Verhaftung bei der letzten Montagsdemonstration in Hannover erfahren. Nach den Berichten zu urteilen wurdet ihr aus nichtigem Anlaß wie Kriminelle behandelt und zur Polizeiwache verschleppt!

Am 20.9.2004 war ich zusammen mit anderen Montagsdemonstranten ebenfalls Opfer eines gewaltsamen Polizeieinsatzes gegen die Berliner Montagsdemonstration. So wie ihr wurden auch wir festgenommen und abgeführt, einige der Betroffenen wurden dabei sogar schwerer verletzt und mußten im Krankenhaus behandelt werden.

Solche Polizeiübergriffe gegen Bürger, die einfach nur ihre Meinungsfreiheit und ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen, sind ein Skandal erster Ordnung! Die ganze bundesdeutsche Montagsdemobewegung und ihr hartnäckigen Protest gegen die Hartz-Gesetze sollen damit getroffen werden!

Vor was haben die herrschenden Kreise dieses Landes bloß solche Angst? Etwa davor, dass sich Volksbewegungen wie die Montagsdemo mit der organisierten Arbeiter- und Gewerkschafts-Bewegung verbinden, und es wie in Frankreich zu Massenstreiks gegen die immer asozialere Regierungs-Politik kommt? Gerechtfertigt wäre das allemal!

Jedenfalls: Laßt Euch nicht unterkriegen! Nützt den Protest und auch die sicher nötigen juristischen Schritte gegen den Polizeieinsatz und gegen die Strafanzeigen zur Gewinnung neuer Mitstreiter für unseren gemeinsamen und berechtigten Kampf! Dann wird der "Schuß" für die Herrschenden nach hinten losgehen...

Solidarische Grüße aus Berlin!

Gernot Wolfer"


Zusatz zum Artikel vom 14.6.2007:

Jetzt wurde bekannt: Auch das Gericht fand nichts Strafwürdiges an Kurt Kleffel und der Hannoverschen Montagsdemo. Alle drei Strafverfahren wurden eingestellt. Die Kosten des verfahrens wurden der Staatskasse aufgebürdet. Damit ist bestätigt: Es handelte sich wirklich um einen unzulässigen Übergriff der Polizei.

Faktischer Deutscher oder Türke?

Kurnaz zwischen den Welten

Von Karl Weiss

Soll Steinmeier zurücktreten? Sind die Vorwürfe gegen ihn „infam“? Durfte man Kurnaz das Aufenthaltsrecht entziehen?
Der Fall Kurnaz lässt die Emotionen hochgehen, so wie damals die Auseinandersetzung über den „Doppelpass“. Wiederum geht es um die Frage der Türken in Deutschland, die längst ein Anrecht auf deutsche Staatsangehörigkeit haben.


Die deutsche Medienwelt ist geteilt. Eher vorsichtige Kommentatoren, wie in der „Süddeutschen“, betonen, Kurnaz hätte ein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland gehabt und sei damit wie ein deutscher Staatsbürger zu behandeln gewesen:

„Steinmeier ist Jurist. Juristen neigen zu mechanistischem Denken. Dieses Denken hat sich im Fall Kurnaz auf die Position versteift, dass der junge Mann zwar in Bremen geboren und aufgewachsen, aber nun einmal kein deutscher Staatsbürger sei: Türke bleibt Türke, der soll froh sein, wenn man sich ein klein wenig um ihn kümmert; im Übrigen sind wir froh, wenn er weg ist und waschen die Hände in Unschuld.

Soll sich doch die Türkei um ihren Mann kümmern... Dass die Türkei das nicht tat, weil sie Kurnaz für einen faktischen Deutschen hielt, blieb ohne Auswirkung auf das Verhalten der deutschen Bürokratie. Sie war und blieb indolent, obwohl es eine faktische völkerrechtliche Verantwortung Deutschlands gab.“


Dagegen schreiben die „Potsdamer Neuesten Nachrichten“:

„...Deutschland hatte keine Fürsorgepflicht für Kurnaz, er ist türkischer Bürger, daran ändern auch seine Jahre in Bremen nichts. Die Türkei hätte sich um ihn kümmern müssen. Über ihre Rolle hört man Widersprüchliches, aber es läuft auf dasselbe hinaus: Wenn die Türkei ihn aufnehmen wollte, hat Berlin seine Freilassung gewiss nicht verhindert. Wenn Ankara ihn aber nicht haben wollte, warum sollte Deutschland ihn einreisen lassen? Er galt als potenzieller Terrorist. Kurz zuvor waren Flugzeuge ins World Trade Center geflogen. Unter den Drahtziehern waren Muslime, die in Deutschland lebten...“

In dieser Stellungnahme ist allerdings ein grober sachlicher Fehler enthalten: 2002, als die USA die „Rücklieferung“ von Kurnaz nach Deutschland anboten, galt er nicht mehr als potentieller Terrorist. Es hatte sich längst herausgestellt, er war in keinster Weise militanter Islamist.

Hier der interne Text eines E-Mails vom BND vom September 2002:

„USA sehen die Unschuld von Murat Kurnaz als erwiesen an. Er soll in sechs bis acht Monaten freigelassen werden. Die deutschen Behörden werden vorab informiert, so dass seine Freilassung als von deutscher Seite erwirkt dargestellt werden kann.“

Aber unabhängig davon, wiederum geht es, so wie damals beim Fall des „Doppelpasses“, eigentlich nicht um den Fall selbst.

Es ist die alte, wieder neu aufgelebte Auseinandersetzung zwischen denen, die alle eventuell fremd Aussehenden raus aus Deutschland haben wollen, hier repräsentiert durch den Kommentator der „Potsdamer Neuesten Nachrichten“, und denen, die Menschen mit Vorfahren aus anderen Ländern, die in Deutschland geboren sind und immer gelebt haben, das geben wollen, was nach Völkerrecht ihr Anspruch ist: Die deutsche Staatsbürgerschaft.

Das Vertrackte ist, dies war damals beim Fall „Doppelpass“ schon klar. Nur hatte damals die CDU/CSU ein Thema gefunden, mit dem sie punkten konnte und hängte den „Doppelpass“ ganz hoch, in der Hoffnung, Wählerstimmen zu erhaschen. Und das sind Leute, die Anderen „Populismus“ vorwerfen. Koch in Hessen wäre nie an die Macht gekommen, wenn die angeblichen Christen sich nicht ganz unchristlich an das Appellieren an niedrige Instinkte gemacht hätten.

Von der Sache her ist nämlich der Doppelpass - ohne Anführungszeichen -gängige Praxis in praktisch allen Ländern, auch in Deutschland.

Der Schreiber dieser Zeilen könnte z.B. ohne größere Schwierigkeiten die brasilianische Staatsangehörigkeit erwerben und verlöre die deutsche keineswegs. Zur Zeit der Doppelpass-Kampagne gab es sogar einen CDU-Minister in Rheinland-Pfalz, der außer dem deutschen auch den französischen Pass hatte.

Diese Praxis ist nicht gern gesehen und wird, wenn es offiziell wird, sogar verneint. Tatsächlich aber lassen fast alle Länder „unter der Hand“ die Fälle mit der mehrfachen Staatsangehörigkeit durchgehen, ohne irgendwelche Maßnahmen der Ausbürgerung zu treffen. Nach internationalen Recht ist auch eine Ausbürgerung an hohe Bedingungen geknüpft, die zweite Staatsbürgerschaft reicht dafür keineswegs aus.

Es ging ja auch nie um den Doppelpass als solchen, es ging schon gar nicht um Deutsch-Franzosen, nicht einmal um Deutsch-Brasilianer, es ging und geht um die Türken in Deutschland.

In den 50er-Jahren, 60er-Jahren und noch zu Beginn der 70er-Jahre hatte man mit Werberkolonnen Türken aus allen Teilen jenes Landes, aber eben auch aus dem Inneren Anatoliens, angeworben, damit sie in Deutschland arbeiten. Man kann in der Türkei noch die Geschichten über die Anwerbekolonnen in den anatolischen Dörfern erzählen hören, die von Entlohnung berichteten, welche den Bauern der Atem stocken ließ und über die tränenreichen Abschiede von Familienvätern von Frau und Kindern, um dem Hunger und dem Elend ein für alle Mal eine Ende zu bereiten.

Diese Leute waren damals hier nötig und wurden (das war nicht zynisch gemeint) Gastarbeiter genannt. Sie haben die Bundesrepublik mit aufgebaut und sie wäre nicht da heute, wo sie ist (Exportweltmeister), wenn sie nicht hier gewesen wären.

Doch man hatte anscheinend nicht richtig bedacht, dass man keine Arbeitsroboter, sondern Menschen angeworben hatte. Nach einer Anzahl von Jahren hatten sie das Recht von Nachzug von Frau und Kindern erworben und dann kamen schon Kinder, die hier geboren wurden – und von denen haben heute viele schon wieder Kinder – im Extremfall gibt es heute schon türkische Babys, deren Großeltern und Eltern schon in Deutschland geboren wurden.

Das Problem war, sie wurden nicht integriert in Deutschland, sie wurden bewusst und mit böser Absicht ausgegrenzt. Warum? Weil bestimmte Parteien glauben, mit Fremdenfeindlichkeit Wahlerfolge erzielen zu können, weil bestimmte Politiker gerne an die niedrigsten Instinkte im Menschen appellieren, um von ihren Sauereinen abzulenken – und das funktioniert oft auch.

Als die CDU/CSU damals die „Doppelpass-Kampagne“ vom Zaun brach, hätte die SPD den Menschen erklären müssen: Es gibt keinerlei Möglichkeit mehr, diese Menschen zurück in die Türkei zu schicken. Auch wenn sie formal noch türkische Staatsbürger sein mögen, haben sie nach internationalem Recht längst das Anrecht auf die deutsche Staatsbürgerschaft und Deutschland kann sich dem keinesfalls entziehen, ohne internationales Recht zu brechen.

Wer in einem Land geboren ist und immer legal in diesem Land gelebt hat, kann nicht per nationalem Dekret in das Land seiner Vorväter zurückgeschickt werden. Deutschland verlöre vor jedem europäischen oder internationalen Gerichtshof einen solchen Prozess.

Doch die SPD-Politiker sind Weicheier und hatten Angst um ihre Wählerstimmen. Daher sagten sie den Deutschen nicht die Wahrheit, sondern baldowerten zusammen mit den angeblichen Christen einen Trick aus: Wir werden ihnen zwar die Staatsbürgerschaft zusichern, aber nur, wenn sie die türkische aufgeben, denn zwei Pässe sind offiziell nicht erlaubt. Damit hatte man der latenten Fremdenfeindlichkeit in Deutschland nachgegeben und gleichzeitig kein internationales Recht gebrochen, denn der Doppelpass ist international nicht abgesichert.

Man wusste, man musste die Türken nur weiterhin in ihren Ghettos leben lassen, sie auf Teufel komm raus nicht integrieren und sie würden die türkische Staatsbürgerschaft nicht aufgeben wollen. Da passt gut ins Bild, wie noch 2006 erneut Fördermittel für Sprachkurse für Ausländer vom deutschen Parlament gekürzt wurden. Auf keinen Fall integrieren!

