Freitag, 6. Februar 2009

27-Jahres-Tief

"carmaggeddon"

Wer ein Verhältnis zu Zahlen hat und der Wahrheit ins Auge sehen will: Die Wirtschaftskrise ist bereits bei weitem das schlimmste, was man gesehen hat. Hier die Autoverkaufszahlen in den USA im Januar im Jahresvergleich (bei CNN wurde das "carmaggeddon" genannt):

GM: 129 000 (-49%!!!)

Ford: 90 600 (-39%)

Chrysler: 62 000 (-57%!!!)

BMW: 14 300 (-16%)

Daimler-Benz: 12 200 (- 43%)

VW: 12 700 (- 12%)

Audi: 4 700 (- 26%)

Porsche : 1 746 (- 36%)

Toyota: 117 300 (-34%)

Insgesamt wurde in den USA ein 27-Jahres-Tief erreicht.


Veröffentlicht am 4. Februar 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 4. Februar 2009

Brasilien liefert Battisti nicht aus

Politische Verfolgung?

Von Karl Weiss, Belo Horizonte

Zwischen Italien und Brasilien gibt es ernsthafte diplomatische Verstimmung. Der als Terrorist und Mörder in Italien verurteilte Cesare Battisti hat sich nach Brasilien geflüchtet und soll nicht nach Italien ausgeliefert werden. Die italienische Regierung reagierte empört. Was steckt dahinter?

Der brasilianische Justizminister Tarso Genro hat entschieden, den nach Brasilien geflüchteten ehemaligen Militanten der PAC, eine der Gruppen von radikalen Linken, die zeitweise den bewaffneten Kampf predigten, nicht nach Italien auszuliefern. Battisti wurde in Italien wegen vier Morden in Abwesenheit zu einer lebenslänglichen Strafe verurteilt.

Genro, der selbst zur Zeit der brasilianischen Militärdiktatur einer Gruppe angehörte, die zeitweise den bewaffneten Kampf propagierte und der als Terrorist galt und ins Ausland flüchten musste, hat die von Italien eingereichten Unterlagen über den Prozess in Abwesenheit studiert und kam zu dem Schluss, es sei kein Mord Battistis beweisen worden und das Urteil stelle eine politische Verfolgung dar. Politisch verfolgte aber aber einen Anspruch darauf, nicht ausgeliefert zu werden.

Nach Aussage von Genro wurde im Prozess lediglich bewiesen, dass Battisti eine Zeit lang Mitglied der PAC gewesen war, was dieser auch nicht bestritten hat. Er wurde pauschal wegen vier Morden verurteilt, weil man diese Morde der PAC zuschreibt. Die einzigen Anhaltspunkte sind Aussagen von anderen Gruppenmitgliedern, die vom Staatsanwalt für diese Aussagen Straffreiheit bzw. Strafmilderung bekommen haben. Diese Zeugen hätten alles gesagt, was der Staatsanwalt hören wollte. Zwei der vier Morde fanden zudem zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten statt, so dass Battisti unmöglich in beiden Fällen der Täter sein konnte.

Das italienische Justizsystem stand nach der Umgründung aller poltischen Parteien wegen der nachgewiesenen Verbindungen zur Mafia bereits mehrfach unter heftigen Anklagen, so u.a. im Zusammenhang mit dem Wiederaufleben von mehreren Mafia-Organisationen in Italien (was den Verdacht zuließ, die politischen und Justiz-Patronagen der Mafia seien fortgeführt worden oder nach kurzer Unterbrechung wieder aufgenommen worden) und dem Einfluss, den der reaktionäre Ministerpräsident Berlusconi ausübt, der andauernd neue Gesetzesvorhaben ins Parlament einbringt, die ihn und seine Clique vor Korruptions-Verfolgungen schützen sollen.

Battisti lebte versteckt in Frankreich. Doch Frankreich entschied, es müsse ihn an Italien ausliefern, weil die EU-Regeln dies unabhängig vom Einzelfall vorsehen. Daraufhin floh Battisti aus Frankreich und kam auf mehreren Umwegen nach Brasilien. Er wurde in Brasilien in Auslieferungshaft genommen. Nach der Entscheidung des Justizministers hat Italien den Obersten Brasilianischen Gerichtshof angerufen. Battisti ist weiterhin in Auslieferungshaft, bis dieser entscheidet.

Battisti selbst bestreitet alle Morde und hebt hervor, bei zweien der Morde, die der PAC zur Last gelegt werden, schon gar nicht mehr in der Gruppe gewesen zu sein.

In allen zivilisierten Ländern gibt es im Fall einer Verurteilung in Abwesenheit die Regel, dass der Verurteilte das Recht auf einen neuen Prozess hat, in dem er anwesend ist, wenn er gefasst wird. Dies Recht bestreitet aber die italienische Justiz Battisti. Man will ihn lediglich ausgeliefert haben, um ihn die lebenslange Haftstrafe abbüßen zu lassen.

So hat die deutsche Justiz z.B. mehrmals Verbrecher aus den Todeslagern der Hitler-Faschisten in Abwesenheit verurteilt. Waren sie in Deutschland aufgespürt, wurde ihnen ein neuer Prozess garantiert, der allerdings wegen der langen vergangenen Zeit nur die geringsten Teile der tatsächlichen Verbrechen aufklären konnte.

Battisti weist daraufhin, dass eine Genossin aus der PAC, die auch für die gleichen Morde verurteilt wurde und in Italien einsitzt, mit absolutem Entzug von Tageslicht gefoltert wird und dies auch auf ihn zukäme, wenn er ausgeliefert würde.

Währenddessen schäumen einige der reaktionären italienischen Regierungspolitiker vor Wut. Einer forderte sogar, das für diese Woche in London angesetzte Fußball-Freundschaftsspiel zwischen Italien und Brasilien abzusagen. Der italienische Außenminister erklärte, Genro sei „einer der Kommunisten der extremen Linken“. Wie weit rechts muss der wohl stehen, dass er einen biederen Sozialdemokraten nicht mehr von einem Linksradikalen unterscheiden kann?

Interessanterweise kamen aus Italien bisher nur formale oder unsachliche Argumente. Ob man keine sachlichen hat?


Veröffentlicht am 4. Februar 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 3. Februar 2009

In the Valley of Elah

“Es ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortwährend Böses muss gebären“

Von Karl Weiss

Den deutschen Namen des Filmes kenne ich nicht, er stammt aus dem Jahr 2007 und heißt in der der Original-US-Version wohl „In the Valley of Elah“ (Bezug auf die Bibel, Geschichte von David und Goliath?), mit Tommy Lee Jones in der Hauptrolle des Vaters eines US-Soldaten, der aus dem Irak zurückkommt und wenige Tage später ermordet wird, in der Rolle seiner Frau Susan Sarandon. Der Film wurde hier in Brasilien an einem Sonntagmorgen im Kabelfernsehen gezeigt. An einem anderen Sonntagmorgen – ob das wohl Zufall ist? – wurde eine Dokumentation gezeigt, ich glaube, es war im „History Channel“ über US-Soldaten, die aus dem Irak zurückkommen.

Irak: Weinendes blutbeflecktes Kind, dessen Vater und Mutter soeben von US-Soldaten ermordet wurden

Im Kern geht es in beiden Fällen um die entsetzlichen Gräueltaten gegen Zivilisten, die von den US-Truppen im Irak begangen wurden und werden – und wohl im gleichen Masse in Afghanistan - und darum, dass diese nicht nur Auswirkungen auf die Iraker haben, an denen so etwas verübt wird (wie auch auf alle umliegenden Völker, die gut informiert sind, was dort vorgeht), sondern eben auch auf die Täter bzw. deren Kameraden.

Im Irak sind bisher schon nach den vorsichtigsten Schätzungen aller halbwegs glaubwürdigen Quellen zumindest eine Million Zivilisten durch Aktionen des US-Militärs ermordet worden, nach anderen Schätzungen weit mehr. Das Verhältnis von getöteten „feindlichen Kämpfern“ zu Zivilpersonen liegt bei glatt 1 : 100. Ein großer Teil dieser Opfer geht auf Luftangriffe zurück, eine Mordmethode, die sich speziell durch ihre Unpersönlichkeit auszeichnet, aber ein nicht zu unterschätzender Teil der Gräueltaten wurde und wird Angesicht zu Angesicht durchgeführt und die Taten prägen sich den Tätern und den anderen gegenwärtigen Soldaten unauslöschlich ein.

Irak: Weinendes Kind, dessen Vater un Mutter soeben von US-Soldaten ermordet wurden

Die Dokumentation war beeindruckend. Die Soldaten sind deprimiert. Einer sagt: „Was wir getan haben, ist unverzeihlich!“ Ein anderer: „Ich selbst habe die Zivilisten nicht erschossen, aber ich war der Teil der Gruppe, die dies tat. Ich kann dies nie vergessen. Ich kann mit dieser Erinnerung nicht leben.“

Offenbar gibt es bei der Spezies Mensch trotz aller Indoktrination ein ursprüngliches Gefühl für richtig und falsch, zumindest was extreme Fälle betrifft, wie ohne jede Not Zivilisten zu ermorden und zu verstümmeln.

Die Zahl der Selbstmorde bei US-Soldaten, die aus dem Irak zurückkommen, ist erschreckend hoch und steigt weiter an. Meistens versuchen die Soldaten mehrere Monate lang, wieder in ein normales Leben zurückzufinden, was einem Teil auch gelingt. Viele aber merken, sie können nie wieder ein normales Leben leben. Sie schotten sich von der Familie ab. Reihenweise gehen Ehen und Verlobungen zu Bruch. Die Soldaten beginnen sich „sonderbar zu benehmen“.

Irak-Krieg US-Aggression

Es gibt psychologische Hilfszentren, aber nur wenige im Land. Die Soldaten müssen, um dort behandelt zu werden, ihre heimische Umgebung verlassen, was meistens jede Möglichkeit einer erfolgreichen Behandlung bereits verhindert. Im Gegenteil: In diesen Behandlungszentren ist die Zahl der Selbstmorde überproportional hoch.

