Freitag, 2. Januar 2009

Zum neuen Jahr

Nachdenkliches zum neuen Jahr

Von Karl Weiss

Dieses Mal wollte ich eigentlich wieder etwas Aufrüttelndes bringen zum neuen Jahr, so wie letztes Jahr den Weihnachtsartikel (hier: http://karlweiss.twoday.net/stories/4560017/), aber irgendwie kann ich angesichts des Massakers im Gaza-Streifen nur schwer etwas bringen, was das Leiden der Palästinenser dort nicht irgendwie zu relativieren erscheint.

So schreibe ich also etwas Nachdenkliches, einen Gedanken, der mir vor einiger Zeit kam, als ich ein Interview in CNN sah. Ich kann nicht mehr genau rekonstruieren, wann es genau war, aber es hatte einmal wieder einer jener Amokläufer zugeschlagen, die in den USA fast gang und gäbe sind. Eine Schule der Amish war überfallen worden und der Amokläufer hatte mehrere Schüler erschossen. Die Amish sind eine christliche Sekte, die alle modernen Errungenschaften ablehnt und lebt wie im 18. Jahrhundert. Da brachte CNN ein Interview mit dem Vater einer der ermordeten Schülerinnen. Man fragte ihn, ob er für die Todesstrafe für den Täter sei.

Da gab der Vater eine Antwort, die mir bis heute im Kopf herumschwirrt. Er sagte: "Wir müssen versuchen zu verzeihen, sonst wird Gott uns nicht verzeihen."

Ich erinnerte mich da meiner christlichen Erziehung und dass man da bei vielen Gelegenheiten herunterleierte: "...und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern; ..."

Meine Güte, dachte ich bei mir, das ist ja wirklich Teil der christlichen Religion und die Christen müssten eigentlich danach handeln.

11. September 2001

Dann dachte ich: Man stelle sich vor, nur mal theoretisch, nach den Anschlägen des 11. September wäre einer Präsident der Vereinigten Staaten gewesen, der dies gesagt hätte: "Wir werden versuchen zu vergeben, denn sonst wird Gott uns nicht vergeben!"

Ich bin überzeugt, ab diesem Moment hätte die christliche Religion alle anderen ausgestochen gehabt. Die Attraktivität des Islam, des Buddismus, des Hinduismus usw. wäre völlig verblasst vor einer Religion, die auf eine solche Tat mit dem Versuch zu vergeben reagiert.

Ich stelle mir vor, selbst ich, der ich harter Verfechter des Atheismus bin, hätte mich wieder dem Christentum zuwenden können.

Die Frage, welche Religion führend in der Welt ist, wäre ein für alle Mal entschieden gewesen und die Frage des Verzeihens wäre zu einer zentralen Frage im Zusammenhang mit jeder Schuld geworden.

Phantastische Vorstellung!

Mittwoch, 31. Dezember 2008

Warum war das 3.Quartal 2008 bereits Krise...

...wenn doch der Finanzcrash erst Mitte September geschah?

Von Karl Weiss

Angeblich, so erzählen uns Herr Unsinn, Frau Merkel und andere Schlauberger - so wie die Nachplapperer in den Redaktionen bürgerlicher Medien -, hat die globale Finanzkrise, die Mitte September mit der Pleite der Lehmann Brothers Bank begann, anschließend den Wirtschaftseinbruch ausgelöst, der jetzt auch von den bürgerlichen Ökonomen schon offen "Krise" genannt wird.

Deutschland: Auftragseingang der Industrie 2006 bis 10.08

Aber: Die Zahlen des zweiten und dritten Quartals 08 zeigen bereits in den USA, Großbritannien, Deutschland, Japan und anderen Ländern deutliche Einbrüche der Wirtschaftstätigkeit. Die wesentlichen Länder sind bereits seit dem dritten Quartal in der Krise - hatten also im Oktober schon zwei Quartale sinkender Wirtschaftsaktivität hinter sich. Mitte September ist aber am Ende des dritten Quartals. Die Finanzkrise kann also die Wirtschaftskrise nicht ausgelöst haben.

Nun haben dies auch bürgerliche Ökonomen und Kommentatoren bemerkt. Der Chef-Ökonom der Financial Times Deutschland (FTD), Thomas Fricke, schreibt am 18. Dezember 2008:

"Lehman ging am 15. September pleite, was tatsächlich eine systemische Krise im Finanzsektor auslöste. Allerdings waren zu dem Zeitpunkt alle wichtigen Konjunkturindikatoren schon seit Wochen schockartig auf Talfahrt. (...)

In den USA schnellte die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslosengeld in der letzten Juli-Woche plötzlich auf Rezessionsniveau - nicht Mitte September. Im August brach der Aufwärtstrend bei Aufträgen für US-Unternehmen ab, die Bestellungen fielen binnen einem Monat um vier Prozent. Die Industrieproduktion sank ebenso abrupt im Monat vor der Lehman-Pleite - nicht danach. Das Gleiche gilt für Amerikas Exporte, die vorher monatelang geboomt hatten.

Welt: Wirtschaftswachstum 3/08 gegen Vorquartal

Für den Rest der Welt lautet der Befund ähnlich. In der Euro-Zone begannen die Stimmungsindikatoren im Juni abzustürzen, mit Zuspitzung im Juli. Auch der Ifo-Geschäftsklimaindex beschleunigte seine Talfahrt abrupt schon kurz vor der Jahresmitte. In Japan brachen im August die Aufträge für Maschinen jäh um zwölf Prozent ein. Selbst in China gab es schon Wochen vor Lehman Anzeichen für einen ernsteren Konjunkturrückschlag. Die Frage drängt sich auf: Was, in aller Welt, ist in den Monaten Juni bis August 2008 passiert, dass in diesen Wochen fast zeitgleich rund um den Globus die Konjunkturindikatoren abstürzten? Was hat diesen Schock bewirkt?"

Da steckt allerdings schon ein Wurm in der Fragestellung. Es wird gar nicht mehr nach der Ursache von Wirtschaftskrisen gefragt, sondern nur nach dem Auslöser. Also zunächst einmal: Der Kapitalismus bringt gesetzmässig Wirtschaftskrisen hervor, weil die Kapitalisten einerseits versuchen müssen, die Löhne immer mehr zu verringern und andererseits die Produktion immer weiter ausweiten müssen, um den sinkenden Profitraten zu versuchen zu entgehen, was zur Überproduktion führt. Das ist die Ursache der Wirtschaftskrise.

Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 - 2008 mit Trendlinie
Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 bis 2008 mit Trendlinie

Nur hätte diese Krise eigentlich schon viel früher ausbrechen müssen. Der konkrete Ausbruch wurde aber künstlich hinausgezögert, indem man überall, in besonderem Masse aber in den USA, den Verbrauchern leichten Kredit (und oft zu leichten) zu märchenhaft guten Bedingungen (oft auch märchenhaft unrealistisch) offerierte, was auch weithin angenommen wurde. Eine Welle von Konsum auf Kredit wurde induziert, vor allem durch steil steigende Immobilienpreise ausgelöst, was sich aber nun als eine Blase herausgestellt hat, scheinbar erhöhte Werte ohne wirklichen Hintergrund. Besonders in den USA, aber auch in Großbritannien und Spanien begannen diese Immobilienblasen bereits ab 2006 zu platzen. In Wirklichkeit ist dieser Prozess nicht ein einmaliges schnelles Platzen, sondern eine jahrelange Talfahrt.

Wer diesen Prozess verfolgt hat, konnte bereits seit 2006 den Ausbruch dieser Krise kommen sehen. Im 2. und 3. Quartal dieses Jahres gab es reihenweise Anzeichen für das konkrete Übergang in die Krise, wie Fricke (Zitat oben) darlegt.

Trotzdem gab es keinen bürgerlichen Ökonomen, der das Offensichtliche erkannt und Warnungen abgegeben hätte. Das dürfen sie nämlich nicht, denn Krisen gibt es angeblich nicht im Kapitalismus und überhaupt ist Marx ein Spinner.

Deutschland: 2. Quartal 2008 gegen 2.Quartal 2007 BIP Lohn Konsum Vermögen

So kam es dazu, dass der 15. September alle Welt unvorbereitet traf und seitdem behauptet wird, es sei eine Finanzkrise mit "Auswirkungen auch in der Realwirtschaft". In Wirklichkeit ist die Finanzkrise vor allem ein Ausdruck des völlig irrwitzigen Kreditvergabe, die zwar die Krise hinauszögern konnte, aber sie gleichzeitig vertiefte. Sie ist nichts anderes als eine Zugabe. Die eigentliche Wirtschaftskrise dagegen hat gerade erst angefangen und ihr wirkliches Ausmaß ist noch gar nicht abzusehen. Wenn behauptet wird, Ende 2009 oder im Jahr 2010 ginge es schon wieder aufwärts, ist das nichts weiter als Pfeifen im dunklen Wald.

Wenn man Analysen der kapitalistischen Wirtschaft anstellen will, aber gleichzeitig Marx verneinen muss, kommt man eben immer bestenfalls zu Kaffeesatzleserei.

Was nun die andere Frage betrifft, nämlich die konkreten auslösenden Elemente der Krise in diesem Fall, so kann Fricke schon recht haben. Er macht vor allem den extrem hohen Ölpreis zu jenem Zeitpunkt verantwortlich für das Auslösen der Krise, zusammen mit dem Schock, den die Zentralbanken in jener Situation auslösten, als sie im Juli die Leitzinsen erhöhten, weil sie meinten, es sei vor allem die Inflation zu bekämpfen.

Das dürfte wahrscheinlich als die idiotischste Einschätzung des letzen Jahrhunderts in die Geschichte eingehen.

Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen

Wenn es je einen Total-Blackout der bürgerlichen Scheinwissenschaft der Ökonomie gegeben hat, so war es die völlige Hilflosigkeit, die Sinn und Konsorten in dieser Situation an den Tag gelegt haben. Und so kann man auch ihren weiteren Vorhersagen nicht glauben, de zum Beispiel für Deutschland lediglich ein halbes bis ein Prozent an Minus in der Wirtschaftstätigkeit für 2009 vorhersehen.

Nach allen vernünftigen Einschätzungen dessen, was da auf uns zukommt, wird das Jahre dauern und weit, weit tiefer als minus 0,5% absinken.

Und selbst die geringfügigen Maßnahmen zur Verringerung der Tiefe der Krise, die jetzt noch möglich wären und die in den USA, Japan, Großbritannien und Frankreich weitgehend benutzt werden, will die Bundesregierung nicht verwenden. Jetzt den Konsum zu stützen, hält sie für unnötig.

Alles, was überhaupt diskutiert wird, soll Unternehmen helfen, aber nichts ist für den Konsumenten vorgesehen. Das beruht auf der absurden Einschätzung der "Wirtschaftsexperten" der Regierung, der Kern der Krise bestände aus Unternehmen, die an den Rand der Pleite kommen und nicht aus fehlender Möglichkeit des Konsums durch Geldmangel bei den Konsumenten.

Alle 10 größten Volkswirtschaften der Erde haben inzwischen bereits Maßnahmen angekündigt oder schon durchgeführt, die unmittelbar im Konsum wirksam werden und über mehrere 100 Milliarden Euros gehen, mit der einzigen Ausnahme der Bundesrepublik. Das wird weitere zusätzliche Prozente an Wirtschaftseinbruch in Deutschland ergeben - über den mancher anderen großen Wirtschaftsnation hinaus.


Veröffentlicht am 31. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Dienstag, 30. Dezember 2008

Hat Uri Avnery’s Friedensappell eine Chance?

Was bedeutet „demographische Zusammensetzung“?

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Mit einer Veröffentlichung im US-jüdischen Magazin TIKKUN hat sich der israelische Friedensaktivist Uri Avnery an den gewählten US-Präsidenten Obama gewandt, um ihn für eine Friedensinitiative für den Nahen Osten zu gewinnen. Er schlägt detailliert die Regelungen eines Friedensvertrags vor. Hat sein Appell irgendeine Chance, Gehör zu finden?

Uri Avnery

Nun, die Chancen können als minimal eingestuft werden, selbst wenn Obama sich wirklich ernsthaft mit diesem Vorschlag beschäftigen sollte. Die Initiative hat zwei entscheidende „Vergiftungen“, die es dem palästinensischen Volk unmöglich machen werden, ihn anzunehmen und - weit wichtiger noch - sie wird von Obama und seiner Crew bereits im Ansatz vom Tisch gefegt werden.

Obama hat, nachdem er in der Kampagne um die demokratische Nominierung mit einer scheinbar fortschrittlichen Position „gegen das Establishment in Washington“ („Change we can believe in“) seine Rivalin Clinton besiegen konnte, im darauffolgenden Wahlkampf gegen McCain und nach seiner Wahl deutlich gemacht: Er ist der Repräsentant des „Establishments in Washington“. Er wird exakt die Politik der Clinton-Periode weiterzuführen versuchen, speziell in der Aussenpolitik, was durch nichts deutlicher dokumentiert werden kann als durch die Berufung von Hillary Clinton ins Aussenministerium.

