Ein Dorf ist schon energie-autark
Von Elmar Getto
Hier stelle ich einen weiteren, wichtigen Artikel von Elmar Getto in den Blog, den über das Energiedorf Jühnde. Er wurde am 3. November 2005 in der "Berliner Umschau", damals noch "Rbi-aktuell", veröffentlicht.
Während andere reden, hat man in Jühnde in Niedersachsen gehandelt. Statt über Verlängerung der unendliche Probleme schaffenden Atomkraft zu reden hat der Ort auf Biomasse-Energie gesetzt und Pflöcke eingeschlagen. Heute können sich alle Einwohner zum Heizölpreis von 2002 mit Heizung versorgen. Das Äquivalent zu einem Liter Heizöl kostet für sie 35 Cent.
Daß die Energiepreise so ansteigen würden, so meint der Bürgermeister, war vorauszusehen. Aber sie haben sich von diesem Trend abgekoppelt.
Die Biogasanlage des Dorfes in Südniedersachsen produziert etwa 4 Millionen Kilowattstunden Strom, das ist doppelt soviel wie im Ort verbraucht werden. Der Rest wird in das Netz eingespeist und bessert die Gemeinschaftskasse auf. Mit Strom-Wärmekopplung, dem bei weiten effektivsten Verfahren, wird die Heizung für alle Häuser des Dorfes sichergestellt.
Die Landwirte des Dorfes haben jetzt eine langfristige Perspektive und hängen nicht mehr vollständig von EU-Subventionen ab. Auf 15% der Anbaufläche dort werden Raps, Sonnenblumen und Mais angepflanzt, aus denen Energie gewonnen wird. Damit geht das Geld, das für Strom und Heizung verbraucht wird, nicht mehr an Energiekonzerne und ins Ausland, sondern bietet der heimischen Landwirtschaft Sicherheit.
Alle drei Feldfrüchte werden schon geerntet, wenn sie noch grün sind. Dadurch kann man zwei Ernten im Jahr einbringen. Die vermischte Masse der grünen Pflanzen läßt man zunächst angären, um sie zu konservieren (indem man Alkohol entstehen läßt). Wird Energie gebraucht, vermischt man alles mit der Gülle des Viehs. Bakterien zersetzen das Ganze dann zu Methan, das im Blockheizkraftwerk verbrannt wird.
Die Kosten von etwa 5 Millionen Euro für die Anlage wurde durch die Bewohner aufgebracht, die jeweils 2500 Euro pro Haushalt zu blechen hatten (2000 Haushalte). Das Energieprojekt ist als Genossenschaft organisiert und 1500 Euro von den 2500 sind die Genosseneinlage. Die anderen Tausend Euro mußten für den Anschluß ans Wärmenetz aufgebracht werden. Daß die Jühnder heute nur etwa die Hälfte des geplagten Verbrauchers anderswo in Deutschland für Heizung aufbringen müssen, liegt am Verkauf des zusätzlich erzeugten Stroms: Jährlich nimmt die Genossenschaft etwa 680 Tausend Euro dadurch ein. 17 Cent pro eingespeister Kilowattstunde machens möglich.
Die Einsparung wäre sogar noch größer, wenn ein Teil der Anlage und der Anschlüsse für jedes Haus nicht mit Krediten hätte finanziert werden müssen. Die Zahlen sich aber nun selbst zurück - und lasten nicht auf Einzelfamilien, sondern der ganzen Genossenschaft.
Und - das ist eigentlich der wichtigste Fortschritt, auch wenn den Bewohnern die billige Heizenergie viel wichtiger ist - der Ausstoß von zusätzlichen Kohlendioxid als Treibhausgas, das zur globalen Umweltkatastrophe beiträgt, wurde weitgehend verhindert, denn Biomasse nimmt beim Wachsen der Pflanzen das CO2 aus der Athmosphäre, das später beim Verbrennen wieder ausgestoßen wird.
Die Jühnder haben auch noch herausgefunden, wie sie noch zusätzlich Energie gewinnen können. Das eingesammelte Restholz aus den umliegenden Wäldern wird in einem Schnitzelwerk kleingeschlagen und der appetitlichen Planzen-Gülle-Soße beigemischt, was weitere Kilowattstunden bringt.
Jühnde wird bereits laufend von Delegationen aus aller Herren Länder besucht, die studieren, wie man zu spottbilliger Energie kommt. Warum noch niemand das Erfolgsrezept nachgeahmt hat? „Da müssen Sie die anderen fragen“ lacht der Bürgermeister.
Hier haben wir ein weiteres Beispiel, wie man, ohne Profite für Monopolkonzerne produzieren zu müssen, die Probleme lösen kann, in diesem Fall das der Energie. Es ist offensichtlich, daß wir in Zukunft, im echten Sozialismus, tausendfach solche und ähnliche Initiativen ergreifen werden, denn dann werden die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen, nicht mehr die Profite der Konzerne und die Prostituiertenreisen der Chefetagen.
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