Zur gleichen Zeit schreien die gleichen Politiker, die dies gerade eben beschlossen haben: Die wollen sich nicht integrieren, die sollen erst einmal integrationsfreundlich werden. Der ‚Circulus vitiosus’ war geschaffen: Die Türken wollen sich angesichts der massiven Ausgrenzung absichern und ihre alte Staatsbürgerschaft nicht aufgeben. Damit sind sie "integrationsfeindlich" und das wiederum gilt als Vorwand, sie nicht zu integrieren.

Nur: Sie sind hier und sie sind nicht auszuweisen.

Da kommt dann Kurnaz: Hier geboren, immer in Deutschland gelebt. Nur auf Reisen die Türkei gesehen. Er könnte vor jedem europäischen oder internationalen Gericht die deutsche Staatsbürgerschaft erzwingen. Aber auch ohne das hat er nach internationalem Recht Daueraufenthaltsrecht in Deutschland.

Von daher war die Aberkennung dieses Aufenthaltsrecht durch das damalige Kanzleramt (Steinmeier) und die Bremer Stadtverwaltung (auch SPD) grob widerrechtlich – unter dem schwächlichen Vorwand, er habe sich ja über ein halbes Jahr nicht an seinem Wohnort blicken lassen – man wusste aber genau warum: Er war bei einer Reise in den Mittleren Osten festgenommen und an die US-Behörden ausgeliefert worden. Es hätte einen Terrorismus-Verdacht gegeben. Bis heute blieb ungeklärt, worauf der wohl hätte beruhen sollen.

Ein unerhörter Vorgang kommt da nun ins Spiel: Zu jener Zeit sei von einem deutschen Dienst (das müsste wohl der Verfassungsschutz gewesen sein) gemeldet worden, eine Freundin von Kurnaz habe berichtet, er wolle sich in den Krieg für Allah einreihen.

Nun hat sich aber dummerweise diese Freundin gefunden und was sie sagt, will so gar nicht ins Bild passen: Erstens sei sie nie so intim mit ihm gewesen, dass er ihr so etwas offenbart hätte, zweitens habe er nie so etwas zu ihr gesagt und drittens habe sie so etwas auch nie behauptet.

Dumm gelaufen, Herr Steinmeier, was? Nun fragt sich natürlich: Hat man hier eine Falschmeldung fabrizieren lasen, um die völkerrechtswidrige Ablehnung, ihn zurückzunehmen, doch noch begründen zu können?

Dann allerdings, Herr Steinmeier, kann man von Infamie sprechen, aber von Ihnen.

Zitat Süddeutsche:

„Steinmeier nennt die Vorwürfe ‚infam‘, die in der Causa Kurnaz gegen ihn gemacht werden. Aber nicht die Vorwürfe gegen ihn, sondern seine und die Verteidigungsstrategie der SPD sind infam.“

Und das schreibt ein Leib- und Magenblatt der SPD.


Dieser Artikel erschien am 8.2.2007 in "Journalismus - Nachrichten von heute".

Mittwoch, 7. Februar 2007

Dollars oder Mini-Nukes?

Ist Irans Bestreben, eine Ölbörse auf Euro-Basis anzulegen, ein Problem für die USA?

Von Karl Weiss

Professor D. Zeitel schrieb letztes Jahr in einer Veröffentlichung der ‚Staats- und wirtschaftspolitischen Gesellschaft’ (SWG), Hamburg, einer der wesentlichen Gründe, warum ein Angriff auf den Iran, hauptsächlich auf Betreiben der Regierung der USA, vorbereitet wird, sei die Ankündigung Teherans, ab März 2006 eine Erdölbörse auf Euro-Basis betreiben zu wollen. Nach seinen Angaben würde dies die absolute Vorherrschaft des Dollars im Erdölgeschäft gefährden und damit die Gefahr riesiger Verluste der US-Wirtschaft heraufbeschwören. Nun, die Ölbörse gibt es bis heute nicht und es steht auch nicht mehr fest, ob sie in Euro funktionieren wird. Tatsache bleibt aber, die USA sind auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen: Alle Erdölgeschäfte müssen in Dollars gemacht werden. Deshalb bleibt das Thema interessant. Der Iran hat die Planungen für die Ölbörse ja nicht aufgegeben.

Iranische Atomanlagen

In seinem Artikel, den man finden kann auf der Website der SWG: swg-hamburg.de, wenn man auf „Wirtschaftspolitik" klickt, legt der Profesor unter anderem dar, daß dasjenige Land, in dessen Währung die gigantischen weltweiten Erdölgeschäfte abgewickelt werden, gewaltige konkrete zusätzliche monetäre Mittel zufliessen, die unter Ökonomen mit dem Begriff „Seigniorage-Gewinne" (Münzprägegewinne) gekennzeichnet werden.

Für Nicht-Ökonomen kann dies in etwa so erklärt werden, daß jenes Land die Möglichkeit hat, in großem Umfang neues Geld zu drucken (Münzen zu prägen), ohne daß, wie normal, dadurch die interne Inflation im Lande angeheizt würde. Die imperialen Abenteuer der US-Regierung, wie der jetzige Irak-Krieg, aber auch generell das riesige US-Rüstungsprogramm hängen vollständig davon ab, daß diese Gewinne fließen. Auch daß die gigantische Verschuldung des US-Staates und das massive Aussenhandelsdefizit keine negativen Auswirkungen auf die US-Ökonomie haben, hängt von diesen Gewinnen ab.

Mit anderen Worten, die ganze imperiale Machtstellung der USA hängt wesentlich davon ab, daß weltweit das gesamte Erdöl (und nicht nur das Erdöl) in Dollar gekauft und verkauft wird.

Gun

Es wird darauf hingewiesen, daß Saddam Hussein, kurz bevor die Vorbereitungen des Irakkrieges begannen, seine Ölverkäufe auf Euro umgestellt hatte und die These aufgestellt, daß dies einer der wesentlichen Gründe des Irak-Krieges war.

Eine Ölbörse ist aber noch etwas anderes als einfach nur die Währung, in der das Öl eines Landes verkauft wird. Sie wäre vielmehr ein Konkurrenzunternehmen zu den beiden einzigen Ölbörsen, die es momentan gibt, New York Mercantile Exchange (NYMEX) in New York und International Petroleum Exchange (IPE) in London, beide in US-Händen.

Die Bedeutung der Ölbörsen ist eine mehr indirekte, denn in Wirklichkeit wird 90% des weltweiten Rohöles in langfristigen Kontrakten verkauft, die bestenfalls formal über eine der Ölbörsen gelaufen sind, bzw. gleich von vornherein in Weiterverarbeitungsanlagen des Ölkonzerns genutzt, dem auch die Ölquelle gehört. Nur größenordnungsmäßig 10% des Rohöles kommt überhaupt auf den Markt, d.h. wird in einer der Ölbörsen wirklich angeboten und gekauft.

Ahmedinedschad

Was die Ölbörsen so wichtig macht, ist die Tatsache, daß sich die Preise des Rohöls an den Preisen an der Börse orientieren. Steigt der Preis, z.B. für den Barrel von Brent-Öl, so werden ab diesem Zeitpunkt auch die langfristigen Kontrakte zu diesem höheren Preis getätigt bzw. es wird in der internen Abrechnung der Konzerne dieser höhere Preis zugrunde gelegt.

Viel mehr gilt dies natürlich noch für die Währung, in der sich das alles abspielt. Dies ist und war seit Urzeiten der US-Dollar.

Würde nun eine Ölbörse in Euro aufgemacht, würde deren Bedeutung natürlich eindeutig davon abhängen, wieviel Erdöl dort nun tatsächlich überhaupt angeboten würde. Steht hinter einer solchen neuen Börse nun einer der großen Erzeuger von Rohöl, so könnte sie theoretisch an Bedeutung gewinnen. Der Iran ist immerhin die Nummer 5 (nach anderer Zählung Nr. 4) unter den Erdölexporteuren, wenn er auch andererseits natürlich den größten Teil seines Erdöls in festen Verträgen verkauft, die nicht von heute auf morgen aufgelöst oder umgestellt werden können.

Würde aber nun der Iran darauf bestehen, daß jeder auslaufende Vertrag auf einen Vertrag über jene Ölbörse umgestellt wird, so könnte die Börse im Verlauf von ein, zwei Jahren größere Mengen von Erdöl anbieten als jede Einzelne der anderen beiden. Es könnten auch andere Länder auf die Idee kommen, einen Teil des Öls an dieser Börse anzubieten. So hat z.B. Venezuela, immerhin Nummer 6 (nach anderer Zählung Nr. 5) unter den Ölexporteuren, bereits Interesse angemeldet.

Bush Deaths

Wer ein ganz spezielles Interesse an einer solchen Ölbörse hätte, sind natürlich die europäischen Staaten, deren Währung der Euro ist. Zwar konnten sie es nicht wagen, selbst eine solche Ölbörse aufzumachen, denn dies wäre einer Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten gleichgekommen, sie könnten aber, nach und nach und mehr oder weniger heimlich, beginnen, ihren Ölbedarf über diese Börse, und daran anschließend mit Euro-Verträgen, zu decken.

Immerhin sind die Länder der Euro-Zone, als Block genommen, der weltweit größte Importeur von Rohöl bzw. dessen Folgeprodukten. Würden die „Seigniorage-Gewinne" in Zukunft im wesentlichen den Ländern des Euro-Blocks zufließen, wären deren Haushaltsprobleme und die Probleme stagnierenden Wachstums gelöst. Allerdings muß man sehen, daß die US-Regierung einer solchen Entwicklung nicht tatenlos zusehen würde und eine Menge Möglichkeiten hat, einzugreifen.

Wenn Prof. Zeitel in seiner Schrift es so darstellt (Überschrift: ‚US-Dollar oder Mini-Nukes’), als ob es nur die Alternative eines militärischen Überfall auf den Iran oder den Fall des Dollars als Ölwährung gäbe, ist dies einseitig. Die US-Regierung hat es noch fast jedesmal geschafft, die europäischen Mächte zu überzeugen, lieber ihr zu folgen als sich mit ihr anzulegen. Das letzte Beispiel sind die Fragen nach den CIA-Folterflügen. Man hat ein allgemeines Schweigegebot erlassen und seitdem halten alle europäischen Regierungen ohne Ausnahme den Mund. Lediglich die Kommission in Brüssel ist noch etwas aufmüpfig.

Bush

Würde die USA die Europäer verpflichten, jene Ölborse am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen, so wäre kaum etwas dagegen zu machen. Trotzdem kann sie zumindest einer der Gründe sein, warum man den Überfall auf den Iran bereits geplant hat und im Moment nur noch genau abscheckt, ob er wirklich notwendig wird, oder ob man auch ohne dies die generelle Oberhoheit über die ganze Nahostregion einnehmen kann.

Die Europäer haben auch gar keinen Grund, sich deshalb mit den Partner auf der anderen Seite des Atlantik anzulegen, denn sie können schlicht und einfach auf die Zeit bauen. Der Euro als zukünftige Ölwährung wird ihnen wahrscheinlich mit der Zeit sowieso in den Schoß fallen, spätestens dann, wenn China, das im Moment die Hauptlast des US-Dollar trägt, diesen fallen läßt. Der Euro ist der automatische Ersatz und in Europa könnte man auch noch mit Recht betonen, daß man ja gar nicht Schuld ist.