Sowohl der neue Präsident wie auch seine Aussenministerin haben in Auftritten vor zionistischen Organisationen in den USA bereits deutlich gemacht: Sie werden die Situation „Kein Krieg, kein Frieden“ im Nahen Osten weiterhin aufrechterhalten wollen, sie werden das zionistische Israel als einzige Grossmacht in Nahen Osten und als ihr Faustpfand dort weiter unterstützen. Sie werden jegliches Abenteuer absegnen, sei es eine neuer Überfall auf den Libanon, sei es die Besetzung Syriens, sei es die „völlige Auslöschung“ (Zitat eines führenden israelischen Politikers) Irans durch Atomwaffen, sei es die „shoa“ (Holocaust, Zitat eines israelischen Minsters) an den Palästinensern.

Palestina land loss

Obama ging sogar so weit, vor einer zionistischen Organisation in den USA zu versichern, das „vereinigte ganze Jerusalem“ sei „auf alle Zeiten israelisch“ - obwohl niemand ihn zu einer solchen Aussage aufgefordert hatte - und damit jedem noch so zaghaften Ansatz einer Friedenslösung eine Absage zu erteilen.

Aber selbst wenn man annehmen würde, Obama würde sich nach seiner Amtseinführung plötzlich als fortschrittlicher Politiker entpuppen, er würde alle Ernennungen zurückziehen und eine ganz neue, andere Crew einsetzen und nicht mehr ausschliesslich die imperialen Interessen der einzigen Supermacht vertreten, können die Vorschläge Avnerys keinen Erfolg haben, denn sie sind für das palästinensische Volk unannehmbar.

Avnery benennt selbst das Problem der israelischen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet als wesentlich, will es aber nicht wirklich lösen. Er will alle Siedlungen räumen, „abgesehen von den 200 000 Siedlern im Raum Groß-Jerusalem, deren Status etwas anders ist“. Damit hätten die Palestinenser in ihrem Teil von Jerusalem eine Unzahl von aggressiven Todfeinden, die ihnen das Leben zur Hölle machen würden. Ebenso sieht er vor, einen Teil der Siedlungen auf den anderen palästinensischen Gebieten mit Gebietstausch („1:1“) aufzurechnen, sprich ein paar Streifen Wüste gegen Kerngebiete der Palästinenser zu tauschen, was den gleichen Effekt haben würde: Auf Dauer Todfeinde in unmitelbarer Nachbarschaft.

Ausserdem – und allein das macht die Initiative bereits aussichtslos – will er vom Prinzip abweichen, dass alle palästinensischen Flüchtlinge ein Rückkehrrecht haben und ein Anrecht auf den ihnen gestohlenen Grund und Boden sowie ihre Häuser. Er will das so regeln: „Die Zahl der Flüchtlinge, die in israelisches Land zurückkehren können, wird durch gegenseitiges Einvernehmen festgelegt – mit dem Einverständnis, dass nichts getan wird, was die demographische Zusammensetzung der israelischen Bevölkerung wesentlich verändert.“

Die völlige Zerstückelung des palästinensischen Territoriums wird hier deutlich. Das ist keine Besatzung, das ist Annektion.

Das bedeutet, velleicht nur 5% der Flüchtlinge (oder ein ähnlich geringer Anteil), die aus dem israelischen Gebiet vertrieben wurden, könnten zurückkehren, hätten Anspruch auf ihr Land und/oder ihr Haus. Vor allem aber bedeutet es – und das macht allein bereits die Initiative wertlos – dass Israel als zionistischer Staat bestehen bleibt, als aggressiver drohender Staat mitten im arabischen Kernland, der allein das Recht auf Atombomben hat und damit beliebig droht, der eine der am extremsten aufgerüsteten Grossmächte auf der Welt ist, der auf Dauer alle Länder des Nahen Ostens dominiert und ihnen die Politik vorschreibt (ständig mit der Atombombe im Hintergrund), der auf seiner rassistischen Basis besteht, der allen „nicht reinrassigen Juden“ keine Bürgerrechte und demokratischen Rechte zugesteht und weiterhin als langer Arm der USA den Frieden in der Region verhindert.

Barack Obama

Wer von „demographischer Zusammensetzung“ spricht, ist Rassist und seine Vorschläge können schon aus diesem Grunde nicht berücksichtigt werden.



Wer den Vorschlag Uri Avnerys nicht kennt, hier ist er, wie er in verschiedenen alternativen Internetorganen veröffentlicht wurde:




Denkschrift für Obama

Für den gewählten Präsidenten, Herrn Barack Obama

Von Uri Avnery

Die folgenden bescheidenen Vorschläge gründen sich auf meine 70 Jahre langen Erfahrungen als Untergrundkämpfer, als Soldat einer Sondereinheit im Krieg 1948, als Herausgeber eines Wochen-Magazins, als Mitglied der Knesset und Gründungsmitglied der Friedensbewegung:

(1) Was den israelisch-arabischen Frieden betrifft, sollten Sie von Tag eins an handeln.

(2) Die israelischen Wahlen finden im Februar 2009 statt. Sie könnten einen indirekten, aber wichtigen und konstruktiven Einfluss auf das Ergebnis haben, indem Sie Ihre unmissverständliche Entschlossenheit verkünden, 2009 einen israelisch-palästinensischen, einen israelisch-syrischen und einen israelisch-gesamtarabischen Frieden zu erreichen.

(3) Leider haben alle ihre Vorgänger seit 1967 ein doppeltes Spiel getrieben. Während sie für den Frieden Lippenbekenntnisse abgaben und zuweilen scheinbar Schritte in Richtung Frieden machten, unterstützten sie in der Praxis unsere Regierungen und gingen so in die falsche Richtung. Insbesondere waren sie stillschweigend mit dem Bau und der Vergrößerung der israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen und syrischen Gebieten einverstanden. Jede der Siedlungen ist eine Landmine auf dem Weg zum Frieden.

(4) Alle Siedlungen sind nach dem Völkerrecht illegal. Die Unterscheidung, die manchmal zwischen „illegalen“ Außenposten und anderen Siedlungen gemacht wird, ist ein Propagandatrick, mit der Absicht, diese simple Wahrheit zu verdunkeln.

(5) Alle seit 1967 gebauten Siedlungen sind ausdrücklich zu dem Zweck gebaut worden, um einen palästinensischen Staat – und so auch Frieden – unmöglich zu machen, indem das Gebiet des zukünftigen Staates Palästina in Streifen und Stücke geschnitten wurde. Praktisch haben alle Regierungsabteilungen und die Armee offen oder insgeheim beim Bauen, Festigen und Erweitern der Siedlungen geholfen – wie ein Bericht der Anwältin Talia Sasson für die Regierung (!) im Jahre 2005 bestätigt.

(6) Bis jetzt hat die Zahl der Siedler in der Westbank etwa 250 000 erreicht (abgesehen von den 200 000 Siedlern im Raum Groß-Jerusalem, deren Status etwas anders ist.) Sie sind politisch isoliert und werden von der Mehrheit der israelischen Öffentlichkeit abgelehnt – sogar verabscheut. Sie werden aber von der Armee und den Regierungsministerien unterstützt.

(7) Keine israelische Regierung würde es wagen, sich gegen die konzentrierte politische und materielle Macht der Siedler zu stellen. Solch eine Konfrontation würde eine sehr starke Führung und die uneingeschränkte Unterstützung des Präsidenten der USA voraussetzen, damit sie eine Chance auf Erfolg hat.

(8) Solange dies fehlt, sind alle „Friedensverhandlungen“ Heuchelei. Die israelische Regierung und ihre US-Unterstützer haben alles getan, um zu verhindern, dass die Verhandlungen zu Abkommen mit den Palästinensern und den Syrern führen, aus Furcht vor einer Konfrontation mit den Siedlern und deren Unterstützern. Die gegenwärtigen ??? „Annapolis“-Verhandlungen sind so nichtssagend wie alle vorausgegangenen. Jede Seite macht bei dem Spiel mit, jede aus eigenen politischen Interessen.

(9) Die Clinton-Regierung und noch mehr die Bush-Regierung erlaubten der israelischen Regierung, dieses Spiel fortzuführen. Deshalb ist es dringend notwendig, Mitglieder dieser Regierungen daran zu hindern, die Nahost-Politik in die alten Kanäle zu lenken.

10.) Es ist sehr wichtig für Sie, einen völlig neuen Start zu machen und dies auch
öffentlich deutlich zu machen. Diskreditierte Ideen und fehlgeschlagene Initiativen –
wie die der Bush-„Vision“, der Road Map, der Annapolis- Initiative und ähnliche – sollten
auf den Schrottplatz der Geschichte geworfen werden.

11.) Um einen neuen Start zu machen, sollte das Ziel der amerikanischen Politik kurz und bündig dargelegt werden. Etwa so: Einen Frieden auf Grund einer Zwei-Staaten-Lösung innerhalb einer bestimmten Zeitspanne – sagen wir bis Ende 2009 – zu erreichen.

12.) Es sollte darauf hingewiesen werden, dass sich dieses Ziel auf eine Neubewertung der amerikanischen nationalen Interessen gründet, um das Gift aus den amerikanisch-arabischen und amerikanisch-muslimischen Beziehungen zu ziehen, um die friedensorientierten Regime zu stärken, den Al-Qaeda-artigen Terror zu besiegen, den irakischen und afghanischen Krieg zu beenden und mit dem Iran eine realisierbare Übereinkunft zu erreichen.

13.) Die Bedingungen für einen israelisch-palästinensischen Frieden sind klar. Sie haben sich in Tausenden von Stunden in Verhandlungen, Konferenzen, Treffen und Gesprächen zwischen den beiden Seiten herauskristallisiert. Es sind folgende:

a) ein souveräner und lebensfähiger Staat Palästina wird Seite an Seite mit dem Staat Israel errichtet.

b) Die Grenze zwischen den beiden Staaten wird sich auf die Waffenstillstandlinie von 1949 gründen (die „Grüne Linie“). Geringfügige Veränderungen können bei gegenseitigem Einverständnis mit einem Gebietsaustausch auf der Basis von 1:1 erfolgen.

c) Ost-Jerusalem, einschließlich des Haram-al-Sharif („Tempelberg“) und alle arabischen Stadtteile werden zur Hauptstadt Palästinas. West-Jerusalem, einschließlich der Klagemauer und alle jüdischen Stadtteile werden zur Hauptstadt Israels. Es wäre wünschenswert, eine gemeinsame Stadtverwaltung, die auf Gleichheit basiert, mit gegenseitiger Übereinstimmung zu errichten, damit die Stadt als territoriale Einheit verwaltet werden kann.

d) Alle israelischen Siedlungen - außer denen, die im Rahmen gegenseitigen Einvernehmens gegen Gebiete ausgetauscht wurden – werden evakuiert werden (s. unter 15.)

e) Israel wird im Prinzip das Rückkehrrecht der Flüchtlinge anerkennen. Eine gemeinsame „Kommission für Wahrheit und Versöhnung“, aus palästinensischen, israelischen und internationalen Historikern zusammengesetzt, werden die Ereignisse von 1948 und 1967 untersuchen, wer für was verantwortlich war. Jedem einzelnen Flüchtling soll die Wahl gegeben werden 1. zwischen Rückkehr in den Staat Palästina, 2. dort zu bleiben, wo er/sie jetzt lebt und eine großzügige Kompensation erhalten. 3. Rückkehr nach Israel und dort wieder neu angesiedelt werden, 4. auswandern in ein anderes Land mit großzügiger Kompensation. Die Zahl der Flüchtlinge, die in israelisches Land zurückkehren können, wird durch gegenseitiges Einvernehmen festgelegt – mit dem Einverständnis, dass nichts getan wird, was die demographische Zusammensetzung der israelischen Bevölkerung wesentlich verändert. Die großen Geldmittel, die für die Erfüllung dieser Lösung nötig sind, müssten von der internationalen Gemeinschaft im Interesse des Weltfriedens aufgebracht werden. Dies würde viel Geld sparen, das heute für militärische Ausgaben und als direkte Subventionen aus den USA ausgegeben wird.

f) Die Westbank, Ost-Jerusalem und der Gazastreifen stellen eine nationale Einheit dar. Eine exterritoriale Verbindung (Straße, Bahn, Tunnel oder Brücke) wird die Westbank mit dem Gazastreifen verbinden.

g) Israel und Syrien werden ein Friedensabkommen unterzeichnen. Israel wird sich zu der Grenzlinie von vor 1967 zurückziehen, und alle Siedlungen auf den Golanhöhen werden aufgelöst. Syrien wird mit allen anti-israelischen direkten oder indirekten Aktivitäten aufhören. Beide Parteien werden normale Beziehungen mit einander aufbauen.
h) In Übereinstimmung mit der Friedensinitiative von Saudi-Arabien, erkennen alle Mitglieds- Staaten der arabischen Liga Israel an und bauen normale Beziehungen mit ihm auf. Gespräche über eine zukünftige Nahost-Union – nach dem Modell der EU – die möglicherweise auch die Türkei und den Iran einschließen, können in Betracht gezogen werden.

