Sonntag, 1. Februar 2009

Die SPD tritt ins Stadium der Hoffnungslosigkeit

„national“ und „sozial“

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Die letzten Äusserungen Münteferings zeigen so recht den aktuellen Zustand der SPD. Man verliert Mitglieder zu Hauf, man geht offenen Auges und bewusst auf die 20% der abgegebenen Stimmen zu und wird sie wohl bald bei einer Gelegenheit unterschreiten. Die tatsächliche Anerkennung bei den Bundesbürgern, wenn man alle Wahlberechtigten einbezieht, liegt bei unter 15% (siehe Landtagswahlergebnis im SPD-Land Hessen) und die Tendenz ist schwindend.

Da geht ein bestimmter Körperteil auf Grundeis. Es sind nicht nur schwerste Bedenken über die mögliche Zukunft der SPD angesagt, es wurde nicht nur die Phase des Entsetzens erreicht, man taucht bereits in die Hoffnungslosigkeit ein. Da fliesst einem dann schon mal der Mund über und man stellt eine konkurrierende Partei in die Nähe der Faschisten.

Der SPD-Vorsitzende Müntefering bezeichnete die Politik der Linken als „national“ und „sozial“. Das will eine bestimmte Assoziation hervorrufen und tut es. Wer jemand in Deutschland mit der Hitlerpartei vergleicht, muss er entweder wirklich gute Gründe haben oder er ist ein Demagoge der übelsten Sorte.

Nun, urteilen Sie selbst: Als Begründung führte er an, die Linke sei „ablehnend Europa gegenüber und stellt alle Bundeswehrsoldaten, die wir in die Welt entsenden, als aggressive Krieger dar.“

Hmm, Hmm, das kann nun jeder nachprüfen. Tatsächlich äusserte sich die Linke mehrfach gegen die jetzige neoliberale und aggressive Politik der EU. Was daran Ablehnung gegen Europa ist, weiss nur Müntefering – und Gott natürlich. Tatsächlich hat die Linke die Auslandseinsätze von deutschen Truppen, wie zum Beispiel gegen Afghanistan, kritisiert. Nur, das bezog sich niemals auf eine Einschätzung der Soldaten, sondern immer auf eine der Bundesregierung.

Das war auch Bushs Methode: Wer seinen Krieg im Irak kritisierte, sprach schlecht von den Soldaten. Man stelle sich vor, wie weit Müntefehring schon gesunken ist, um nun Anleihen bei Bush zu machen.

Bleibt nur noch Mitleid. Mitleid? Nein, mit diesem Pack nicht einmal mehr Mitleid!

Freitag, 30. Januar 2009

Mordanschlag auf Polizeidirektor: Staatsschutz gab Alibi

Extrem verdächtiges Alibi für die mutmaßlichen Täter

Von Karl Weiss

Der Fall Mannichl, der Mordanschlag auf den Polizeidirektor von Passau, wurde immer dubioser. Obwohl das Opfer, das nur überlebte, weil der Messerstich um einige Zentimeter das Herz verfehlte, von Anfang an gesagt habe, die Täter hätten rechtsextreme Parolen gerufen, wurde eine Kampagne losgetreten, die versuchte, das Opfer zum Täter zu machen. Jetzt weiss man auch, was diese Zweifel ausgelöst hat: Das extrem tatverdächtige NPD-Pärchen bekam von „Staatsschützern“ ein Alibi geliefert und wurde daraufhin freigelassen.

Jeder, der schon einmal auf einer Demonstration gegen eine NPD-Kundgebung oder eine andere faschistische Manifestation war, kann es bestätigen: Die Herrschaften von der extremen Rechten und die Polizei (oder große Teile der Polizei) agieren in verdächtiger Harmonie: Der Feind steht immer links. Linke oder bürgerliche Gegendemonstranten sind Ziele nicht nur der Faschisten, sondern z. T. auch der Polizei. Nur wenn es sich gar nicht mehr umgehen lässt, werden auch einmal Faschisten festgenommen, in der Regel immer nur, wer gegen den Faschismus ist.

So skandieren NPD-Faschisten bei solchen Gelegenheiten in letzter Zeit immer wieder die Parole: „Gegen Demokraten helfen nur Granaten!“, was nach deutschen Recht zur sofortigen Auflösung der rechtsextremen Versammlung führen müsste. Bis heute ist so gut wie keine solche Versammlung aufgelöst worden. Im Extremfall gibt es Zeugen, dass der Frankfurter Polizeipräsident in unmittelbarer Nähe stand und unmöglich diese Parole überhört haben konnte. Und? Nichts! Fragt man in einem solchen Fall den Einsatzleiter, warum er die Versammlung angesichts solcher Parolen nicht auflöst, grinst der nur, er habe nichts gehört. Um dann hinzuzusetzen „Aber Sie können ja vor das Bundesverfassungsgericht ziehen!“, und dann zusammen mit den umstehenden Polizisten in lautes Gelächter auszubrechen.

Ob das Verfassungsgericht weiss, dass es schon zur Lachplatte deutscher Polizisten geworden ist?

Doch es sind nicht nur Teile der Polizei, die in auffallender Weise auf der Seite von Faschisten und anderen Rechtsextremisten stehen – bis hinauf zu hohen Funktionären – sondern auch der Staatsschutz, d.h. Politische Polizei, BKA und Verfassungsschutz, die keinerlei Abstand zur faschistisch-rechtsextremistischen Szene wahren – um es vorsichtig auszudrücken.

Das ging so weit, dass beim Verbotsprozess gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht der Antrag auf Verbot abgelehnt wurde, weil einfach nicht mehr auseinanderzuhalten war, welche Aussagen und Taten von NPD-Mitgliedern und welche von „Staatsschützern“ stammten. Zwar behauptet die Regierung, diese „Unterwanderung“ diene der besseren Überwachung, aber zum Überwachen ist es nicht nötig, dass ein wesentlicher Teil der Mitgliedschaft aus gut bezahlten Bundesbeamten besteht und vor allem ein ausschlaggebender Teil der Funktionäre. Tatsache ist, die NPD würde zur Bedeutungslosigkeit absinken, wenn sie nicht von Staatsschützern „aufgemöbelt“ würde. Was die wirkliche Ursache für dieses „tragen“ faschistischer Organisationen ist, kann man nur ahnen.

Im Gegensatz dazu war der Polizeidirektor von Passau, Mannichl, ein bekannter Gegner der NPD, der nicht nur bereits faschistische Aufmärsche aufgelöst hatte, sondern auch in der Öffentlichkeit für ein NPD-Verbot eingetreten war. Damit hatte er sich anscheinend nicht nur Feinde bei der NPD, sondern auch bei jenen Teilen der Polizei und bei Staatsschützern gemacht.

Als nun das Attentat auf den Polizeidirektor geschah und alles auf jenes NPD-Paar als Täter hindeutete, das bereits Drohungen gegen Mannichl ausgestoßen hatte, kam wie aus heiterem Himmel die Aussage, „Staatsschützer“ hätten das Paar zur Tatzeit an anderem Ort gesehen. Das hätte angesichts der „Nähe“ von Staatsschutz und NPD bereits damals als verdächtig angesehen werden müssen. Doch das Paar wurde freigelassen und andere Personen aus der rechtsextremen Szene konnten nicht als Täter identifiziert werden.

Da begann eine Kampagne, z.T. von Presseorganen und Internet-Seiten, zum Teil von „Sprechern der Polizei“ und aus „polizeinahen Quellen“, die versuchten, das Attentat dem Opfer selbst in die Schuhe zu schieben. Es wurde gemutmaßt, der Polizeidirektor habe sich den Stich wohl selbst beigebracht oder es habe sich um eine Familienstreitigkeit gehandelt. Man benutzte dazu die Tatsache, dass die Tatwaffe aus Mannichls Haushalt stammt und deutete an, Mannichl habe den Anschlag auf rechtsextreme Täter abschieben wollen, um Familienmitglieder zu schützen.

Die Kampagne weitete sich aus, Bild, Welt und alles andere, was rechts Rang und Namen hat, begannen Gerüchtewesen zu betreiben. Da konnten natürlich Broder und das Blogunwesen um ihn herum nicht zurückstehen. Wenn es um die Verteidigung der NPD geht, sind jene schnell bei der Hand.

Das ging so weit, dass die bayerische Staatsregierung, selbst weit rechts stehend und daher solchen Gerüchten zugeneigt, die Sonderkommission zur Aufklärung des Falles auflöste und eine neue einsetzte, die „in alle Richtungen“ ermitteln sollte. Bis heute hat auch diese Kommission keinen Täter ausmachen können.

Erst nach all diesen Umtrieben kam heraus: Die Alibis für die beiden Hauptverdächtigen kamen aus „Staatsschutzkreisen“ und sind damit selbst verdächtig.


Veröffentlicht am 30. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 29. Januar 2009

Das Verfassungsgericht und Hartz IV

Unrechtsstaat Bundesrepublik

Von Karl Weiss

Zwei Nachrichten haben in den letzten Tagen die Diskussion um Hartz IV erneut angeheizt, die im Grunde nie abgerissen war. Die erste war vom Hessischen Landessozialgericht: Man erklärte, nach Ansicht dieses Gerichts sei der Hartz-IV-Regelsatz (351,- Euro) verfassungswidrig, weil er in nicht nachvollziehbarer Weise Abschläge ohne Begründung enthält. Man verwies deshalb ein Verfahren an das Bundesverfassungsgericht (BVG). Gleich am darauffolgenden Tag kam eine ähnliche Nachricht, diesmal vom Bundessozialgericht, der höchsten Instanz im Sozialrecht, das bisher dadurch aufgefallen war, alle Vorgaben der Politik abzusegnen: Der verminderte Satz für Kinder, so das Bundessozialgericht, sei verfassungswidrig, denn er sei nicht begründet. Auch dies Gericht verwies Verfahren ans BVG, das nun nicht mehr darum herumkommt, sich dazu zu stellen.

Sozialprotest DGB

Bereits seit Einführung von Hartz IV im Januar 2005 gab es vielfache Anstrengungen, das BVG zu einer Stellungnahme zu dieser größten Enteignungs-Gesetzgebung der Geschichte der Bundesrepublik zu bewegen. Unter Vorgabe juristischer Spitzfindigkeiten hat es sich aber bis heute geweigert, eine Grundsatzentscheidung zu den wesentlichen Inhalten von Hartz IV zu fällen. Erst jetzt, fast genau 4 Jahre später, wird zumindest zur Höhe des Regelsatzes und des Satzes für Kinder eine Entscheidung gefällt werden müssen.