Immerhin hat der Atom-Deal zwischen den Vereinigten Staaten und Indien eine neue weltweite Kräftekonstellation angedeutet. Wenn die USA und Indien sich eng verbünden, ist damit der Versuch der Isolierung Chinas verbunden, das sich nach Partnern wird umsehen müssen. Es stehen bewegte Zeiten vor uns. Selbst ein Welt-Atomkrieg in absehbarer Zeit ist nicht mehr ausgeschlossen.


Dieser Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht in der "Berliner Umschau" vom 7. März 2006. Hier wird eine aktualisierte Version vorgestellt.

Dienstag, 6. Februar 2007

Lulas Brasilien, Teil 6 - Pressefreiheit in Brasilien

Wie man den brasilianischen Journalisten Boris Casoy loswurde

Von Karl Weiss

Einer der prominentesten Arbeitslosen Brasiliens ist Boris Casoy, einer der wenigen und letzten Journalisten in den Massenmedien, der Skandale aufdeckte und anprangerte, der ohne Furcht die Kellerleichen von Politikern, bis in die höchsten Ämter, ausgrub und der bis vor kurzem am brasilianischen Fernsehen „gegen den Strich bürstete". Nun erzählt er in einem Interview für das Magazin „istoégente", welcher Druck ausgeübt wurde, damit er entlassen würde, was denn auch zum Ende letzten Jahres geschah.



Er hatte lange bei der ‚Folha de São Paulo’, der grössten brasilianischen Tageszeitung, als Journalist gearbeitet und sich dort bereits einen Ruf als Investigations-Journalist erworben, als er zum Fernsehen wechselte und sich dort beim Sender SBT (das ist der einzige, der dem Großsender Globo zu manchen Sendezeiten noch das Wasser reichen kann) als Kommentator einen Namen machte.

Trat er am Ende der Nachrichten auf, begann die korrupte Politikerkaste Brasiliens zu zittern. „Hat er etwas von meinen Sauereien herausgefunden?". Und oft hatte er. Nachdem er dargelegt hatte, was es zu sagen gab, beendete er seine Kommentare mit einem kräftigen: „Isto é uma vergonha!" „Das ist beschämend!"

Dieser Spruch wurde zu seinem Markenzeichen. Boris Casoy kennen die meisten in Brasilien und sagen dann gleich dazu : „Isto é uma vergonha!" Meistens mußten auch der Sender Globo und die anderen Mainstream-Medien seinen Enthüllungen nachgehen, denn sie erwiesen sich mit großer Sicherheit als richtig.

Politiker in Brasilien machen keine Politik, sondern bereichern sich aus öffentlichen Kassen. Dafür gibt es auch einen Spezialbegriff im Volk: „Picaretas". Spitzhacken. Wie mit Spitzhacken in einer Goldmine hauen sie das Geld aus den öffentlichen Kassen. Der jetzige Präsident Lula, als er noch ein Oppositionspolitiker ohne Chance auf die Präsidentschaft war (und daher noch die Wahrheit sagen durfte), sagte einmal, es gäbe im Parlament in Brasilia 300 Picaretas (von etwa 500 Abgeordneten). Heute ist Lulas Partei PT in einen der größten bisher aufgedeckten Bereicherungsskandal aller Zeiten in Brasilien verwickelt.

Boris Casoy hatte also viel aufzudecken und tat dies. Er war sicherlich der am wenigsten Schuldige, daß fast alle diese Skandale nach einiger Zeit in Zusammenarbeit aller Politiker unter den Teppich gekehrt wurden und niemand (außer der brasilianischen Bevölkerung) zu Schaden kam. Auch dafür gibt es einen populären Spezialausdruck : „Todo acaba em Pizza." „Am Ende gibt es Pizza." Am Ende solcher Skandale gehen alle, Ankläger und Angeklagte, in die Pizzeria und essen gemeinsam.

Allerdings machte er sich natürlich bei den Politikern damit nicht beliebt. Und so begannen sie, Druck zu entwickeln, damit diese letzte (von ihnen) unabhängige Stimme im brasilianischen Fernsehen verstummt. Inzwischen war Boris Casoy schon zum kleineren Sender ‚Record’ gewechselt, der vor einiger Zeit von der größten der erfolgreichen evangelischen Wiedertäufer-Sekten Brasiliens aufgekauft worden war, der „Universal-Kirche des Königreichs Gottes".

Dort war er nicht nur Kommentator, sondern auch Nachrichtensprecher, im Wechsel mit einigen anderen. Zwar war seine Stimme dort in den letzten 8 Jahren nicht mehr sehr laut, aber es reichte immer noch, um Politiker zu Wutausbrüchen zu veranlassen.

Hören wir, was er über den Druck berichtet, der gemacht wurde:

„Die Regierung [Lula] übte Druck auf meinen Sender Record aus, mich zu entlassen. Da waren verschiedene Gelegenheiten und am Ende war es Zé [José] Dirceu [damals Lulas Kabinetts-Chef]. Es waren drei Vorgänge, die nach Ansicht der Regierung nicht erwähnt werden dürften:

1. Der Fall Banestado
[Dabei handelt es sich um mehr als 30 Milliarden Dollar ungeklärter Herkunft, die auf Konten in Steuerparadiesen landeten, über deren Eigentümer man keine Kenntnis hat - aber sehr wohl die Ahnung, es sind Politiker - wobei der Deal über die Staatsbank eines Bundeslandes lief.]

2. Teixeira
[Der ‚amigo’ von Lula, Roberto Teixeira, der ihn seit den Zeiten der Wahl Collors zum Präsidenten aushält. Der ist angeklagt, ein Korruptionsschema entwickelt und geleitet zu haben, das Geld über die verschiedenen Bürgermeister der PT heranschaffte.]

3. Santo André
[Die Ermordung des PT-Bürgermeisters von Santo André, einer der Städte im Bereich Groß-São Paulo. Man weiß nur sicher, daß die offizielle Version, er sei von Gangstern überfallen und ermordet worden, sicherlich nicht richtig ist.]

Ich hatte bei allen dreien [richtig] vorausgesagt, daß es bei ihnen am Ende Pizza gibt."

„Es gabe einen Anruf von Zé Dirceu beim Sender. Die Direktoren teilten mir mit: Er sagte, er wird den Sender und mich persönlich fertigmachen, wenn ich nicht aufhöre. Das war die letzte Drohung in einer Serie davon. Die Drohungen gingen direkt an den Präsidenten des Senders, Dênis Munhoz.

[Bei anderer Gelegenheit] bekamen wir einen Bericht vom Beauftragten des Senders bei Gesprächen mit der Regierung über die Verteilung von Regierungswerbung an die einzelnen Sender. Es sei gesagt worden: „Mit Boris Casoy kann man keine Werbung bekommen."

Man erzählte mir außerdem, daß Gushiken [damals Lulas zuständige Staatssekretär für Fernsehsender] dem Präsidenten von ‚Record’ gesagt hätte: „Das Verhältnis zu euch ist extrem schwierig, solange Boris Casoy da ist."

Auch gab es Anrufe von evangelischen Bundestagsabgeordneten: „Hört mal, der Zé Dirceu hat sich beschwert. Das schadet uns." [Der Sender ist in der Hand der wichtigsten evangelischen Kirche in Brasilien.]

Ein Lehrstück in Pressefreiheit in Brasilien und allgemein im Kapitalismus.

Nun mag vielleicht jemand meinen, das sei Brasilien. In Deutschland gäbe es natürlich so etwas nicht. Tatsächlich braucht es das wirklich nicht zu geben in Deutschland, denn es gibt ja keine bekannten Investigations-Journalisten mehr bei den großen Sendern oder den wichtigen Zeitungen und Magazinen, die entlassen werden könnten. Zwar versuchen manchmal doch unbekannte Journalisten gegen den Stachel zu löken, wie die beiden mutigen Reporterinnen vom ZDF, die 2006 den Fall des Atomstörfalls in Geesthach 1986 wieder aufs Tapet gebracht haben, aber solche Fälle sind selten.

Dieser Artikel erschien zuerst in der "Berliner Umschau" am 10. April 2006, hier leicht redigiert.

Links zu den anderen Teilen der Serie "Lulas Brasilien":

Teil 1: Terroranschlag - Verdächtige freigelassen

Teil 2: Brasilien und die Sklaverei

Teil 3: Die Liste der Ermordeten wird immer länger

Teil 4: Abholzen und Abbrennen

Teil 5: Brasilianische Regierung von Vatikan-Radio angeklagt

Teil 7: Brasilien grösster Fleischexporteur der Welt

Sonntag, 4. Februar 2007

Rio: Prostitution mit Staatsunterstützung

Vila Mimosa: Das beste, was man daraus machen kann

Reportage von Karl Weiss

Vila Mimosa in Rio, das ist so etwas wie ein Elends-Bordell. Man stellt sich das ziemlich eklig vor und es ist wirklich schlimm, aber es ist andererseits innerhalb all des Fürchterlichen, das Prostitution darstellt, eine weltweit in einiger Hinsicht vorbildlich geführte Institution.

Hieronymus Bosch Der Garten der Lüste

Wie ist das möglich? Ist Prostitution nicht der Inbegriff der Unterdrückung der Frau, unvereinbar mit der Menschenwürde und grundsätzlich als Angriff auf alles, was den Menschen teuer sein sollte, zu verurteilen? Ja, das ist sie! Das sollte man auch nie aus den Augen verlieren.

Eines der ersten Dinge, die abgeschafft wurden in der Sowjetunion nach der Errichtung des Sozialismus 1917 war die Prostitution, ebenso wie in China nach 1948. Umgekehrt war die Prostitution eines der ersten Dinge, die wieder eingeführt wurden nach der Wiedererrichtung des Kapitalismus in der Sowjetunion und anderen Ostblockländern 1956, ebenso wie nach dem gleichen Vorgang in China 1976.

Zusammen mit einer Bekannten (zur Absicherung) führte der Schreiber dieser Zeilen vier Interviews mit Prostituierten in der „Straße der Nutten" für den kleinen Mann in Rio de Janeiro.

Bei den Interviews, die mit drei ‚aktiven’ Prostituierten der Vila Mimosa geführt wurden, antworteten diese denn auch eindeutig auf die Frage mit Nein, ob es in einer eventuellen zukünftigen idealen Gesellschaft, in der alles richtig eingerichtet wäre und jeder sein Auskommen hätte, noch einen Platz für die Prostitution gäbe (jedenfalls dann, wenn klargestellt wurde, daß man mit dieser Frage nicht die moralische Verurteilung der Prostitution durch die Hintertür einführen will). Im Kern ist das Bewußtsein der Unvereinbarkeit der Prostituition mit der Menschenwürde jedem in der Menschheit bewußt, auch den Freiern und Prostituierten.

Nun haben wir aber noch den Kapitalismus, in dem die Prostitution täglich erneut fröhliche Urständ feiert. Der Frauenhandel und die Zwangsprostitution sind eines der einträglichsten Geschäfte, auf das sich immer mehr der ständig mächtiger werdenden kriminellen Groß-Organisationen werfen. War die Prostitution, z.B. in Deutschland schon bis zu einem gewissen Punkt aus den Klauen von Kriminellen befreit, so ist heute bereits die umgekehrte Bewegung zu beobachten.