Dazu kommen die Drogenprobleme. Laut Aussagen von Soldaten im Film und in der Dokumentation nehmen praktisch alle US-Soldaten im Iran Drogen, „weil man es sonst nicht aushält“. Während in US-Kasernen regelmäßig Drogentest durchgeführt werden, ist das Einschmuggeln von Drogen durch Truppen in die Unterkünfte im Irak allgemein bekannt und „genehmigt“. Auch Soldaten, die aus dem Irak zurückkommen, werden in US-Kasernen keinen Drogen-Kontrollen unterzogen, wird im Film gesagt.

In den Behandlungszentren werden zwar auch Entzugskuren angeboten, aber das erhöht die dortigen Probleme nur noch, weil die oft sehr beträchtlichen Entzugserscheinungen noch zur Depression hinzukommen. Ein Teil der Soldaten schafft es selbst, von den Drogen loszukommen, aber ein wesentlicher Teil ist dauerhaft drogenabhängig. Damit ist aber ihre kriminelle Karriere vorgezeichnet. Man braucht viel Geld für Drogen und muss stehlen und/oder überfallen, um ans Geld zu kommen und man wird mit verbotenen Drogen erwischt. So ist denn auch ein Teil der zurückgekehrten Irak-Soldaten, der vom Sprecher der Dokumentation auf 20% (der Überlebenden) geschätzt wird, heute bereits im Gefängnis oder verurteilt.

Irakkrieg

Das Interview mit einem von ihnen in der Dokumentation ist erschütternd. Der Häftling sagt, er sei eigentlich ganz froh im Gefängnis zu sein, denn so könne er sich vorstellen, er büße hier seine Schuld aus dem Irak ab. Außerdem fände er sich draußen sowieso nicht mehr zurecht.

Im Film “In the Valley of Elah” ruft der Sohn seinen Vater, ebenfalls Soldat, aus dem Irak an und sagt, er müsse ihn hier rausholen. Der Vater weiss, das ist nicht möglich und versucht seinen Sohn zu beruhigen. Der merkt, es gibt keine Hilfe für ihn und reagiert zynisch und brutal.

Was ihn zu jenem Hilferuf geführt hat, erfährt der Vater später von einem Kameraden seines Sohnes. Der Sohn hatte einen großen Army-Truck zu fahren und hatte Anweisung, auf keinen Fall anzuhalten, wenn sich jemand vor den Lastwagen stellte, denn dies seien oft Fallen der Widerstandskämpfer. Als er einmal diesen Befehl ausführt, stellt er fest, er hat ein Kind totgefahren und es war keine Falle. Er steigt aus und macht mit dem Handy ein Foto der Szene. Dies Foto schickt er dem Vater. Aber der versteht nicht, weil auf dem Foto das tote Kind nicht zu erkennen ist.

Später schickt der Sohn kurze Videos, mit dem Handy aufgenommen, an den Vater, der nicht begreift, was da gefilmt ist. Der Sohn hatte begonnen, irakische Verletzte, die man ins Krankenhaus (und Gefängnis) fährt, zu foltern. Er greift in deren Wunden und fragt, ob das weh tue, während der Verletzte schreit wie am Spieß. Er mach dies nun so häufig, dass alle Kameraden ihn „Doc“ nennen.

Am Ende findet der Vater heraus, wie sein Sohn ermordet wurde. Die Gruppe von Soldaten, eben aus dem Irak zurückgekommen und unter Drogen, geht am Abend in ein Strip-Lokal. Der Sohn beginnt dort die Stripperinnen unflätig zu beschimpfen und anzugreifen. Die ganze Gruppe wird aus dem Lokal geworfen. Die anderen sind sauer auf den Sohn und es entsteht ein Streit. Mitten im Streit greift plötzlich einer der Soldaten zum Messer und ermordet den Sohn mit über 20 Messerstichen.

Anschließend beginnt die Grupe zu beraten, wie man das Verbrechen vertuschen könnte. Man zerschneidet die Leiche in viele kleine Stücke (einer der Soldaten ist Metzger) und will sie dann fortschaffen, aber alle haben so viel Hunger, dass sie erst einmal Hühnchen essen gehen. Als sie zum Tatort zurückkommen, haben Tiere die Leichenteile bereits zerstreut. So fährt man zur Kaserne zurück und verspricht Stillschweigen.

Das ist das andere Problem, mit dem viele Familien zurückgekehrter Soldaten zu kämpfen haben: Die Soldaten, die für Jahre im Irak waren, sind oft völlig verroht und gewalttätig. Sie sind oft nicht mehr zu liebevollen oder freundschaftlichen Beziehungen mit anderen Menschen fähig. In der Regel sagen die Eltern oder Ehefrauen oder Bräute der Soldaten, was da zurückkam, war nicht mehr der geliebte Sohn, Mann oder Bräutigam.

Ein zusätzliches Problem ergib sich daraus, dass die USA Frauen als ganz normale Soldaten zusammen mit den Männern „kämpfen“ lassen. Einer der interviewten Soldaten in der Dokumentation sagte, alle Soldatinnen seien ein- oder mehrmals vergewaltigt worden. Er deutet an, dass er zumindest durch Festhalten auch daran beteiligt war. Anscheinend beschließen bestimmte Gruppen der Soldaten einfach, eine der Kameradinnen zu vergewaltigen und nehmen sie sich dann einer nach dem anderen vor, während die anderen sie festhalten. Die Soldatinnen werden dann anschließend „vergattert“, auf keinen Fall ihre Vergewaltiger anzuzeigen, sonst sei das „Verrat“.

So haben dann diese Frauen noch ein zusätzliches psychisches Problem, wenn sie zurückkommen. Auch bei ihnen ein Zurückziehen von der Welt, Gewaltausbrüche, Drogen und Kriminalität.

Bei all dem ist ein Problem noch gar nicht erwähnt, das sich erst mit der Zeit herausstellt: Die Strahlenkrankheit. Im Irak (wie auch in Afghanistan, wie auch von Israel im Libanon, in Syrien und in Gaza) wird abgereichertes Uran in Geschossen und Sprengköpfen eingesetzt, so wie schon vorher im 1. Golfkrieg 1991. Von den über 500 000 damals dort eingesetzten Soldaten sind im Bereich von 325 000 verschieden stark verstrahlt und krank geworden. Insgesamt sind nach Auskunft der Veteranenorganisation des 1.Golfkrieges über 11 000 bereits daran gestorben, es werden weitere Tausende Todesfälle noch erwartet. Die Zahl von 325 000 bezieht sich auf arbeitsunfähig Erkrankte. Näheres zu diesen Fällen in diesem Artikel: „11 000 Tote – und niemand erwähnt es

Die Soldaten, die aus dem Irak zurückkommen, sind also zusätzlich von der Strahlenkrankheit bedroht, so als ob sie ohnedies nicht schon genug Probleme hätten. Abgereichertes Uran strahlt fast genau so stark wie reines metallisches Uran ohne Anreicherungsprozess und das ist viel. Jeder, der sich gezwungenermaßen viel in der Nähe solcher Geschosse, Raketen und Munition aufhält bzw. dessen Staub am Abschussort oder am Einschlagsort einatmet, bekommt Strahlenschäden, die sich bei geringer Dosis erst nach Monaten oder Jahren bemerkbar machen. Häufig sind dies Erkrankungen an Leukämie und anderen Krebserkrankungen, aber auch die Schädigung des Gewebes selbst (ohne Krebs) kann bereits zu schwersten Krankheitssymptomen und zum Tod führen.

Es sei daran erinnert: Diese Munition wurde in wesentlichen Teilen über Deutschland in dem Irak geliefert. Seit Anfang des Irak-Krieges haben bekanntlich Bundeswehrsoldaten die Bewachung der US-Kasernen in Deutschland übernommen, wo all dies zwischengelagert wurde und wird. Sie waren also zum mindesten zum Teil dieser Strahlung ausgesetzt.

So hat denn auch jemand schon bei einem SPD-Abgeordneten nach den Schäden durch Strahlung durch abgereichertes Uran gefragt und bekam prompt Antwort: Die Bundeswehr (wer auch sonst, nicht wahr?) habe das bereits überprüft und alles als ungefährlich eingestuft. Wie schön, dass die Gesetze der Physik ausser Kraft gesetzt wurden.

Kaum etwas kennzeichnet die Zersetzung dieses Gesellschaftssystems Kapitalismus und seiner Politiker (in den USA wie in Deutschland) klarer als die völlige Gleichgültigkeit, die man den eigenen Soldaten entgegenbringt, während man sie gleichzeitig für politische Propaganda benutzt.


Veröffentlicht am 3. Februar 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 2. Februar 2009

Lula kritisiert entwickelte Länder

„...den „Gott Markt“ angebetet“

Von Karl Weiss

In einer mit Ironie gespickten Rede hat der brasilianische Präsident Lula auf dem Welt-Sozialforum in Belem in Brasilien die entwickelten Industriestaaten kritisiert. Er sagte, diese Länder hätten den „Gott Markt“ angebetet, der alles lösen würde, aber nun habe dies die Krise ausgelöst.

Morales und Lula in Santiago

Gleichzeitig mit dem Welt-Finanz-Forum in Davos, wo sich (fast) alle Verantwortlichen für die Krise versammelten, fand in Belem in Brasilien an der Amazonasmündung das Welt-Sozialforum statt, das zum Motto zu haben scheint: „Wir haben es doch die ganze Zeit gesagt!“

Auf der Veranstaltung „Lateinamerika und die Herausforderung der Krise“ sprachen vor etwa 8000 Menschen neben Lula auch die linken südamerikanischen Präsidenten Evo Morales aus Bolivien, Hugo Chaves aus Venezuela, Rafael Correa aus Ekuador und Fernando Lugo aus Paraguay.