Dabei ist die Höhe des Satzes tatsächlich eine der großen Unmenschlichkeiten bei Hartz IV, aber noch nicht einmal die größte. Die entsetzlichen Auswirkungen von Hartz IV auf die gesamte Gesellschaft wurden vor allem durch die Vorschriften hervorgerufen, dass Arbeitslose in Hartz IV jegliche Arbeit zu jeglicher Bezahlung annehmen müssen und dass gleichzeitig die Zeitarbeit geöffnet wurde und kein Mindestlohn festgelegt wurde. Dazu wurden die Ein-Euro-Jobs geschaffen, die reguläre Arbeitsplätze ersetzt haben und so die Arbeitslosigkeit insgesamt in die Höhe getrieben haben. So wurden all die Niedriglohn-Bereiche geschaffen und das gesamte Lohnniveau in Deutschland in den Keller getrieben.

Hartz-Protest 02

Rechtlich gesehen ist das Hauptproblem von Hartz IV aber die Enteignung. Alle diese Arbeitslosen haben (zum Teil viele Jahre) in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt und haben daher Anspruch auf die mit dieser Zahlung verbundenen Versicherungsleistungen. Genau gesagt, hängt die Auszahlung einer Versicherungsleistung gar nicht von der Zahl der Jahre ab, die eingezahlt wurde, das ist ja gerade das Prinzip einer Versicherung. Allerdings kann es Mindestjahre geben, das sind in Deutschland drei jahre und die Leistung kann nach der Höhe der Einzahlung gestaffelt sein. Auch das war in Deutschland der Fall. Man bezahlte einen Prozentsatz des Brutto-Einkommens bis zu einem Höchstbetrag und hatte dann Anspruch auf Arbeitslosengeld in Prozent der letzten Einkommen (bzw. des Höchstbetrages) und nach 2 bzw. drei Jahren auf Arbeitslosenhilfe, deutlich weniger, aber ebenfalls abgestuft nach Einkommen und Einzahlungshöhe.

Nun kann ein Versicherungsunternehmen (und damit muss hier verglichen werden) natürlich sagen: Ab sofort kann ich aus diesen und jenen Gründen diese Art von Versicherung nicht aufrecht erhalten – ich biete ab sofort nur noch eine deutlich verminderte Leistung an. Das betrifft natürlich nicht die Altfälle, denn die haben ja ihre Ansprüche erworben. Es kann nur auf neu Eintretende angewandt werden.

Ebenso wird ein Versicherungsunternehmen, wenn es in finanziellen Schwierigkeiten steckt, eine Anpassung der Leistungen nach unten durchführen können, wobei da allerdings sicherlich enge Grenzen gesetzt sind, denn die Leistungen, für die eingezahlt wurde, können nicht willkürlich vermindert und/oder gestrichen werden.

Weg mit Hartz IV

Jedes Versicherungsunternehmen, das eine vergleichbare Verminderung der Leistungen ihren Versicherungsnehmern zugemutet hätte, wäre ohne Zweifel zur Fortführung der alten Regelung verurteilt worden. Selbst wenn es beklagt hätte, neue Umstände würden es unmöglich machen mit den alten Bedingungen weiterzuarbeiten, wären mit Sicherheit nur geringe „Anpassungen“ erlaubt worden. Auch hätten die „neuen Umstände“ eindeutig klargelegt werden müssen.

Nun argumentiert die Politikerkaste, es habe sich ja nur beim Arbeitslosengeld, nicht aber bei der Arbeitslosenhilfe um eine Versicherungsleistung gehandelt. Eine „ Anpassung“ bei der Arbeitslosenhilfe stehe im freiem Ermessen der Politik.

Das kann so nicht hingenommen werden:

1. Erstreckt sich dieses Argument nicht auf das völlig willkürliche Zusammenstreichen des Arbeitslosengeldes von zwei bzw. drei Jahren auf 1 Jahr, das sogar Hartz selbst als „Betrug“ charakterisierte.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

2. Das Versprechen der Leistung, das mit der Zahlung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verbunden war, erstreckte sich immer auch auf die Arbeitslosenhilfe, nicht nur auf das Arbeitslosengeld. Wenn die Politik entschieden hatte, diese Mittel aus Steuergeldern aufzubringen und nicht aus den Beiträgen, war das kein Freibrief für beliebige Streichungen.

3. Dass die Mittel aus den Beiträgen nicht mehr für die Bezahlung aus der Arbeitslosenhilfe ausreichte, war hauptsächlich auf sachfremde Nutzung dieser Mittel zurückzuführen. Es wurden Frühpensionierungs-Aktionen, Altersteilzeit und ähnliche Schemata massiv durch Versicherungsmittel finanziert, obwohl die ausschließlichen Nutznießer davon nicht die Versicherten, sondern die Unternehmen waren, die jene Leistungen eigentlich hätten aufbringen müssen, um sich „geräuschlos“ von ihren älteren Arbeitnehmern trennen zu können.

Natürlich ist eine staatliche Pflichtabgabe nicht identisch mit einem Vertrag mit einem privaten Versicherer, aber nicht umsonst heißt die Abgabe „Arbeitslosenversicherung“. Sie muss zumindest im Prinzip ähnlich wie eine Versicherung funktionieren. Damit ist völlig unvereinbar, zuerst die Beiträge zu kassieren und dann die geschuldeten Leistungen willkürlich und extrem zusammenzustreichen.

Natürlich wäre angesichts der stark steigenden Arbeitslosenzahlen gewisse Anpassungen in den Leistungen möglich gewesen, aber nicht ein Zusammenstreichen auf einen fast verschwindenden Rest. Das war Enteignung!

Es gibt aber noch einen anderen Teil der Enteignung, die Hartz IV von Anfang an dargestellt hat: Die Leistung, nun Arbeitslosengeld 2 (ALG2) genannt, wird nur gezahlt, wenn man alle Ersparnisse bis auf einen winzigen Rest aufgebraucht hat. Das ist mit dem Prinzip einer Versicherungsleistung unvereinbar. Und es bleibt eben eine Versicherungsleistung, auch wenn die Politiker entschieden haben, diesen Teil aus Steuergeldern zu bezahlen.

Was die Menschen sich erspart haben, kann nicht als „Vermögen“ bewertet werden, das zunächst aufgebraucht werden muss. Man hat ja eben gerade Ersparnis für den Fall von Arbeitslosigkeit und/oder Alter, wenn man mit den staatlichen Leistungen aus den Versicherungen sehr knapp dran sein wird.

Wenn sich die Versicherung weigert zu zahlen, weil noch „Vermögen“ vorhanden ist, ist das völlig unakzeptabel.

Das wäre der Fall, wenn es sich einfach um völlig unbegründete Almosen handeln würde, die man nur Bedürftigen auszahlen will. Nur ist das eben nicht der Fall, denn das deutsche System beruht eben gerade darauf, dass man niemand in die Situation kommen lassen will, wo er auf Almosen angewiesen ist. Zu diesem Zweck zahlt eben jener Arbeitnehmer seine Versicherungsbeiträge: Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung. Diese Beiträge sind ja nicht freiwillig, sondern Pflichtbeiträge. Nur schaffen sie eben auf der anderen Seite auch die Pflicht, die versprochenen Leistungen (jedenfalls im wesentlichen) dann auch zu gewähren, wenn der Versicherungsfall eintritt.

Wären die Leistungen freiwillig und jemand hätte nicht eingezahlt, so könnte man eventuell rechtfertigen, dass Ersparnisse aufgebraucht werden sollen, aber als Beitragszahler einer Pflichtleistung ist das unvereinbar. Und die versprochene Leistung der Pflichtversicherung „Arbeitslosenversicherung“ war eben nie auf das Arbeitslosengeld am Anfang beschränkt, sondern enthielt immer auch die anschließende Arbeitslosenhilfe.

Der zweite wesentliche Punkt außerhalb des Regelsatzes ist die Verpflichtung, jeden beliebigen Job annehmen zu müssen, und sei er noch so schlecht bezahlt, wenn man ALG2 bezieht, sonst wird die Leistung gekürzt und im Wiederholungsfall gestrichen. Dies ist sogar der eigentliche Kernpunkt von Hartz IV. Damit (im Zusammenhang damit, dass man keinen Mindestlohn einführte) wurde ein riesiger Bereich von Niedriglöhnen und Winzlöhnen geschaffen, in den die Hartz-IV-Geschädigten hineingezwungen wurden.

Das war das Unmenschlichste am System Hartz IV und ist zweifellos mit der Würde des Menschen nicht vereinbar. Bis heute hat aber kein Gericht das Bundesverfassungsgericht angerufen wegen dieser Regelung.

Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung, die Frage des Kindersatzes an das Verfassungsgericht zu leiten, u.a. den Begriff des „grundrechtsensiblen Bereiches der Sicherung des Existenzminimums“ gebraucht. Damit stellt man fest, es kann in einem Staat, der sich Sozialstaat und Rechtsstaat nennt, nichts unterhalb der wirklichen Sicherung des Existenzminimums geben, denn das wäre nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, jedenfalls nach Ansicht des Bundesozialgerichtes.

Nur, in vorherigen Entscheidungen hat das Bundesozialgericht bereits die berühmten „Sanktionen“ abgesegnet, das teilweise oder vollständige Streichen des ALG2 bei Verstößen (wenn man z.B. nicht die vorgeschriebene Zahl von Bewerbungen in einem Monat nachweisen kann). Das bedeutet aber eben auf jeden Fall das Unterschreiten des „grundrechtssensiblen Existenzminimums“ und ist natürlich auch nicht mit der Menschenwürde vereinbar. Da hat man aber nichts ans Verfassungsgericht weitergleitet. Wie denn nun? Kann man das „grundrechtssensible Existenzminimum“ aus- und anknipsen wie ein Licht?

Es gibt also weit mehr als nur die Höhe des Regelsatzes, was das BVG überprüfen müsste. Im

Kern müsste das ganze Gesetz Hartz IV für verfassungswidrig erklärt werden. Aber darauf können wir lange warten in diesem Unrechtsstaat.

Aber wenn wieder Hunderttausende zu den Montagsdemos gehen, wenn mit Generalstreik gedroht wird, dann bekommen die Richter und Politiker vielleicht ihren Hintern hoch.


Veröffentlicht am 29. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 27. Januar 2009

Wirtschaftskrise - Geht es bald wieder aufwärts?

Arschkriecher-Journalismus

Von Karl Weiss

Ein Kommentar der „Süddeutschen“ vom 21.1.09 ist optimistisch: Ab dem 2. Quartal 09, also ab April, gehe es schon wieder aufwärts mit der deutschen Wirtschaft. Was? Welche Erleichterung! Wir hatten schon gedacht, wir stünden noch am Anfang der Krise, dabei stehen wir schon fast am Ende! Fragt sich nur: Auf welchen konkreten Zahlen beruht diese Vorausschau?

Ja, und da sind wir am Knackpunkt. Es gibt gar keine solche konkreten Zahlen, der Kommentar versucht nicht einmal, solche zu erfinden. Vielmehr deuten alle wirklichen Zahlen auf einen sich eher noch beschleunigenden Abschwung hin, weil sich die weltweiten Effekte addieren. Der Kommentator gibt einfach wieder, was im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung steht. Und dort steht: Ab April geht es bereits wieder aufwärts.