14.) Die palästinensische Einheit ist für den Frieden wichtig. Nur mit einem Teil des Volkes Frieden zu schließen, hat keinen Sinn. Die USA werden nichts tun, um die palästinensische Versöhnung und den Einigungsprozess der palästinensischen Strukturen zu verhindern.
Zu diesem Zweck wird die USA ihren Boykott der Hamas beenden, die die letzten Wahlen gewonnen hatte, einen politischen Dialog mit der Bewegung beginnen und Israel ermutigen, dasselbe zu tun. Die USA werden jedes Ergebnis demokratischer palästinensischer Wahlen respektieren.

15.) Die USA werden der Regierung Israels helfen, mit dem Siedlungsproblem fertig zu werden. Den Siedlern wird von jetzt an ein Jahr Zeit gegeben, die besetzten Gebiete freiwillig zu verlassen und dafür eine Kompensation erhalten, die ihnen erlaubt, ihr
Haus im eigentlichen Israel zu bauen. Danach werden alle Siedlungen evakuiert –
außer denen, die nach einem Friedensabkommen Israel angeschlossen werden.

16.) Ich schlage vor, dass Sie als Präsident der Vereinigten Staaten nach Israel kommen und sich persönlich an das israelische Volk wenden – nicht nur vom Rednerpult der Knesset aus, sondern bei einer Massenrallye auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv. Präsident Anwar Sadat von Ägypten kam 1977 nach Israel und hat, als er sich direkt an das israelische Volk wandte, seine Haltung zu einem Frieden mit Ägypten völlig verändert. Im Augenblick fühlen sich die meisten Israelis unsicher und haben Angst vor jeder gewagten Friedensinitiative, zum Teil wegen eines tiefen Misstrauens gegenüber allem, was von der arabischen Seite kommt. Ihre persönliche Initiative zu einem sehr entscheidenden Zeitpunkt könnte buchstäblich Wunder wirken, indem Sie die psychologische Basis für Frieden schaffen könnten.

Dieser Text ist in der neuen Ausgabe des progressiven jüdisch-amerikanischen Magazins TIKKUN veröffentlicht worden.

dt. Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert

Montag, 29. Dezember 2008

Der kapitalistische Krisenzyklus - "Eiszeit", "Kollaps", "Infarkt"

Krise Nr. 149

Von Karl Weiss

Der Harvard-Ökonom Robert Barro hat seit 1870 insgesamt 148 Krisen identifiziert, bei denen das Brutto-Inlandsprodukt des jeweiligen Landes um mindestens 10% gesunken ist (gegenüber dem Vorjahreszeitraum). Zwar hat die Intensität der Krisen nach dem 2. Weltkrieg zunächst deutlich nachgelassen, aber die These der bürgerlichen Ökonomen, das sei Ergebnis der verbesserten Beeinflussung, erweist sich nun als vergebliche Hoffnung. Es kann nicht im geringsten von sachlichem Beeinflußbarkeit die Rede sein. Alles, was die kapitalistische Wirtschaftskrise an Intensität verloren zu haben schien, kommt nun mit voller Wucht in der gerade begonnenen (Nr. 149) umso intensiver zur Geltung.

Damit sind so ziemlich alle Thesen der bürgerlichen Ökonomen der letzten 60 Jahre widerlegt. Natürlich gibt das niemand zu. Manche klammern sich so hysterisch an ihre eigenen Dogmen, dass sie jetzt ungeachtet der klaren Anzeichen eine Krise vorhersagen, in der es z.B. Deutschland angeblich nur zu einem Minus von 0,5% in der Wirtschaftsleistung kommen und ab dem Jahr 2010 bereits wieder aufwärts gehen wird.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Alle jene allerdings, die sich an den tatsächlichen Vorzeichen orientieren und nicht an Dogmen, sprechen von ganz anderen Zahlen und benutzen Worte wie „Eiszeit“, wie „Kollaps“ und „Infarkt“, siehe z.B. den aktuellen Leitartikel von Tobias Bayer in der Financial Times Deutschland (FTD) unter dem Titel „Die ruhigen Jahre sind vorbei“.

Er stellt die These auf, es habe eine Ansammlung von glücklichen Umständen gegeben, die dazu führten, dass die große Krise erst jetzt ausgebrochen ist. Tatsächlich hängt die Intensität der Krisen von hunderterlei Umständen ab, aber im gesamten werden die Krisen eben am Ende das tun, was sie im Kapitalismus tun müssen: Die Vernichtung von überschüssigen Produktionskapazitäten, bis die verbleibenden den vorhandenen Kaufkraft angepasst sind.

Es sieht ganz so aus, dass es da einen ziemlichen Nachholbedarf gibt und es scheint so, diesmal werden alle möglichen Eingriffe bestenfalls noch eine Verminderung der Einbrüche in bestimmten Länder bewirken können, nicht mehr und nicht weniger.

Deutschland: Brutto-Inlandsprodukt, Einkommen, Renten, Prozent gegen Vorjahr, bis 2008

Nicht dass diese Eingriffe nicht einen deutlichen Unterschied ausmachen könnten, was wir besonders in Deutschland extrem bemerken werden. Die Weigerung der großen Koalition (und der sie unterstützenden Parteien der FDP und der Grünen), auch nur ein einziges wirklich großes Konsumpaket aufzulegen, wird noch zu entsetzlichen Zuständen in Deutschland führen.

Allerdings wird sich das nicht wesentlich von jenen Zuständen unterscheiden, die in den USA nach dem Kollaps des Dollars herrschen werden oder denen in China, nachdem praktisch alle Exporte in die USA gestoppt sein werden. Man darf, ohne allzu weit vorzugreifen, von einer profunden sozialen Unrast in allen diesen Ländern ausgehen.

Dollar Gasp

Die kapitalistischen Krisen sind unerbittlich und sie sind unvermeidlich. So sind sie auch Teil des unvermeidlichen Endes des kapitalistischen Systems. Allerdings kommt dies nicht automatisch. Wir werden den entscheidenden Stoß geben müssen. Der Schreiber dieser Zeilen wird mitmachen. Und Sie?


Veröffentlicht am 29. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Samstag, 27. Dezember 2008

Die Realität hinter dem Nebelschleier ...

...des „Rechtsstaates“: Der Fall Zumwinkel

Von Karl Weiss

Ab und zu lüftet sich der Nebelschleier, der über dem Rechtssystem im Kapitalismus wabert und „Rechtsstaat“ heißt. Zwar gibt es auch auch gerechte Verfahren, aber das war auch in der Sklavenhaltergesellschaft und im Feudalismus so. Interessant wird es immer, wenn einer der Herrschenden eine Straftat begangen hat und angeklagt wird (oder eben auch nicht). So wird der Fall Zumwinkel zum Menetekel an der Wand des angeblichen Rechtsstaates.

Zumwinkel, damals Chef der privatisierten ehemaligen Bundespost, wollte seine Millioneneinnahmen natürlich nicht voll versteuern – so wie alle Superreichen – und versteckte dementsprechend das Geld auf den bekannten Konten Liechtensteiner Banken, was für alle mit viel Geld Standard-Vorgehen ist. (Der Gerechtigkeit halber sei angemerkt, Liechtenstein ist keineswegs der einzige „sichere Hafen“ für Geld, das „der Aufmerksamkeit der Steuerbehörden entzogen“ wurde, da gibt es auch noch die Cayman-Inseln, die britischen Kanalinseln, die Bahamas und viele, viele andere Steuerparadiese.)

Diese Tatsache - die Superreichen entziehen fast all ihre Einnahmen dem Zugriff des Fiskus - ist Allgemeingut oder anders ausgedrückt: Jeder einigermaßen Informierte weiss das. Das trifft natürlich auch auf alle Staatsanwälte zu. Da Steuerhinterziehung – im Millionenbereich – eine mit Gefängnis bedrohte Straftat ist, hätten sie also aktiv werden müssen, um die Steuersünder – wie sie sich gerne verharmlosend bezeichnen lassen – zu fassen und die Lecks zu stopfen. Aber wie wir alle wissen, gab es praktisch nie Hinterziehungsverfahren gegen Mitglieder der herrschenden Klasse – lediglich Prominente , die nicht zu den Herrschenden gehören, wurden verfolgt, wie die Tennisspieler Steffi Graf und Boris Becker.

Kurz – im Kapitalismus herrschen die gleichen Regeln wie in den früheren Klassengesellschaften Sklavenhaltergesellschaft und Feudalismus: Die Herrschenden werden nicht der strafenden Hand des Gesetzes ausgesetzt. Das gilt für Steuerhinterziehung und auch für andere Straftaten, wie die Freisprüche oder faktischen Freisprüche für Graf Lambsdorff, Kohl, Esser, Ackermann, Strauss Junior und Hartz gezeigt haben.

Nun gibt es aber in Bochum eine leitende Staatsanwältin, Frau Lichtinghagen, die plötzlich einen Anfall von Rechtsempfinden bekam und hinter den Geldabflüssen in Steueroasen her ging. Interessant, dass es wiederum eine Frau ist, wenn Mut gefordert ist. Sie musste im Grunde wissen, sie würde dies bitter büßen müssen, denn all die Tausende von Staatsanwälten, die bewusst nicht tätig werden auf diesem Gebiet, wissen schließlich warum. Wie auch immer, Frau Lichtinghagen, die einzige mutige Person unter allen Staatsanwälten Deutschlands, ließ den Geldabflüssen auf jene Liechtensteiner Konten hinterher spüren, wurde fündig und klagte Zumwinkel und andere deutsche Superreiche an.

Eine Zeit lang schien dies auch gut zu gehen. Die Prozesse gegen eine gute Zahl von „hochherrschaftlichen“ Steuerhinterzieher fanden weithin Aufmerksamkeit. Doch jene Leute, die eben in Wirklichkeit herrschen, haben natürlich ihre Handlanger an den entsprechenden Schaltknöpfen, die ihnen solche „Lästigkeiten“ vom Halse halten.

Die erste entsprechende Information kam bereits vor drei Wochen, als bekannt wurde, ein Amtsrichter hatte „vergessen“, rechtzeitig Anklage zu erheben. Dadurch sei ein wesentlicher Teil des Zumwinkel-Hinterzugs verjährt und er könne nicht mehr zu Gefängnisstrafe verurteilt werden.

Dann kam die nächste Information: Frau Lichtinghagen sei angeklagt: Sie hätte bei der Auswahl von gemeinnützigen Organisationen „gemauschelt“, denen Geldstrafen zukommen gelassen wurden. Es blieb bei dieser allgemeinen Erwähnung, niemand konkretisierte, was man ihr eigentlich vorwarf und inzwischen ist klar, es gibt überhaupt keine Fehlverhalten von Frau Lichtinghagen. In Wirklichkeit hatten die Herrschenden ihr Verbindungen „spielen lassen“ und es begann ein Mobbing gegen Frau Lichtinghagen.

Es gibt überhaupt keine Regelungen für die Auswahl von gemeinnützigen Organisationen, denen Geldstrafen zukommen. Sie ist vollständig den Staatsanwälten und Richtern überlassen, die meistens dem Vorschlag der Staatsanwälte folgen. Dass irgendeine der Organisationen, die Frau Lichtinghagen vorschlug, etwa nicht gemeinnützig gewesen sei, hat nicht einmal jemand behauptet.

Es wurde gemobbt auf Teufel komm raus und ihre Vorgesetzten, ein Oberstaatsanwalt in Hamm und vor allem der nordrhein-westfälischen Justizminister, der in diesem Fall eine Ministerin ist mit dem Namen Müller-Piepenkötter, nahmen sie nicht nur nicht in Schutz, sondern schienen dahinter zu stecken. Nun ja, „christliche“ Regierung, was hatten Sie da erwartet?

Die „Financial Times Deutschland“ (FTD) drückt dies so aus:

„Steuerfahnder, mit denen Lichtinghagen eng zusammenarbeitet, und Mitarbeiter der Behörde sahen in der Schlammschlacht um die engagierte Staatsanwältin den Versuch, sie aus dem Amt zu drängen. Bereits zuvor hatte es geheißen, die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum wolle die noch ausstehenden Ermittlungen abgeben. Mitarbeiter der Behörde hatten gegenüber der FTD von einer "Führung des Mobbings" bei der Behörde gesprochen. Kritische Mitarbeiter würden konsequent gemobbt, von "Leichen im Keller" war die Rede, von Kungeleien.“

Nun, man hat es geschafft: Frau Lichtinghagen ist enerviert und sagte, sie stimme jeglicher Lösung zu, wenn sie nicht wieder in jene Behörde müsse. Die Justizministerin verkündete nun, Frau Lichtinghagen wolle sich freiwillig versetzten lassen an ein kleines Amtsgericht.