Lula sagte: „Ich hoffe, der Internationale Währungsfond IWF [der den Entwicklungsländern immer vorschreibt, was sie zu tun haben] wird nun Obama sagen, wie die Vereinigten Staaten repariert werden können, wird Deutschland sagen, wird Sarkozy sagen, wird allen diesen Ländern sagen, wie man in Ordnung bringt, was sie hervorgebracht haben.“

Chávez und Lula

Weiterhin sagte er: „Die jetzige Krise eröffnet die Möglichkeit, es jenen heimzuzahlen, die immer dachten, sie wüssten mehr als wir, wie man mit hoher Arbeitslosigkeit umgeht, denn was die bisher hervorgebracht haben, waren große Geldsummen für Banker.“

„Die Krise ist eine Folge der Politik dieser Länder in den vergangenen 20, 30 Jahren. Diese Krise wurde nicht in Brasilien geboren und nicht durch die Politik von Hugo Chávez, sie entstand aus der Logik dieser Länder in dieser Periode, dass der Staat zu gar nichts nutze sei und der „Markt“ die Länder entwickeln und soziale Gerechtigkeit bringen würde. Dieser „Gott Markt“ ist nun zusammengebrochen, weil es keine Kontrolle gab, aber stattdessen Spekulation.

Und nun? Welchen „Gott“ bitten sie jetzt um Hilfe? Den Staat, der doch zu gar nichts nutze war! Doch nun gibt er Milliarden von Dollar und Euro, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.“

Lula kündigte auch ein Programm zum Bau von einer Million „Volkshäuser“ an, kleine Häuser, die armen Familien gegen eine symbolische Miete zur Verfügung gestellt werden. Er hob auch hervor, dass die halbstaatliche brasilianische Petrobras mit Milliardenbeträgen dabei sei, mehrere neue große Ölquellen im Atlantik vor der brasilianischen Küste zu erschließen, was eine große Zahl von Arbeitsplätzen schaffen würde. Er behauptete: „ ... das brasilianische Volk wird nicht für diese Krise zahlen.“ Ob er damit den Mund zu voll genommen hat, muss sich noch herausstellen.


Veröffentlicht am 2. Februar 2009 in der Berliner Umschau

Sonntag, 1. Februar 2009

Die SPD tritt ins Stadium der Hoffnungslosigkeit

„national“ und „sozial“

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Die letzten Äusserungen Münteferings zeigen so recht den aktuellen Zustand der SPD. Man verliert Mitglieder zu Hauf, man geht offenen Auges und bewusst auf die 20% der abgegebenen Stimmen zu und wird sie wohl bald bei einer Gelegenheit unterschreiten. Die tatsächliche Anerkennung bei den Bundesbürgern, wenn man alle Wahlberechtigten einbezieht, liegt bei unter 15% (siehe Landtagswahlergebnis im SPD-Land Hessen) und die Tendenz ist schwindend.

Da geht ein bestimmter Körperteil auf Grundeis. Es sind nicht nur schwerste Bedenken über die mögliche Zukunft der SPD angesagt, es wurde nicht nur die Phase des Entsetzens erreicht, man taucht bereits in die Hoffnungslosigkeit ein. Da fliesst einem dann schon mal der Mund über und man stellt eine konkurrierende Partei in die Nähe der Faschisten.

Der SPD-Vorsitzende Müntefering bezeichnete die Politik der Linken als „national“ und „sozial“. Das will eine bestimmte Assoziation hervorrufen und tut es. Wer jemand in Deutschland mit der Hitlerpartei vergleicht, muss er entweder wirklich gute Gründe haben oder er ist ein Demagoge der übelsten Sorte.

Nun, urteilen Sie selbst: Als Begründung führte er an, die Linke sei „ablehnend Europa gegenüber und stellt alle Bundeswehrsoldaten, die wir in die Welt entsenden, als aggressive Krieger dar.“

Hmm, Hmm, das kann nun jeder nachprüfen. Tatsächlich äusserte sich die Linke mehrfach gegen die jetzige neoliberale und aggressive Politik der EU. Was daran Ablehnung gegen Europa ist, weiss nur Müntefering – und Gott natürlich. Tatsächlich hat die Linke die Auslandseinsätze von deutschen Truppen, wie zum Beispiel gegen Afghanistan, kritisiert. Nur, das bezog sich niemals auf eine Einschätzung der Soldaten, sondern immer auf eine der Bundesregierung.

Das war auch Bushs Methode: Wer seinen Krieg im Irak kritisierte, sprach schlecht von den Soldaten. Man stelle sich vor, wie weit Müntefehring schon gesunken ist, um nun Anleihen bei Bush zu machen.

Bleibt nur noch Mitleid. Mitleid? Nein, mit diesem Pack nicht einmal mehr Mitleid!

Freitag, 30. Januar 2009

Mordanschlag auf Polizeidirektor: Staatsschutz gab Alibi

Extrem verdächtiges Alibi für die mutmaßlichen Täter

Von Karl Weiss

Der Fall Mannichl, der Mordanschlag auf den Polizeidirektor von Passau, wurde immer dubioser. Obwohl das Opfer, das nur überlebte, weil der Messerstich um einige Zentimeter das Herz verfehlte, von Anfang an gesagt habe, die Täter hätten rechtsextreme Parolen gerufen, wurde eine Kampagne losgetreten, die versuchte, das Opfer zum Täter zu machen. Jetzt weiss man auch, was diese Zweifel ausgelöst hat: Das extrem tatverdächtige NPD-Pärchen bekam von „Staatsschützern“ ein Alibi geliefert und wurde daraufhin freigelassen.

Jeder, der schon einmal auf einer Demonstration gegen eine NPD-Kundgebung oder eine andere faschistische Manifestation war, kann es bestätigen: Die Herrschaften von der extremen Rechten und die Polizei (oder große Teile der Polizei) agieren in verdächtiger Harmonie: Der Feind steht immer links. Linke oder bürgerliche Gegendemonstranten sind Ziele nicht nur der Faschisten, sondern z. T. auch der Polizei. Nur wenn es sich gar nicht mehr umgehen lässt, werden auch einmal Faschisten festgenommen, in der Regel immer nur, wer gegen den Faschismus ist.

So skandieren NPD-Faschisten bei solchen Gelegenheiten in letzter Zeit immer wieder die Parole: „Gegen Demokraten helfen nur Granaten!“, was nach deutschen Recht zur sofortigen Auflösung der rechtsextremen Versammlung führen müsste. Bis heute ist so gut wie keine solche Versammlung aufgelöst worden. Im Extremfall gibt es Zeugen, dass der Frankfurter Polizeipräsident in unmittelbarer Nähe stand und unmöglich diese Parole überhört haben konnte. Und? Nichts! Fragt man in einem solchen Fall den Einsatzleiter, warum er die Versammlung angesichts solcher Parolen nicht auflöst, grinst der nur, er habe nichts gehört. Um dann hinzuzusetzen „Aber Sie können ja vor das Bundesverfassungsgericht ziehen!“, und dann zusammen mit den umstehenden Polizisten in lautes Gelächter auszubrechen.

Ob das Verfassungsgericht weiss, dass es schon zur Lachplatte deutscher Polizisten geworden ist?

Doch es sind nicht nur Teile der Polizei, die in auffallender Weise auf der Seite von Faschisten und anderen Rechtsextremisten stehen – bis hinauf zu hohen Funktionären – sondern auch der Staatsschutz, d.h. Politische Polizei, BKA und Verfassungsschutz, die keinerlei Abstand zur faschistisch-rechtsextremistischen Szene wahren – um es vorsichtig auszudrücken.

Das ging so weit, dass beim Verbotsprozess gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht der Antrag auf Verbot abgelehnt wurde, weil einfach nicht mehr auseinanderzuhalten war, welche Aussagen und Taten von NPD-Mitgliedern und welche von „Staatsschützern“ stammten. Zwar behauptet die Regierung, diese „Unterwanderung“ diene der besseren Überwachung, aber zum Überwachen ist es nicht nötig, dass ein wesentlicher Teil der Mitgliedschaft aus gut bezahlten Bundesbeamten besteht und vor allem ein ausschlaggebender Teil der Funktionäre. Tatsache ist, die NPD würde zur Bedeutungslosigkeit absinken, wenn sie nicht von Staatsschützern „aufgemöbelt“ würde. Was die wirkliche Ursache für dieses „tragen“ faschistischer Organisationen ist, kann man nur ahnen.

Im Gegensatz dazu war der Polizeidirektor von Passau, Mannichl, ein bekannter Gegner der NPD, der nicht nur bereits faschistische Aufmärsche aufgelöst hatte, sondern auch in der Öffentlichkeit für ein NPD-Verbot eingetreten war. Damit hatte er sich anscheinend nicht nur Feinde bei der NPD, sondern auch bei jenen Teilen der Polizei und bei Staatsschützern gemacht.

Als nun das Attentat auf den Polizeidirektor geschah und alles auf jenes NPD-Paar als Täter hindeutete, das bereits Drohungen gegen Mannichl ausgestoßen hatte, kam wie aus heiterem Himmel die Aussage, „Staatsschützer“ hätten das Paar zur Tatzeit an anderem Ort gesehen. Das hätte angesichts der „Nähe“ von Staatsschutz und NPD bereits damals als verdächtig angesehen werden müssen. Doch das Paar wurde freigelassen und andere Personen aus der rechtsextremen Szene konnten nicht als Täter identifiziert werden.

Da begann eine Kampagne, z.T. von Presseorganen und Internet-Seiten, zum Teil von „Sprechern der Polizei“ und aus „polizeinahen Quellen“, die versuchten, das Attentat dem Opfer selbst in die Schuhe zu schieben. Es wurde gemutmaßt, der Polizeidirektor habe sich den Stich wohl selbst beigebracht oder es habe sich um eine Familienstreitigkeit gehandelt. Man benutzte dazu die Tatsache, dass die Tatwaffe aus Mannichls Haushalt stammt und deutete an, Mannichl habe den Anschlag auf rechtsextreme Täter abschieben wollen, um Familienmitglieder zu schützen.