Aus Anlaß der Fußball-WM wurden Hunderte Zwangsprostituierte nach Deutschland geschafft und der DFB und die FIFA hielten es nicht einmal für nötig, auf diesbezügliche Fragen überhaupt zu antworten.

Hieronymus Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 17

Einen wesentlichen Teil der Kriminalisierung der Prostitution haben die Stadtväter auf dem Gewissen, die sogenannte Schutzzonen schafften und so die Prostitution nach dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn" an die Peripherie der Städte verbannten, wo sich in der Regel Straßenstriche bilden.

Ebenso ist es fatal, wenn die Prostituierten unter halblegalen Bedingungen arbeiten müssen, ständig von der Polizei geschnappt werden können.

Selma (Namen geändert), eine ältere Prostituierte in der Vila Mimosa in Rio, ist Vorsitzende des örtlichen Komittees, das sich um die Prostituierten kümmert und sie ausbildet. Sie erklärte uns, was das Problem der Straßenstriche ist:

„Dort [in den Strassenstrichen] kommen wir mit dem Schutz der Frauen vor Zwangsprostitution, mit dem Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung, mit Ausbildung bezüglich der Verwendung von Präservativen und bezüglich von Geschlechtskrankheiten, ebenso wie mit einer Selbstorganisation zur Verhinderung der Ausbeutung durch Zuhälter nur schwer voran. Dort tauchen laufend neue Frauen auf, oft von gewaltbereiten Zuhältern „beschützt", die jegliche Annäherung und jedes Gespräch mit den Frauen unterbinden. Taucht Polizei auf, sind sie blitzschnell verschwunden.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 18

- Hier in der Vila Mimosa, auch wenn wir noch mit unhygienischen Zuständen kämpfen müssen, beginnt keine Frau, ohne zuerst bei uns einen Schnellkurs gemacht zu haben.

Lektion 1: Das Präservativ ist dein Lebensretter: „Ohne Präservativ - nur tot".
Lektion 2: Präservativ überziehen lernen, auch mit dem Mund.
Lektion 3: Wir brauchen keine Männer als Beschützer, wir beschützen uns gegenseitig.
Lektion 4: Wir sind die Starken, die Männer sind schwach - seh sie dir nur an!Lektion 5: Wir helfen alle dafür zu sorgen, daß keine Minderjährigen benutzt werden.
Lektion 6: Wir helfen alle dafür zu sorgen, daß niemand zur Prostitution gezwungen wird.
Lektion 7: Die Geschlechtskrankheiten, ihre Anzeichen, ihre Folgen und ihre Bekämpfung.
Lektion 8: Das Schmiermittel und sein Gebrauch.
Lektion 9: Wie verhält man sich in gefährlichen Situationen.

Erst danach kann die Frau hier anfangen. Sie wird einer der Bars zugeteilt, wo sie mit dem Besitzer der Bar ausmacht, wann sie arbeitet usw.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 2

Hier haben wir einen Einheitspreis, 25 Reais (weniger als 10 Euro). Das ist dem knappen Geldbeutel der Männer angemessen, die hierher kommen und macht uns andererseits zu einem attraktiven Anziehungspunkt. Von den 25 Reais bleiben 3 Reais beim Besitzer der Bar, die anderen 22 bekommt die Frau.

Die meisten Frauen, die hier anfangen, bleiben weniger als zwei Wochen. Es gibt Hunderte von Gründen, warum sie wieder aufhören, aber der wichtigste ist, daß sie sich erniedrigt fühlen.

Andere Frauen bleiben für ein paar Monate. Nur wenige, vielleicht 15%, bleiben auf Dauer hier. Die Gründe, warum Frauen bleiben: Solche, die gut verdienen, bleiben oft lange. Wir hatten hier eine, die hat 54 Freier in einer Nacht geschafft. 54 mal 22 sind fast 1200 Reais (etwas weniger als 500 Euro) - in einer Nacht!

Andere bleiben, weil sie Spaß an der Sache haben. Den meisten Frauen macht das hier keinen Spaß, auch wenn manche den Männern etwas vormachen - aber an die 5 % der Frauen haben einfach Spaß an der Sache - und finden es toll, damit auch noch Geld verdienen zu können. Von denen, die bleiben, machen diese aber dann einen weit grösseren Anteil aus. Glatt die Hälfte der Frauen, die hier auf Dauer bleiben und an die 20% der jeweils aktuellen Besetzung kommen mit einem Freier oft zum Orgasmus."

Attraktive Exotin

Der Besuch des Reporters und seiner Begleiterin ist abgesprochen und angemeldet. Es soll eine komplette Reportage werden. Als der Reporter ankommt, ruft Selma ein Empfangskommitte und es gibt ein grosses Hallo. Etwa zwanzig der Damen umringen die Besucher, beginnen zu tanzen und machen einen Strip-Tease. Alle haben, wie in Brasilien üblich, die Schamhaare rasiert. Als alle nackt sind, nähert sich eine grosse vollbusige Schwarze langsam tanzend an den Reporter an. Sie hat deutlich sichtbar und hervorstehend zwischen den Schamlippen ein "Ding", etwa so dick wie diese.

Sie fühlt und verkündet, ja, der Reporter habe einen Steifen bekommen - und nun habe sie auch einen. Aufschrei und allgemeines Klatschen. Die Frauen scherzen und lachen. Selma sagt, man solle das nicht übel nehmen. Die Frauen hätten nicht viel zu lachen, da müsse man ihnen schon einmal einen Scherz erlauben.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 7

Später fragt der Reporter Selma, ob es sich bei der grossen Schwarzen um einen Hermaphroditen handelt. Nein, die Frau habe nur ein "Ding" (Klitoris) grösser als die anderen. Sie arbeite normal nicht in der Villa Mimosa, sondern in einem Nachtklub. Dort sei ihre körperliche Besonderheit sehr gefragt. Sie könne dort für eine "Nummer" weit mehr verlangen als hier in der Vila, von Ausländern 250 Dollar.

Unsere erste Frau zum Interview wird uns als Carmen (Namen geändert) vorgestellt. Eine Schwarze mit voluminösen und festen Brüsten. Sie ist eine von denen, die viel verdienen. „Die Männer sehen viel auf die Brüste. Ich brauche nur eine von meinen Brustwarzen sehen zu lassen und sie kommen zu mir." - Und läßt uns einen Blick auf ihre Brustwarze werfen - ein dunkler, konisch weit vorspringender Warzenhof mit einer schwarzen, gigantischen Brustwarze, glatt doppelt so dick und hervorstehend wie üblich - das dürfte die Männer anregen.

„Nein, 54 habe ich noch nicht geschafft, aber 32 ist auch schon ganz gut, nicht?"

„Wir raten generell davon ab," wirft Selma ein (die bei allen Interviews dabei ist), „mehr zu zeigen als ein normaler Bikini noch versteckt - aber manche Frauen halten sich nicht daran."

Beim anschliessenden Rundgang sehen wir mehr von dem, was sie damit meint. Eine der Frauen hat nur ein Röckchen und keinen Schlüpfer an und setzt sich auf die Bar, so daß die Männer das „Himmelreich" sehen können - gut rasiert. Zwischen den Lippen erscheinen lange innere Schamlippen. Innerhalb kürzester Zeit hat sie einen Freier gefunden.

Karneval in Rio - Tänzerin fast nackt

Eine andere, eine falsche Blonde, läuft ganz ohne Oberteil herum. Ihre großen Brüste sind Anziehungspunkt für eine Traube von Männern.

Eine dritte, vom Typ ‚Mignon’ tanzt und hebt von Zeit zu Zeit ihren Rock. Auch darunter ist nichts - oder besser gesagt alles. Die Männer stehen Schlange, einen Blick zu erhaschen.

Eine andere, ziemlich Füllige, tanzt mit einem Freier. Sie reibt ihren Hintern an seinem Bauch, wo man eine Erhebung in der Hose ausmachen kann. Der Mann drückt sie dann an sich, reibt an ihr und stöhnt. Man hat den Eindruck, er braucht gar nicht mehr mit ihr "nach oben" zu gehen. Aussen herum stehen eine Anzahl Männer und beobachten die Szene, einige von ihnen mit der Hand in der Hosentasche.

Überhaupt sieht man relativ viele Männer hier, die mit "Handarbeit" beschäftigt sind, während sie die Prostituierten beobachten. Um einige "Attraktionen" bilden sich so Trauben von masturbierenden Männern. Manche greifen einfach in die Hosentasche, andere von oben in die Hose. Man sieht auch solche, die "Ihn" ganz herausholen und an der frischen Luft reiben. Einen konnte man auch beobachten, der genau dies beobachtete und sich damit und dabei befriedigte.

Vor der Tür einer der Bars bildet sich eine dicke Traube von Männern. Der Reporter wird vorgelassen. Auf einem Tisch in der Bar sitzt ein Mann und auf seinem Ding und seinem Schoss eine der Prostituierten. Sie machen Sex. Offensichtlich kann man hier auch Sonderwünsche äussern, wenn man zum beispiel Exhibitionist ist. Viele der Männer, die zusehen, masturbieren.

Selma sagt, einige der Männer, die hierher kommen, können nicht einmal die 25 Reais aufbringen. Sie müssen Anblicke erhaschen und sich masturbieren, um "Druck abzulassen".

Man läßt uns ganz hinten in einer der Bars die steile Wendeltreppe hinaufsteigen. Dort über der Bar sind die Verschläge, in denen die Damen ihrem Beruf nachgehen. Einfache Liegen mit Schaumstoffmatratzen mit gummiertem Überzug. Ein schmuddeliges Bettuch. Selma erklärt uns, daß die Barbesitzer eigentlich dafür sorgen sollten, daß jeweils ein neues Bettuch überzogen wird. Das funktioniere aber nicht immer.

„Die Barbesitzer sind zu geizig, für so viel Wäsche zu bezahlen."

Auf unsere Frage, ob sie etwas über die Weitergabe von Ungeziefer sagen könne, sagt Selma, davon wisse sie nichts. Wir hatten gehört, hier könne man sich leicht Läuse und Sackläuse holen. Kein Kommentar. Dies nur für jene, die eventuell auf den Gedanken kommen, es hier einmal zu versuchen.

Selma sagt, wir seien eine Attraktion - ein deutscher Journalist berichtet über die Vila Mimosa.

Bei unserem Rundgang stehen die Frauen in Gruppen und verwickeln uns in Gespräche. Eine zieht sich vor uns aus. Beeindruckend, eine echte Traumfigur, hochstehende Brüste, der berühmte Birnenhintern. Sie bietet ihre Dienste kostenlos für den Journalisten an, damit er Reklame macht. Nein danke. Wie gut, dass wir daran gedacht haben, eine "Aufpasserin" mitzunehmen. Sonst könnte man glatt in Versuchung kommen.

Selma sagt, das ist üblich, wenn hier Journalisten auftauchen. Fast immer nehmen die solche Angebote an, speziell, wenn sie von einer der attraktivsten Frauen gemacht werden, so wie in diesem Fall. Die Frauen meinen, so kommen keine Negativberichte in die Zeitungen.

Auch das Fernsehen war schon da. Da mussten Überstunden gemacht werden. Insgesamt 12 Männer waren zufriedenzustellen. Einer von ihnen nahm alles "für den persönlichen Gebrauch" auf. Das koste allerdings. Gelegentlich kommen Männer, die Photos und Videos machen wollen. Das ergibt einen Zuatzverdienst, aber viele Frauen wollen trotzdem nicht.