Jeder kann sich ausmalen, wie die Prozesse gegen die Steuerhinterzieher nun weiter gehen. Wie üblich wird man die Verfahren gegen Geldstrafe einstellen oder nur Geldstrafen verteilen, die für die Betroffenen „peanuts“ sein werden. Den Film kennen wir, alle haben ihn schon gesehen.

Allerdings wird die deutsche Bevölkerung nun immer kritischer gegenüber diesen „Weisswaschungen“. Bei der Umfrage der FTD mit der Frage „Wie beurteilen Sie das Ausscheiden der leitenden Staatsanwältin in der Liechtensteiner Steueraffäre?“, antworteten 80% „empörend“. Die anderen Möglichkeiten waren „verständlich“ und „bedauerlich“.

Der Rettungs-Plan

Langsam aber sicher taucht die Wahrheit aus den Nebelschwaden des Poltiker-Gesabberes auf: Wir leben in keiner Demokratie, sondern in der Diktator des großen Kapitals in den Vorstandsetagen und Besitzervillen von Banken und Unternehmen. Sie ordnen an, wann der Steuerzahler ihnen 400 Milliarden Euro zur Rettung ihrer Banken zu übergeben hat und wann eine Staatsanwältin zu „entsorgen“ ist.


Veröffentlicht am 24. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Freitag, 26. Dezember 2008

War die RAF ein 'Verfassungsschutz'-Projekt?

Gängelband-Terrorgruppen

Von Karl Weiss

Anlässlich der Freilassung des Ex-Terroristen Klar liest man wieder viel über die Terrorgruppe RAF. U.a. muss sie selbst heute noch, Jahrzehnte nach ihrem Untergang, als Begründung für die Schaffung des gläsernen Bürgers herhalten. Das BKA-Gesetz, gerade vom Bundesrat verabschiedet, erlaubt es, jeden beliebigen Bundesbürger (und auch Ausländer) vollständig zu überwachen, am Telefon, im Internet, im privaten Computer, in der Wohnung, mit Mikrofon und mit Kamera – man muss nur vorgeben, derjenige könnte eventuell irgendwie mit Terrorismus in Zusammenhang stehen – wobei unter Terrorismus vor allem verstanden wird, man wolle das bundesdeutsche Regime verändern. Das alles ohne auch nur den Ansatz eines konkreten Verdachtes.

Da ist es also nun umso interessanter, wenn Einzelheiten über die damalige Terrorgruppe RAF ans Tageslicht kommen, die schwerste Zweifel darüber aufkommen lassen, ob es je eine selbständige Terrorgruppe RAF gab, die nicht am Gängelband des Verfassungsschutzes geführt wurde. Am Anfang, als es sich noch nicht um eine Gruppe im Untergrund handelte, war es nichts weiter als eine Gruppe von Anarchisten, in der Ulrike Meinhoff und Andreas Baader die wichtigste Rolle spielten.

RAF

Nun gab es in der Geschichte schon andere Anarchisten, die zum Mittel der Terroranschläge gegriffen hatten, aber diese Gruppe hatte zu jener Zeit damit (noch?) nichts zu tun. Dann aber bekam die Gruppe Zulauf (alle, die damals schon erwachsen waren, erinnern sich an die Gesucht-Plakate mit einer grossen Anzahl von Portraits und Namen), nannte sich nun RAF und ging in den Untergrund. Von dort aus hat man eine Anzahl von Attentaten begangen und eine Anzahl von Menschen umgebracht.

Nun hat aber Michael Buback, der Sohn des bei einem dieser Attentate getöteten damaligen General-Bundesanwalts Buback, vor kurzem ein Buch veröffentlicht („Der zweite Tod meines Vaters“), das schwerste Zweifel aufbringt, ob es sich da wirklich um eine selbständige Terrorgruppe handelte oder um eine am Gängelband des „Verfassungsschutzes“.

Buback, Chemie-Professor an einer Universität, also an akribische wissenschaftliche Arbeit gewöhnt, wollte wissen, wer wirklich seinen Vater umgebracht hat. Er stiess dabei auf offensichtliche Ungereimtheiten. So lagen bei der Staatsanwaltschaft bereits vor 25 Jahren Aussagen vor, die ein Mitglied der Gruppe mit Namen Wisniewski als einen der Täter des Buback-Mordes identifizierten. Dieser Spur wurde aber bis heute nicht nachgegangen – ja, es wurde überhaupt keine Ermittlung gegen Wisniewski begonnen. Es besteht der intensive Verdacht, Wisniewski war Spitzel des Verfassungsschutzes in der Gruppe.

Nun ist der Sohn des Getöteten, der die Recherchen über Jahre zusammen mit seiner Frau führte, noch auf eine Reihe anderer Ungereimtheiten gestossen. So gibt es zum Beispiel klare Aussagen von Zeugen, die vermummte Person auf dem Rücksitz eines Motorrads, die mit einer automatischen Waffe die tödlichen Schüsse abgab, sei klein und zierlich gewesen. Man habe den Eindruck von einer Frau gehabt. Nun – es wurde nie eine Frau wegen dieses Verbrechens angeklagt. Man weiss aber, dass Verena Becker zu jener Zeit Teil der Gruppe war und dass sie klein und zierlich ist. Als Frau Becker verhaftet wurde, fand man bei ihr die Karlsruher Tatwaffe. Warum wurde dieser Spur nie nachgegangen? War Frau Becker eventuell auch Verfassungsschutz-Spitzel?

Ausserdem gibt es die „Zeugen vom Vortag“: Einen Tag vor dem Anschlag brachte in Karlsruhe (Sitz der Bundesanwaltschaft) eine unvorsichtig geöffnete Autotür ein Motorrad ins Schlingern, auf dem vermummte Personen waren, genauso wie am darauffolgenden Tag beim Anschlag. Wahrscheinlich waren es die gleichen Personen, die dann einen Tag später wirklich den Anschlag durchführten. Die Zeugen dieses Vorfalls am Vortag wurden damals nicht vernommen. Hätten sie unerwünschte Aussagen machen können, die einen (oder mehr) Verfassungsschutz-Spitzel hätten auffliegen lassen können?

Wenn der Verfassungsschutz mit einem Spitzel an diesem Anschlag beteiligt war, so hat auch die Bundesregierung Blut an ihren Fingern, nicht nur die Gruppe RAF. Wenn es – und dafür spricht Vieles – Wisniewski und Becker waren da auf dem Motorrad und beide Verfassungsschutz-Spitzel waren, so war es sogar eine Bundes-Mordtat, die nur indirekt etwas mit der RAF zu tun hat. Schwerwiegende offene Fragen!

Das alles geschah zur gleichen Zeit, als erwiesenermassen Bundes-Agenten ein Loch in die Mauer des Gefängnisses von Celle sprengten, was sie den „Terroristen“ in die Schuhe schieben wollten, denn dort sassen Gesinnungsgenossen ein. Ein weiteres Indiz für eine weit intensivere Beteiligung offizieller Stellen der Bundesrepublik an Dingen, die man „Linksradikalen“ zuschreibt, als es offiziell angegeben wird.

Und da gibt es die NPD, die nur deshalb nicht verboten werden konnte, weil sie so völlig von „Verfassungsschutz“-Mitarbeitern durchsetzt ist, dass man nicht mehr unterscheiden kann, was sind Worte und Taten der NPD und was solche des „Verfassungsschutzes“. Sollte es eventuell schon vorher eine Organisation gegeben haben, die so völlig unter dem Kartell des „Verfasungsschutzes“ stand, dass ihre Taten nur durch massivste „Ermittlungs-Pannen“ den tatsächlichen Gruppenmitgliedern zugesprochen werden konnten? Die RAF?

Interessant in diesem Zusammenhang auch wieder die Haltung der bundesdeutschen bürgerlichen Medien. Über das Buch von Buback wurde zum Teil gar nicht, zum Teil mit schweren Auslassungen berichtet. Die deutlichen Verdachtsmomente gegen die Bundesregierung wurden beiseite gelassen. Selbst in einem Interview, das Buback der „Süddeutschen“ aus Anlass der Freilassung von Klar gab, kommt das Wort „Verfassungsschutz“ nicht ein einziges Mal vor, hier: http://www.sueddeutsche.de/politik/599/452304/text/

Waren es damals die Anarchisten, so sind heute die Islamisten zum Staatsfeind Nr. 1 geworden. Und das Schema gleicht sich: Wiederum kann man z.B. bei den „Sauerland-Bombern“ das Wirken von Bundes-Agenten feststellen, die aber nicht auftauchen und Zeugenaussagen machen, die man stattdessen heimlich aussteigen liess, bevor man zuschlug.

Auch in diesem Fall extrem verdächtige Umstände. Es wurde Wasserstoff-Peroxid-Lösung gekauft, obwohl man damit und mit anderen Zutaten überhaupt keinen handhabbaren Sprengstoff herstellen kann, es sei denn, man hätte eine Chemiefabrik und extrem spezielle Fachkenntnisse. Einen Monat vor den Festnahmen im Sauerland schreibt „Focus“ganz offen über diese angebliche Terrorgruppe, aber die macht wohlgemut weiter. Der Verdacht eines „agent provocateur“ liegt auch hier extrem nahe. Näheres in diesem Artikel: http://karlweiss.twoday.net/stories/4249087/

Ähnlich auch der Fall der vier „britischen Jungs“, die jene Attentate in London im Juli 2005 unmöglich ohne deutliche Hilfe von aussen begangen haben können. Aber genau das behauptet der englische Untersuchungsbereicht. Auch hier der klare Verdacht, ein „agent provocateur“ hat die unbedarften erzürnten Muslims angeleitet, um Anlass für den Abbau der bürgerlichen Rechte zu liefern.

Ganz ähnliches bei dem grossen Terroranschlägen in Madrid ein Jahr vorher, die 200 Menschenleben forderten. Islamisten, die überhaupt nicht genug Kenntnisse für einen so umfangreichen und komplizierten Anschlag haben. Polizeispitzel in der Gruppe. Einer dieser Spitzel hat sogar den Sprengstoff besorgt, mit dem die Anschläge durchgeführt wurden. Auch hier klare Hinweise auf „agent provocateur“, auf eine „Gängelband-Gruppe“.

Fangen wir nicht davon an, von den vielen Zweifeln an der offiziellen Version des Ablaufs und der Täter der Anschläge des 11. September 2001 zu reden.

Die RAF, 9/11, Madrid, London, die Sauerland-Bomber: Einzelteile setzen sich zu einem Puzzle zusammen: Staatsmacht hilf beim Terror mit. Es geht um Vorwände, die noch vorhandenen freiheitlichen Rechte abzuschaffen, denn man weiss, man wird auf Widerstand stossen. Die Völker werden sich diese Zustände nicht so einfach gefallen lassen. Darauf will man mit viel Stasi vorbereitet sein.

Nur sollte man sich das Ende der Stasi ansehen. Vielleicht stehen diese Herren eines Tages auch am Ofen, wo sie die Akten verbrennen wollen, die ihre Taten belegen.


Veröffentlicht am 24. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Dienstag, 23. Dezember 2008

Nicht alle Autobauer sind in der Krise

Zurückbesinnen auf alte Tugenden

Von Karl Weiss

Endlich einmal gute Nachrichten in krisengeschüttelten Zeiten. Ein Autohersteller hat keinerlei Absatzprobleme, ja, er legt sogar zu: Rolls Royce.

All den Pessimisten und Katastrophenszenario-Beschwörern sei das ins Stammbuch geschrieben: Nein, es gibt keine allumfassende Krise, schon gar nicht in der Automobilindustrie. Nun, da mögen einige Firmen, die vor allem auf Masse statt Klasse gesetzt haben, in Schwierigkeiten kommen, wie GM, Ford, Chrysler und Toyota, aber wer eine vernünftige Modellpolitik betrieben hat und sich nicht dem Wahn hingegeben hat, unbedingt zehntausende oder hunderttausende von Autos pro Monat verkaufen zu müssen, der steht weiterhin gut da.

Sehen Sie sich nur Rolls Royce an: Im Jahr 2008 wird man ein Rekord-Ergebnis einfahren und mehr Autos verkaufen als je zuvor. In den ersten 11 Monaten von 2008 hat man bereits 1055 Wagen verkauft, was einen „deutlich zweistelligen“ Zuwachs bei den Auslieferungszahlen bedeutet. Bis ins Jahr 2010 will man die Verkäufe auf etwa 2000 Einheiten bringen, also praktisch verdoppeln.

Haben etwa Renault und VW recht, die an die 500.000 Autos monatlich verkauften (vor der Krise) oder ist Rolls Royce der Gewinner, der es auf etwa 3 pro Kalendertag bringt? Welches Konzept ist erfolgversprechender, die Massenfertigung in frenetischem Tempo oder die gute alte minutiöse Handarbeit?

Also, boys and girls, nicht vergessen, es gibt da eine Klasse, die in keinerlei Krise steckt – jedenfalls solange wir ihr keine bescheren.