Die Kampagne weitete sich aus, Bild, Welt und alles andere, was rechts Rang und Namen hat, begannen Gerüchtewesen zu betreiben. Da konnten natürlich Broder und das Blogunwesen um ihn herum nicht zurückstehen. Wenn es um die Verteidigung der NPD geht, sind jene schnell bei der Hand.

Das ging so weit, dass die bayerische Staatsregierung, selbst weit rechts stehend und daher solchen Gerüchten zugeneigt, die Sonderkommission zur Aufklärung des Falles auflöste und eine neue einsetzte, die „in alle Richtungen“ ermitteln sollte. Bis heute hat auch diese Kommission keinen Täter ausmachen können.

Erst nach all diesen Umtrieben kam heraus: Die Alibis für die beiden Hauptverdächtigen kamen aus „Staatsschutzkreisen“ und sind damit selbst verdächtig.


Veröffentlicht am 30. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 29. Januar 2009

Das Verfassungsgericht und Hartz IV

Unrechtsstaat Bundesrepublik

Von Karl Weiss

Zwei Nachrichten haben in den letzten Tagen die Diskussion um Hartz IV erneut angeheizt, die im Grunde nie abgerissen war. Die erste war vom Hessischen Landessozialgericht: Man erklärte, nach Ansicht dieses Gerichts sei der Hartz-IV-Regelsatz (351,- Euro) verfassungswidrig, weil er in nicht nachvollziehbarer Weise Abschläge ohne Begründung enthält. Man verwies deshalb ein Verfahren an das Bundesverfassungsgericht (BVG). Gleich am darauffolgenden Tag kam eine ähnliche Nachricht, diesmal vom Bundessozialgericht, der höchsten Instanz im Sozialrecht, das bisher dadurch aufgefallen war, alle Vorgaben der Politik abzusegnen: Der verminderte Satz für Kinder, so das Bundessozialgericht, sei verfassungswidrig, denn er sei nicht begründet. Auch dies Gericht verwies Verfahren ans BVG, das nun nicht mehr darum herumkommt, sich dazu zu stellen.

Sozialprotest DGB

Bereits seit Einführung von Hartz IV im Januar 2005 gab es vielfache Anstrengungen, das BVG zu einer Stellungnahme zu dieser größten Enteignungs-Gesetzgebung der Geschichte der Bundesrepublik zu bewegen. Unter Vorgabe juristischer Spitzfindigkeiten hat es sich aber bis heute geweigert, eine Grundsatzentscheidung zu den wesentlichen Inhalten von Hartz IV zu fällen. Erst jetzt, fast genau 4 Jahre später, wird zumindest zur Höhe des Regelsatzes und des Satzes für Kinder eine Entscheidung gefällt werden müssen.

Dabei ist die Höhe des Satzes tatsächlich eine der großen Unmenschlichkeiten bei Hartz IV, aber noch nicht einmal die größte. Die entsetzlichen Auswirkungen von Hartz IV auf die gesamte Gesellschaft wurden vor allem durch die Vorschriften hervorgerufen, dass Arbeitslose in Hartz IV jegliche Arbeit zu jeglicher Bezahlung annehmen müssen und dass gleichzeitig die Zeitarbeit geöffnet wurde und kein Mindestlohn festgelegt wurde. Dazu wurden die Ein-Euro-Jobs geschaffen, die reguläre Arbeitsplätze ersetzt haben und so die Arbeitslosigkeit insgesamt in die Höhe getrieben haben. So wurden all die Niedriglohn-Bereiche geschaffen und das gesamte Lohnniveau in Deutschland in den Keller getrieben.

Hartz-Protest 02

Rechtlich gesehen ist das Hauptproblem von Hartz IV aber die Enteignung. Alle diese Arbeitslosen haben (zum Teil viele Jahre) in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt und haben daher Anspruch auf die mit dieser Zahlung verbundenen Versicherungsleistungen. Genau gesagt, hängt die Auszahlung einer Versicherungsleistung gar nicht von der Zahl der Jahre ab, die eingezahlt wurde, das ist ja gerade das Prinzip einer Versicherung. Allerdings kann es Mindestjahre geben, das sind in Deutschland drei jahre und die Leistung kann nach der Höhe der Einzahlung gestaffelt sein. Auch das war in Deutschland der Fall. Man bezahlte einen Prozentsatz des Brutto-Einkommens bis zu einem Höchstbetrag und hatte dann Anspruch auf Arbeitslosengeld in Prozent der letzten Einkommen (bzw. des Höchstbetrages) und nach 2 bzw. drei Jahren auf Arbeitslosenhilfe, deutlich weniger, aber ebenfalls abgestuft nach Einkommen und Einzahlungshöhe.

Nun kann ein Versicherungsunternehmen (und damit muss hier verglichen werden) natürlich sagen: Ab sofort kann ich aus diesen und jenen Gründen diese Art von Versicherung nicht aufrecht erhalten – ich biete ab sofort nur noch eine deutlich verminderte Leistung an. Das betrifft natürlich nicht die Altfälle, denn die haben ja ihre Ansprüche erworben. Es kann nur auf neu Eintretende angewandt werden.

Ebenso wird ein Versicherungsunternehmen, wenn es in finanziellen Schwierigkeiten steckt, eine Anpassung der Leistungen nach unten durchführen können, wobei da allerdings sicherlich enge Grenzen gesetzt sind, denn die Leistungen, für die eingezahlt wurde, können nicht willkürlich vermindert und/oder gestrichen werden.

Weg mit Hartz IV

Jedes Versicherungsunternehmen, das eine vergleichbare Verminderung der Leistungen ihren Versicherungsnehmern zugemutet hätte, wäre ohne Zweifel zur Fortführung der alten Regelung verurteilt worden. Selbst wenn es beklagt hätte, neue Umstände würden es unmöglich machen mit den alten Bedingungen weiterzuarbeiten, wären mit Sicherheit nur geringe „Anpassungen“ erlaubt worden. Auch hätten die „neuen Umstände“ eindeutig klargelegt werden müssen.

Nun argumentiert die Politikerkaste, es habe sich ja nur beim Arbeitslosengeld, nicht aber bei der Arbeitslosenhilfe um eine Versicherungsleistung gehandelt. Eine „ Anpassung“ bei der Arbeitslosenhilfe stehe im freiem Ermessen der Politik.

Das kann so nicht hingenommen werden:

1. Erstreckt sich dieses Argument nicht auf das völlig willkürliche Zusammenstreichen des Arbeitslosengeldes von zwei bzw. drei Jahren auf 1 Jahr, das sogar Hartz selbst als „Betrug“ charakterisierte.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

2. Das Versprechen der Leistung, das mit der Zahlung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verbunden war, erstreckte sich immer auch auf die Arbeitslosenhilfe, nicht nur auf das Arbeitslosengeld. Wenn die Politik entschieden hatte, diese Mittel aus Steuergeldern aufzubringen und nicht aus den Beiträgen, war das kein Freibrief für beliebige Streichungen.

3. Dass die Mittel aus den Beiträgen nicht mehr für die Bezahlung aus der Arbeitslosenhilfe ausreichte, war hauptsächlich auf sachfremde Nutzung dieser Mittel zurückzuführen. Es wurden Frühpensionierungs-Aktionen, Altersteilzeit und ähnliche Schemata massiv durch Versicherungsmittel finanziert, obwohl die ausschließlichen Nutznießer davon nicht die Versicherten, sondern die Unternehmen waren, die jene Leistungen eigentlich hätten aufbringen müssen, um sich „geräuschlos“ von ihren älteren Arbeitnehmern trennen zu können.

Natürlich ist eine staatliche Pflichtabgabe nicht identisch mit einem Vertrag mit einem privaten Versicherer, aber nicht umsonst heißt die Abgabe „Arbeitslosenversicherung“. Sie muss zumindest im Prinzip ähnlich wie eine Versicherung funktionieren. Damit ist völlig unvereinbar, zuerst die Beiträge zu kassieren und dann die geschuldeten Leistungen willkürlich und extrem zusammenzustreichen.

Natürlich wäre angesichts der stark steigenden Arbeitslosenzahlen gewisse Anpassungen in den Leistungen möglich gewesen, aber nicht ein Zusammenstreichen auf einen fast verschwindenden Rest. Das war Enteignung!

Es gibt aber noch einen anderen Teil der Enteignung, die Hartz IV von Anfang an dargestellt hat: Die Leistung, nun Arbeitslosengeld 2 (ALG2) genannt, wird nur gezahlt, wenn man alle Ersparnisse bis auf einen winzigen Rest aufgebraucht hat. Das ist mit dem Prinzip einer Versicherungsleistung unvereinbar. Und es bleibt eben eine Versicherungsleistung, auch wenn die Politiker entschieden haben, diesen Teil aus Steuergeldern zu bezahlen.

Was die Menschen sich erspart haben, kann nicht als „Vermögen“ bewertet werden, das zunächst aufgebraucht werden muss. Man hat ja eben gerade Ersparnis für den Fall von Arbeitslosigkeit und/oder Alter, wenn man mit den staatlichen Leistungen aus den Versicherungen sehr knapp dran sein wird.

Wenn sich die Versicherung weigert zu zahlen, weil noch „Vermögen“ vorhanden ist, ist das völlig unakzeptabel.

Das wäre der Fall, wenn es sich einfach um völlig unbegründete Almosen handeln würde, die man nur Bedürftigen auszahlen will. Nur ist das eben nicht der Fall, denn das deutsche System beruht eben gerade darauf, dass man niemand in die Situation kommen lassen will, wo er auf Almosen angewiesen ist. Zu diesem Zweck zahlt eben jener Arbeitnehmer seine Versicherungsbeiträge: Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung. Diese Beiträge sind ja nicht freiwillig, sondern Pflichtbeiträge. Nur schaffen sie eben auf der anderen Seite auch die Pflicht, die versprochenen Leistungen (jedenfalls im wesentlichen) dann auch zu gewähren, wenn der Versicherungsfall eintritt.