Das übertrifft nun allerdings alles, was man bisher schon an Arschkriecher-Journalismus gelesen hat. Einfach die Wunschträume der Bundesregierung kommentarlos als bare Münze ausgeben, dazu gehört schon viel Mut. Hier sei zitiert, was der Kommentator schreibt:

„Das Ende der Rezession ist absehbar.“ „Nach einem neuerlich Einbruch der Wirtschaftsleistung im laufenden ersten Quartal dieses Jahres wird das BIP in den drei Folgequartalen wieder kontinuierlich wachsen ...“ „ ... bedeutet das, dass Deutschland - anders als in mancher Überschrift suggeriert - nicht am Beginn, sondern am Ende der Rezession steht.“ „Kein Grund zur Resignation“

Das ist Hofberichterstattung vom Feinsten. Nicht einmal in einem Nebensatz wird auch nur angedeutet, man müsse doch fragen, woher die Bundesregierung diese ihre Sicherheit nimmt? Gibt es etwa einen der wichtigen Wirtschafts-Indikatoren, der auch nur eine leichte Verminderung der Steilheit des Absturzes anzeigt? Nein, es gibt ihn nicht. Wenn es ihn nämlich gäbe, würde man auf ihm herumreiten bis zum geht-nicht-mehr.

Tatsächlich gibt es eine Umfrage, die bei den Befragten keine weitere Verschlechterung der Stimmung feststellt, aber das hängt natürlich davon ab, wie schlecht die schon vorher war und außerdem sind Stimmungen noch lange nicht Realitäten. Der Mensch pflegt sich gerne an Strohhalme zu klammern, nur ist eben in der jetzigen Situation noch nicht EIN realer Strohhalm aufgetaucht, der sich auf Wirtschaftsdaten bezieht. Alle wirklichen Wirtschaftsdaten sind unverändert in freiem Fall: Industrieproduktion, Beschäftigungsindex, Konsum, Einzelhandelsumsatz, Auftragseingang Industrie, Exporte usw. Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, was wiederum auf Deutschland zurückwirkt usw.

Das kürzlich bekanntgegebene „Konjunkturpaket“ ist nach Einschätzung aller glaubwürdigen Experten (darunter auch der IWF) fast wirkungslos und zudem viel zu klein. Darauf kann irgendeine Art von Erholung also nicht basiert werden.

Der frühere Vize-Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, Joachim Jahnke, schreibt dazu in seinem ‚Informations-Portal Globalisierung‘ (http://www.jjahnke.net/index.html ): „Die neoliberale Globalisierung schlägt zurück: Der Exportweltmeister verliert seine Hosen und vieles mehr. (...) Es ist längst ärgerlich. Dieselben Kräfte, die in Deutschland den Niedriglohnsektor aufgebaut und die Masseneinkommen real zurückgeführt haben, setzen in ihren Prognosen immer wieder und immer wieder falsch auf ein Anspringen der Nachfrage eben dieser am Einkommen strangulierten Verbraucher. So jetzt wieder der Bundeswirtschaftsminister im Jahreswirtschaftsbericht.“

Also lassen wir den Minister, die Kanzlerin und die ganze Bundesregierung sowie die „Süddeutsche“ weiter träumen und an Wunder glauben.


Veröffentlicht am 26. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 26. Januar 2009

Dossier Auswirkungen Wirtschaftskrise I

Wer wird am meisten leiden? - Was ist anders in Brasilien?

Von Karl Weiss

Es soll untersucht werden, wer in dieser Krise noch relativ gut wegkommt, wer am schlimmsten dran sein wird und wie die Menschen auf die Krise reagieren werden. Während die Industrieländer weltweit in einem steilen Wirtschafts-Abschwung sind, dessen Ende noch nicht abzusehen ist und die Entwicklungsländer praktisch ohne Ausnahme in eine schwere Wirtschafts-Krise eingetreten sind, gilt für Brasilien immer noch die Vorhersage eines mäßigen Wachstums der Wirtschaft für 2009. Warum? Was ist in Brasilien anders?

Zunächst: Es gibt fünf Typen von Ländern, wenn es um die Empfindlichkeit gegenüber den Weltmarktkrise geht:

1. Länder wie die USA, das ist nur die USA selbst

2. Länder vom Typ Japan, das trifft auch auf Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien, evtl. auch auf Russland zu.

3. Länder vom Typ China, das könnte auch für Indien zutreffen

4. Länder vom Typ Brasilien, das könnte evtl. auch für Russland und evtl. Indien zutreffen

5. Länder vom Typ Nigeria oder Indonesien, das trifft auf praktisch alle Entwicklungsländer zu.

Die Auswahl der genannten Länder ist natürlich nicht zufällig. Die Reihenfolge der Länder nach Größe des „Gross Domestic Product“ (GDP) , auf deutsch Brutto-Inlandsprodukt (BIP), war für 2007 (die 2008-Zahlen liegen noch nicht vor) nach PPP-Methode die folgende:

1. USA

2. China

3. Japan

4. Indien

5. Deutschland

6. Vereinigtes Königreich

7. Frankreich

8. Italien

9. Brasilien

10. Russland

Nigeria ist nicht unter den ersten 15, ist aber von der Bevölkerungszahl her zusammen mit Indonesien das wichtigste Entwicklungsland.

Die Reihenfolge nach Bevölkerung ist:

1. China

2. Indien

3. USA

4. Russland

5. Brasilien

6. Indonesien

7. Nigeria

Wir reden hier also über die ganz großen Länder („groß“ im Sinne von wirtschaftsstark und/oder bevölkerungsstark), stellvertretend für alle anderen.
  • Zu 1. Die USA

    Capitol, Washington (DC)

    Die USA nimmt in jeder Beziehung einen Ausnahmestellung ein. Sie hat den bei weitem größten Binnenmarkt und die bei weitem größte Wirtschaftskraft (etwa so stark wie die ganze EU der 25), sie hat die internationale Leitwährung des Dollar, sie kann – jedenfalls bisher noch – soviel Dollarnoten drucken und Dollar-Bonds ausgeben, wie sie will, sie werden immer gekauft werden – jedenfalls bis auf weiteres. Andererseits ist der US-Binnenmarkt aber gesättigt, will sagen, man kann ihn nicht leicht stützen, wenn er in einer Wirtschaftskrise einbricht (Beispiel: Eine US-Familie, die schon zwei Autos hat, die noch gut funktionieren, kann unter den Bedingungen, dass ein oder zwei Familienmitglieder von Arbeitslosigkeit bedroht sind und man Probleme hat, das Haus noch abzuzahlen, nicht so ohne weiteres mit leichten Anreizen dazu gebracht werden, die Autos gegen Neuwagen zu tauschen oder sogar noch ein Auto zu kaufen, ebenso würde eine Steuersenkung sie nicht automatisch zu höheren Ausgaben bringen). Dazu kommt: Die USA haben das größte Aussenhandelsdefizit von allen Ländern, hatten bereits vor der Krise die höchste Staatsverschuldung von allen Ländern, haben das höchste Haushaltsdefizit von allen Ländern, hängen am meisten vom Import von Gütern aus anderen Ländern ab, haben eine der höchsten Kreditaufnahmen von Privatpersonen auf der Welt (in absoluten Werten zusammen genommen bei weitem die größte) und haben eine relativ verschwindend kleine Sparquote (im Vergleich zu anderen Industrieländern). Das alles macht die USA trotz ihrer herausragenden Stellung zu einem „Koloss auf tönernen Füßen“.

    USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

    Denn gerade die herausragende Stellung führt ja dazu, dass bis zum Dollar-Crash die Dollars und Dollar-Bonds gekauft werden und dann im Moment des Zusammenbruchs des Dollars eine Menge Staaten und Unternehmen und Einzelpersonen mit ihren wertlosen Dollars dastehen und fast alles verloren haben. Dann wird, ausgelöst durch den Zusammenbruch des Dollars, die zweite Phase der Krise eingeläutet werden, die vermutlich noch weit tiefgreifendere Auswirkungen haben wird als die erste Phase, die wir jetzt langsam zu spüren bekommen.
Dollar Gasp
  • Zu 2. Länder wie Japan

    Dies umfasst die großen Industrieländer außer den USA. Von diesen haben (hatten) nur Japan und Deutschland ins Gewicht fallende Aussenhandelsüberschüsse. Dies wird nun, in der Krise, zu einer erhöhten Sensibilität gegenüber der Krise des Weltmarktes und damit zu zusätzlichen Einbrüchen in der Wirtschaft dieser beiden Länder führen. Nur ein Beispiel: Wenn sich die jetzige Verringerung der deutschen Exporte auch nur ohne weitere Beschleunigung fortsetzt, wird das deutsche BIP 2009 schon allein deshalb um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr fallen.

    Deutschland - München

    Alle diese Länder haben relativ starke Währungen (den Euro, das Pfund und den Yen) und sie haben (mit Ausnahme des UK) eine hohe Sparquote der Bevölkerung (im Gegensatz zur USA), was automatisch zu einem „Verbraten“ von Erspartem in der Krise führt und die Auswirkungen der Krise vermindert.

    Unter diesen Ländern ist vor allem das Vereinigte Königreich (UK) auch von einer starken Immobilienkrise betroffen und hat ähnlich wie die USA eine geringe Sparquote, was nicht auf Deutschland zutrifft und besondere Schwierigkeiten für das UK bedeuten wird, sich aus der Krise herauszuarbeiten. Auch diese Länder haben wie die USA einen gesättigten Binnenmarkt, also schlechte Bedingungen für seine leichte Belebung. Alle sind nur begrenzt von Importen abhängig, haben keine hohen Aussenhandelsdefizite, (noch) keine hohen Haushaltsdefizite und keine aus dem Steuer gelaufene Staatsverschuldung, werden also Konjunkturmassnahmen in erheblichen Umfang anwenden können, wenn sie wollen (was offenbar für die Bundesregierung nicht zutrifft, sehr wohl aber auf Japan).