Boticelli Geburt der Venus Ausschnitt

Eine andere Bar. Wiederum steigen wir die Wendeltreppe hoch. Hier mehr Hygiene. Plötzlich sehen wir hinter einem Vorhang, der nicht ganz schliesst, einen Mann. Er äugt durch ein Guckloch in einen der Verschläge und masturbiert sich. Offenbar vermietet der Bareigner auch Logenplätze für Spanner. Selma sagt, das sei nicht vorgesehen, aber sie könne nichts dagegen machen.

In diesem Moment 'kommt' der "Pieping Tom". Er hat bereits ein Tuch, um alles abzuwischen. Dann türmt er eiligst. Eine der Frauen ruft ihm etwas nach wie "Nun weiss ich auch, warum du so einen Kleinen hast!"

Wir wollen herausfinden, ob die Beobachteten von dem kleinen Zusatzverdienst wissen, den der Barbesitzer sich da auf ihre Kosten verschafft und warten, bis sich die Tür des Verschlags öffnet. Es kommen zwei Frauen heraus, noch ohne Kleidung. Sie unterhalten sich zwanglos mit uns. Ihre ausweichenden Antworten lassen ahnen, sie machen dieses kleine Zusatzgeschäft zusammen mit dem Bareigner.

Selma sagt, manche Männer kämen hierher, um ihren Traum von zwei Frauen gleichzeitig zu erfüllen. Dann kommt auch der Mann aus dem Verschlag, er allerdings angezogen. Er weiss offenbar nichts von der Beobachtung und verschwindet nach unten. Die beiden Frauen machen keine Anstalten sich anzuziehen. Auch sie offerieren ihre (Doppel)dienste dem Journalisten und preisen ihre Fähigkeiten.

Eine von ihnen greift wieder zu, wie vorher schon die grosse Schwarze. Sie verkündet wieder genauso die Erektion an alle anderen, ausserdem auch, hier sei reichlich "Masse" gegeben. Andere Frauen kommen und prüfen dies ebenfalls. Man kommt sich etwas begrabscht vor. Allgemeine Anerkennung.

Die Frauen offerieren jetzt die Dienste von insgesamt 5 von ihnen. Sie sagen, der Reporter könnte es mit allen Fünf machen, ohne zu 'kommen' . Erst dann würden sie ihn in einer gemeinsamen Anstrengung zum Höhepunkt bringen. Sie wüssten, wie dass funktioniert. Sie sagen, es wäre unhöflich abzulehnen. Die Angebote seien ehrlich gemeint und seien eine Ehre und eine grosse Ausnahme. Sie akzeptierten kein "Nein", da schon bewiesen sei, der Reporter ist angeregt.

Selma bestätigt, normal gibt es hier niemand, der etwas ohne Bezahlung erhält und die Frauen könnten sich von einer Ablehnung missachtet fühlen. Da muss der Reporter versprechen, an einem anderen Tag wiederzukommen, heute ginge es nicht, denn die Reportage sei zu machen.

Die zweite Interviewte, Cláudia (Name geändert), ist eine der „Alteingesessenen". Sie ist schon fünf Jahre hier. Sie ist klein, hellhäutig, wenig Brust und Hintern. Sie sagt, sie macht es, weil es ihr Spaß macht. Sie ist froh, wenn sie auf fünf Freier in einer Nacht kommt. Sie hat Stammkunden. „Manche Männer fühlen sich nur wohl dabei, wenn sie merken, daß auch die Frau etwas davon hat."sagt sie.

Auch sie bietet eine „Nummer" umsonst an: „Danke, nein." „Deine Freundin kann auch mitmachen, wenn sie will." „Nein, sie ist nicht meine Freundin." Wir sollen Reklame machen in Deutschland für die Vila Mimosa. Nein, wir werden keine Reklame machen.

Sie sagt, sie ist nur drei Tage in der Woche hier. Sie hat zwei Kinder, die ernährt werden wollen. Auf die Frage nach dem Stadtteil, in dem sie wohnt, kommt der Name einer Favela.

Selma hat die Zahlen des brasilianischen Anti-Aids-Programms parat: „Brasilien gibt mehr als 400 Millionen US-Dollar jährlich für sein AIDS-Verhütungs-Programm aus. Es wird von Experten als das erfolgreichste der Entwicklungsländer angesehen. Pro Monat werden etwa 1 Million Kondome verteilt."

Vor dem Karneval sind in ganz Brasilien wieder Plakate aufgehängt, die an die Verwendung von Präservativen erinnerten, die hier liebevoll Camisinha, „Hemdchen", genannt werden.

Selma hat zusammen mit einer anderen älteren Prostituierten ihr ‚Büro’ in einer der Bars gleich am Eingang. Die Frauen fassen hier ihren Bedarf an Kondomen ab. Als wir sie interviewen, wird sie plötzlich gerufen. Zusammen mit der anderen Frau macht sie sich auf den Weg in eine der Bars. Zwei, drei Männer tauchen auf und kommen mit. In der Bar wird ein Betrunkener bereits von zwei Leuten festgehalten. Er hat eine der Frauen geschlagen, weil sie nicht mit ihm nach oben gehen wollte. Der Betrunkene wird von den Männern unsanft aus der Vila Mimosa entfernt.

Die Frau sagt: „Wir haben das Recht, nein zu sagen. Niemand kann uns zwingen."

Selma erklärt, daß die Selbsthilfegruppe Unterstützung vom Staat bekommt. Es sind insgesamt 8 ältere Prostituierte, die für die Vila Mimosa zuständig sind und dort in Schichten fast rund um die Uhr Dienst tun. Ihr Lebensunterhalt wird nicht mehr durch Prostitution, sondern vom Staat gesichert. Sie bestehen aber darauf, sie sind weiter Prostituierte.

Die Vila Mimosa funktioniert an allen Wochentagen, im Prinzip ab 10 Uhr morgens. Dann ist allerdings nicht viel los Die meisten Frauen kommen erst abends.

Am Freitagabend ist Hochbetrieb. Da schieben sich die Männer dichtgedrängt durch die kleinen Gassen zwischen den Bars. An solchen Tagen tun hier bis zu 300 Frauen „Dienst".

Die dritte Interviewte, Renata (Name geändert), ist eine Überraschung. Sie sieht aus wie höchstens 15. Selma sagt, sie habe sie extra für uns ausgesucht, damit wir auf das Thema des Mißbrauchs von Minderjährigen eingehen. Renata ist aber 21 und hat bereits einen kleinen Sohn.

Sie sagt: „Daß ich jung aussehe, verschafft mir eine Menge ‚Freier’. Ich tanze auf der kleinen Bühne, die wir in der Bar haben, mit einem kurzen Röckchen und ohne Höschen. Die Männer müssen sich ein wenig niederbeugen, um zu sehen, was sie sehen wollen. Es ist sehr lustig, sie zu sehen, wie sie sich winden, um etwas zu sehen. Viele greifen sich dann an den Pimmel, weil er hart geworden ist. - Aber anfassen ist nicht. Erst, nachdem 25 Reais bezahlt wurden. Nein, küssen auf den Mund lasse ich mich nicht, das ist nur für meinen Freund. Ja, ich habe einen Freund. Er ist aber auch arbeitslos und ich muß deshalb hier solange arbeiten, bis ich oder er Arbeit finden. Ja, er weiß, daß ich hier arbeite. Er meint, das sei in Ordnung."

Selma erklärt: „Ein wesentlicher Teil der Ausländer, speziell auch der Deutschen, die als Touristen nach Brasilien kommen, ist auf Sex aus. Davon ist wiederum ein Teil auf der Suche nach Minderjährigen. Leider gibt es in verschiedenen Teilen von Brasilien noch Plätze, wo diese Wünsche befriedigt werden."

Sie nennt uns einige solcher Orte, bittet uns aber, das nicht zu verwenden, um nicht noch mehr Kinderschänder anzulocken.Sie sagt, von den fünf Touristen, die bereits ertappt und an ihre Heimatländer ausgeliefert wurden, waren vier Deutsche. Einer von ihnen wurde mit insgesamt vier Mädchen und einem Jungen in dem vom ihm gemieteten Haus vorgefunden. Alle Kinder unter 10 Jahre alt.

Der grosse Anteil Deutscher hinge aber auch damit zusammen, daß Deutschland eines der wenigen Länder ist, das auch Mißbrauch von Minderjährigen im Ausland verfolgt. Mit anderen Worten: Es werden auch Kriminelle aus anderen Ländern erwischt, die aber aus Mangel an Strafbarkeit in ihren Ländern laufen gelassen werden, d.h. ins Flugzeug zurück nach Hause gesetzt werden.

Selma: „Um die schlimmsten Auswüchse bei der Prostitution zu verhindern, muß man einen festen Ort und eine Betreuung der Frauen organisieren. Man muß Straßenstrichs vermeiden, muß Regeln schaffen, Kondome verteilen, Ausbildung betreiben.

Es geht darum, folgendes zu vermeiden:
- Zwangsprostitution
- Verbreitung von AIDS und anderen Geschlechtskrankheiten
- Ausbeutung von Kindern zu sexuellen Zwecken
- Ausbeutung der Frauen durch Zuhälter
- Halblegalität, die es der Polizei ermöglicht, die Frauen auszubeuten, zu erpressen und zu schikanieren."

Der Name Vila Mimosa bezieht sich auf den Unterstadtteil, ein Teil von São Cristovão. Es sind die Mimosen, die ihm den Namen gegeben haben, jene Büsche, die immer gleich die Blätter schließen, wenn sie berührt werden. Na, Mimosen dürfen die Damen hier nicht gerade sein.

Dieser Artikel erschien zuerst in der "Berliner Umschau" am 15. März 2006, hier mit zusätzlichen Erfahrungen und Bildern versehen und geringfügig redigiert.

Samstag, 3. Februar 2007

USA: Faschisierung des Staatsapparats, Teil 2 - 423 Millionen für 'Internierungslager'

Vorbereitung für Konzentrationslager und massenhafte Einkerkerung von möglichen Oppositionellen

Von Karl Weiss

Der US-Fernsehsender Fox zeigt mit der neuen Staffel seiner Serie „24“ der US- (und unserer) Öffentlichkeit, wie die Situation wird, wenn die Bevölkerung nicht mehr mit den US-imperialen Abenteuern mitzieht, sondern aufbegehrt: Einrichten von Massen-Konzentrationslagern und Einkerkern auf Verdacht von jedem, der eventuell oppositionell sein könnte: Die Vorbereitung des nächsten Schrittes der Faschisierung des US-Staatsapparates, doch nicht nur mit Fernsehserien, sondern auch real.

Wie aus der Vorschau des US-Fernsehsenders „Fox“ zu der neuen Staffel seiner Serie „24“ hervorgeht, handelt es sich um die Darstellung einer USA, in der die Bevölkerung aufbegehrt.