Wären die Leistungen freiwillig und jemand hätte nicht eingezahlt, so könnte man eventuell rechtfertigen, dass Ersparnisse aufgebraucht werden sollen, aber als Beitragszahler einer Pflichtleistung ist das unvereinbar. Und die versprochene Leistung der Pflichtversicherung „Arbeitslosenversicherung“ war eben nie auf das Arbeitslosengeld am Anfang beschränkt, sondern enthielt immer auch die anschließende Arbeitslosenhilfe.

Der zweite wesentliche Punkt außerhalb des Regelsatzes ist die Verpflichtung, jeden beliebigen Job annehmen zu müssen, und sei er noch so schlecht bezahlt, wenn man ALG2 bezieht, sonst wird die Leistung gekürzt und im Wiederholungsfall gestrichen. Dies ist sogar der eigentliche Kernpunkt von Hartz IV. Damit (im Zusammenhang damit, dass man keinen Mindestlohn einführte) wurde ein riesiger Bereich von Niedriglöhnen und Winzlöhnen geschaffen, in den die Hartz-IV-Geschädigten hineingezwungen wurden.

Das war das Unmenschlichste am System Hartz IV und ist zweifellos mit der Würde des Menschen nicht vereinbar. Bis heute hat aber kein Gericht das Bundesverfassungsgericht angerufen wegen dieser Regelung.

Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung, die Frage des Kindersatzes an das Verfassungsgericht zu leiten, u.a. den Begriff des „grundrechtsensiblen Bereiches der Sicherung des Existenzminimums“ gebraucht. Damit stellt man fest, es kann in einem Staat, der sich Sozialstaat und Rechtsstaat nennt, nichts unterhalb der wirklichen Sicherung des Existenzminimums geben, denn das wäre nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, jedenfalls nach Ansicht des Bundesozialgerichtes.

Nur, in vorherigen Entscheidungen hat das Bundesozialgericht bereits die berühmten „Sanktionen“ abgesegnet, das teilweise oder vollständige Streichen des ALG2 bei Verstößen (wenn man z.B. nicht die vorgeschriebene Zahl von Bewerbungen in einem Monat nachweisen kann). Das bedeutet aber eben auf jeden Fall das Unterschreiten des „grundrechtssensiblen Existenzminimums“ und ist natürlich auch nicht mit der Menschenwürde vereinbar. Da hat man aber nichts ans Verfassungsgericht weitergleitet. Wie denn nun? Kann man das „grundrechtssensible Existenzminimum“ aus- und anknipsen wie ein Licht?

Es gibt also weit mehr als nur die Höhe des Regelsatzes, was das BVG überprüfen müsste. Im

Kern müsste das ganze Gesetz Hartz IV für verfassungswidrig erklärt werden. Aber darauf können wir lange warten in diesem Unrechtsstaat.

Aber wenn wieder Hunderttausende zu den Montagsdemos gehen, wenn mit Generalstreik gedroht wird, dann bekommen die Richter und Politiker vielleicht ihren Hintern hoch.


Veröffentlicht am 29. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 27. Januar 2009

Wirtschaftskrise - Geht es bald wieder aufwärts?

Arschkriecher-Journalismus

Von Karl Weiss

Ein Kommentar der „Süddeutschen“ vom 21.1.09 ist optimistisch: Ab dem 2. Quartal 09, also ab April, gehe es schon wieder aufwärts mit der deutschen Wirtschaft. Was? Welche Erleichterung! Wir hatten schon gedacht, wir stünden noch am Anfang der Krise, dabei stehen wir schon fast am Ende! Fragt sich nur: Auf welchen konkreten Zahlen beruht diese Vorausschau?

Ja, und da sind wir am Knackpunkt. Es gibt gar keine solche konkreten Zahlen, der Kommentar versucht nicht einmal, solche zu erfinden. Vielmehr deuten alle wirklichen Zahlen auf einen sich eher noch beschleunigenden Abschwung hin, weil sich die weltweiten Effekte addieren. Der Kommentator gibt einfach wieder, was im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung steht. Und dort steht: Ab April geht es bereits wieder aufwärts.

Das übertrifft nun allerdings alles, was man bisher schon an Arschkriecher-Journalismus gelesen hat. Einfach die Wunschträume der Bundesregierung kommentarlos als bare Münze ausgeben, dazu gehört schon viel Mut. Hier sei zitiert, was der Kommentator schreibt:

„Das Ende der Rezession ist absehbar.“ „Nach einem neuerlich Einbruch der Wirtschaftsleistung im laufenden ersten Quartal dieses Jahres wird das BIP in den drei Folgequartalen wieder kontinuierlich wachsen ...“ „ ... bedeutet das, dass Deutschland - anders als in mancher Überschrift suggeriert - nicht am Beginn, sondern am Ende der Rezession steht.“ „Kein Grund zur Resignation“

Das ist Hofberichterstattung vom Feinsten. Nicht einmal in einem Nebensatz wird auch nur angedeutet, man müsse doch fragen, woher die Bundesregierung diese ihre Sicherheit nimmt? Gibt es etwa einen der wichtigen Wirtschafts-Indikatoren, der auch nur eine leichte Verminderung der Steilheit des Absturzes anzeigt? Nein, es gibt ihn nicht. Wenn es ihn nämlich gäbe, würde man auf ihm herumreiten bis zum geht-nicht-mehr.

Tatsächlich gibt es eine Umfrage, die bei den Befragten keine weitere Verschlechterung der Stimmung feststellt, aber das hängt natürlich davon ab, wie schlecht die schon vorher war und außerdem sind Stimmungen noch lange nicht Realitäten. Der Mensch pflegt sich gerne an Strohhalme zu klammern, nur ist eben in der jetzigen Situation noch nicht EIN realer Strohhalm aufgetaucht, der sich auf Wirtschaftsdaten bezieht. Alle wirklichen Wirtschaftsdaten sind unverändert in freiem Fall: Industrieproduktion, Beschäftigungsindex, Konsum, Einzelhandelsumsatz, Auftragseingang Industrie, Exporte usw. Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, was wiederum auf Deutschland zurückwirkt usw.

Das kürzlich bekanntgegebene „Konjunkturpaket“ ist nach Einschätzung aller glaubwürdigen Experten (darunter auch der IWF) fast wirkungslos und zudem viel zu klein. Darauf kann irgendeine Art von Erholung also nicht basiert werden.

Der frühere Vize-Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, Joachim Jahnke, schreibt dazu in seinem ‚Informations-Portal Globalisierung‘ (http://www.jjahnke.net/index.html ): „Die neoliberale Globalisierung schlägt zurück: Der Exportweltmeister verliert seine Hosen und vieles mehr. (...) Es ist längst ärgerlich. Dieselben Kräfte, die in Deutschland den Niedriglohnsektor aufgebaut und die Masseneinkommen real zurückgeführt haben, setzen in ihren Prognosen immer wieder und immer wieder falsch auf ein Anspringen der Nachfrage eben dieser am Einkommen strangulierten Verbraucher. So jetzt wieder der Bundeswirtschaftsminister im Jahreswirtschaftsbericht.“

Also lassen wir den Minister, die Kanzlerin und die ganze Bundesregierung sowie die „Süddeutsche“ weiter träumen und an Wunder glauben.


Veröffentlicht am 26. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 26. Januar 2009

Dossier Auswirkungen Wirtschaftskrise I

Wer wird am meisten leiden? - Was ist anders in Brasilien?

Von Karl Weiss

Es soll untersucht werden, wer in dieser Krise noch relativ gut wegkommt, wer am schlimmsten dran sein wird und wie die Menschen auf die Krise reagieren werden. Während die Industrieländer weltweit in einem steilen Wirtschafts-Abschwung sind, dessen Ende noch nicht abzusehen ist und die Entwicklungsländer praktisch ohne Ausnahme in eine schwere Wirtschafts-Krise eingetreten sind, gilt für Brasilien immer noch die Vorhersage eines mäßigen Wachstums der Wirtschaft für 2009. Warum? Was ist in Brasilien anders?

Zunächst: Es gibt fünf Typen von Ländern, wenn es um die Empfindlichkeit gegenüber den Weltmarktkrise geht:

1. Länder wie die USA, das ist nur die USA selbst

2. Länder vom Typ Japan, das trifft auch auf Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien, evtl. auch auf Russland zu.

3. Länder vom Typ China, das könnte auch für Indien zutreffen

4. Länder vom Typ Brasilien, das könnte evtl. auch für Russland und evtl. Indien zutreffen

5. Länder vom Typ Nigeria oder Indonesien, das trifft auf praktisch alle Entwicklungsländer zu.

Die Auswahl der genannten Länder ist natürlich nicht zufällig. Die Reihenfolge der Länder nach Größe des „Gross Domestic Product“ (GDP) , auf deutsch Brutto-Inlandsprodukt (BIP), war für 2007 (die 2008-Zahlen liegen noch nicht vor) nach PPP-Methode die folgende:

1. USA

2. China

3. Japan

4. Indien

5. Deutschland

6. Vereinigtes Königreich

7. Frankreich

8. Italien

9. Brasilien

10. Russland

Nigeria ist nicht unter den ersten 15, ist aber von der Bevölkerungszahl her zusammen mit Indonesien das wichtigste Entwicklungsland.