Veröffentlicht am 23. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Das sei ein demokratischer Staat

... wird immer wieder behauptet

Von Karl Weiss

Israel wird wiederholt als „einziges demokratisches Land im Nahen Osten“ bezeichnet. Urteilen Sie selbst:

Ein Russe jüdischen Glaubens, der 1999 nach Israel ausgewandert war, erlebte dort eine Odyssee ohnegleichen, weil seine Tochter christlichen Glaubens war. Sie trug ein Kreuz und wurde dadurch in der Schule Ziel von Anfeindungen von Klassenkameraden. Die Schulleitung behauptete, die Tochter würde den Frieden an der Schule stören und zwang den Mann, nach Hadera umzuziehen, als er sich weigerte, seine Tochter zwangsweise zum jüdischen Glauben übertreten zu lassen.

Die völlige Zerstückelung des palästinensischen Territoriums wird hier deutlich. Das ist keine Besatzung, das ist Annektion.

Doch die Verfolgungen seiner Tochter hörten auch da nicht auf. Am 23. Oktober 2001 wurde sie Opfer eines Terrorattentats. Sie war in der Folge schwer behindert. Das führte zu noch intensiveren Diskriminierungen durch ihre Klassenkameraden, nun auch wegen der Behinderung. Schließlich weigerte sich die Tochter 2002, in die Schule zurückzukehren.

Die Familie versuchte mit Interventionen im Schulamt die Situation zu verbessern, aber ohne Erfolg.

Während Vater und Mutter einen israelischen Pass erhielten, wurde dieser der Tochter verweigert. Sie sei keine Jüdin und könne daher keinen israelischen Pass beanspruchen.

Dagegen klagte der Vater zuerst beim Staatskontrolleur in Jerusalem, dann beim Stab des Aussenministeriums. In beiden Instanzen wurd die Klage abgewiesen. Die Tochter sei keine israelische Staatsbürgerin.

Palestina land loss

Als „Bestrafung“ für die Klagen wurde nun der israelische Staat aktiv. Man teilte dem Vater mit, seine Tochter habe keine Daueraufenthaltsgenehmigung mehr in Israel, sondern nur noch eine zeitweise.

Auf Intervention eines Gemeindeabgeordneten erhielt die Tochter 2002 einen Behindertenausweis, der allerdings nicht den tatsächlichen Umfang ihrer Behinderung abdeckte.

Der Schulrat erklärte dem Vater, er werde dafür sorgen, dass ihm das Sorgerecht entzogen würde, wenn seine Tochter nicht wieder in die Schule käme. Gleichzeitig weigerte er sich, für deren Sicherheit zu garantieren. Er betonte immer wieder,die Tochter müsse nur zum jüdischen Glauben übertreten, dann wären alle Probleme beseitigt.

Zwar kehrte die Tochter im Dezember 2002 in die Schule zurück, aber der Schulrat machte trotzdem eine Eingabe beim Jugendamt, die Tochter dem Sorgerecht der Eltern zu entziehen und sie in ein jüdisches Internat zu bringen.

Daraufhin wurden die Eltern im Februar 2003 zur Polizei bestellt und über ihre Familiensituation befragt.

Syrien: Krak de Chevalier
Kreuzritterburg Krak des Chevalier im heutigen Syrien. Siehe hierzu auch diesen Artikel.

Der erzürnte Vater reichte dann Klagen ein: Im März 2003 beim Innenministerium und im April gegen den Schulrat. Daraufhin erhielt die Familie Drohanrufe und es wurden antichristliche Traktate in den Briefkasten gesteckt. Der Chef des Polizeireviers hatte ihre Anzeige nicht entgegengenommen, sondern riet ihnen, die Tochter zwangsweise zum jüdischen Glauben zu konvertieren.

Als sie sich weigerten, wurde der Tochter im Juni 2003 ihr Behindertenausweis entzogen, was bedeutende Nachteile beinhaltete. Der Gesundheitszustand der Tochter verschlimmerte sich zusehends.

Noch im gleichen Juni wurde die Mutter vom Schulrat persönlich angegriffen und bedroht, wenn sie ihre Klagen nicht zurückzögen.

Im Juli 2003 wurden die Pässe der Eltern eingezogen. Hierzu wurden eigens zwei Polizisten geschickt. Dann erfuhren die Eltern, ihnen werde nun das Sorgerecht für die Tochter entzogen und die Tochter in ein jüdisches Internat gesteckt.

Daraufhin entschied sich die Familie, aus Israel zu fliehen, bevor sie ihre Tochter niemals wiedersähen und sie einem unbekanntem Schicksal ausgesetzt sähen.

Sie konnten nach Frankreich fliehen. Dort wurde ihnen, nachdem diese ganze Odyssee belegt werden konnte, Asyl gewährt – nach einem jahrelangen Verfahren. Das war das erste Mal, dass der französische Staat einen israelischen Staatsbürger als Flüchtling anerkannt hat.

Die Flüchtlingskommission stellte fest, dass die [Tatbestände], „die starkem religiösen Druck auf die Tochter durch verschiedene Behörden entspringen“, „einen schwerwiegenden Eingriff in seine bürgerlichen Grundrechte darstellen und ihn in einen Zustand dauerhafter Unsicherheit versetzt haben.“ Sie haben ihn daran gehindert, „- ohne daß die staatlichen Organe trotz wiederholter Bitte abgeholfen hätten - ein normales Leben in dem Land zu führen, dessen Staatsbürgerschaft er erworben hatte.“

Die Flüchtlingskommission erkannte außerdem an, dass sie bei einer Rückkehr verfolgt werden würden.

Würden Sie das „einen demokratischen Staat“ nennen?


Veröffentlicht am 17. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Montag, 15. Dezember 2008

Hartz IV: Der angeleinte Mensch

Arbeitslose werden zu Delinquenten

Von Karl Weiss

Bereits im Artikel „Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden“ vom 23. November 2007 hatte der Berichterstatter über einen Fall berichtet, in dem eine Leiterin einer „Arbeitsagentur“ sich als „Verfolgungsbehörde“ bezeichnete. War das vielleicht noch ein Ausrutscher, wenn auch ein aufschlussreicher, nun ist es offiziell: Arbeitslose werden exakt wie Straffällige behandelt. Der Text aus einer „Eingliederungsvereinbarung“, wie sie jetzt mit allen Hartz-IV-Empfängern abgeschlossen werden müssen, ist exakt der gleiche, wie ihn vorzeitig auf Bewährung aus der Haft Entlassene unterschreiben müssen.

Hartz-Protest 02

Sehen Sie hier den Text:

„Halten Sie sich innerhalb des zeit-und ortsnahen Bereiches auf, muss sichergestellt sein, dass Sie persönlich an jedem Werktag an ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von Ihnen benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichbar sind.

Sie sind verpflichtet Änderungen (z.B. Krankheit, Arbeitsaufnahme, Umzug) unverzüglich mitzuteilen und bei einer Ortsabwesenheit vorab die Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners einzuholen.

Bei einer unangemeldeten unerlaubten Ortsabwesenheit entfällt der Anspruch auf Arbeitslosengeld II, auch bei nachträglichem Bekanntwerden. Wird ein genehmigter auswärtiger Aufenthalt unerlaubt verlängert, besteht ab dem ersten Tag der unerlaubten Ortsabwesenheit kein Anspruch auf Leistung mehr. Nähere Informationen finden Sie in Kapitel 13.3 des Merkblatts "Arbeitslosengeld II/Sozialgeld“.


Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Mag man dies für einen vorzeitig, vor Abbüßen seiner Strafe, aus der Haft entlassenen noch als hinnehmbar betrachten – dort ist es ja auch nur zeitlich begrenzt, nämlich bis zum Ablauf der Bewährungsfrist – so ist die Anwendung dieser „Hundekette-Regel“ für Menschen eines freiheitlichen Landes, die nur das Schicksal traf, keine Arbeit zu finden, offensichtlich unmenschlich. Findet er keine Arbeit, ist dies ja „lebenslänglich“. Er liegt an der Leine wie ein Hund – auf Dauer.

Man stelle sich nur einmal die Szene vor, wenn ein so mit der Hundekette-Regel angeleinte Mensch krank wird und ins Krankenhaus in der nächsten Kreisstadt eingeliefert werden muss. Während ein Teil der medizinischen Equipe des Krankenwagens um das Leben des Patienten kämpft, muss der andere Teil versuchen, die Vorabzustimmung des „persönlichen Ansprechpartners“ in der ARGE für den Ortswechsel zu bekommen. Da der aber gerade auf der Toilette ist, kann man ihn leider nicht ans Telefon holen.

Weg mit Hartz IV

Als nach zwanzig Minuten dann schließlich die Genehmigung vorliegt, ist der Patient im Krankenwagen schon gestorben – und das war es denn ja wohl auch, was Merkel und Steinmeier mit der neuen Anlein-Regel erreichen wollten. Tote liegen dem Staat nicht mehr auf der Tasche.

Das ist besonders notwendig in Zeiten, in denen die Gelder des Bundes für wichtigere Dinge gebraucht werden, so zum Beispiel für die Rettung von Banken, die sich verzockt haben.

Hartz-Protest 01

Da passt es gut in die Landschaft, dass in Bayern unter Seehofer und mit FDP-Unterstützung die Zahlungen an die marode Landesbank so hoch sein werden, dass alles Geld fürs Soziale „einer Überprüfung unterzogen werden muss“, sprich: Es wird gestrichen werden.


Veröffentlicht am 15. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

"Hartz IV: Der Fall Brigitte Vallenthin"

"Hartz und Hunger – Vier Episoden"

Samstag, 13. Dezember 2008

'Herr Bisky, In welchem Land leben Sie?'

Offener Brief an Lothar Bisky anlässlich seiner Rede auf dem Landesparteitag der LINKEN in Berlin am Wochenende 6./7.12.2008

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Sehr geehrter Herr Bisky,

eigentlich hatte ich Sie als ernst zu nehmenden Politiker im Gedächtnis, aber beim Lesen dieser Parteitagsrede habe ich mich gefragt: In welchem Land lebt der eigentlich?

Reichstag - Bundestag
Deutschland: Berlin, Reichstag

Nun könnten Sie natürlich mit Recht sagen: „Sie, Herr Weiss, leben ausserhalb von Deutschland, ich lebe hier!“

Trotzdem scheint es so, als ob ich aus 10 000 km Entfernung mit meinen Kontakten in Deutschland und über das Internet, unter spezieller Erwähnung der Berliner Blogger-Szene, einen klareren Blick habe als Sie, der sie offenbar nur noch innerparteiliche Dinge sehen und nicht mehr die Bevölkerung in Deutschland. Manchmal scheint eine gewisse Entfernung wirklich den Blick auf das Ganze zu schärfen.

Wo in Ihrer Rede, Herr Bisky, erwähnen Sie die Interessen der Bevölkerung Deutschlands, wo nennnen Sie beim Namen, was die Menschen in Deutschland in diesem Moment beschäftigt?

Zugspitze
Deutschland: Zugspitze

Sie sagen, die Bevölkerung Berlins würde von der LINKEN nicht aus der Verantwortung entlassen. Und wo erwähnen Sie die Verantwortung der LINKEN für die Bevölkerung? Glauben Sie, die Bevölkerung ist für die LINKE da oder die LINKE für die Bevölkerung?

Ich spreche hier speziell von jenem Teil der Bevölkerung, der politisch wach geworden ist, der sich nicht mehr leicht von Politiker-Schmus einlullen lässt oder von „Wer gewinnt die Million?“. Das sind doch gerade jene, die potentiell LINKE wählen könnten oder sogar eintreten. Dieser immer grösser werdende Teil der Bevölkerung will doch keine Anweisung, sich gefälligst innerhalb der Berliner LINKEN zu informieren, sondern eine klare Begründung, warum man der faktischen Abschaffung der Erbschaftssteuer zugestimmt hat. Wo ist die, Herr Bisky? Wenn man gute Gründe dafür hatte, warum können die nicht dargelegt werden?

Deutschland: Köln
Deutschland: Köln

Und es sind natürlich immer beide Partner in einer Koalition verantwortlch dafür, was die Regierung tut. Sollte einer der beiden in einer wichtigen Frage den anderen übertölpeln (was einige Pressemeldungen nahelegen), kann man natürlich nicht in der Koalition bleiben. Und es ist zweifellos eine wichtige Frage, ob die Umverteilung von unten nach oben, in Deutschland am intensivsten betrieben von allen Ländern, weitergeht oder nicht. Gerade diese Umverteilung ist nicht nur unsozial, sondern sie ist auch der wesentliche Grund, warum die Krise Deutschland so intensiv trifft.