Zunächst wird ein Horrorszenario an die Wand gemalt, um eine scheinbare Rechtfertigung zu haben: In 11 US-Städten seien Anschläge verübt worden, darunter New York, Atlanta, San Antonio und Los Angeles. Ganz US-Amerika befindet sich in einem paranoiden Wahn. Es werden Szenen gezeigt, wie die Bevölkerung mit Lautsprechern aufgerufen wird, jeden „Verdächtigen“ den Behörden zu melden, wie einem Schwarzen der Zugang zu einen Bus verweigert wird und andere Übergriffe gegen vermeintlich „Andere“.

Dann eine Szene aus dem Weißen Haus: Es werden neue „Internierungslager“ und ihre angebliche Rechtsstaatlichkeit diskutiert. Eine der Beteiligten spricht es direkt aus: „Was da geplant wird, sind Konzentrationslager“. Die Pläne des Weißen Hauses würden die Inhaftierung jedes US-Amerikaners erlauben, „der nach Mekka betet“. Eine Sicherheitsberaterin spricht sich gegen die Inhaftierung von unschuldigen US-Amerikanern aus, aber der Sicherheitschef unterbricht sie: „Sicherheit hat ihren Preis.“

Es wird darüber diskutiert, die Möglichkeit von „habeas corpus“ auszusetzen, also dem Recht, seine Inhaftierung von einem Richter überprüfen zu lassen. Das ist besonders interessant, denn dies Gesetz ist in den USA bereits erlassen. Seit dem September 2006 gibt es für sogenannte Terrorverdächtige keine Möglichkeit des „habeas corpus“ mehr.

Dann wird ein Gespräch gezeigt, in dem der Sicherheitschef sagt, er habe Anweisung gegeben, in Sport-Stadien von Los Angeles, Detroit und Philadelphia „Internierungslager“ einzurichten.

Der Einwand: „Und wenn Unschuldige in diesem Netz landen?“ wird wieder weggewischt: „Sicherheit hat ihren Preis. Gewöhnen Sie sich einfach daran.“

Genau darum geht es offenbar in der Serie, die Menschen daran zu gewöhnen. Da braucht man nur noch ein paar „Fals flag“-Terrorattacken und schon scheint es ganz normal, Verdächtige in Lager zu stecken.

Auf der folgenden Website kann man auf die Links zu „You tube“-Video-Schnitten klicken, die der Fernsehsender zur Vorbereitung des Serienbeginns ins Netz gestellt hat und in denen diese Szenen zu sehen sind: http://infokrieg.tv/index.php?set_language=de&site=inhalte&id=80

Das alles bleibt aber nicht nur bei Fernsehserien-Einstimmung stehen. Es gibt auch konkrete Vorbereitungen:

Die Tochterfirma von Vize-Präsident Cheneys ‚Halliburton’, ‚Kellog, Brown and Root’, hat vom US-Heimatschutzministerium den Auftrag erhalten, für 385 Millionen Dollar „Internierungslager“ zu bauen.

Eines dieser Lager in Taylor, Texas ist bereits fertig. Dort wurden nach einer nächtlichen Polizei-Razzia illegale Einwanderer zusammengepfercht, davon die Hälfte Kinder.

Noch kurz vor der Weihnachtspause hat der US-Kongress ein von der Regierung eingebrachtes Gesetz verabschiedet, das 38 Millionen Dollar aus dem Staatshaushalt zur Instandhaltung von „Internierungslagern“ freigibt, die im zweiten Weltkrieg zur Internierung von Japanern (hauptsächlich japanischen Kriegsgefangenen) genutzt wurden. Es handelt sich um Lager in Hawaii, Kalifornien, Arizona, Arkansas, Colorado, Wyoming, Utah und Idaho.

Das sind ganz konkret 423 Millionen Dollar für „Internierungslager“ mit bisher nicht angegebenem Einsatzzweck. Im Zusammenhang mit der „Fox“-Serie ergibt diese Ausgabe von Hunderten von Millionen Dollar aber einen Sinn. Ein neuer Schritt in der Faschisierung des US-Staatsapparates.


Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 3. Februar 2007


Hier sind Links zu anderen Artikeln in diesem Blog zum Abbau von bürgerlichen Rechten in den USA:

- Kann man mit Telephon-Überwachung Terrorzellen ausheben?

- Die USA am Scheideweg: Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

- USA: Faschisierung des Staatsapparates, Teil 1: Es geht gegen das eigene Volk

- Statistischer Beweis: Wahlfälschung bei den US-Präsidentschaftswahlen

- Wenn Regierungen Geiseln nehmen – Benattas, noch ein Fall von Geiselhaft

- USA: Wer Menschenrechte verteidigt, fliegt raus – CIA-Agentin entlassen

- Folter – CIA-Folterflüge und europäische Regierungen

- Anti-Terrorgesetze früher und heute – Das ‚Detainee Treatment’-Gesetz in den USA

- Wenn bürgerliche Rechte abgeschafft werden... USA – Land der Freiheit?

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Interviews mit Gunatánamo-Insassen

- USA: Erst schiessen, dann fragen – Warlord Country

- Fürchterlich schrille Schreie von gefolterten Jungen

Freitag, 2. Februar 2007

Der Blog wächst beachtlich

Nun sind es also schon über 200 Tage, die dieser Blog besteht. Er hat damit die kritischste Zeit überwunden (die meisten Blogs werden innerhalb der ersten 200 Tage eingestellt).

Jetzt gibt es kaum noch einen Tag, an dem nicht mindestens 200 Besucher auf diesen Blog klicken. Auch die Zahl der Kommentare und die der Links zu den Artikeln sowie Links zum Blog wachsen deutlich. In "Technorati" sind 180 Links von 38 Blogs angegeben.

An Tagen mit besonders interessanten Artikeln kam er schon auf mehr als 500 Clicks, an einem auf über 600. Einige wenige Male hat er es schon in die tägliche Liste der ersten 100 im "Blogcounter" geschafft.

Etwa 30 bis 40% der Leser kommen direkt in den Blog, werden also nicht von anderen Seiten referiert. Das sind also "Stammleser". Von den referierten kommen die meisten über Net-News-Global.de, an zweiter Stelle über google.de. Andere Referer mit Bedeutung sind: Infokrieg.tv, 3dcenter.de, google.at, google.com, google.ch, wer-weiss-was.de, tacheles-sozialhilfe.de und hahn.blogkade.de.

Nun habe ich auch eine Liste mit den 50 meistgelesenen Artikeln des Blogs eingestellt (Link siehe unter "Top 10 Artikel"). Inzwischen habe ich die Liste auch entsprechend der Zahlen des 31. Januar 2007 aktualisiert.

Das Herausstellen der "Top 5 Dossiers", der "Top 10 Artikel" und der "Top 5 Topics" hat die durchschnittliche Verweilzeit im Blog erhöht.

Mit insgesamt etwa 36 000 Clicks in etwa 200 Tagen kann man für einen neuen Blog auch zufrieden sein. Natürlich würde ich gerne eine breitere Leserschaft ansprechen, aber es ist ein vielversprechender Anfang.

Ich möchte also sagen: "Weiter so, Blog Karl Weiss - Journalismus!"

Karl Weiss

Donnerstag, 1. Februar 2007

Anti-Terrorkrieg steigert Terrorgefahr

Gleich und gleich gesellt sich gern

Von Karl Weiss

In einer Studie hat die Regierungsunabhängige britische Forschungsgruppe „Oxford Research Group" herausgefunden, daß der Anti-Terrorkrieg der britischen und US-Regierung die Terrorgefahr deutlich erhöht hat. Ob das nicht beabsichtigt war?

Die Studie kommt zu dem Schluß, daß die Regierungen ihre Stellung in der Welt durch militärische Gewalt sichern wollen, ohne sich Gedanken über die Ursachen und Zusammenhänge der Bedrohungen zu machen. Dies bringt sie zu dem Schluß, die Strategie sei „zutiefst fehlerhaft". Sie schaffe weit mehr neue Terroristen als sie ausschalten könne.

Die britische Labour-Abgeordnete Claire Short ist der gleichen Meinung: „Die Politik der USA und Großbritanniens ist völlig kontraproduktiv und fördert den Terrorismus sowie die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen."

Diese Ansichten gehen allerdings davon aus, daß die nach außen hin angegebenen Ziele der Kriege gegen Staaten im Nahen Osten die wirklichen Gründe sind. Bei genauerem Nachdenken ist es eigentlich offensichtlich, daß die USA und mit ihnen verbündete imperialistischen Mächte extrem spezialisierte „Think-Tanks" haben, die sicherstellen, daß selbstverständlich nicht das Gegenteil von dem erreicht wird, was beabsichtigt ist.

Bush und Blair mögen nicht unbedingt die Hellsten sein, aber sie repräsentieren ja lediglich eine Politik für die Öffentlichkeit, die von den imperialistischen Spezialisten ausbaldowert wird. Sich vorzustellen, daß die extrem spezialisierten Planungs- und Vorbereitungs-Einheiten der Imperialisten nicht in der Lage wären zu erkennen, daß der angebliche „Krieg gegen den Terror" nur neuen Terror hervorbringt, ist naiv.

In Wirklichkeit konnte den auf Weltherrschaft und Ausbeutung der ganzen Welt orientierten Imperialisten nichts Besseres passieren als ein islamistischer Terrorismus. Kein Wunder, daß die US-Administration denn auch viele dieser Terrorgruppen überhaupt erst hervorgebracht hat. Die Anfänge so mancher islamistischen Terrororganisation liegt in von den USA rekrutierten, ausgebildeten, bewaffneten und mit Geld versehenen Terrorbanden, die nach dem Einmarsch der damaligen Sowjetunion in Afghanistan im Jahr 1980 dort geschaffen und gesponsort wurden. Aus diesen sind später Gruppierungen hervorgegangen wie Taliban und das, was von westlichen Stellen Al Quaida genannt wird.

Die US-Regierungen haben diese Gruppierungen für ihre Interessen eingesetzt nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Bosnien und in Tschetschenien, darunter jene Bande, in der Osama Bin Laden mitarbeitet. Die Ausbildungscamps dieser Vereinigungen sind vollständig von US-Organisationen eingerichtet und ausgestattet worden.

Bush

Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Anschläge des 11. September 2001 allein von islamistischen Gruppen ohne US-„Sponsoring" geplant und durchgeführt wurden (wofür nichts spricht), ist doch der Zusammenhang der Täter mit ihren imperialistischen Urhebern offensichtlich.

Die imperialistische Supermacht und ihre „Willigen" brauchen den islamistischen Terrorismus als Rechtfertigung für ihre Eroberungskreige von Ländern in der Erdölregion des nahen Ostens („Krieg gegen den Terror"), als Ausrede für die Hochrüstung und den Abbau von Bürgerrechten und die islamistischen Gruppen reiben sich bevorzugt an den Brutalitäten dieser Supermacht, die sie hervorgebracht hat. Ein symbiotisches Verhältnis auf Gegenseitigkeit.

Da spielt es keine Rolle, ob diese Gruppierungen heute noch direkt vom CIA ausgehalten und dirigiert werden.

Der Staatsterror durch Bomben und Granaten, Eroberungen, Internierungen, Folter und Masassaker auf der einen Seite und Terroranschläge auf Zivilisten durch fanatische Islamisten sind zwei Seiten ein und derselben Medaille, in einem sich gegenseitig bedingenden, befruchtenden und ernährenden Prozeß.