Die Reihenfolge nach Bevölkerung ist:

1. China

2. Indien

3. USA

4. Russland

5. Brasilien

6. Indonesien

7. Nigeria

Wir reden hier also über die ganz großen Länder („groß“ im Sinne von wirtschaftsstark und/oder bevölkerungsstark), stellvertretend für alle anderen.
  • Zu 1. Die USA

    Capitol, Washington (DC)

    Die USA nimmt in jeder Beziehung einen Ausnahmestellung ein. Sie hat den bei weitem größten Binnenmarkt und die bei weitem größte Wirtschaftskraft (etwa so stark wie die ganze EU der 25), sie hat die internationale Leitwährung des Dollar, sie kann – jedenfalls bisher noch – soviel Dollarnoten drucken und Dollar-Bonds ausgeben, wie sie will, sie werden immer gekauft werden – jedenfalls bis auf weiteres. Andererseits ist der US-Binnenmarkt aber gesättigt, will sagen, man kann ihn nicht leicht stützen, wenn er in einer Wirtschaftskrise einbricht (Beispiel: Eine US-Familie, die schon zwei Autos hat, die noch gut funktionieren, kann unter den Bedingungen, dass ein oder zwei Familienmitglieder von Arbeitslosigkeit bedroht sind und man Probleme hat, das Haus noch abzuzahlen, nicht so ohne weiteres mit leichten Anreizen dazu gebracht werden, die Autos gegen Neuwagen zu tauschen oder sogar noch ein Auto zu kaufen, ebenso würde eine Steuersenkung sie nicht automatisch zu höheren Ausgaben bringen). Dazu kommt: Die USA haben das größte Aussenhandelsdefizit von allen Ländern, hatten bereits vor der Krise die höchste Staatsverschuldung von allen Ländern, haben das höchste Haushaltsdefizit von allen Ländern, hängen am meisten vom Import von Gütern aus anderen Ländern ab, haben eine der höchsten Kreditaufnahmen von Privatpersonen auf der Welt (in absoluten Werten zusammen genommen bei weitem die größte) und haben eine relativ verschwindend kleine Sparquote (im Vergleich zu anderen Industrieländern). Das alles macht die USA trotz ihrer herausragenden Stellung zu einem „Koloss auf tönernen Füßen“.

    USA: Arbeitsloser Akademiker, Ende November 2008

    Denn gerade die herausragende Stellung führt ja dazu, dass bis zum Dollar-Crash die Dollars und Dollar-Bonds gekauft werden und dann im Moment des Zusammenbruchs des Dollars eine Menge Staaten und Unternehmen und Einzelpersonen mit ihren wertlosen Dollars dastehen und fast alles verloren haben. Dann wird, ausgelöst durch den Zusammenbruch des Dollars, die zweite Phase der Krise eingeläutet werden, die vermutlich noch weit tiefgreifendere Auswirkungen haben wird als die erste Phase, die wir jetzt langsam zu spüren bekommen.
Dollar Gasp
  • Zu 2. Länder wie Japan

    Dies umfasst die großen Industrieländer außer den USA. Von diesen haben (hatten) nur Japan und Deutschland ins Gewicht fallende Aussenhandelsüberschüsse. Dies wird nun, in der Krise, zu einer erhöhten Sensibilität gegenüber der Krise des Weltmarktes und damit zu zusätzlichen Einbrüchen in der Wirtschaft dieser beiden Länder führen. Nur ein Beispiel: Wenn sich die jetzige Verringerung der deutschen Exporte auch nur ohne weitere Beschleunigung fortsetzt, wird das deutsche BIP 2009 schon allein deshalb um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr fallen.

    Deutschland - München

    Alle diese Länder haben relativ starke Währungen (den Euro, das Pfund und den Yen) und sie haben (mit Ausnahme des UK) eine hohe Sparquote der Bevölkerung (im Gegensatz zur USA), was automatisch zu einem „Verbraten“ von Erspartem in der Krise führt und die Auswirkungen der Krise vermindert.

    Unter diesen Ländern ist vor allem das Vereinigte Königreich (UK) auch von einer starken Immobilienkrise betroffen und hat ähnlich wie die USA eine geringe Sparquote, was nicht auf Deutschland zutrifft und besondere Schwierigkeiten für das UK bedeuten wird, sich aus der Krise herauszuarbeiten. Auch diese Länder haben wie die USA einen gesättigten Binnenmarkt, also schlechte Bedingungen für seine leichte Belebung. Alle sind nur begrenzt von Importen abhängig, haben keine hohen Aussenhandelsdefizite, (noch) keine hohen Haushaltsdefizite und keine aus dem Steuer gelaufene Staatsverschuldung, werden also Konjunkturmassnahmen in erheblichen Umfang anwenden können, wenn sie wollen (was offenbar für die Bundesregierung nicht zutrifft, sehr wohl aber auf Japan).

    Northern Rock Pleite

    Sie werden also voraussichtlich keinen Zusammenbruch der Währung und keinen Staatsbankrott erleben wie die USA, werden aber Jahre brauchen, um sich aus der Krise herauszuarbeiten. Speziell Japan, das UK und Deutschland haben ihren Staatsschatz im wesentlichen in Dollar angelegt und werden deshalb besonders unter dem Dollar-Crash zu leiden haben. Natürlich könnten die Regierungen dieser Länder sich rechtzeitig von den Dollars trennen, aber deren Nibelungentreue zu den USA ist Legende und sie werden das wohl nicht tun. Man kann also vorhersagen, gerade Frankreich und Italien werden am wenigsten schwere Auswirkungen der Krise erleben, speziell, wenn sie nicht den Fehler machen, den „sicheren Hafen“ Dollar anzusteuern.
  • Zu 3: China, evtl auch Indien (zu Indien liegen nicht genügend statistische Zahlen vor, um das einschätzen zu können)

    Wirtschaftsmacht China 1

    China wird neben den USA einer der Hauptgeschädigten dieser Krise sein. Die Politik der Neu-Kapitalistischen Führer, die auf Aufkaufen von Dollars und Dollar-Bonds beruhte, um eine günstige Parität der chinesischen Währung sicherzustellen und fast die ganze Wirtschaft auf Exporten hauptsächlich in die USA und andere Industrieländer auszurichten, wird sich nun als gigantische Fehlspekulation erweisen. Die Exporte in die USA beginnen bereits steil abzustürzen und in einem bestimmten Moment wird man aufhören müssen, alle ausgegebenen Dollar-Bonds zu kaufen. Das wird der Auslöser des Dollar-Crashes sein. Damit wird Chinas Staatsschatz innerhalb kurzer Zeit zu fast nichts werden und das kann auch zum Zusammenbruch der chinesischen Währung führen. Es ist kaum vorstellbar, dass das tiefe Loch, in das man dann fallen wird, nicht zu riesigen Aufständen und letztlich erneut zur sozialistischen Revolution in China führen wird, denn das chinesische Volk hat ja die Zeit des Sozialismus nicht vergessen. Der gewaltige Binnenmarkt Chinas ist zwar nicht gesättigt, aber man kann schon vorhersehen, die reaktionären Führer haben nichts mit Mindesteinkommen, Hilfe für die Armen und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder mit staatlichen Investitionen in riesigem Umfang am Hut und so wird eben auch der Binnenmarkt zusammenbrechen im gleichem Masse, wie die Arbeitsplätze für den Export verschwinden werden. Der Dollar-Crash - wann auch immer er genau stattfinden wird – wird eine zweite, neue Welle von Arbeitslosgleit und Elend über das chinesische Volk bringen, das sich spätestens dann sicherlich der Erfahrungen aus der Kulturrevolution erinnern wird.
Wirtschaftsmacht China
  • Zu 4: Länder vom Typ Brasilien (ob auch Russland und eventuell auch Indien mit zu dieser Kategorie gehören wird, kann nicht beurteilt werden, es liegen fast keine Daten vor)

    Brasilien (topographisch)

    Mit Brasilien hat man ein Land vor sich, das nicht mehr die drei wesentlichen wirtschaftlichen Übel aller Entwicklungsländer in ausgeprägter Form hat, nämlich erstens die fehlende nationale Industrie, zweitens die fehlende Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln und drittens die Abhängigkeit der Wirtschaft von Rohstoff-Exporten. Deshalb wird dieses Land zu den „emerging countries“ gezählt. Zwar gibt es immer noch große Rohstoff-Exporte aus Brasilien, vor allem Eisenerz, Sojaschrot und Sojabohnen, Gold, Edelsteine, Fleisch sowie Kaffeebohnen und Kakao-(Schokolade-) Masse, aber in zunehmenden Ausmaß hat es Brasilien schon geschafft, auch Halbfertigprodukte oder Fertigprodukte zu exportieren, darunter Autos (vor allem von Fiat), Autoteile, Stahlhalbzeug, Stahlbrammen, Sojaöl, Schmuckstücke, Kunsthandwerk, verarbeitetes Fleisch, Orangensaft und Papierprodukte. Zwar ist die wesentliche Industrie in ausländischen Händen, aber auch die nationale Industrie spielt eine bedeutende Rolle, so u.a. die Minengesellschaft Vale, der zweitgrößte internationale Minenkonzern und die größte Gesellschaft Lateinamerikas, die halbstaatliche Petrobras, die bereits die Selbstversorgung Brasiliens mit Erdöl sicherstellt, das zweitgrößte lateinamerikanische Unternehmen ist und weitere große neue Ölvorkommen vor der brasilianischen Küste gefunden hat und die CSN und Usiminas, große Stahlhersteller in brasilianischer Hand.

    Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

    Auch die Nahrungsmittelversorgung Brasiliens ist nicht generell von Importen ahängig. Zwar werden bestimmte Produkte eingeführt, wie zum Beispiel Weizen, aber dafür werden weit grössere Mengen an Nahrungsmitteln ausgeführt – so ist Brasilien z.B. der größte weltweite Exporteur von Fleisch und Soja-Produkten.

    Brasilien hat eine extrem geringe Quote von Kauf auf Kredit (weil die Kreditzinsen irrwitzig hoch sind), weit geringer als die anderen hier verglichenen Länder und ist damit nicht von einer Welle platzender Kredite bedroht, die eine der wesentlichen Gründe für die Einbrüche im Konsum in den USA wie auch in Grossbritannien ist. Der Binnenmarkt Brasiliens ist nicht gesättigt. Bereits kleine Anreize können zu großen Ergebnissen führen, denn ein wesentlicher Teil der Bevölkerung lebt in Armut. Jegliches Geld, das bereitgestellt wird, geht sofort in den Kreislauf.