Die in diesem Moment sich rapide verschärfende Finanz- und Wirtschaftskrise erwähnen Sie überhaupt nicht, ausser im Zusammenhang der Gefahr der Zuwendung zu faschistischen Gruppen? Ja, die Bevölkerung ist sehr wohl in die Defensive gedrängt angesichts der Möglichkeit, bald auch von Hartz IV leben zu müssen und kann gerade jetzt von einer Partei erwarten, die sich Linkspartei nennt, zu erfahren, auch in dieser Situation kann man kämpfen, kann streiken, ja, man trifft dabei sogar auf einen geschwächten Gegner, denn in der Krise können die Unternehmen Produktionsausfälle durch Streik noch weniger wegstecken. Nichts davon bei Ihnen.

München
Deutschland: München

Statt dessen behaupten Sie, die Bevölkerung hätte einen solchen Auftrag gegeben: „[haben] Wählerinnen und Wähler bei leeren Kassen beschlossen: Zeigt, was ihr könnt!“

Entschuldigen Sie Herr Bisky, wo sehen Sie in Deutschland leere Kassen? Also ich kann nur die leeren Geldbeutel bei grossen Teilen der arbeitenden und arbeitslosen Schichten sehen.

Deutschland: Berlin, Brandenburger Tor
Deutschland: Berlin, Brandenburger Tor

In der deutschen Politik gibt es keine leeren Kassen! Es waren und sind immer noch Hunderte von Milliarden da, um Banken zu unterstützen, die am Spieltisch Geld verloren hatten! Es sind zig Milliarden da für die IKB, die KfW, die Hypo, die Bayerische Landesbank, Haiders Alpe-Skandalbank, die sächsische, die nord- und westdeutsche, die X und die Y – und Sie reden von leeren Kassen? In welchem Land leben Sie?

Sie mögen sagen, dies Geld ist aber nicht in der Berliner Landeskasse, na schön – und was hindert Sie daran, dann die Überweisung in diese zu fordern?

Die deutsche Politik hat seit Oktober das grösste Ausgabenpaket in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen – aber eben nur für Banken - und Sie erwähnen dies nicht einmal auf einer Parteitagsrede im Dezember, sondern sprechen von leeren Kassen! Sind Sie noch gescheit?

Deutschland: Dresden
Deutschland: Dresden

Wo waren Sie und ihre Freunde in der LINKEN, als jene Bankenrettungsaktionen beschlossen wurden? Da hungerten die politisch wachen Menschen in Deutschland nach Aussagen, die sich von dem Einheitsbrei von „leider unumgänglich“ unterschieden hätten. Als einziges Argument für die Rettung von Banken vor dem Bankrott wurde gebracht, man brauche Banken, denn es müssten Kredite gegeben werden.

Nun, es gibt etwa 2000 Banken in Deutschland. Wenn nun die Dresdner und die Commerzbank und noch (sagen wir) zwanzig andere Pleite gegangen wären, was wäre daran schlimm gewesen? Die anderen Banken hätten deren Geschäfte übernommen und wahrscheinlich auch noch viele der Filialen und einen grossen Teil der fähigen Mitarbeiter, na und?

Deutschland: Karlsruhe
Deutschland: Karlsruhe

Warum hat man diese Worte nicht von Ihnen gehört, Herr Bisky? Stattdessen beschwören Sie angeblich leere Kassen! In welchem Land leben Sie?

Wo war die Unterschriftensammlung gegen den ‚Banken-bail-out’, von den LINKEN initiiert und nicht von Bloggern?

Deutschland: Düsseldorf
Deutschland: Düsseldorf

Genau an jenem 6. Dezember des Wochenendes des Berliner Landesparteitags der LINKEN war Weltklimatag. Sie halten eine Rede dort und erwähnen nicht, wie sehr die politisch wachen Menschen in Deutschland um die Entwicklung zur Klimakatastrophe besorgt sind? Erwähnen nicht, dass genau an diesem Wochenende eine internationale Konferenz dazu zu Ende ging, die nicht einen einzigen einschneidenden Beschluss gefasst hat? Dass genau eine Woche vorher auf deutsche Initiative hin Auflagen der EU für weniger klimaschädliche Autos der europäischen Hersteller gelockert wurden, so als ob man mit der Beschleunigung der Entwicklung zur Klimakatastrophe die Wirtschaftskrise vermeiden könnte?

Auf welchem Planeten leben Sie?

Deutschland: Frankfurt
Deutschland: Frankfurt

Sie reden von einer "zweiten linken Fraktion" im hessischen Landtag. Halten Sie die SPD für links? Wo leben Sie?

Wo war die Präsenz der prominenten LINKEN auf den Veranstaltungen zum Weltklimatag, auf den Kundgebungen gegen neue Kohlekraftwerke? Wo sind Ihre Aktivitäten gegen die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke? Wollen Sie das Umweltthema den Grünen überlassen? Wo leben Sie?

Wo waren Sie oder andere offizielle Vertreter der LINKEN, als gegen den letzten Atommüll-Transport Castor mit steil ansteigenden Teilnehmerzahlen protestiert wurde? Mussten Sie in Bundestagsausschüssen hiner verschlossenen Türen ihre Zeit verplempern?

Deutschland: Stuttgart
Deutschland: Stuttgart

Warum sehe ich in keinem Bericht über die Montagsdemonstrationen das Auftreten von offiziellen Vertretern der LINKEN, ebensowenig bei der zentralen Demonstration der Montagsdemos im Oktober? Ist man zu sehr mit innerparteilichen Querelen beschäftigt?

Bei all diesen Ereignissen sah man sehr wohl Mitglieder der LINKEN und Sympathisanten und potentielle Wähler. Glauben Sie, denen fällt nicht auf, dass niemand Prominentes bzw. niemand Offizielles von Ihrer Partei dort auftaucht?

Deutschland: Münster
Deutschland: Münster

Wo glauben Sie, dass sie die politisch wach gewordenen Menschen ansprechen können? Die Berichterstattung der bürgerlichen Medien lässt kein gutes Haar an der LINKEN – auf die können sie nicht setzen. Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass in der Grössenordnung von zig Millionen Menschen in Deutschland nach den Beschlüssen der „Agenda 2010“ nicht mehr zu Wahlen gehen, aber nur ein Bruchteil dazu überging, die LINKE zu wählen oder sogar einzutreten?

Also die sozialen Fragen beschäftigen Sie nicht, ausser hinter verschlossenen Türen, die Umweltfragen spielen für Sie keine Rolle, ausser einem beiläufigen Erwähnen, die faktisch Abschaffung der Erbschaftssteuer unterstützen Sie, die Milliarden für die Banken halten Sie nicht einmal der beiläufigen Erwähnung für wert, Sie halten die deutschen Staatskassen für leer und haben im Delirium die Vorstellung, die Berliner Regierung käme mit einem linken Profil ins Bewusstsein der Menschen. Wie wollen Sie verhindern, dass die LINKE auf Dauer „eine dritte kleine Partei“ bleibt?

Ansonsten sind Sie der Meinung, die LINKE sei kein Selbstzweck. Wirklich nicht?





Wer die Rede nicht kennt, hier ist sie:

"Der Traum vom plegeleichten linken Koalitionspartner ist vorbei"

Rede von Lothar Bisky auf dem Landesparteitag der Linken in Berlin

„Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Freundinnen und Freunde,

am vergangenen Wochenende wurde mit Eurer Unterstützung eine Metropolendebatte über Berlin als europäische Stadt geführt.
Die Europäische Linke tagte zeitgleich im Kino Babylon und hat die erste gemeinsame Wahlplattform beschlossen.
Ihr seid mit viel politischem Gepäck zum Landesparteitag gekommen.
Eines ist klar: Ihr kommt von diesem Landesparteitag direkt in die Wahlkämpfe 2009! Es gibt dort keine Pause, siehe Hessen.

Deshalb sage ich eines gleich zu Beginn. Ich freue mich, dass sich der Landesverband konsolidiert hat, dass die Fraktion bissiger geworden ist, dass das linke Profil über Berlin hinaus zu spüren ist.
Der Traum vom pflegeleichten linken Koalitionspartner ist vorbei und ich denke mir, das bekommt sogar der Berliner SPD gut. Nun zerbreche ich mir meinen Kopf seltener über die Berliner SPD. Mich bewegt das Wachsen einer europäischen und einer bundesdeutschen LINKEN und die wächst ja auch, nur geht der Prozess nicht immer ganz sorgenfrei.
Da möchte ich eines klar festhalten: Berlin ist kein exterritoriales Oppositionsgebiet, wenn es um die ganze Partei geht. Berlin ist Teil dieser ganzen Partei.
Gerade hier lernen wir, wie der ÖBS, die Sicherung der Daseinsvorsorge und die Gemeinschaftsschule an Durchsetzungskraft gewinnen und welche Anforderungen das ergibt.
Hier lernen wir, was dies im Alltag oft für Zeit braucht, und was es für Hartnäckigkeit bedeutet.
In Berlin verweisen wir nicht nur darauf, was linke Politik anmahnt und schieben gesellschaftliche Debatten mit an wie beim Mindestlohn und dies ist wichtig.
Hier in Berlin haben überdies Wählerinnen und Wähler bei leeren Kassen beschlossen: Zeigt, was ihr könnt!
Und wir haben die Herausforderung angenommen. Ich sage WIR eben weil Berlin Teil der Bundespartei ist. Ihr habt die Herausforderungen konkret zu machen: lernend und wissend was ein Bundesland gestalten kann, ahnend, dass Bürgerinnen und Bürger genau dies nur bedingt interessiert, nicht wissend, dass manch Parteimitglied Konkretes oft gar nicht wissen will. Mein Eindruck wächst bisweilen: Je weiter weg von Berlin, je uninformierter, desto fundierter die Meinung über die Regierungskonstellation in Berlin und die Glaubwürdigkeit linker Politik. Zuerst gilt: Informiert Euch bei den Berlinern, auch jetzt, da die Erbschaftssteuer im Bundesrat beschlossen wurde, informiert Euch wie und warum Berlin dafür gestimmt hat, wie die Debatte im Landesverband und im Senat geführt wurde: statt übereinander zu reden. Ich empfehle allen: Erst informieren, dann diskutiert sich's besser!
Ich will generell darauf aufmerksam machen, dass wir alle gemeinsam auf solidarische Kritik nicht verzichten können. Doch eines ist mir auch wichtig: Manch Glaubwürdigkeitsmesser von einigen Parteimitgliedern stimmt so gar nicht mit den Glaubwürdigkeitsbarometern von Wählerinnen und Wählern überein. Und das sollte uns doch zu denken geben: Unsere Politik muss doch nicht nur in der Partei, sondern auch in der Öffentlichkeit durchgesetzt werden. Aus kritischen 13% Zustimmung für die LINKE in Berlin 2006 geht es jetzt Richtung 20% im Land und dies beim Mitregieren. Das ist bemerkenswert. Glückwunsch!
Es war also richtig mit eigenen Projekten als Berliner Linke erkennbar zu werden. Und ihr habt Euch gegen eine zögerliche SPD durchgesetzt: Es ist endlich zu einem Tarifabschluss gekommen. Ich finde diese Entwicklung ermutigend auch für Thüringen für unseren Wahlmarathon 2009 generell. Linke in Landesregierung, so hoffe ich doch, bleiben keine Insellösung in der Hauptstadt.
Außerdem: Ihr habt Finanzkrisenerfahrung durch den Finanzkrisenproduzenten CDU: Erst in Berlin (Landowsky), dann in Sachsen und nicht zuletzt in Bayern. Inzwischen sehen wir die Finanzkrise weltweit.
Es ist höchste Zeit, Genossinnen und Genossen, dass die kritische Begleitung praktischer Politik aus den letzten ideologischen Gräben kommt und dauerhaft zur informierten Sachlichkeit übergeht.

Kritik in der Sache die ist notwendig und auch helfend doch der Streit, wer der wahre Linke ist, gehört in die Vergangenheit und ist, mit Verlaub, politische Onanie. Solch Gezänk macht uns weder attraktiv, noch zwingt es in irgendeiner Weise zu Lernprozessen, zum Informieren, zum Nachfragen, zum Miteinander statt Übereinander sprechen.
Und das gilt nicht nur für die Berliner Landespolitik! Lasst mich eines noch hinzufügen. Die LINKE insgesamt hat wie es sich für eine junge Partei, mit vielen kulturellen und linken politischen Wurzeln gehört manch Konfliktpotential, und ich weiß, wovon ich rede.
Zu manchem, was wir unbedingt auszudiskutieren haben, gehört Fingerspitzengefühl. Was haben wir gekonnt, wenn Menschen am Ende verletzt sind oder uns gar den Rücken kehren. Mit dem Holzhammer der öffentlichen Rundschreiben bekommt eine wachsende Partei Probleme, nach denen es mich nicht gedrängt hat.
Ich möchte es ganz deutlich sagen: Regionale Personalprobleme gehören weder auf einen Landesparteitag, noch in offene Briefe!
Wir sind angetreten, linke Politik für mehr soziale Gerechtigkeit zu machen. Das ist wirklich das einzige, ich wiederhole das einzige, was Menschen an dieser Partei interessant finden, und zwar auf längere Sicht. Es ist auch das einzige, was uns eine Existenzberechtigung gibt. Die LINKE ist kein Selbstzweck!