    Northern Rock Pleite

    Sie werden also voraussichtlich keinen Zusammenbruch der Währung und keinen Staatsbankrott erleben wie die USA, werden aber Jahre brauchen, um sich aus der Krise herauszuarbeiten. Speziell Japan, das UK und Deutschland haben ihren Staatsschatz im wesentlichen in Dollar angelegt und werden deshalb besonders unter dem Dollar-Crash zu leiden haben. Natürlich könnten die Regierungen dieser Länder sich rechtzeitig von den Dollars trennen, aber deren Nibelungentreue zu den USA ist Legende und sie werden das wohl nicht tun. Man kann also vorhersagen, gerade Frankreich und Italien werden am wenigsten schwere Auswirkungen der Krise erleben, speziell, wenn sie nicht den Fehler machen, den „sicheren Hafen“ Dollar anzusteuern.
  • Zu 3: China, evtl auch Indien (zu Indien liegen nicht genügend statistische Zahlen vor, um das einschätzen zu können)

    Wirtschaftsmacht China 1

    China wird neben den USA einer der Hauptgeschädigten dieser Krise sein. Die Politik der Neu-Kapitalistischen Führer, die auf Aufkaufen von Dollars und Dollar-Bonds beruhte, um eine günstige Parität der chinesischen Währung sicherzustellen und fast die ganze Wirtschaft auf Exporten hauptsächlich in die USA und andere Industrieländer auszurichten, wird sich nun als gigantische Fehlspekulation erweisen. Die Exporte in die USA beginnen bereits steil abzustürzen und in einem bestimmten Moment wird man aufhören müssen, alle ausgegebenen Dollar-Bonds zu kaufen. Das wird der Auslöser des Dollar-Crashes sein. Damit wird Chinas Staatsschatz innerhalb kurzer Zeit zu fast nichts werden und das kann auch zum Zusammenbruch der chinesischen Währung führen. Es ist kaum vorstellbar, dass das tiefe Loch, in das man dann fallen wird, nicht zu riesigen Aufständen und letztlich erneut zur sozialistischen Revolution in China führen wird, denn das chinesische Volk hat ja die Zeit des Sozialismus nicht vergessen. Der gewaltige Binnenmarkt Chinas ist zwar nicht gesättigt, aber man kann schon vorhersehen, die reaktionären Führer haben nichts mit Mindesteinkommen, Hilfe für die Armen und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder mit staatlichen Investitionen in riesigem Umfang am Hut und so wird eben auch der Binnenmarkt zusammenbrechen im gleichem Masse, wie die Arbeitsplätze für den Export verschwinden werden. Der Dollar-Crash - wann auch immer er genau stattfinden wird – wird eine zweite, neue Welle von Arbeitslosgleit und Elend über das chinesische Volk bringen, das sich spätestens dann sicherlich der Erfahrungen aus der Kulturrevolution erinnern wird.
Wirtschaftsmacht China
  • Zu 4: Länder vom Typ Brasilien (ob auch Russland und eventuell auch Indien mit zu dieser Kategorie gehören wird, kann nicht beurteilt werden, es liegen fast keine Daten vor)

    Brasilien (topographisch)

    Mit Brasilien hat man ein Land vor sich, das nicht mehr die drei wesentlichen wirtschaftlichen Übel aller Entwicklungsländer in ausgeprägter Form hat, nämlich erstens die fehlende nationale Industrie, zweitens die fehlende Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln und drittens die Abhängigkeit der Wirtschaft von Rohstoff-Exporten. Deshalb wird dieses Land zu den „emerging countries“ gezählt. Zwar gibt es immer noch große Rohstoff-Exporte aus Brasilien, vor allem Eisenerz, Sojaschrot und Sojabohnen, Gold, Edelsteine, Fleisch sowie Kaffeebohnen und Kakao-(Schokolade-) Masse, aber in zunehmenden Ausmaß hat es Brasilien schon geschafft, auch Halbfertigprodukte oder Fertigprodukte zu exportieren, darunter Autos (vor allem von Fiat), Autoteile, Stahlhalbzeug, Stahlbrammen, Sojaöl, Schmuckstücke, Kunsthandwerk, verarbeitetes Fleisch, Orangensaft und Papierprodukte. Zwar ist die wesentliche Industrie in ausländischen Händen, aber auch die nationale Industrie spielt eine bedeutende Rolle, so u.a. die Minengesellschaft Vale, der zweitgrößte internationale Minenkonzern und die größte Gesellschaft Lateinamerikas, die halbstaatliche Petrobras, die bereits die Selbstversorgung Brasiliens mit Erdöl sicherstellt, das zweitgrößte lateinamerikanische Unternehmen ist und weitere große neue Ölvorkommen vor der brasilianischen Küste gefunden hat und die CSN und Usiminas, große Stahlhersteller in brasilianischer Hand.

    Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

    Auch die Nahrungsmittelversorgung Brasiliens ist nicht generell von Importen ahängig. Zwar werden bestimmte Produkte eingeführt, wie zum Beispiel Weizen, aber dafür werden weit grössere Mengen an Nahrungsmitteln ausgeführt – so ist Brasilien z.B. der größte weltweite Exporteur von Fleisch und Soja-Produkten.

    Brasilien hat eine extrem geringe Quote von Kauf auf Kredit (weil die Kreditzinsen irrwitzig hoch sind), weit geringer als die anderen hier verglichenen Länder und ist damit nicht von einer Welle platzender Kredite bedroht, die eine der wesentlichen Gründe für die Einbrüche im Konsum in den USA wie auch in Grossbritannien ist. Der Binnenmarkt Brasiliens ist nicht gesättigt. Bereits kleine Anreize können zu großen Ergebnissen führen, denn ein wesentlicher Teil der Bevölkerung lebt in Armut. Jegliches Geld, das bereitgestellt wird, geht sofort in den Kreislauf.

    Chávez und Lula

    Die Regierung Lula hat mit einer gezielten Injektion von viel Geld zu den armen Bevölkerungsschichten, vor allem das Programm „Bolsa Familia“ (Familien-Stipendium) und das massive Erhöhen des Mindestlohns Jahr für Jahr sowie der Erhöhung der Einkommen der Staatsbediensteten in den letzten Jahren den brasilianischen Binnenmarkt gestützt und Brasilien somit weniger abhängig von der Weltwirtschaft gemacht.

    Allerdings hat Brasilien eine schwache Währung. Bereits in den ersten Tagen der Finanzkrise stieg der Wert des Dollars von 1,57 auf 2,35 brasilianische Reais. Das entscheidende aber ist, etwa 65 - 70% des BIP Brasiliens ist interner Konsum. Das bedeutet, Brasilien ist eines der Länder mit der geringsten Aussenabhängigkeit auf der Welt. Auch wenn, wie zu erwarten, die Exporte zurückgehen und die Importe durch die spekulativ begründete Dollar-Hausse teurer werden, kann wahrscheinlich das Eintreten in die Wirtschaftskrise verhindert werden – jedenfalls bis zum Dollar-Crash. Was danach ist, lässt sich praktisch nicht vorhersagen.
  • Zu 5. Entwicklungsländer (Beispiele: Nigeria, Indonesien) Die Bevölkerung in den Entwicklungsländern wird wohl am schlimmsten unter den Krisenauswirkungen leiden müssen. Sie sind durch die drei oben schon genannten Übel gekennzeichnet (fehlende nationale Industrie, Abhängigkeit von Lebensmitteleinfuhren und Rohstoff-Ausfuhren). Das vierte und wesentliche Übel in allen diesen Ländern ist aber die jeweilige herrschende Klasse, die dort überall in Saus und Braus lebt und meistens eng mit bestimmten Imperialisten verbunden ist. Viele von ihnen sind noch Grossgrundbesitzer wie in den entwickelten Ländern zu Zeiten des Feudalismus und/oder profitieren von den Rohstoff-Ausfuhren.

    Die Rohstoffpreise haben bereits begonnen, ins Nichts zu fallen und das wird diese Länder besonders treffen. In vielen Fällen werden die Lebensmittelimporte nicht mehr ausreichen und Hunger und Not werden sich noch weiter verbreiten als jetzt schon. Die lokalen Herrschenden werden ihre Mindereinnahmen durch verstärkte Ausbeutung der eigenen Bevölkerung versuchen zu kompensieren.

    Dadurch wird aber Widerspruch zwischen den Herschenden und dem Volk noch weiter auf die Spitze getrieben und es besteht die Chance, dass sich revolutionäre Unrast ausbreitet, wie dies bereits in Lateinamerika der Fall ist.
Bleibt die Frage, wie lange es bis zum Dollar-Crash dauert. Das kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden, denn das hängt von Spekulanten ab. Eventuell kann es Jahre dauern, weil die Gläubiger-Staaten und die Spekulanten ein Interesse an der Stärke des Dollars haben. Trotzdem: Alles hat ein objektves Limit.

Voraussichtlich wird sich die erste Phase der Krise, vor dem Dollar-Crash, also Jahre hinziehen. Diese Phase wird wahrscheinlich von einer Deflation geprägt sein, wie sie sich jetzt bereits andeutet: Im Dezember war der Preisindex in den USA bereits geringfügig rückläufig. Solange aber die Deflationsphase andauert, gibt es auch keinen Ausgang aus der Krise. Wenn man aber durch Gelddrucken (Ausgabe von Staatstiteln) die Inflation anheizt, wird man in den Strudel des Dollar-Crash gezogen: Wie es bereits Marx vorausgesagt hat: Der Kapitalismus hat keinen Ausweg, er ist zum Untergang verurteilt.

Karl Marx

Allerdings hat der subjektive Faktor, das Klassenbewusstsein der Arbeiter und kleinen Angestellten, nicht mit der objektiven Entwicklung Schritt gehalten. Noch hoffen die meisten auf einen Ausweg innerhalb des Kapitalismus oder einen „Dritten Weg“, aber den gibt es nicht.

Dass die ersten Versuche, einen Sozialismus zu schaffen, am Ende gescheitert sind, bremst die Entwicklung des Bewusstseins der Notwendigkeit der sozialistischen Revolution. Allerdings lehrt die Geschichte, dass alle großen neuen Errungenschaften am Anfang Rückschläge erlebten.

Jetzt, am Anfang der Krise, ist sogar die Ängstlichkeit angesichts der Bedrohungen überwiegend. Wenn aber die ersten Kämpfe gegen das Abwälzen der Krisenlasten auf den „kleinen Mann“ erfolgreich waren, werden viele aufwachen und sehen, es geht nicht ohne Kampf.

Spätestens mit dem Dollar-Crash wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Sprung im Klassenbewusstsein weltweit einsetzen und die Massen werden aktiv nach einer Alternative suchen. Dann ist der Moment einer revolutionären Situation weltweit nicht mehr weit.


Veröffentlicht am 26. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 22. Januar 2009

Zwangsprostitution durch Hartz IV

Sie glauben es nicht – und doch ist es wahr

Von Karl Weiss

Die „Arbeitsgruppe Sanktionen“ der Berliner Kampagne gegen Hartz IV hat eine Broschüre veröffentlicht, in der sie die Theorie und Praxis von Sanktionen gegen Hartz-IV-Geschädigte darstellt und 10 konkrete Fälle von Sanktionen gegen Hartz-IV-Geschädigte dokumentiert, die alles bisher Bekannte bestätigen, zum Teil sogar noch in den Schatten stellen. Sanktionen bedeutet teilweises oder vollständiges Streichen der sowieso schon nicht ausreichenden Regelsatzes des Arbeitslosengeld 2 (ALG2) von 351,- Euro.