    Chávez und Lula

    Die Regierung Lula hat mit einer gezielten Injektion von viel Geld zu den armen Bevölkerungsschichten, vor allem das Programm „Bolsa Familia“ (Familien-Stipendium) und das massive Erhöhen des Mindestlohns Jahr für Jahr sowie der Erhöhung der Einkommen der Staatsbediensteten in den letzten Jahren den brasilianischen Binnenmarkt gestützt und Brasilien somit weniger abhängig von der Weltwirtschaft gemacht.

    Allerdings hat Brasilien eine schwache Währung. Bereits in den ersten Tagen der Finanzkrise stieg der Wert des Dollars von 1,57 auf 2,35 brasilianische Reais. Das entscheidende aber ist, etwa 65 - 70% des BIP Brasiliens ist interner Konsum. Das bedeutet, Brasilien ist eines der Länder mit der geringsten Aussenabhängigkeit auf der Welt. Auch wenn, wie zu erwarten, die Exporte zurückgehen und die Importe durch die spekulativ begründete Dollar-Hausse teurer werden, kann wahrscheinlich das Eintreten in die Wirtschaftskrise verhindert werden – jedenfalls bis zum Dollar-Crash. Was danach ist, lässt sich praktisch nicht vorhersagen.
  • Zu 5. Entwicklungsländer (Beispiele: Nigeria, Indonesien) Die Bevölkerung in den Entwicklungsländern wird wohl am schlimmsten unter den Krisenauswirkungen leiden müssen. Sie sind durch die drei oben schon genannten Übel gekennzeichnet (fehlende nationale Industrie, Abhängigkeit von Lebensmitteleinfuhren und Rohstoff-Ausfuhren). Das vierte und wesentliche Übel in allen diesen Ländern ist aber die jeweilige herrschende Klasse, die dort überall in Saus und Braus lebt und meistens eng mit bestimmten Imperialisten verbunden ist. Viele von ihnen sind noch Grossgrundbesitzer wie in den entwickelten Ländern zu Zeiten des Feudalismus und/oder profitieren von den Rohstoff-Ausfuhren.

    Die Rohstoffpreise haben bereits begonnen, ins Nichts zu fallen und das wird diese Länder besonders treffen. In vielen Fällen werden die Lebensmittelimporte nicht mehr ausreichen und Hunger und Not werden sich noch weiter verbreiten als jetzt schon. Die lokalen Herrschenden werden ihre Mindereinnahmen durch verstärkte Ausbeutung der eigenen Bevölkerung versuchen zu kompensieren.

    Dadurch wird aber Widerspruch zwischen den Herschenden und dem Volk noch weiter auf die Spitze getrieben und es besteht die Chance, dass sich revolutionäre Unrast ausbreitet, wie dies bereits in Lateinamerika der Fall ist.
Bleibt die Frage, wie lange es bis zum Dollar-Crash dauert. Das kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden, denn das hängt von Spekulanten ab. Eventuell kann es Jahre dauern, weil die Gläubiger-Staaten und die Spekulanten ein Interesse an der Stärke des Dollars haben. Trotzdem: Alles hat ein objektves Limit.

Voraussichtlich wird sich die erste Phase der Krise, vor dem Dollar-Crash, also Jahre hinziehen. Diese Phase wird wahrscheinlich von einer Deflation geprägt sein, wie sie sich jetzt bereits andeutet: Im Dezember war der Preisindex in den USA bereits geringfügig rückläufig. Solange aber die Deflationsphase andauert, gibt es auch keinen Ausgang aus der Krise. Wenn man aber durch Gelddrucken (Ausgabe von Staatstiteln) die Inflation anheizt, wird man in den Strudel des Dollar-Crash gezogen: Wie es bereits Marx vorausgesagt hat: Der Kapitalismus hat keinen Ausweg, er ist zum Untergang verurteilt.

Karl Marx

Allerdings hat der subjektive Faktor, das Klassenbewusstsein der Arbeiter und kleinen Angestellten, nicht mit der objektiven Entwicklung Schritt gehalten. Noch hoffen die meisten auf einen Ausweg innerhalb des Kapitalismus oder einen „Dritten Weg“, aber den gibt es nicht.

Dass die ersten Versuche, einen Sozialismus zu schaffen, am Ende gescheitert sind, bremst die Entwicklung des Bewusstseins der Notwendigkeit der sozialistischen Revolution. Allerdings lehrt die Geschichte, dass alle großen neuen Errungenschaften am Anfang Rückschläge erlebten.

Jetzt, am Anfang der Krise, ist sogar die Ängstlichkeit angesichts der Bedrohungen überwiegend. Wenn aber die ersten Kämpfe gegen das Abwälzen der Krisenlasten auf den „kleinen Mann“ erfolgreich waren, werden viele aufwachen und sehen, es geht nicht ohne Kampf.

Spätestens mit dem Dollar-Crash wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Sprung im Klassenbewusstsein weltweit einsetzen und die Massen werden aktiv nach einer Alternative suchen. Dann ist der Moment einer revolutionären Situation weltweit nicht mehr weit.


Veröffentlicht am 26. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 22. Januar 2009

Zwangsprostitution durch Hartz IV

Sie glauben es nicht – und doch ist es wahr

Von Karl Weiss

Die „Arbeitsgruppe Sanktionen“ der Berliner Kampagne gegen Hartz IV hat eine Broschüre veröffentlicht, in der sie die Theorie und Praxis von Sanktionen gegen Hartz-IV-Geschädigte darstellt und 10 konkrete Fälle von Sanktionen gegen Hartz-IV-Geschädigte dokumentiert, die alles bisher Bekannte bestätigen, zum Teil sogar noch in den Schatten stellen. Sanktionen bedeutet teilweises oder vollständiges Streichen der sowieso schon nicht ausreichenden Regelsatzes des Arbeitslosengeld 2 (ALG2) von 351,- Euro.

Die Broschüre kann auf dieser Site der Kampagne heruntergeladen oder bestellt werden: http://www.hartzkampagne.de/html/themen/themen_text_2.php?zid=173

Die in der Broschüre dargestellte Sanktionspraxis ist das, was man schon von den Sozialämtern und ARGEs (Arbeitsgemeinschaften zwischen Arbeitsagentur und Kommunen bzw. Landkreisen) gewohnt ist: Schikanen, böswilliges „Überhören“ der Argumente des Geschädigten, böswilliges Nicht-Erklären der Entscheidungen, böswilliges Nicht-Reden mit dem Geschädigten, einfach Einstellen der Zahlung ohne Erklärung, rechtswidrige Beschlüsse, aggressive und menschenunwürdige Behandlung, zynische, abwertende Stellungnahmen usw. usw.

Doch in einigen der beschriebenen Fällen wird auch dieses bereits haarsträubende Niveau der Ämter noch bei weitem übertroffen, z.B. in dem Fall, in dem ein Ehepaar, das schwer krank ist, mit andauernden Zuweisungen von Arbeit und Ein-Euro-Jobs bombardiert wird, obwohl sie krank geschrieben sind. Es wird in jedem Einzelfall mit Sanktionen gedroht, obwohl die Krankschreibung vorliegt und die ARGE sich auch nicht die Mühe gemacht hat, Gutachten über die Krankheiten anfertigen zu lassen.

Der absolute Höhepunkt der schröderschen und hartzschen und SPD- und CDU/CSU- und Grünen- und FDP-Zumutung ist aber der Fall von Frau Verena Storm (Name geändert) und ihrem neunjährigen Sohn, die von der Berliner ARGE (das ist besonders interessant, denn dort ist auch die Linkspartei mitverantwortlich) zur Zwangsprostitution verdonnert werden sollte.

Die Linke 2008

Frau Storm hatte Prostitution als Nebenbeschäftigung angeben und auch Erklärungen über Einnahmen dieses „Nebenjobs“ abgegeben, die ihre Auszahlung von Hartz IV verringerten. Sie zog dies dem ständigen „Einberufen-Werden“ zu Ein-Euro-Jobs vor, weil sie so wenigstens ein wenig Geld verdienen konnte.

Dann aber gab sie diesen Neben-Job auf und teilte dies auch der zuständigen Sachbearbeiterin mit. Die Sachbearbeiterin legte ihr trotzdem eine „Eingliederungsvereinbarung“ vor, in der schriftlich festgehalten wurde, sie würde weiterhin diesem Neben-Job nachgehen. Sie verwahrte sich dagegen, sagte, sie mache das nicht mehr, doch die Sachbearbeiterin behauptete, sie könne eine Sanktion verhängen, wenn sie nicht unterschriebe. Da unterschrieb Frau Storm und war nun zu Zwangsprostitution verurteilt. Sie ging aber trotzdem diesem Erwerb nicht nach und bekam erneut die Androhung einer Sanktion, weil sie nun keine Aufstellung ihres Einkommens aus dem Nebenjob mehr vorlegte, da sie ihm ja nicht mehr nachging.

Obwohl Frau Storm wieder und wieder vorbrachte, sie könne nicht zu Prostitution gezwungen werden, dekretierte man die Sanktion (Kürzung des ALG 2) gegen sie. Auch die Vorgesetzten der Sachbearbeiterin mussten nun wegen der Widersprüche von Frau Storm von der Sachlage wissen, doch Niemand schritt dagegen ein.

Damit hat Frau Merkel einen einmaligen Rekord für deutsche Kanzler aufgestellt: Sie ist die oberste Verantwortliche für Zwangsprostitution.

Regierungsbank

Diese Regierung muss weg, diese Kanzlerin muss weg und Hartz IV muss weg!


Veröffentlicht am 22. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 20. Januar 2009

Gewinner in Hessen? - Wo?