Liebe Genossinnen und Genossen, ich hatte es eingangs schon gesagt: in der vergangenen Woche hat die Partei der Europäischen Linken erstmalig eine Wahlplattform für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 beschlossen. Und es gab schon deutlich emotionale Momente, wenn etwa mein Freund Stelios vom SYNASPISMOS in Athen, in Glasgow lebend, sagte, dass er auf eine solche Gemeinsamkeit der Linken 50 Jahre gewartet habe. Wir haben Darin gemeinsame Ziele für eine bessere Politik in Europa festgehalten, uns für mehr Demokratie, eine Europäische Sozialunion, für eine Europa der Abrüstung und der ökologischen Vernunft ausgesprochen. Dieses verbindende Profil linker Politik zu erarbeiten, dass haben 30 Parteien aus 23 Ländern, ob aus Oppositions- oder Regierungsperspektive, geschafft.
Es ermutigt die kleinen Parteien, es zwingt die großen und traditionsreichen zu einer modernen linken Politik und das heißt: Schaut über den Tellerrand. Die Linke im 21. Jahrhundert wird europäisch sein oder sie wird nicht sein!
Und eines ist auch klar wenn auch ein 9seitiges Papier unter Linken schon ein Erfolg ist (Das werden wir bei andern Programmen im nächsten Jahr noch merken. Für neun Seiten haben wir 10 Monate gebraucht, sonst wären es 30 geworden.): Papier ist geduldig, das haben wir auf der Wahlkonferenz auch gesagt. Deshalb haben wir am letzten Wochenende klar gemacht: Diese Wahlplattform ist das Versprechen für den gemeinsamen Wahlkampf, fürs Durchsetzen unseres politischen Profils.

Nun könnte man meinen, mit dem Finanzmarktcrash und den Vorboten einer weltumspannenden Rezession würden linke Ideen wie von selbst Verbreitung finden. Die Geschichte hat uns das Gegenteil gelehrt! Eine instabile Gesellschaft ruft ganz andere Gefahren auf den Plan. Rechtspopulismus und rechtsextreme Demagogen haben Konjunktur auch europaweit. Berliner Genossinnen und Genossen, ihr habt heute morgen im Bündnis mit vielen anderen in Karlshorst ein Zeichen gegen den Aufmarsch von Neonazis gesetzt. Das halte ich für wichtig!
Wir können nicht locker lassen: Der Kampf gegen Rechtsextremismus wird und muss Teil der kommenden Wahlkämpfe sein.
Und die Europäische Linke war am letzten Wochenende mit allen vertretenen Parteien im KZ Sachsenhausen. Damit wollen wir deutlich machen, dass die Europäische Linke ihre antifaschistischen Wurzeln niemals aufgeben wird. Und die Europäische Linke wird im Januar wiederkommen und an der Ehrung für Karl und Rosa teilnehmen. Das sind Traditionen, die es lohnte, sich anzuschauen, auch wenn Vertreterinnen und Vertreter der Medien selten zu solchen Ehrungen in Konzentrationslager verirren.

Genossinnen und Genossen, man spürt es generell: Die aktuelle Finanzmarktkrise, das praktische Ende neoliberaler Mythen ist die Stunde der Politik. Ein koordiniertes europäisches Vorgehen begrüßen auch wir Linken. Doch diese sinnvolle Idee scheint bei der Kanzlerin offenbar auf eine Mauer aus Oropax und der Sehnsucht nach weiteren Exportweltmeistertiteln zu treffen. Richtig, wenn man Opel hilft. Aber es gilt dabei zu verhindern, dass das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für CO2-Killer-Autos verwendet und an den Mutterkonzern General Motors fließt. Eine Schlussfolgerung daraus wäre doch die Aufhebung des Verbots von Kapitalsverkehrskontrollen in der EU. Wenn man dies aufhebt, kann keiner unkontrolliert Kapital transferieren, das anders eingesetzt werden sollte.
Wir Linken müssen im Krisenmanagement einfordern, dass die Spirale der Umverteilung von unten nach oben beendet wird das gilt vor Ort und in Europa.
Solange menschliche Ideen, Chancen und Perspektiven in Militärinterventionen verschleudert und so verhindert werden, ist die herrschende europäische Politik mitverantwortlich für Armut und Unterentwicklung, ist mitverantwortlich für Konflikte zwischen den Völkern.

Diese Politik muss dringend verändert werden. Wir können als Ausgangsfrage durchaus formulieren: Welche Rolle spielt Europa in der Welt? Ist dieser Kontinent der vielen Kulturen, der Wanderungsbewegungen, voller bitterer und auch hoffnungsvoller Geschichte in der Lage, offen, friedlich und sozial zu werden? Da sind wir, Genossinnen und Genossen, wieder mitten in Metropolendebatten und erleben, dass Berliner Politik und Europäische Politik nicht weit voneinander entfernt liegen, wie es vielleicht scheint.

Ich finde dies auch im Antrag des Landesvorstandes »Gute Arbeit! Gute Bildung! Gute Rente! Eine starke LINKE für Berlin.« an Euren Parteitag wieder:
Da ist Landes- und Bundespolitik, Kommunal- und Europapolitik unserer Partei zusammengedacht. Da sind die kommenden Wahlkämpfe auf allen Ebenen mit dem Wachsen der Landespartei verbunden.
Wenn ihr auf dem Parteitag solch einen Fahrplan für 2009 beschließt, für die Politik in Berlin und Europa, für die Wahlkämpfe, in den Ländern, in Europa und im Bund, so weiß ich: Das Ziel, dass die »Partei DIE LINKE mehr repräsentiert als eine dritte kleine Partei« erreichen wir nur gemeinsam.

Wir werden 2009 gemeinsam zeigen, dass die LINKE eine Adresse für eine wirksame Politik gegen Umverteilung von unten nach oben, gegen Billiglohn und für gesetzlichen Mindestlohn, gegen die Rente ab 67, für gute Bildung und ein bezahlbares Gesundheitswesen, für die Beendigung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist.
Beteiligt Euch mit Euren politischen Erfahrungen aktiv an der Ausarbeitung unserer Wahlprogramme! Ich weiß, ihr seid in Wahlkämpfen verlässliche Partner, ihr seid verlässliche Partner, wenn es um die Unterstützung von Landesverbänden im Westen geht, wenn Bundes- und Europapolitik zur Abstimmung stehen.
Ich setze auf positive Signale von Eurem Landesparteitag, auf Eure politischen Erfahrungen! Ich weiß, dass Klaus Lederer mit einem guten Team wertvolle Arbeit geleistet hat, dass ROT-ROT II wie ihr es formuliert habt- inzwischen »eine richtigrote Handschrift trägt.« Und ich weiß, dass daran auch manch harte Wochen, schwierige Entscheidungen, dass daran heftige Auseinandersetzungen hängen.

Wir haben neue Kommunikationsformen zwischen dem Berliner Landesverband und dem Parteivorstand eingeführt, haben die Informationswege zwischen der Berliner Regierungspolitik und unserer Bundestagsfraktion verkürzt. Erst kürzlich waren der Landesverband und die Berliner Senatorinnen und der Senator mit dem Parteivorstand in der Debatte.
Auf all dem können wir aufbauen, wenn 2010 möglicherweise mehr LINKE in Regierung ackern und die Mühen der Ebene auch in der Mitte und im Westen der Bundesrepublik begonnen haben, wie wir doch alle hoffen.
Doch ich möchte den Berliner Landesverband als Ganzen nicht auf die Beschäftigung mit Rot-Rot in Berlin reduzieren. Wir brauchen genauso Eure guten Beiträge zu Programm- und Geschichtsdebatten, zum Konsolidierungsprozess der LINKEN bundesweit, zur Verankerung der Partei in der außerparlamentarischen Arbeit.

Wie heißt es so schön: Ab morgen gilt Raus aus den Parteitagssesseln und Rein in die Wahlkämpfe. Und ich denke wir stimmen darin überein: Hessen hat eine zweite linke Fraktion verdient! Die Bundesrepublik hat eine starke LINKE verdient! Das Europäische Parlament hat eine gemeinsame starke linke Fraktion verdient!
Und bei alle dem werden die Bürgerinnen und Bürger Berlins Euch nicht aus der Verantwortung entlassen.
In diesem Sinne wünsche ich Eurem Parteitag eine guten Erfolg.“

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Deutschland wird Hauptleidtragender der Krise

Ein Tsunami rollt heran – und in Berlin spielt man „business as usual“

Von Karl Weiss

In einem Artikel des Berichterstatters vom 1.Dezember 2006 titelte er “Die Wirtschaftskrise in Deutschland wird fürchterlich“. Er ist heute unter den 25 meist gelesensten im Blog ‚Karl Weiss – Journalismus‘. Es wurde dargelegt, die Bundesregierung fährt die Binnenachfrage mit allen Mitteln nach unten und vertraut allein auf den Export. Doch der wird schwere Einbrüche erleben, wenn der Dollar erst einmal ins Bodenlose fällt. Das war also für jemanden mit etwas Sachverstand bereits vor zwei Jahren vorhersehbar. Trotzdem blieb die Bundesregierung stur, hielt verbissen an ihrem Kurs fest mit Mehrwertsteuererhöhung exakt zum schlechtest möglichen Zeitpunkt und weiterer Niedrig-Lohnpolitik.

Bundestag - Reichstag

Jetzt, exakt zwei Jahre später, schreibt ein Fachmann, J. Jahnke, der ehemalige Vize-Präsident der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ in London iun seinem "Informationsportal Globalisierung" : „... macht Deutschland nun haargenau zum Hauptleidtragenden einer globalen Währungskrise. Sieht denn niemand in Berlin die Lawine heran rollen?“

Weiter erklärt er: „Die Deutschen gehen auf die Sparbremse und würgen die Binnenkonjunktur weiter ab, während gleichzeitig die Exporte einbrechen. Das ist auch Folge der jahrelangen realen Auszehrung der Arbeitseinkommen und Sozialleistungen und des öffentlich geförderten Aufwuchses von Niedrigstlohnjobs ohne flächendeckenden Mindestlohn. Deutschland wird deshalb tiefer in die Krise stürzen als die meisten anderen Länder.“

Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen
Hier die entlarvende Statistik über die Vorgeschichte der Krise in Deutschland: Die Nettolöhne je Arbeitnehmer (und der Konsum) bleiben vom 4. Quartal 2000 bis zum 4.Quartal 2004 praktisch unverändert, während die Produktiviät seit etwa dem 2.Quartal 2002 beständig steigt und die Unternehmens- und Vermögensgewinne zuerst zusammen mit der Produktivität, dann ab dem 3. Quartal 2003 explosionsartig ansteigen. Die Nettolöhne je Arbeitnehmer beginnen haargenau ab dem 1. Quartal 2005 mit ihrer Talfahrt, das war der Zeitpunkt der Einführung von Hartz IV.


Nein, die Berliner Politiker klammern sich verzweifelt an ihre neo-liberalen Wahrheiten, auch wenn ihnen wahrscheinlich schon dämmert, genau diese sind dafür verantwortlich, dass Deutschland stärker von der Krise betroffen ist als andere Länder.

Sie waren es, die die großen Unternehmen praktisch steuerfrei stellten und dafür den arbeitenden Menschen das Annehmen jedes noch so niedrig bezahlten Jobs auferlegten. Sie gaben die Leiharbeit frei, die generell als Lohndumping daherkommt, sie erlaubten die Ausbeutung von „Praktikanten“ ohne Bezahlung. Sie beschlossen die Ein-Euro-Jobs, aber dafür keinen Mindestlohn, wie er in fast allen zivilisierten Staaten besteht. Sie predigten den Lohnverzicht und versprachen dafür massenhaft Arbeitsplätze, auf die man noch heute wartet.

Ja, der Realitätsverlust der Politiker von den Desaster-Parteien CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP geht so weit, dass sie schlicht und einfach negieren, die Bundesrepublik sei schwerer betroffen als andere. Dabei bräuchte man sich bloß einmal die Kurve des Einzelhandelsumsatzes in der Bundesrepublik (preisbereinigt) anzusehen. Die letzten Zahlen vom Oktober zeigen, in jenem Monat wurde bereits die Linie des Einzelhandelsumsatzes des Jahres 2000 unterschritten. Das sind die typischen Anzeichen, wenn es steil abwärts geht. Die Zahlen von vielen Jahren vorher (in diesem Fall 8 Jahre) werden unterschritten.

Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 - 2008 mit Trendlinie
Einzelhandelsumsatz in Deutschland 2006 bis 2008 mit Trendlinie
Auch der Einzelhandelsumsatz in Deutschland spiegelt die verschlechterten Lebensbedingngen des durchschnittlichen Deutschen in der letzten Zeit wieder. Mit Schwankungen sinkt er unaufhaltsam seit 2006 und kommt jetzt bei den 100 von Jahr 2000 an. Wer soll all die produzierten Güter kaufen, wenn die Leute schon am Nötigsten sparen müssen?