Die Broschüre kann auf dieser Site der Kampagne heruntergeladen oder bestellt werden: http://www.hartzkampagne.de/html/themen/themen_text_2.php?zid=173

Die in der Broschüre dargestellte Sanktionspraxis ist das, was man schon von den Sozialämtern und ARGEs (Arbeitsgemeinschaften zwischen Arbeitsagentur und Kommunen bzw. Landkreisen) gewohnt ist: Schikanen, böswilliges „Überhören“ der Argumente des Geschädigten, böswilliges Nicht-Erklären der Entscheidungen, böswilliges Nicht-Reden mit dem Geschädigten, einfach Einstellen der Zahlung ohne Erklärung, rechtswidrige Beschlüsse, aggressive und menschenunwürdige Behandlung, zynische, abwertende Stellungnahmen usw. usw.

Doch in einigen der beschriebenen Fällen wird auch dieses bereits haarsträubende Niveau der Ämter noch bei weitem übertroffen, z.B. in dem Fall, in dem ein Ehepaar, das schwer krank ist, mit andauernden Zuweisungen von Arbeit und Ein-Euro-Jobs bombardiert wird, obwohl sie krank geschrieben sind. Es wird in jedem Einzelfall mit Sanktionen gedroht, obwohl die Krankschreibung vorliegt und die ARGE sich auch nicht die Mühe gemacht hat, Gutachten über die Krankheiten anfertigen zu lassen.

Der absolute Höhepunkt der schröderschen und hartzschen und SPD- und CDU/CSU- und Grünen- und FDP-Zumutung ist aber der Fall von Frau Verena Storm (Name geändert) und ihrem neunjährigen Sohn, die von der Berliner ARGE (das ist besonders interessant, denn dort ist auch die Linkspartei mitverantwortlich) zur Zwangsprostitution verdonnert werden sollte.

Die Linke 2008

Frau Storm hatte Prostitution als Nebenbeschäftigung angeben und auch Erklärungen über Einnahmen dieses „Nebenjobs“ abgegeben, die ihre Auszahlung von Hartz IV verringerten. Sie zog dies dem ständigen „Einberufen-Werden“ zu Ein-Euro-Jobs vor, weil sie so wenigstens ein wenig Geld verdienen konnte.

Dann aber gab sie diesen Neben-Job auf und teilte dies auch der zuständigen Sachbearbeiterin mit. Die Sachbearbeiterin legte ihr trotzdem eine „Eingliederungsvereinbarung“ vor, in der schriftlich festgehalten wurde, sie würde weiterhin diesem Neben-Job nachgehen. Sie verwahrte sich dagegen, sagte, sie mache das nicht mehr, doch die Sachbearbeiterin behauptete, sie könne eine Sanktion verhängen, wenn sie nicht unterschriebe. Da unterschrieb Frau Storm und war nun zu Zwangsprostitution verurteilt. Sie ging aber trotzdem diesem Erwerb nicht nach und bekam erneut die Androhung einer Sanktion, weil sie nun keine Aufstellung ihres Einkommens aus dem Nebenjob mehr vorlegte, da sie ihm ja nicht mehr nachging.

Obwohl Frau Storm wieder und wieder vorbrachte, sie könne nicht zu Prostitution gezwungen werden, dekretierte man die Sanktion (Kürzung des ALG 2) gegen sie. Auch die Vorgesetzten der Sachbearbeiterin mussten nun wegen der Widersprüche von Frau Storm von der Sachlage wissen, doch Niemand schritt dagegen ein.

Damit hat Frau Merkel einen einmaligen Rekord für deutsche Kanzler aufgestellt: Sie ist die oberste Verantwortliche für Zwangsprostitution.

Regierungsbank

Diese Regierung muss weg, diese Kanzlerin muss weg und Hartz IV muss weg!


Veröffentlicht am 22. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 20. Januar 2009

Gewinner in Hessen? - Wo?

Es wird geschwindelt, dass es eine Art hat

Von Karl Weiss

Das Wahlergebnis in Hessen ist nicht, wie allenthalben behauptet, sehr hessen-spezifisch. Es reiht sich vielmehr nahtlos in alle Trends der letzten Wahlergebnisse ein. Der Haupttrend ist der Linkstrend, der sich hauptsächlich in der niedrigen Wahlbeteiligung, aber auch in der erneuten Wahl der Linkspartei in einem-West-Flächenstaat ausdrückt. Die angeblichen Sieger, wie die CDU mit Koch, sind in Wirklichkeit die Verlierer wie schon bei der Hessenwahl 2008.

Roland Koch

Wie üblich, wird nur in relativen Prozentzahlen der abgegebenen Stimmen argumentiert, so als ob es keinerlei Rolle spielen würde, dass die Zahl der Stimmen, die auf eine Partei fällt, das ausschlaggebende Ergebnis ist. Das ist reiner Schwindel!

Mit fast genau 61% Wahlbeteiligung ist ein Tiefpunkt in Landtagswahlen erreicht worden. Das als Sieg für die etablierten Parteien auszugeben, ist schon etwas kühn. Sowohl SPD als auch die CDU haben Stimmen verloren, so sieht kein Sieger aus. Die CDU hat Wählerstimmen verloren, hatte aber ihren Haupteinbruch schon bei den 08-Wahlen, konnte also nur schwerlich bereits im darauffolgenden Jahr erneut eine weitere Riesenpleite erleben. So schnell schießen auch die Hessen nicht.

Die SPD hatte bei den Wahlen im letzten Jahr kein so absolutes Desaster erlebt wie bereits bei anderen Wahlen, weil viele gegen Koch gestimmt hatten, um ihn für seine Ausländerhetze abzustrafen. Nun hat sie das eigentlich schon bei jenen Wahlen fällige Ergebnis nachgeholt – der freie Fall der Wählerstimmen für die SPD setzt sich insgesamt ungebremst fort und ist sogar noch stärker als bei der CDU – in Hessen, einem typische SPD-Bundesland, nähert man sich der 20%-Grenze der abgegebenen Stimmen! Das hat offensichtlich kaum etwas mit Frau Ypsilanti oder Herrn Schäfer-Gümbel zu tun, sondern ist der generelle Trend gegen die Parteien an der Regierung.

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Noch letztes Jahr erhielt die SPD in Hessen fast genau 1 Million Stimmen, jetzt nur noch etwa 600 000 – sie hat 40% ihrer Wähler verloren – und das war bereits ein sehr niedriges Ergebnis, mit dem hier verglichen wird, für die SPD in Hessen!

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Auch die FDP und die Grünen feiern sich als Sieger, weil sie tatsächlich mehr Stimmen bekommen haben als vorher. Aber das ist nichts als der Oppositions-Bonus. Sobald einer von ihnen oder gar beide in die Regierung eintreten, werden sie das alles wieder verlieren.

Auch die Linke blieb fast bei ihrem Stimmergebnis, was eine leichte Zunahme in Prozenten (0,3%) wegen der gefallenen Wahlbeteiligung bedeutet.

Kurz: Das Ergebnis spiegelt fast jenes Ergebnis wieder, das es bereits im letzten Jahr gegeben hätte, wäre nicht der Sonderfaktor mit der Ausländerhetze damals dazugekommen.

Bemerkenswert, dass die Wahlbeteiligung in wenigen Monaten noch einmal deutlich um mehr als 3% abgefallen ist.

Sieht man sich die Prozentzahlen der Wahlberechtigten und nicht der abgegebenen Stimmen an, so hat man einen Eindruck, was die Deutschen (nicht nur in Hessen) von den etablierten Parteien halten.

Die CDU: 37,2% * 61% = 23% der Wahlberechtigten!
Die SPD: 23,7% *61% = 14% der Wahlberechtigten!
Die FDP: 16,2% * 61% = 10% der Wahlberechtigten!
Die Grünen: 13,7% *61% = 8% der Wahlberechtigten!

Das ist die wirkliche „Beliebtheit“ der Systemparteien!

Die beiden Regierungspartner der Großen Koalition erreichen zusammen (!) gerade mal 37% der Stimmen der Wahlberechtigten.

In einer wirklichen Demokratie wären alle diese Herrschaften abgewählt. Nur die spezifischen Wahlbestimmungen und eine gehörige Portion Ignoranz führt dazu, dass da Regierungskoalitionen geschmiedet werden, anstatt endlich von der Bühne abzutreten.


Veröffentlicht am 20. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 19. Januar 2009

Gezielt die Bevölkerung verarmen und vereinzeln

Will Große Koalition am Wohngeld sparen?

Von Karl Weiss

Im Bundestag wurde still und heimlich schon vor einiger Zeit ein Gesetzentwurf von der Großen Koalition eingebracht, der den Bewohnern von Wohngemeinschaften nicht mehr zugesteht, Wohngeld entsprechend ihrem tatsächlichen Anteil an der Miete zu bekommen. Nirgends in Presse, Funk oder Fernsehen wurde darüber berichtet. Offenbar will man hier einen weiteren Beitrag zum Verarmen und Vereinzeln der Bevölkerung klammheimlich durchziehen.

Weg mit Hartz IV

Im Fall eines Wohngeldanspruchs von Wohngemeinschaftsmitgliedern soll geprüft werden, wer noch in der Wohngemeinschaft wohnt und nur dann Wohngeld gezahlt werden, wenn keine Person mit höherem Einkommen in der Wohngemeinschaft gefunden wird, der man einfach das Bezahlen der Miete oder des größten Teils der Miete auferlegt.

Oder mit anderen Worten: Alle Wohngemeinschaften, in denen einer dort wohnenden Anspruch auf Wohngeld hat, hätten nicht mehr die Freiheit, die Miete zu gleichen Teilen zu bezahlen oder nach einen anderen Modus, der von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft festgelegt wird, sondern müssen die Miete unter den Mitgliedern ohne Wohngeldanspruch aufteilen. Erst wenn dann noch etwas für denjenigen zu zahlen übrig bleibt, der Wohngeldanspruch hat, kann dieser (verringerte) Wohngeldanspruch greifen, wenn dies Gesetz durchkommt.

Was bedeutet das in der Praxis? Niemand wird mehr mit jemand eine Wohngemeinschaft bilden wollen, der Wohngeldanspruch hat, denn dann müsste man ja überproportional zahlen. In bestehenden Wohngemeinschaften werden wohl solche Mitglieder mit Wohngeldanspruch hinausgeworfen. In der Praxis wird also die Zahl der Wohngemeinschaften deutlich sinken. Das dürfte beabsichtigt sein.

Wer Wohngeldanspruch hat, wird fast automatisch dazu verurteilt sein, allein in einer 1-Zimmer-Wohnung oder ‚kitchenete‘ zu leben.

Die Große Koalition sagt sich – und damit hat sie wohl Recht -: Wer sozial isoliert ist, vereinzelt, wird sich weniger wahrscheinlich gegen die Verarmungspolitik der Regierung auflehnen.