Da wundert es auch nicht, daß beide Seiten ihre ideologische Rechtfertigung gleichermaßen aus fundamentalistischem Religions-Fanatismus beziehen, die Bush-Regierung aus extremistisch-fundamentalistischem Christianismus, die andere Seite aus islamistischem Fundamentalismus.

Osama Bin Laden

Gleich und gleich gesellt sich gern. Da ist es im Grunde nicht mehr verwunderlich, daß beide Seiten in weitem Maße einig sind in vielen Fragen der Weltanschauung und ihrer praktischen Anwendung: Beide lehnen die Wissenschaftlichkeit als solche ab und speziell die Wissenschaft als Grundlage der Weltanschauung, beide bestehen auf dem „Wörtlich-Nehmen" der jeweiligen heiligen Schriften, beide sind Anti-Gay, Anti-Abtreibung, frauenfeindlich, Pro-Todesstrafe, Pro-Folter, voller Machismus und - nicht zuletzt - Meister in Heuchelei: Während sie den Armen das bessere Leben im Jenseits predigen, wissen viele ihrer hervorstechenden Persönlichkeiten sehr gut, ihre Stellung zur persönlichen Bereicherung auszunutzen.

So kommt man schließlich zur Erkenntnis, daß die Förderung des islamistischen Terrors sehr wohl beabsichtigt ist.

Mittwoch, 31. Januar 2007

Lulas Brasilien, Teil 5 - Brasiliens Regierung von Vatikan-Radio angeklagt

Vatikan: Lulas Regierung Teil eines Komplotts

Von Karl Weiss

Wie Radio Vatikan meldete, hat der örtlich zuständige Bischof für Pará, wo letztes Jahr die Nonne und Aktivistin für Rechte der Indios und Landarbeiter, Dorothy Stang, ermordet wurde, die Brasilianische Bundesregierung und die Regierung des Bundeststaates Pará angeklagt, Teil eines Komplotts zum Schutz der Hintermänner des Mordes zu sein.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Dorothy Stang war nach einer Ankündigung, die von der Polizei und den örtlichen Behörden nicht ernst genommen wurde, von zwei gedingten Tätern ermordet worden. Auch einer der Auftraggeber wurde bereits identifiziert.

Frau Stang hatte sich in jahrelanger aufopferungsvoller Arbeit für die Indios im Gebiet, das Teil des Amazonaswaldes ist, sowie für die Landarbeiter und Kleinbauern eingesetzt und immer wieder die Taten der Großgrundbesitzer, Holzfirmen und Bodenspekulanten in der Region angeprangert. Aus diesen Kreisen, so der Bischof Erwin Kräutler, kam denn auch der Auftrag für ihre Ermordung.

Nach seinen Angaben verhindert aber ein Komplott der Mächtigen in der Region mit der Bundes- und Landesregierung die Aufklärung des Verbrechens. Es seien Unternehmer und hohe Politiker verwickelt. Wenn das Vatikan-Radio dies berichtet, so kann man getrost davon ausgehen, daß in diesem Fall jedes Wort wahr ist - nicht, weil der vatikan immer die Wahrheit sagen Würde, sondern weil der brasilianische Bischof glaubwürdig ist und weil das Vatikan-Radio sich hüten würde, so schwere Anklagen zu erheben, wenn dies nicht wirklich belegt ist.

Damit hat die Lula-Regierung innerhalb von drei Jahren Amtszeit ein Niveau von Abscheulichkeiten erreicht, wie es selbst ihre schlimmsten Feinde nicht vorhergesagt hatten.


Dieser Artikel erschien zuerst in der "Berliner Umschau" vom 15. Februar 2006, hier leicht redigiert.


Links zu den anderen Teilen der Serie "Lulas Brasilien":
Teil 1 Terroranschlag - Verdächtige freigelassen
Teil 2 Brasilien und die Sklaverei
Teil 3 Die Liste der Ermordeten wird immer länger
Teil 4 Abholzen und Abbrennen
Teil 6 Brasilien und die Pressefreiheit
Teil 7 Brasilien grösster Fleischexporteur der Welt
Teil 8 Deal mit der Mafia

Montag, 29. Januar 2007

US-Armee misshandelt verletzte Rekruten

Tritte und Beschimpfungen statt Behandlung

Von Karl Weiss

Die US-Army warb und wirbt eifrig neue Rekruten, denn der Bedarf an Soldaten ist groß, wenn man überall Stützpunkte unterhalten will und gleichzeitig mehrere Kriege führen. Dabei wird schamlos die Situation junger Arbeitsloser und Unterbeschäftigter ausgenutzt. Es wird eine ins Gewicht fallende Zahl von Soldaten bei der Grundausbildung verletzt (ist die etwa besonders brutal?). Für diese verletzten Soldaten hat die Army eigene Einheiten eingerichtet, eines davon in Fort Sill. Nun ist herausgekommen, daß die verletzten Soldaten dort nicht medizinisch behandelt wurden, aber dafür misshandelt und missbraucht. Ein weiteres Dokument, wie absurd bereits die Situation im US-Militär ist.

Insgesamt wurden 1100 verletzte Soldaten im letzten Jahr aus der normalen Ausbildung genommen und in speziellen Einheiten „behandelt", die Artillerie-Soldaten davon in Fort Sill. Dabei geht es sowohl um ernsthaft erkrankte als auch um Soldaten, die Verletzungen davon getragen haben. Warum überhaupt eine so große Anzahl dieser Rekruten verletzt und krank wurden und nicht weiter normal ausgebildet werden konnten, ist noch gar nicht untersucht worden.

Lediglich die Mißhandlungen bzw. Mißbräuche in Fort Sill sind an die Öffentlichkeit gekommen, weil dort jetzt Soldaten gestorben sind, unter ihnen Mathew Scarano. Der hat vor seinem Tod über die Behandlung in Fort Sill in einem Brief nach Hause geschrieben: „Ich bin hier Gefängnisinsasse. Ich habe einige Kollegen hier gefragt, die Tätowierungen tragen, die sie als Ex-Gefangene ausweisen, was sie vorziehen würden: Gefängnis oder Fort Sill. Bis jetzt habe ich nur solche gefunden, die „Gefängnis" geantwortet haben."

Befragt zu den Beschwerden von Familien und Soldaten, mußte die Army zugeben, daß in den Rehabilitationszentren keine Personen mit medizinischen Kenntnissen kommandieren, sondern Fachsoldaten, also ein Artillerieoffizier in Fort Sill. Man mußte auch zwei Feldwebel strafversetzen. Der eine hatte einen Soldaten mit Tritten ans Knie malträtiert, an dem der Soldat operiert worden war. Der andere hatte es sich zur Spezialität gemacht, die Soldaten die ganze Nacht hindurch mit Übungen zu wecken, auch solche, die massiv mit Schlafmittel wegen ihrer Verletzungen behandelt wurden.

Die beiden Toten wurden nach Angaben der Armee wahrscheinlich versehentlich mit zu hohen Dosen der für sie vorgesehen Medikamente behandelt. Da es keine Ärzte gab, kann so etwas leicht passieren. Die Armee gab an, daß man nun in allen Behandlungszentren Ärzte als Kommandierende eingesetzt hat. Außerdem wurde jetzt angeordnet, daß die kranken und verletzten Rekruten nach drei Monaten einer allgemeinen Untersuchung und Beurteilung unterzogen werden müssen, sowie danach monatlich, wenn sie weiterbehandelt werden müssen.

Fragt sich, was man vorher gemacht hat. Einfach für ein halbes Jahr weggeschlossen?

US-Fahne auf Halbmast

In Interviews mit Soldaten und Angehörigen wurde vor allem angeprangert, daß die verletzten und kranken Soldaten Strafbehandlung bekamen, weil sie angeblich Simulanten seien. Die Soldaten beschwerten sich besonders, daß ihre Verletzungen und Krankheiten nicht behandelt wurden. Ärzte wären nicht verfügbar gewesen, weil die Army-Ärzte im Irak und in den Krankenhäusern gebraucht werden, wo die Verletzten aus dem Irak behandelt werden.

„Brutale und ungewöhnliche Behandlung, das war es," sagte einer der Angehörigen. U.a. berichteten die Soldaten, daß an einem verlängerten Wochenende, als alle anderen Heimaturlaub bekamen, die Verletzten-Einheiten damit beauftragt wurden, das Wachs mit Messern vom Holzfußboden zu kratzen. Bei diesem tagelangen Kratzen verschlimmerte sich u.a. die Schulterverletzung von Scarano, der später starb. Überhaupt wurde bemängelt, die Soldaten würden oft weit länger als nötig in den Verletzten-Einheiten belassen.

Die Mißhandlungen ihres Sohnes waren so gravierend, berichtet eine Mutter, daß sie besorgter um ihn war als um ihren anderen Sohn im Irak.

Tritte waren an der Tagesordnung und die Soldaten wurden schwer beschimpft. Die Beschwerden der Soldaten und Angehörigen wurden mißachtet, bis die linke Web-Site „Counter-Punch" - www.counterpunch.com - von den Mißhandlungen erfuhr und dies veröffentlichte. Erst dann reagierten die Militärs.

Der verstorbene Scarano hatte sich eine schwere Schulterverletzung bei einem Fall zugezogen. Offenbar wurde die Schulter überhaupt nicht behandelt. Stattdessen wurde er mit Medikamenten vollgestopft. Er schrieb in einem Brief vor seinem Tod, daß er Fentanyl, Ambien, Seroquel, Tylox und Oxycontins verabreicht bekam, daneben auch noch Trazadone. Es wird vermutet, daß er an Nebenwirkungen von Medikamenten oder an einer Überdosis starb. Die Todesursache ist Wochen nach seinem Tod noch ungeklärt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 15. Juni 2006 in der "Berliner Umschau", hier leicht redigiert.

Freitag, 26. Januar 2007

Es könnten 12 Milliarden Menschen ernährt werden

Hunger - Verbrechen des Massenmordes - Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Von Elmar Getto

„Die ärmsten Länder müssen die höchsten Zinsen zahlen - das ist nicht gerecht", so äußerte sich der Österreicher Fischler, ehemaliger EU-Agrar-Kommissar, in Richtung Weltbank bei der Premiere des Dokumentarfilmes „We feed the world" von Erwin Wagenhofer über die Lebensmittelkonzerne. Der ehemalige Schweizer Parlamentarier Jean Ziegler, heute UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, brachte es beim gleichen Ereignis auf den Punkt: „Der Hunger ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!"

Im Film selbst sieht man Zieglers Aussage: „Wir sind in der Lage, 12 Milliarden Menschen zu ernähren. Daher ist jedes Kind, das heute an Hunger sterben muß, das Opfer eines Mordes."

Er macht die Lebensmittelkonzerne verantwortlich: „Sie operieren rein profitorientiert."

Ziegler, seit fünf Jahren in den Diensten der UN, unterstützt Fischler in seiner Aussage, daß der Kern des Hungerproblems die Verschuldung der Entwicklungsländer ist und die hohen Zinsen, die sie zahlen müssen. Er rief alle Bürger der demokratischen Zivilgesellschaft auf, ihre Stimme für ein Umdenken in Politik und Wirtschaft zu erheben. Nur „planetarisch" könne man „wirklich etwas unternehmen gegen die Kosmokraten, jene kalten Monster in den Megakonzernen."