Sie könnten, wenn sie dieser Zahl nicht glauben, sich auch einmal die des Auftragseingangs der Industrie ansehen. Die von August und September 2008 lagen in Deutschland bereits bei minus 9,6%, während andere große EU-Länder weit geringere Rückgänge aufwiesen oder sogar noch einen geringen Anstieg: Italien -3,6%, Spanien – 0,4%, Frankreich +0,7% und der Durchschnitt der 15 Kern-EU-Länder –3,9%.

Nun liegen auch die Oktober-Zahlen für Deutschland über den Auftragseingang der Industrie vor, veröffentlicht am 5. Dezember. Sie sind ein Desaster. Jahnke schreibt: „Die deutschen Industrieaufträge sind im Oktober 2008 tiefer eingebrochen als jemals seit der Wiedervereinigung. Seit dem Gipfel im Juni letzten Jahres vor Ausbruch der Krise verloren die Aufträge saisonbereinigt bereits 20 %, davon aus dem Ausland sogar 26 % und aus dem Inland mehr als 11 % (...). Das ergibt im Vorjahresvergleich einen Rückgang von 17 %. Der Auftragsrückgang aus dem Aus- und Inland, entspricht, wenn er anhalten und voll auf die Industrieproduktion durchschlagen sollte, einem Betrag von über 269 Mrd. Euro oder mehr als 10 % des deutschen Bruttoinlandsprodukts.“

Deutschland: Auftragseingang der Industrie 2006 bis 10.08

Warum, wenn der Export einbricht, in Deutschland kein Halten mehr ist, liegt für jeden, der nicht Politiker der Desaster-Parteien ist, auf der Hand: Die Entwicklung der Löhne, der Renten, der Arbeitslosenunterstützung ist preisbereinigt auf steilem Abwärtsweg und damit haben die Deutschen kein Geld dafür, die produzierten Güter zu kaufen! So einfach ist das.

Bürgerliche Ökonomen erfanden nun dafür das absurde Wort vom „Käufer-Streik“. Das ist so ähnlich, wie Kaiserin Marie Antoinette kurz vor der französischen Revolution, die verwundert fragte, wenn das Volk kein Brot zum Essen habe, warum es dann keinen Kuchen äße. Ein hochbezahlter bürgerlicher Ökonom ist so weit vom Volk entfernt, dass er sich einfach nicht vorstellen kann, die Leute hätten kein Geld zum Kaufen. Also erfindet er die These vom „Käufer-Streik“. Das ist für ihn die einzige Erklärung, warum der Einzelhandelsumsatz Monat für Monat in den Keller rauscht, im Moment mit der Geschwindigkeit von etwa 16% pro Jahr, aber das wird dabei nicht stehen bleiben.

Woher nimmt nun Ex-Bankdirektor Jahnke seine Vorhersage der auf Deutschland zu rollenden Lawine? Nun, er sieht klar voraus: Vor allem die USA und Großbritannien geben riesige Mengen Geld zur Verringerung der Auswirkung der Krise aus und das wird ohne Zweifel auf die Dauer zu einer deutlichen Abwertung ihrer Währungen führen, damit werden die Exporte in diese Länder und die Räume, die diese Währungen nutzen, unwiderruflich auf Restmengen zusammenschnurzeln. Aber Deutschland hat bisher nichts zur Verbesserung der Massenkaufkraft getan und auch nichts angekündigt. Die Desaster-Parteien haben sich in ihre überholten Theorien verkrallt und können nicht davon lassen.

Man sehe sich nur den Vergleich der Statistik des Arbeitnehmerentgelts in Kaufkrafteinheiten an: Nimmt man das Jahr 2000 in Hundert, so stieg dieser Index in Irland bis 2007 um 76%, in der Schweiz um 35%, in den USA um 30%, in der ‚EU der 15‘ im Schnitt um 27%, in Japan um 21% und als niedrigstem Index von allen Ländern in Deutschland um 9%. Das sind wohl gemerkt nur jene, die Arbeit haben! Wenn zusätzlich die Arbeitslosigkeit auf etwa 8 Millionen stieg (wirkliche Zahl, nicht die geschönte der Bundesregierung), woher soll das Volk Geld haben, die Güter zu kaufen?

Welt: Vergleich - Arbeitnehmerentgelt in Kaufkrafteinheiten

Und das war die Entwicklung bis 2007. Jetzt in der Krise wird das alles noch einmal schlechter. Die von den Desaster-Partei-Politikern geäußerte Hoffnung, 2010 werde es schon wieder aufwärtsgehen, ist angesichts der Tatsachen absurd. 2010 wird noch nicht einmal der Abwärts-Rutsch beendet sein, zumal man ja nicht das geringste tut, um in Zukunft statt der völligen Exportabhängigkeit einen gesunden Inlandskonsum zu schaffen, der als Basis der Wirtschaft dienen kann. Länder, die sich nun über alle Massen hinaus verschulden, um die Krise zu verringern, wie die USA und England, werden mit Sicherheit zu verhindern wissen, dass Teile dieser Gelder nach Deutschland abfließen. Die Hoffnung, der Export würde schon bald wieder anziehen, ist also nichts als Ahnungslosigkeit.

„Sieht denn niemand in Berlin die Lawine heran rollen?“


Veröffentlicht am 10. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Dienstag, 9. Dezember 2008

Vorhersage des Dollar-Crash

Der FTD wird schlecht

Von Karl Weiss

Warum es der Financial Times Deutschland (FTD) schlecht wird? Sie schreibt in einem Leitartikel folgendes: „Die Anleger scheinen also tatsächlich zu glauben, dass der Fed die gewünschte Weginflationierung der Schulden misslingt. Und dass die wertlosen neuen Dollar die US-Währung nicht kollabieren lassen werden. Wenn man bedenkt, dass die Nettoersparnis der US-Gesamtwirtschaft schon im dritten Quartal, also noch bevor die Fiskalpolitik richtig losgelegt hat, auf einen annualisierten Wert von minus 249 Mrd. $ gefallen ist, wird einem da schlecht.“ Vielleicht haben Sie nicht verstanden, was hier steht, darum sei es versucht zu erklären:

Fangen wir von vorne an, bei Ben Bernanke, dem Chef der Fed. Er hat ausführlich die japanische Periode der Deflation studiert und darüber eine Untersuchung veröffentlicht. Er gibt darin an, dass es doch ein Mittel gegen die Deflation gibt, die an dem Märkten noch mehr gefürchtet wird als eine Rezession. Das Mittel heißt: Geld drucken, also schlicht und einfach riesige neue Geldmengen auf den Markt werfen und damit gezielt eine Inflation hervorrufen.

USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

Die würde dann aber im Fall des Dollars nach einer gewissen Zeit in eine Hyperinflation übergehen, was dann alle Besitzer von Dollar und Dollarbonds auf der Welt dazu veranlassen wird, in einer Rallye Dollars und Dollarbonds zu verkaufen, was dann binnen Stunden oder Tagen zu einem Wert des Dollars von ein paar Rappen vom Schweizer Franken herunterbringen wird. Mit anderen Worten: Die Pleite der USA.

Dollar Gasp

Und genau diese Voraussetzungen, so gibt die FTD an, seien nun eingetreten. Die Fed wird die Leitzinsen weiter senken, voraussichtlich auf 0,5% (was es seit Jahrzehnten nicht gab). Trotzdem wird damit die Kreditwirtschaft nicht in Schwung gebracht, die eigentlich bei solchen Zinsen Kredite geben müsste auf Teufel komm raus. Damit ist die akute Deflationsgefahr gegeben, d.h. massive Preiseinbrüche auf breiter Front. Dies aber kann die Fed der USA nicht zulassen, denn die Schulden der USA und die bereits eingegangenen Verpflichtungen überschreiten schon heute alles, was selbst eine so große Volkswirtschaft je begleichen könnte. Die Deflation würde diese Schulden noch einmal deutlich erhöhen.

Hohe Ersparnisse in den USA könnten da zwar ein Gegengewicht bilden, aber die FTD stellt dazu ja fest: Die Netto-Ersparnisse der USA sind bereits im dritten Quartal auf minus 249 Mrd. Dollar gesunken – und das war im wesentlichen noch vor der Krise. Und das angesichts des 700-Mrd.-Dollar-Pakets für die Banken , weiterer 2 700 Milliarden zum Stützen von Geldmarktfonds usw. (Gesamt-Verbindlichkeiten der Fed und der Regierung - jetzt bereits - nach Bloomberg: 8 500 Mrd Dollar).

Wirft man aber mit dem Hubschrauber Geld auf die Wirtschaft ab (das ist natürlich nur ein Bild), dann kann man künstlich eine Inflation anheizen, die dann im Verlauf alle Schulden auffrisst. Wegen dieses Bildes mit dem Helikopter wird Bernanke in einschlägigen Kreisen Helikopter-Ben genannt.

Immobilienkrise USA

Was mit dem Bild vom ´Mit-dem-Hubschrauber-abwerfen-von-Geld´ gemeint ist, drückt die FTD so aus: „Aber die Chancen stehen gut, dass Ben Bernanke den Hubschrauber diesmal tatsächlich losschickt - dem Staat frisches Zentralbankgeld an die Hand gibt, damit dieser damit Straßen baut, Abwasserkanäle saniert, Lehrer einstellt oder Forschungsprojekte auflegt.“

Nur: Die FTD konstatiert, die Anleger, also jene, die nun ihr Geld irgendwo in sicheren Häfen unterzubringen versuchen, glauben nicht an dies Szenario. Sie halten weiterhin, so wie es seit 1945 war, die USA für den sichersten Hafen - und den Dollar und die Dollarbonds. Die FTD erklärt sie für fast verrückt, weil sie heute von der Fed zehnjährige Dollar-Bonds zu 2,7% Zinsen kaufen.

Mit anderen Worten: Die Anleger, also alle, die noch Haufen von Geld haben, sind in heller Panik. Sie versuchen ihr Geld gegen weitere Verluste zu sichern – wie auch immer. Dabei nehmen sie Zinsen in Kauf, die fast gleich Null sind – und sie glauben, die USA würden nie pleite gehen. Die FTD drückt aber indirekt aus, genau das, die Pleite der USA, wird bewusst herbeigeführt werden.

Northern Rock Pleite

Neben den Anlegern, die ihren Augen nicht glauben wollen, wären dann die Staaten die Hauptverlierer, die heute einen großen Teil ihrer Reserven in Dollars bzw. Dollar-Bonds angelegt haben, das ist vor allem China, das praktisch den gesamten Staatsschatz in Dollar hat, die dann so gut wie nichts mehr Wert sein werden. Daneben aber auch Japan, das ebenfalls große Teile der Währung auf Dollar bzw. Dollar-Bonds gestützt hat, dazu auch Süd-Korea und nicht zu vergessen Großbritannien und – das durfte ja nicht fehlen – die Bundesrepublik Deutschland. Alle diese Länder müssten eigentlich jetzt heimlich beginnen, ihre Dollar-Abhängigkeit zu verringern und Dollars und Dollar-Bonds gegen andere Währungen bzw. Staatsanleihen zu wechseln, aber man kann die Voraussage wagen, sie werden es nicht tun – oder jedenfalls nur in geringem Masse. Genauso wie sie vom Ausbruch der Krise überrascht wurden, genauso werden sie vom Dollar-Crash überrascht werden.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Nun so sei es denn: Ich, Karl Weiss, der die Krise vorausgesagt hatte, warne hiermit heute, am 9.Dezember 2008: Der Dollar wird crashen.

Es gibt bereits jetzt keine Möglichkeit mehr, die Verpflichtungen alle zu bedienen und es wird ohne jeden vernünftigen Zweifel zum „Hubschrauber-Einsatz“ kommen, also zum massiven Gelddrucken der Fed. Dies wird spätestens auf mittlere Frist den Dollar zum Absturz bringen.

Es gibt auch die Möglichkeit, diesen Crash durch eine neue internationale Währungsordnung von Typ „Bretton Woods“ zu verhindern, aber diese Wahrscheinlichkeit ist extrem gering, denn da müsste die USA Zugeständnisse machen, die praktisch auszuschließen sind oder die Anderen müssten an die USA Zugeständnisse machen, die nur völlig Verrückte machen würden.

Wer viel Geld verdienen will (und die Möglichkeiten dazu hat), sollte Put-Options gegen den Dollar erwerben – am besten für einen Zeitpunkt deutlich in der Zukunft, denn es wird voraussichtlich dauern, bis das platzt (die Immobilienblase platzt seit drei Jahren und ist immer noch nicht fertig damit).

Vor allem aber, liebe kleine und mittlere Anleger (das sind die, welche bis zu 10 Millionen Euro anzulegen haben), gehen Sie aus dem Dollar und US-Staatsanleihen heraus, damit Sie nicht noch mehr verlieren.


Veröffentlicht am 9. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Karl Weiss - Journalismus

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