>>Also lasst uns die Menschen vereinzeln, in Kleinstwohnungen separieren!<<

Das gleiche war ja schon vorher bei Hartz IV gemacht worden: Lebt jemand, der Hartz-IV-Geschädigter ist, mit jemand zusammen, sei es ein Partner, sei es ein Verwandter, sei es einfach der Hauptmieter, wenn er in Untermiete wohnt,, muss sich der Andere immer darauf gefasst machen, mit Fragebögen über persönliche Verhältnisse, Einkommen usw. ausgeforscht zu werden, denn man geht davon aus: Wer mit Hartz-IV-Geschädigten zusammenlebt, hat deren Unterhalt zu bestreiten, so dass derjenige kein Arbeitslosengeld 2 (ALG 2) mehr bekommt oder es gekürzt bekommt.

Auch dies hatte bereits dazu geführt, dass viele Hartz-IV-Geschädigten auseinandergezogen und in Kleinstwohnungen umgezogen sind, um ihren ALG -2-Anspruch nicht zu verlieren. Sie mussten sich dann von den Politikern der herrschenden Kaste auch noch anhören, sie würden betrügen!

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Das gleiche wird nun auch für alle gelten, die Wohngeldanspruch haben (weil sie wenig verdienen und hohe Mietkosten haben), wenn dies Gesetz verabschiedet wird.

Das ist besonders interessant, denn die verkommene Politikerkaste nimmt dabei bewusst in Kauf, mehr bezahlen zu müssen. Es ist offensichtlich: Wollte man die Kosten von Hartz IV verringern, würde man, ganz im Gegenteil, das Zusammenleben in größeren Wohnungen und Wohngemeinschaften fördern, denn dann fallen für jeden Einzelnen bekanntermaßen weniger Mietkosten an. Wenn alle Hartz-IV-geschädigten und Wohngeldberechtigten in Winz-Wohnungen vereinzelt werden, kostet das den Staat mehr ALG 2 und mehr Wohngeld. Aber wir hams ja.

Elmar auf Stuttgarter Modemo Jan 06, Polizeifahrzeuge

Hier wird einmal mehr klar: Es ging bei Hartz IV nie um Einsparungen, ganz im Gegenteil. Hartz IV kommt weit teurer als vorher das Arbeitslosengeld. Man bezahlt dafür, dass die Menschen immer hoffnungsloser werden, denn dann werden sie seltener aufbegehren, dass die Menschen vereinsamt werden, in kleine 1-Zimmerwohnungen gezwungen werden, denn man hofft, so die sozialen Kontakte zu verringern und damit das Rebellions-Potential.

Hartz-Protest 02

So rechnet das Politiker-Pack: Mehr zahlen, macht nichts, Hauptsache die Menschen schließen sich nicht zusammen und gehen nicht auf die Straße.

Darum kann jedem in Hartz IV oder mit Wohngeldanspruch nur geraten werden: Geh zu den Montagsdemos, wehre dich gemeinsam mit anderen!


Veröffentlicht am 19. Januar 2008 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 15. Januar 2009

Hartz IV: Der Falll Brigitte Vallenthin

Unsinnige Gerichtsprozesse trotz eindeutiger Rechtslage

Von Karl Weiss

Was die Wiesbadener Sozialbehörde da an Schikanen durchgezogen hat gegen die Hartz-IV-Geschädigte Brigitte Vallenthin, ist nach Aussage der Betroffenen, die auch Vorsitzende der Wiesbadener ‚Hartz-IV-Plattform‘ ist, nicht nur menschenunwürdig, sondern auch „ein willkürliches Verbrennen von Steuergeld, das angeblich für einen höheren Regelsatz nicht da ist."

Weg mit Hartz IV

Die Betroffene war wegen unzumutbarer Wohnverhältnisse gesundheitlich stark angeschlagen und gezwungen, in eine andere Wohnung umzuziehen. Zunächst hat die Behörde noch anerkannt, dass dieser Umzug notwendig ist, doch dann hatte man offenbar gemerkt, mit wem man es zu tun hatte, mit dem „Feind“: Frau Vallenthin ist Vorsitzende des Arbeitslosenvereins, der in Wiesbaden Hartz-IV-Betroffenen berät und unterstützt.

Schon begannen die Schikanen:

1. Die Sozialbehörde hatte bereits zugesagt, die Kautionsleistung für die neue Wohnung zu übernehmen. Doch nun zog sie ohne Begründung diese Zusage zurück. Damit war praktisch die Verweigerung des Umzugs gegeben. Frau Vallenthin ging dagegen vor Gericht. Vier Wochen später, nur durch einen Zufall war die Wohnung immer noch zu haben, sagte sie plötzlich zu, nun doch zu zahlen, um zu vermeiden, vom Gericht verurteilt zu werden, zahlte aber immer noch nicht – weitere zwei Monate. Schließlich zahlte man, aber (wohl absichtlich) auf ein falsches Konto. Vier Monate nach dem Zurückziehen der Zusage fand dann endlich das Gerichtsverfahren statt und die Sozialbehörde wurde zur Zahlung verurteilt. Unnötiges Verschwenden von Steuergeldern – aber wir hams ja.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

2. Da die Miete der neuen Wohnung geringfügig höher war (aber immer noch innerhalb der Grenzwerte), verlangte die Sozialbehörde von Frau Vallenthin zu unterschreiben, sie werde einem Eigenanteil an der Mietzahlung von 35 Euro zustimmen. Frau Vallenthin kannte ihre Rechte und lehnte ab. Auch dies musste vor Gericht geklärt werden, weil die Behörde stur blieb. Auch dies ging – wie vorhersehbar – für Frau Vallenthin aus. Erneut Steuergelder verschleudert.

3. Die Sozialbehörde hatte aber noch weitere Schikanen auf Lager: Zum Monatsanfang werde nur die Hälfte des Regelsatzes ausgezahlt, dekretierte sie, der Rest erst zur Monatsmitte, wenn bis dahin die Bezahlung der Miete belegt worden sei. Dafür gibt es nicht die geringste Rechtsgrundlage, aber Schikanen sind ja nicht dazu da, mit dem Recht in Übereinstimmung zu stehen, nicht wahr? Auch hier: Gerichtsentscheid gegen das Sozialbehörde, weiteres Geld verschleudert.

4. Der aufmerksame Leser ahnt schont , was als viertes kommt. Richtig: Die Umzugskosten von in diesem Fall 167 Euro. Die Sozialbehörde weigerte sich, die zu übernehmen und verlangte von der Betroffenen, den Betrag in kleinen Raten abzuzahlen. Also zog diese auch hierfür vor Gericht. Im Unterschied zu den anderen drei Fällen lenkte die Behörde aber noch vor dem Termin vor dem Sozialgericht ein und beglich die Kosten.

Hartz-Protest 02

Frau Vallenthin sagte, sie habe gegen die zuständige Sachbearbeiterin Dienstaufsichts-Beschwerde eingereicht, aber man weiss ja, wieviel Erfolg man mit so etwas hat. Man bekommt nicht einmal eine Mitteilung über eine eventuelle Entscheidung.

Hier wird erneut klar: Es ging und geht bei Hartz IV niemals um Einsparungen, im Gegenteil: Hartz IV kommt dem Bundes-Säckel und den Sozialkassen teurer als die vorherige Regelung mit Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Siehe hierzu diesen Artikel: „Grundversorgung von 1600 Euro für 6 Millionen käme billiger als heute

Hartz IV war und ist dazu da, die Reallöhne in Deutschland zu drücken und weite Bereiche von Niedriglohn-Beschäftigungen zu schaffen. Die Statistik bestätigt das : Exakt seit dem Zeitpunkt der Einführung von Hartz IV (Januar 2005) sinkt der Reallohn in Deutschland dramatisch, während gleichzeitig die Einkommen aus Unternehmenstätigkeit und Vermögen explodierten.

Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen
Dieses Schaubild zeigt, was in Deutschland seit dem Jahr 2000 vor sich geht. Nach dem Ende der Krise 2002 steigt die Produktivität, zuerst gleichlaufend mit den Unternehmenseinkommen, dann ab 2003 explodieren die Vermögenseinkommen. Exakt ab Anfang 2005 mit der Einführung von Hartz IV gehen die Netto-Reallöhne zurück.

Geben wir den Hartz-IV-Politikern die Antwort, die sie verdienen! Ach, da wir gerade von Hartz-IV-Politikern reden: Die SPD, in Wiesbaden am Ruder (und damit verantwortlich für diese Schikanen), hat dort eine Ortsvorsitzende, die Bundesministerin ist: Frau Wiezcorek-Zeul.


Veröffentlicht am 15. Januar 2009 in der Berliner Umschau


Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

"Hartz IV: Der angeleinte Mensch"

"Hartz und Hunger – Vier Episoden"

Dienstag, 13. Januar 2009

Was geht in Deutschland vor?

Vorboten revolutionärer Zeiten

Von Karl Weiss

Ratlos, hilflos, ahnungslos – es gibt fast kein Wort mit „-los“, das nicht unsere heiß geliebte Politikerkaste in der jetzigen Situation beschreibt. Es wird deutlich, das sind Leute, die zwar im Geschäft innerparteilicher Intrigen Weltmeister sind, aber in der Verantwortung völlig überfordert sind, wenn die Dinge nicht mehr den gewohnten Gang laufen. Die Vorausschau, wieviel Prozent das deutsche Brutto-Inlandsprodukt 2009 in den Keller rutschen werde, ist nun zum dritten Mal in eineinhalb Monaten korrigiert worden. Nach den anfänglichen 0% wurde dann vor einem Monat die Voraussage auf -0,5% geändert und innerhalb des letzten Monats schon zweimal erneut, zuerst auf -1% und jetzt auf -3%! Das Wort erbärmlich drängt sich auf.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Zum Vergleich: Der Berichterstatter schrieb bereits am 1. Dezember 2006 im Artikel „Die Krise in Deutschland wird fürchterlich“: „Nicht einmal ein zweistelliger Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland ist völlig auszuschließen für einzelne Quartale im Jahresvergleich. Das kann in seinen desaströsen Auswirkungen bestenfalls noch mit der massiven Weltwirtschaftskrise verglichen werden, die 1929 begann und bis tief in die Dreißiger Jahre hinein ging – und selbst die könnte noch übertroffen werden.“

Und als Schlussfolgerung steht dort: „Weit mehr Bundesbürger werden nun endgültig sehen: Der Kapitalismus hat keine Zukunft für sie und ihre Kinder. Ein System, das nur unermeßlichen Reichtum für eine winzige Minderheit und Arbeitslosigkeit, Krisen, Hunger, Not, Elend, Kriminalität, Krieg und Gewalt produzieren kann, muß weg! (...) Die Zeiten, als kaum einer den Kampf für nötig hielt, werden bald definitiv vorbei sein. Lebhafte, revolutionäre Zeiten stehen an!“