Es wird geschwindelt, dass es eine Art hat

Von Karl Weiss

Das Wahlergebnis in Hessen ist nicht, wie allenthalben behauptet, sehr hessen-spezifisch. Es reiht sich vielmehr nahtlos in alle Trends der letzten Wahlergebnisse ein. Der Haupttrend ist der Linkstrend, der sich hauptsächlich in der niedrigen Wahlbeteiligung, aber auch in der erneuten Wahl der Linkspartei in einem-West-Flächenstaat ausdrückt. Die angeblichen Sieger, wie die CDU mit Koch, sind in Wirklichkeit die Verlierer wie schon bei der Hessenwahl 2008.

Roland Koch

Wie üblich, wird nur in relativen Prozentzahlen der abgegebenen Stimmen argumentiert, so als ob es keinerlei Rolle spielen würde, dass die Zahl der Stimmen, die auf eine Partei fällt, das ausschlaggebende Ergebnis ist. Das ist reiner Schwindel!

Mit fast genau 61% Wahlbeteiligung ist ein Tiefpunkt in Landtagswahlen erreicht worden. Das als Sieg für die etablierten Parteien auszugeben, ist schon etwas kühn. Sowohl SPD als auch die CDU haben Stimmen verloren, so sieht kein Sieger aus. Die CDU hat Wählerstimmen verloren, hatte aber ihren Haupteinbruch schon bei den 08-Wahlen, konnte also nur schwerlich bereits im darauffolgenden Jahr erneut eine weitere Riesenpleite erleben. So schnell schießen auch die Hessen nicht.

Die SPD hatte bei den Wahlen im letzten Jahr kein so absolutes Desaster erlebt wie bereits bei anderen Wahlen, weil viele gegen Koch gestimmt hatten, um ihn für seine Ausländerhetze abzustrafen. Nun hat sie das eigentlich schon bei jenen Wahlen fällige Ergebnis nachgeholt – der freie Fall der Wählerstimmen für die SPD setzt sich insgesamt ungebremst fort und ist sogar noch stärker als bei der CDU – in Hessen, einem typische SPD-Bundesland, nähert man sich der 20%-Grenze der abgegebenen Stimmen! Das hat offensichtlich kaum etwas mit Frau Ypsilanti oder Herrn Schäfer-Gümbel zu tun, sondern ist der generelle Trend gegen die Parteien an der Regierung.

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Noch letztes Jahr erhielt die SPD in Hessen fast genau 1 Million Stimmen, jetzt nur noch etwa 600 000 – sie hat 40% ihrer Wähler verloren – und das war bereits ein sehr niedriges Ergebnis, mit dem hier verglichen wird, für die SPD in Hessen!

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Auch die FDP und die Grünen feiern sich als Sieger, weil sie tatsächlich mehr Stimmen bekommen haben als vorher. Aber das ist nichts als der Oppositions-Bonus. Sobald einer von ihnen oder gar beide in die Regierung eintreten, werden sie das alles wieder verlieren.

Auch die Linke blieb fast bei ihrem Stimmergebnis, was eine leichte Zunahme in Prozenten (0,3%) wegen der gefallenen Wahlbeteiligung bedeutet.

Kurz: Das Ergebnis spiegelt fast jenes Ergebnis wieder, das es bereits im letzten Jahr gegeben hätte, wäre nicht der Sonderfaktor mit der Ausländerhetze damals dazugekommen.

Bemerkenswert, dass die Wahlbeteiligung in wenigen Monaten noch einmal deutlich um mehr als 3% abgefallen ist.

Sieht man sich die Prozentzahlen der Wahlberechtigten und nicht der abgegebenen Stimmen an, so hat man einen Eindruck, was die Deutschen (nicht nur in Hessen) von den etablierten Parteien halten.

Die CDU: 37,2% * 61% = 23% der Wahlberechtigten!
Die SPD: 23,7% *61% = 14% der Wahlberechtigten!
Die FDP: 16,2% * 61% = 10% der Wahlberechtigten!
Die Grünen: 13,7% *61% = 8% der Wahlberechtigten!

Das ist die wirkliche „Beliebtheit“ der Systemparteien!

Die beiden Regierungspartner der Großen Koalition erreichen zusammen (!) gerade mal 37% der Stimmen der Wahlberechtigten.

In einer wirklichen Demokratie wären alle diese Herrschaften abgewählt. Nur die spezifischen Wahlbestimmungen und eine gehörige Portion Ignoranz führt dazu, dass da Regierungskoalitionen geschmiedet werden, anstatt endlich von der Bühne abzutreten.


Veröffentlicht am 20. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 19. Januar 2009

Gezielt die Bevölkerung verarmen und vereinzeln

Will Große Koalition am Wohngeld sparen?

Von Karl Weiss

Im Bundestag wurde still und heimlich schon vor einiger Zeit ein Gesetzentwurf von der Großen Koalition eingebracht, der den Bewohnern von Wohngemeinschaften nicht mehr zugesteht, Wohngeld entsprechend ihrem tatsächlichen Anteil an der Miete zu bekommen. Nirgends in Presse, Funk oder Fernsehen wurde darüber berichtet. Offenbar will man hier einen weiteren Beitrag zum Verarmen und Vereinzeln der Bevölkerung klammheimlich durchziehen.

Weg mit Hartz IV

Im Fall eines Wohngeldanspruchs von Wohngemeinschaftsmitgliedern soll geprüft werden, wer noch in der Wohngemeinschaft wohnt und nur dann Wohngeld gezahlt werden, wenn keine Person mit höherem Einkommen in der Wohngemeinschaft gefunden wird, der man einfach das Bezahlen der Miete oder des größten Teils der Miete auferlegt.

Oder mit anderen Worten: Alle Wohngemeinschaften, in denen einer dort wohnenden Anspruch auf Wohngeld hat, hätten nicht mehr die Freiheit, die Miete zu gleichen Teilen zu bezahlen oder nach einen anderen Modus, der von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft festgelegt wird, sondern müssen die Miete unter den Mitgliedern ohne Wohngeldanspruch aufteilen. Erst wenn dann noch etwas für denjenigen zu zahlen übrig bleibt, der Wohngeldanspruch hat, kann dieser (verringerte) Wohngeldanspruch greifen, wenn dies Gesetz durchkommt.

Was bedeutet das in der Praxis? Niemand wird mehr mit jemand eine Wohngemeinschaft bilden wollen, der Wohngeldanspruch hat, denn dann müsste man ja überproportional zahlen. In bestehenden Wohngemeinschaften werden wohl solche Mitglieder mit Wohngeldanspruch hinausgeworfen. In der Praxis wird also die Zahl der Wohngemeinschaften deutlich sinken. Das dürfte beabsichtigt sein.

Wer Wohngeldanspruch hat, wird fast automatisch dazu verurteilt sein, allein in einer 1-Zimmer-Wohnung oder ‚kitchenete‘ zu leben.

Die Große Koalition sagt sich – und damit hat sie wohl Recht -: Wer sozial isoliert ist, vereinzelt, wird sich weniger wahrscheinlich gegen die Verarmungspolitik der Regierung auflehnen.

>>Also lasst uns die Menschen vereinzeln, in Kleinstwohnungen separieren!<<

Das gleiche war ja schon vorher bei Hartz IV gemacht worden: Lebt jemand, der Hartz-IV-Geschädigter ist, mit jemand zusammen, sei es ein Partner, sei es ein Verwandter, sei es einfach der Hauptmieter, wenn er in Untermiete wohnt,, muss sich der Andere immer darauf gefasst machen, mit Fragebögen über persönliche Verhältnisse, Einkommen usw. ausgeforscht zu werden, denn man geht davon aus: Wer mit Hartz-IV-Geschädigten zusammenlebt, hat deren Unterhalt zu bestreiten, so dass derjenige kein Arbeitslosengeld 2 (ALG 2) mehr bekommt oder es gekürzt bekommt.

Auch dies hatte bereits dazu geführt, dass viele Hartz-IV-Geschädigten auseinandergezogen und in Kleinstwohnungen umgezogen sind, um ihren ALG -2-Anspruch nicht zu verlieren. Sie mussten sich dann von den Politikern der herrschenden Kaste auch noch anhören, sie würden betrügen!

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Das gleiche wird nun auch für alle gelten, die Wohngeldanspruch haben (weil sie wenig verdienen und hohe Mietkosten haben), wenn dies Gesetz verabschiedet wird.

Das ist besonders interessant, denn die verkommene Politikerkaste nimmt dabei bewusst in Kauf, mehr bezahlen zu müssen. Es ist offensichtlich: Wollte man die Kosten von Hartz IV verringern, würde man, ganz im Gegenteil, das Zusammenleben in größeren Wohnungen und Wohngemeinschaften fördern, denn dann fallen für jeden Einzelnen bekanntermaßen weniger Mietkosten an. Wenn alle Hartz-IV-geschädigten und Wohngeldberechtigten in Winz-Wohnungen vereinzelt werden, kostet das den Staat mehr ALG 2 und mehr Wohngeld. Aber wir hams ja.

Elmar auf Stuttgarter Modemo Jan 06, Polizeifahrzeuge

Hier wird einmal mehr klar: Es ging bei Hartz IV nie um Einsparungen, ganz im Gegenteil. Hartz IV kommt weit teurer als vorher das Arbeitslosengeld. Man bezahlt dafür, dass die Menschen immer hoffnungsloser werden, denn dann werden sie seltener aufbegehren, dass die Menschen vereinsamt werden, in kleine 1-Zimmerwohnungen gezwungen werden, denn man hofft, so die sozialen Kontakte zu verringern und damit das Rebellions-Potential.

Hartz-Protest 02

So rechnet das Politiker-Pack: Mehr zahlen, macht nichts, Hauptsache die Menschen schließen sich nicht zusammen und gehen nicht auf die Straße.

Darum kann jedem in Hartz IV oder mit Wohngeldanspruch nur geraten werden: Geh zu den Montagsdemos, wehre dich gemeinsam mit anderen!


Veröffentlicht am 19. Januar 2008 in der Berliner Umschau

Karl Weiss - Journalismus

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