Allerdings ist es nicht einfach so, daß die Zinsen um so höher sind, je ärmer ein Land. Vielmehr werden von allen Entwicklungsländern die jeweils höchsten Zinsen abverlangt, die das Land gerade noch ertragen kann, ohne völlig zusammenzubrechen (wobei da auch schon mal übertrieben wird, siehe Argentinien).

Im Moment z. B. muß die höchsten Zinsen Brasilien zahlen, mit fast genau 20 % (über 15% Realzins über der Inflationsrate), weil dort am meisten zu holen ist.
[Anmerkung vom Januar 2007: Heute sind die Zinsen in Brasilien niedriger, bei 13% - immer noch 11% über der Inflationsrate - und immer noch die höchsten aller relevanten Länder auf der Welt.]

Tatsächlich wohnen wir im Moment dem bei weitem größten Völkermord aller Zeiten bei.

Tausende sterben täglich, Zehntausende von Kinder im Monat, Millionen pro Jahr, Opfer von Unter- und Falschernährung aus Armut, von Krankheiten, die längst ausgerottet sein könnten, während die Großkonzerne, -banken und -spekulanten ihre Zinsen bei den Entwicklungsländern eintreiben. Dieser Massenmord übertrifft selbst die Taten der deutschen Faschisten bei weitem.

Beeindruckend, wie manche Politiker, wenn sie nicht mehr in der Verantwortung stehen, plötzlich durchscheinen lassen, daß sie die ganze Zeit wußten, an was sie da beteiligt waren. Der ehemalige EU-Agrar-Kommissar Fischler war zu aktiven Zeiten einer der Hauptverantwortlichen für diese Verbrechen, denn die Abschottung der EU gegen Agrarimporte ist einer der wichtigsten Gründe, warum diese Länder keinerlei Chance zu einer Erholung haben, selbst wenn sie ausnahmsweise mal eine Regierung hätten, die versuchen würde, etwas für das Volk zu tun.

Die deutschen Wähler haben gerade eben ihre Stimme erhoben für ein Umdenken in Politik und Wirtschaft, nur wollen weder die Angehörigen der deutschen Politiker-Kaste noch die Mainstream-Medien verstehen, was sie ausgedrückt haben. [Anmerkung vom Januar 2007: Das bezieht sich auf die Ergebnisse der Bundestagswahl Ende 2005: Die niedrigste Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen seit Bestehen der Bundesrepublik.]

Die tun so, als hätten sie den Auftrag bekommen, so weiterzumachen wie bisher.

Der UN-Beauftragte legte seinen Finger in die Wunde, wenn er die gnadenlosen Super-Manager als Haupttäter ausmacht und sagt, daß die Konzerne nur auf Profit orientiert sind. Aber er vergißt hinzuzufügen, daß sie gar nicht anders können im Kapitalismus.

Wer die Bedingung ausklammert, daß wir im Kapitalismus leben, mag noch so recht haben, bleibt aber im Kern unredlich. Die Konsequenz aus diesen Erkenntnissen ist der Kampf für den echten Sozialismus.


Dieser Artikel von Elmar Getto erschien ursprünglich am 6. Oktober 2005 in "Rbi-aktuell", hier vom Autor mit Anmerkungen versehen. Auch in diesem Fall wieder überraschend die Aktualität des Artikels.

Mittwoch, 24. Januar 2007

Weingeist als Kraftstoff

Schweden setzt auf regenerative Energien

Von Elmar Getto

Während die EU, speziell die Kommission, weiterhin fest im Griff der Ölkonzerne ist, die ihre Profite mit immer neuen Preiserhöhungen in märchenhafte Höhen treiben, hat Schweden als bisher einziges europäisches Land den Weg Brasiliens eingeschlagen, sich weitgehend unabhängig von importierten fossilen Energieträgern zu machen. Bis 2020 soll dies verwirklicht sein.

Der erste Schritt dazu ist die Umstellung des schwedischen Parks von Benzin-Autos auf Alkohol. Ein Netz von Alkohol-Zapfsäulen ist bereits am Entstehen und vier verschiedene Automobilkonzerne offerieren bereits ‚Flexible Fuel’-Fahrzeuge in Schweden, die mit jeder Mischung von Benzin und Alkohol fahren können. Als nächster Schritt ist die Umstellung auf Bio-Diesel vorgesehen.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Die Stromerzeugung soll nach und nach von Kohle-, Schweröl-, Atom- und Müllverbrennungs-Kraftwerken auf die erneuerbaren Energien wie Wind, Solar und Biomasse umgestellt werden (ein wirklicher Ausstieg aus der Atomkraft - nicht ein Schein-Ausstieg wie in Deutschland - war in Schweden als erstem europäischen Land schon lange beschlossen worden). Bereits in 10 Jahren ist die Erzeugung von 15 Milliarden KWh Strom aus erneuerbaren Energien vorgesehen.

Bei der Wärme sind Steuervorteile für diejenigen vorgesehen, die ihre Heizung auf Alternative Energien umstellen. Weiterhin wird es verstärkte Forschung zu diesem Thema geben und ein nationales Programm der Energieeinsparung.

Dr. Norbert Allnoch, Leiter des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) in Münster, sagte: „Alle führenden Industrienationen werden früher oder später (...) auch die industriepolitische Bedeutung für ihr Land entdecken und eine weltweite Innovationsspirale bei regenerativen Energietechniken in Gang setzen.“

Wie in einem anderen Artikel im Block schon berichtet wurde,
ist in Brasilien bereits seit Anfang der Siebziger Jahre der Alkohol als Kraftstoff eingeführt. Dort kann er kostengünstig aus der Zuckermelasse gewonnen werden, die bei der Zuckerherstellung aus Zuckerrohr anfällt. Man kann aber auch den ganzen Zuckersaft vergären, ohne Zucker daraus zu machen. Dadurch ist man sehr flexibel in den Zucker- bzw. Alkohol-Mengen, die man herstellt.

Zuckerrohrlastwagen in Brasilien mit Alkohol-Fabrik im Hintergrund

Der Boom des Alkohols als Kraftstoff in den achtziger Jahren wurde aber in Brasilien durch eine Vertrauenskrise in den neunziger Jahren abgelöst. Alkohol wurde im wesentlichen nur noch als Beimischung im Benzin gefahren, im Moment liegt der beigemischte Anteil bei 24 %. Doch seit Anfang 2003 gibt es in Brasilien - so wie jetzt auch in Schweden - die sogenannten Flex-Fuel-Fahrzeuge, die mit Einspritzung arbeiten.

Diese stellen heute in Brasilien bereits 67% der verkauften Neuwagen, so daß schon bald der Verbrauch von Alkohol wieder gewaltig ansteigen wird - ebenso wie der von Benzin auf lange Sicht gegen Null tendieren wird. Während der Benzin-Preis in Brasilien gerade eben erhöht wurde und jetzt in den meisten Regionen bei etwa 2,30 - 2,40 Reais pro Liter liegt (etwa 80 bis 83 Eurocents), kann man Alkohol an der Tankstelle im Bereich von 0,90 bis 1,40 Reais erwerben (etwa 31 bis 48 Eurocents pro Liter). Das stellt natürlich einen deutlichen Anreiz dar, zudem laut Versicherungen der Ford die modernen Flex-Fuel-Autos nicht oder nur unbedeutend mehr als die Benzin-Autos verbrauchen. Dazu sind die mit dem Weingeist betriebenen Fahrzeuge auch noch wesentlich lebhafter, denn der hat wegen seiner höheren Dichte auch einen größeren Energieinhalt pro Liter.

Alkohol hat ja außer dem Preisvorteil und dem Unabhängigkeitsvorteil vor allem den wichtigen Umweltvorteil: Jedes Gramm CO2, das bei ihnen aus dem Auspuff kommt, ist vorher beim Wachsen der entsprechenden Pflanzen aus der Luft geholt worden (Kreislaufwirtschaft).

Treffende Karikatur

Brasilien ist heute bereits unabhängig von importierten fossilen Energieträgern, was nicht heißt, daß man nicht weiterhin Erdöl und Erdgas importiert. Man exportiert aber auch bereits und beides hält sich schon die Waage.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Wann wohl der Rest von Europa außer Schweden endlich merkt, daß man im Griff der Ölkonzerne zappelt und von ihnen beliebig gemolken werden kann?

Die Europäische Kommission befindet sich mit vollem Getöse auf der Gegenspur. Soeben hat man ein Verfahren eingeleitet, um zu überprüfen, ob die Steuerbefreiung von Alkohol als Kraftstoff in der EG nicht einen Verstoß gegen die EU-Richtlinien darstellt.

Nun, einen Verstoß gegen die Höchstprofite der Erdölkonzerne ist es sicherlich. Das scheint zu sein, was zählt.


Dieser Artikel von Elmar Getto zum wichtigen Thema der regenerativen Energien, der ursprünglich am 21. September 2005 in "Rbi-aktuell" erschien, ist ebenfalls weiterhin aktuell.

Montag, 22. Januar 2007

Osama ist unauffindbar, aber man weiss, dass er krank ist

Für wie dumm halten die uns eigentlich?

Von Elmar Getto

Wie die deutsche Sektion der Nachrichtenagentur Reuters meldet, sei Osama Bin Laden erkrankt und brauche ärztliche Hilfe. Moment, - was? Bin Laden, der meistgesuchte Terrorist der Welt, der Vater aller Terroristen? Er steht unter so intensiver Überwachung, daß man sogar Details seiner Gesundheit weiß? Warum, bitte, nimmt man ihn dann nicht fest?

Osama Bin Laden

Reuters weiß noch mehr, alles Dinge, die ein US-Army-Oberst mit Namen Don McGraw an die Öffentlichkeit hat dringen lassen. Er ist im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan. Das wußten wir schon vor vier Jahren. Er wechselt den Aufenthaltsort häufig und ist ständig in Bewegung. Ja und? Wenn man das alles weiß, warum nimmt man ihn nicht fest?

Jeder, der im Internet ist, kann auf die Seiten mit den Satellitenbildern gehen (google earth). Dort kann jeder von uns, sei es in Deutschland, sei es im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan oder wo auch immer, mit bester Auflösung alles ansehen, was vor sich geht. Wolken sind kein Hindernis (Zwar läßt man uns keine live-Bilder sehen, sondern nur einige Tage alte Bilder, aber die US-Dienste haben natürlich dies alles in Echtzeit).

Jedes Objekt von der Grösse eines Autos, eines Kamels oder eines Maulesels ist sichtbar. Es ist also unmöglich, sich in Berghöhlen zu verstecken, denn man braucht dort Nachschub und Kontakte und die können alle verfolgt werden. Ein auffallende Geschäftigkeit in einem bestimmten Tal und schon weiß man, daß dort jemand sitzt. Man muß nur noch hin und den Laden ausheben (Hat man etwa keine Hubschrauber in Afghanistan?). Man hatte 4 Jahre Zeit, das alles zu schecken und ihn festzunehmen. Man weiss, wann er krank ist und wann er seinen Aufenthaltsort wechselt.

Will man uns wirklich weismachen, man könnte ihn nicht jederzeit festnehmen, wenn man nur wollte. Für wie dumm hält man uns eigentlich?


Dieser Artikel von Elmar Getto erschien am 19 September 2005 in "Rbi-aktuell". Er ist heute so aktuell und wahr wie damals.

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