Deutschland: Brutto-Inlandsprodukt, Einkommen, Renten, Prozent gegen Vorjahr, bis 2008

Doch kommen wir zum Konkreten:

Meldung vom 8.1.09: „Die deutschen Ausfuhren sind im November 2008 um 11,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gefallen. Das ist der stärkste Rückgang seit Beginn der gesamtdeutschen Ausfuhrstatistik im Jahr 1991.“

Meldung vom 9.1.09: „Der Auftragseingang in der Industrie ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Zweimonatsdurchschnitt Oktober/November 2008 um 22,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen. Die Auslandsaufträge stürzten um 26,4 Prozent ab, die Inlandsaufträge um 17,9 Prozent.“

Meldung vom 10.1.09: „In nur drei Monaten ist die deutsche Industrieproduktion saisonal bereinigt um 9 % gefallen, was einer Jahresrate von 36 % entspricht.“

Der Rettungs-Plan
Der Rettungsplan

Und dann ist da die Meldung vom 9.1.09, dass die Commerzbank (eigentlich Commerz- und Dresdner Bank) verstaatlicht wurden. Zwar betonte Frau Merkel, der man die Überforderung an ihrer Ausdrucksweise anmerkt, das sei keine Verstaatlichung, sondern eine Hilfe, aber in Wirklichkeit hat die Bundesregierung nun 25% (plus eine Aktie) an der zweitgrößten und drittgrößten Bank Deutschlands (zusammen die größte), was Sperrminorität bedeutet. Sie kann gegen jede Entscheidung im Aufsichtsrat Veto einlegen, was in der Konsequenz immer dazu führt, dass alle Entscheidungen in ihrem Sinne getroffen werden müssen.

Damit ist das deutsche Bankenwesen nun im Kern staatlich. Auch alle Landesbanken zusammen stellen noch einmal eine ähnliche Grössenordnung wie die vereinigte Dresdner/Commerz dar und dazu kommt das Netz von Sparkassen und anderen Banken mit wesentlichem Staatseinfluss, wie den Genossenschaftsbanken und Raiffeisenbanken. Dagegen bleibt nur die Deutsche und eine Anzahl von mittleren und kleinen Banken, die aber schon hoffnungslos in der Minderheit sind.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"
"Ich bin in Ordnung, bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Was musste der deutsche Steuerzahler dafür aufbringen? Diese Zahl und dieser Zusammenhang wird in den bürgerlichen Medien fast überall verschwiegen: Der Staat übernahm die Garantie für Werte von „faulen Papieren“ der beiden Banken im Wert von zusammen 304 Mrd. Euro!

Man will heute schon das Auffangnetz für die Banken im Gesamtwert von 500 Mrd. Euro vergessen machen, denn wer sich erinnert, wird dies mit der Grössenordnung des vorgesehenen Konjunkturpakets vergleichen: Die höchste bisher genannte Zahl ist 60 Mrd. Euro. Da wird doch der eine oder andere fragen: Also die hatten ganz locker 500 Mrd. Euro für bestimmte große Banken übrig, die zu den Finanzmonopolen gehören – und jetzt, wenn es darum geht, die Auswirkungen der Krise für den „kleinen Mann“ zu verringern, gibt es gerade mal 60 Mrd.?

Plötzlich haben die gleichen Politiker, die dies im Fall der 500 Mrd. Euro völlig „vergessen“ hatten, entdeckt, dass man ja dafür die Verschuldung des Staates erhöhen muss und malen mit fürchterlichen Szenarien die Schrecken einer übermäßigen Staatsverschuldung an die Wand. Doch warum sprachen sie nicht darüber, als sie die 500 Mrd.-Garantie gaben?

Nur zur Erinnerung, was der Betrag von 500 Mrd. Euro bedeutet: Mit einer Investition von etwa 1 Mrd. Euro kann man eine Automobilfabrik bauen, die mehrere Tausend Autos pro Tag herstellt (pro Tag!). Hier im Grossraum Belo Horizonte ist Fiat gerade dabei, diesen Betrag zu investieren, um die Kapazität ihrer Fabrik um mehrere Tausend Autos pro Tag zu erhöhen. Mit anderen Worten: Mit 50 Mrd. Euro könnte man 500 Autofabriken für je mehrere tausend Autos pro Tag auf die grüne Wiese stellen!

Das sind unvorstellbare Werte und eine Erhöhung der Staatsverschuldung in dieser Größenordnung wird diese wirklich unbezahlbar machen. Aber in Wirklichkeit ist sowieso nicht vorgesehen, diese Schulden je zu bezahlen. Der kapitalistische Staat entledigt sich seiner Schulden üblicherweise durch eine Hyperinflation und eine Währungsreform. So wie dies die deutsche Reichsregierung im Jahr 1923 tat, so wie dies die neugeschaffene Bundesrepublik mit der Währungsreform 1948 tat, die natürlich nicht Hitlers Schulden zahlen wollte, so wie dies nun Bernanke in den Vereinigten Staaten tut, der die Geldmenge bereits über alle vorstellbaren Grössenordnungen hinaus vermehrt hat, so wie dies der argentinische Präsident Menem mit seinem Finanzminister Carvalho tat, die ihre Währung einfach 1:1 an den Dollar ankoppelten. Der argentinische Staatsbankrott im Dezember 2001 ist inzwischen Lehrstück in allen Volkswirtschaftsbüchern.

Dollar Gasp

Doch die Voraussagen sind nicht die einzigen Anzeichen für die überragenden Fähigkeiten unserer Politikerkaste. Hatte bis Mitte Dezember noch alles vereint geschworen, es dürfe auf keinen Fall Steuererleichterungen für die Massen geben, denn das war Teil der Ideologie, die sie auswendig gelernt hatte (mit Ausnahme der CSU, aber das ist ein eigenes Kapitel), sind nun nach Angaben der Presse am 10.1.09 bereits Steuer- und Abgaben-Erleichterungen für den Konsumenten in Deutschland im zig-Milliarden-Bereich vorgesehen. Kurz: Unser Leben, unser Arbeitsplatz sind in besten Händen bei diesen super-kompetenten Politikern, wir können völlig beruhigt sein. Rein in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln. Und morgen? Nur die Götter wissen es.

Dazu kommt, dass der Kapitalismus, das System, das in allen Ländern der Welt an der Macht ist, bereits in seinen Todeszuckungen liegt, zum Teil schon begonnen hat zu stinken und eigentlich schon hätte durch die weltweite sozialistische Revolution abgelöst werden müssen. Nur hat das Bewusstsein der Massen nicht mit der tatsächlichen Situation mitgehalten. Man kann allerdings davon ausgehen: Diese Krise wird, wenn auch nicht kurzfristig, diesem Bewusstsein einen deutlichen Schubs geben.

Die Alternative zum Sozialismus ist die kapitalistische Barbarei, gekennzeichnet durch Erscheinungen, die in den Ansätzen schon zu erkennen sind: Die grossen Unternehmen werden immer mehr zu kriminellen Organisationen und die kriminellen Organisationen werden immer mehr zu Gross-Unternehmen bei gleichzeitig abnehmender Bedeutung der Nationalstaaten: Warlord-Country.

So ist denn die Erbärmlichkeit der Politiker-Kaste nichts als ein Merkmal der Zeit: Mehr hat uns der Kapitalismus nicht mehr zu bieten: Wir sind wirklich auf dem Niveau der Herren Steinmeier und Westerwelle ankommen, der Frauen Merkel und Roth.

Darum ist nun angesagt: Stärken wir die Montagsdemonstrationen, gegen die Regierung, die Politiker dieses Systems und ihr Krisenmanagement. Oder wollen Sie dies alles wirklich tatenlos hinnehmen?


Veröffentlicht am 13. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 12. Januar 2009

Internetsperre durch private Firmen

Justizministerium plant die nächste Sauerei

Von Karl Weiss

Das bundesdeutsche Justizministerium scheint nach der absurden Veränderung des Sexualstrafrechts (das Alter der "Kinder" in "Kinderporno" wurde auf 18 Jahre heraufgesetzt) nun den nächsten Coup zu planen, um bürgerliche Rechte auszuhebeln. Man trifft sich bereits heimlich mit der Musikindustrie und dem Internet-Providerverband, um eine „freiwillige Regelung“ zu erreichen, mit der auf Aufforderung durch die Rechteindustrie jedem von uns sein Internetzugang gesperrt werden kann.

Laut Informationen von Markus Beckedahl vom Weblog „netzpolitik.org“ ist ein Treffen beim Bundesministerium der Justiz angesagt, auf dem man eine solche „freiwillige Vereinbarung“ anstrebt, unter der Drohung, sonst mit einem entsprechendem Gesetz zuzuschlagen. Das Ministerium weiss sehr wohl, dass es extrem schwierig ist, ein hieb- und stichfestes Gesetz zu diesem Thema zu machen, denn es gibt eine Anzahl von Unsicherheiten, die mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen ins Gehege kommen, wenn man den Internetzugang bestimmter IP-Adressen sperren will, weil jemand dort ein Musikstück aus dem Netz heruntergeladen hat.

1. Sanktionen gegen eine IP-Adresse sind extrem schwierig gesetzlich zu fassen, weil die Rechtsgrundsätze sich auf Personen beziehen, nicht auf IP-Adressen.

2. Will man Personen abstrafen, so muss in irgendeiner Art die IP-Adresse und die Person in den Zusammenhang gebracht werden. Da kommt aber dann gleich die Notwendigkeit des Nachweises: Diese Person hat diese IP-Adresse benutzt und keine andere. Das ist aber fast unmöglich. Was, wenn der Nachbar den LAN heimlich mitbenutzt? Was, wenn vier verschiedene Personen die IP-Adresse benutzen und nicht geklärt werden kann, wer das Musikstück heruntergeladen hat?

3. Dann kommt auch noch das umgekehrte Problem: Was, wenn die bestrafte Person bei einem anderen Provider einen neuen Internetzugang mit anderer IP-Adresse beantragt? Müssen „schwarze Listen“ mit bestraften Internet-Konsumenten angelegt werden? Wenn ja, kann man dann gegen seine Bestrafung Rechtsmittel einlegen? Auch gibt es die Möglichkeit, z.B. einen Provider aus Österreich oder der Schweiz zu wählen, wo deutsches Recht nicht gilt. Will man dann internationale Internet-Sperr-Listen anlegen wie die internationale Terroristenkartei?

Das Ganze ist ein völlig unnötig aufgeblasenes „Problem“, das in Wirklichkeit längst mit der Pauschal-Zusatzzahlung auf Kassettenrekorder usw. aus der Welt geschafft war. Ähnliches könnte man ohne Weiteres auch auf Computer, Handys usw. anwenden. Aber die Musikindustrie und die Rechte-Verwerter haben gute Beziehungen zum Monopol-Kapital und schon gesteht man ihnen etwas zu, was man anderen Firmen oder Privatpersonen nie zugesteht: Dass sie ihre Problem mit kleinen Rechtsbrüchen vom Staat geregelt bekommen, statt, wie jeder andere, den Weg zur Justiz gehen zu müssen.

Es sei in Erinnerung gebracht: Wenn überhaupt, ist das Herunterladen von Musikstücken aus dem Internet zum privaten Gebrauch eine Ordnungswidrigkeit, vergleichbar mit Falschparken. Dies als Piraterie zu bezeichnen (Piraten bringen meist Leute um, begehen aber zumindest das schwere Verbrechen der Geiselnahme und Erpressung) ist Unsinn.

Was nun eingeführt werden soll – und in einigen Ländern schon eingeführt ist – ist eine scheinbar weniger harte freiwillige Regelung, die aber in Wirklichkeit nur die Rechtsprobleme umgehen soll und am Ende darauf hinausläuft, dass Sie von einer Privatfirma ihren Internetzugang gesperrt bekommen.

Die Musikindustrie und die Rechte-Verwerter sollen das Recht bekommen, einen Internet- Provider dazu verpflichten zu können, einen vermeintlichen Internet-Musik-Downloader abmahnen und im Wiederholungsfall den Zugang sperren zu können. Da nun aber der Internetzugang zu den grundgesetzlich garantierten Informationsfreiheit gehört, heißt das in der Praxis, man will Privatfirmen das Recht geben, Ihnen Grundrechte zu beschneiden.

Die Abmahnung wird dann etwa so aussehen: „Wie uns die Pro Media in Hamburg mitteilt (das ist jenes Unternehmen der Musikindustrie und der Rechte-Verwerter, das auf Ihren privaten Computer einen Trojaner einschleust und sich alles ansieht, was Sie da runterladen), haben Sie am .... um... auf der IP...... durch das Urheberrecht geschützte Inhalte aus dem Internet heruntergeladen. Es wird darauf hingewiesen, dass dies im Wiederholungsfall zu einer Sperre ihres Internet-Anschlusses führen kann.“

Dabei ist die Verpflichtung des Internet-Providers eine von diesem freiwillig akzeptierte Pflicht, wodurch man versucht, die Probleme mit der Rechtmässigkeit zu umgehen. In der Praxis läuft das darauf hinaus: Der Provider versteckt im kleinsten Kleingedruckten der Geschäftsbedingungen, er habe jederzeit ohne Ankündigung und ohne Begründung das Recht, das Internet zu sperren. Er wird Ihnen einfach den Saft abdrehen ohne Begründung und auf diese Klausel in den Geschäftsbedingungen verweisen. So haben Sie plötzlich kein Recht auf Informationsfreiheit mehr und haben es gar nicht gemerkt.

Mit anderen Worten: Die nächste Sauerei.


Veröffentlicht am 12. 1. 2009 in der Berliner Umschau

Sonntag, 11. Januar 2009

'Weder die USA noch Israel sind in der Lage...

...dem Nahen Osten eine einseitige Lösung aufzudrücken'


Brzezinski – jetzt wieder aktuell

Interview mit ihm von 2006 zum Nahen Osten

Gefunden von Karl Weiss


Zbigniew Brzezinski wird nun einer der wichtigsten Berater des amerikanischen Präsidenten sein, wie bereits unter den Präsidenten Carter und Clinton. Da kann es wichtig sein, etwas über die Art und Weise zu erfahren, wie er die Welt sieht, in diesem Fall die Fragen des Nahen Ostens. In einem Interview mit ihm von 2006 hat Nathan Gardels von der kritischen US-Site „Huffington Post“ einige der kritischen Fragen gestellt, deren Beantwortung nun bald ausschlaggebend sein können. Hier das Interview in einer Übersetzung von „steinbergrecherche.com“.

Barack Obama

Frage: Israel schlug die großen arabischen Staaten in sechs Kriegstagen, aber es war außer Stande, die Hisbollah nach mehr als einem Jahrzent Besatzung zu besiegen, bevor es sich im Jahre 2000 zurückzog. Und es war nicht in der Lage, nach drei Wochen intensiver Bombardierung und Artilleriebeschuß sowie Sondermaßnahmen am Boden den Raketenbeschuß zu stoppen. Heißt das, die Hisbollah hat gegen Israel „gewonnen“, weil sie die israelische Abschreckungskraft geschwächt und gezeigt hat: Israel ist nicht unbesiegbar?

Brzezinski: Man muß begreifen, daß Israel formale Armeen besiegt hat, die zumeist von ineffizienten und korrupten Regimen geführt wurden. Die Hisbollah führt einen „asymmetrischen“ Krieg gegen Israel, der von immer radikaleren und sogar immer fanatischeren Massen getragen wird. Das bedeutet: Ja, Israel wird viel größere Schwierigkeiten haben, mit letzerer wirksam zurechtzukommen als mit ersterer.

Die völlige Zerstückelung des palästinensischen Territoriums wird hier deutlich. Das ist keine Besatzung, das ist Annektion.

F.: In all den Jahren haben israelische Hardliner wie Ariel Scharon und Benjamin Netanyahu behauptet, Israel lebe in einer finsteren Wohngegend. Seine Feinde dort verstünden nur die Sprache der Gewalt. Die amerikanischen NeoCons argumentierten genauso – daß nämlich mit dem einseitigen Eindringen in den Irak die überwältigende Macht der USA „eine Vorzeigewirkung“ entfalten würde, die die finsteren Nachbarn zu US-Ziel-gemäßem Verhalten veranlassen würde.
Hat sich das nicht als falsch herausgestellt? Führt militärische Überlegenheit als grobes Instrument nicht zu ewiger Feindschaft, statt zu Sicherheit? Wenn man sich die Zerstörung der Städte im südlichen Libanon nach Scharons Invasion 1982 angeschaut hat, konnte man doch voraussagen, daß Jahre später so etwas wie der Hisbollah-Haß auf Israel hochkommen würde.

Palestina land loss

B.: Die Rezepte der NeoCons – Israel hat Entsprechendes – sind für Amerika fatal und letzten Endes auch für Israel. Sie werden die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung im Nahen Osten vollständig gegen die Vereinigten Staaten aufbringen. Die Lektionen des Irak sprechen für sich. Wird die NeoCon-Politik fortgesetzt, dann werden die Vereinigten Staaten schließlich aus der Region verdrängt. Das wird auch der Anfang vom Ende Israels sein.

F.: Teilt der Tod von so vielen unschuldigen Zivilisten in Qana im Süden Libanons – ebenso wie die Massaker von Haditha im Irak durch amerikanische Soldaten – den Arabern und Persern nicht mit, daß der „Neue Nahe Osten“ aus den USA und aus Israel auf Besatzung, Gemetzel und Blutvergießen hinauslaufen wird? Sogar Shirin Ebadi, die iranische Dissidentin und Nobelpreisträgerin sagte mir kürzlich, daß die Iraner vorerst lieber die Mullahs ertragen als den Horror, den sie im Irak sehen.

Gun

B.: Genau deshalb ist die NeoCon-Politik von fahrlässiger Gefährlichkeit sowohl für Amerika als auch für Israel.

F.: Jenseits des Israel-Hisbollah-Konflikts – worauf läuft die US-Diplomatie in der Region hinaus?

Irak-Krieg US-Aggression

B.: Neu ist, daß es immer schwieriger wird, das Israel-Palästina-Problem, das Irak-Problem und den Iran voneinander zu trennen. Weder die USA noch Israel sind in der Lage, dem Nahen Osten eine einseitige Lösung aufzudrücken. Es mag Leute geben, die sich selbst in diesen Glauben hineintäuschen.
Eine Lösung der Israel-Palästinenser-Frage gibt es nur bei ernsthafter internationaler Einbeziehung und Unterstützung der Gemäßigten auf beiden Seiten, wie viele oder wenige sie auch sein mögen; das würde auch die Lage schaffen, in der die kriegführenden Parteien größeres Interesse daran gewönnen sich anzupassen, statt zu widerstehen, sowohl wegen der Anreize, als auch wegen der Fähigkeit der äußeren Interventen, ihnen Kosten aufzuerlegen.
Als der irakische Premierminister (Jawad) al-Maliki kürzlich Israel wegen des Libanon-Konflikts scharf kritisierte, war das ein Hinweis auf das, was kommt. Die Vorstellung, daß die USA einen gefügigen, demokratischen, stabilen, pro-amerikanischen, Israel-liebenden Irak bekommen werden, ist ein schnell verfliegender Mythos. Deshalb müssen die USA anfangen, mit den Irakis über den Tag unseres Abzugs zu reden. Wir sollten nicht überstürzt abziehen. US-Botschafter (Zalmay) Khalilzad sagte mir, daß vier Monate überstürzt wären. Das finde ich auch. Aber wir sollten uns einig sein, daß die USA einige Zeit danach abziehen werden.
Dem Iran haben wir ein vernüftiges Angebot gemacht. Ich weiß nicht, ob sie positiv antworten werden, oder wenigstens nicht negativ. Ich neige zu der Vermutung, daß sie wohl weder negativ, noch positiv antworten werden, um auf Zeit zu spielen. Aber das ist nicht so schlecht, vorausgesetzt, sie verwerfen den Vorschlag nicht.
Das iranische Atom-Problem ist ernst, und die Iraner sind am Rande im Libanon beteiligt. Tatsache ist aber, daß die Herausforderung nicht unmittelbar droht. Und weil sie nicht unmittelbar droht, ist Zeit, damit umzugehen.
In der internationalen Politk ist es manchmal besser, Gefahren hinauszuschieben, statt zu versuchen, sie alle sofort zu beseitigen. Das ruft starke Gegenreaktionen hervor, die zerstörerisch wirken. Wir haben Zeit mit dem Iran, vorausgesetzt, der Prozeß des Umgangs mit der Atomenergie wird angestoßen. Er kann dann ausgedehnt werden und Sicherheitsgespräche über die Region einbeziehen.
Letztendlich ist der Iran bedeutend, nicht der Irak. Der Iran wird bestehen. Er wird eine Rolle spielen. Und auf längere historische Sicht besitzt er alle Voraussetzungen für eine konstruktive innere Entwicklung, gemessen am Alphabetisierungsgrad, am Zugang zu höherer Bildung und an der Rolle der Frau in der Gesellschaft.
Die Mullahs sind Teil der Vergangenheit im Iran, nicht seiner Zukunft. Doch der Wandel im Iran wird sich durch Engagement vollziehen, nicht durch Konfrontation.
Wenn wir diese Linie verfolgen, können wir vielleicht das Schlimmste abwenden. Wenn wir es nicht tun, fürchte ich, wird die Region explodieren. Langfristig wäre Israel in großer Gefahr.

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