Klimakatastrophe: IPCC - Report klammert entscheidende Frage aus
Von Karl Weiss
Das war also der große Tag: Am 1. Februar wurde der erste Teil des IPCC-Reports von der UNO vorgelegt, der nun endgültig Auskunft über die Zukunft des Klimas und den Übergang in die Klimakatastrophe geben sollte.
Die einzelnen Vorhersagen sind denn auch furchterregend, wenn man sie zu deuten weiß, aber auf die entscheidende Frage wurde keine Antwort gegeben, nicht einmal die Frage als solche erwähnt: Bis wann hat die Menschheit noch Zeit, die Verbrennung fossiler Energieträger zu stoppen, bevor die globale Erwärmung durch die selbstverstärkenden Effekte nicht mehr zu bremsen sein wird, geschweige denn umgekehrt werden kann?
Die Vorhersage einer Erderwärmung von zwischen 4 und 5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts (eine genauere Zahl mit Kommastellen hinter der 4 ist Unsinn) ist in mehrerer Hinsicht ungenügend. Zum einen muss diese Zahl interpretiert werden, sonst hat ein unbedarfter Beobachter den Eindruck, es handele sich lediglich um geringfügig höhere Temperaturen, was eventuell sogar angenehm sein könnte. Zum anderen ist damit nichts ausgesagt, wie schnell am Ende des Jahrhunderts die Durchschnittstemperaturen weiter steigen werden. Wennn zum Beispiel 10 Jahre später bereits weitere 5 Grad Erwärmung erreicht sind, sagen diese Zahlen nichts aus.
Es ist bezeichnend für die Berichterstattung der bürgerlichen Medien, dass lediglich diese Nummer genannt wurde (zusammen mit 50 cm Merresspiegel-Anstieg), ohne deren Bedeutung klar zu machen. Das ist schlichte Desinformation.
Außerdem hat der Report offenbar nicht die mit der Erhöhung der weltweiten Temperaturen einsetzenden selbstverstärkenden Effekte der Erwärmung erwähnt, aus Gründen, die noch zu klären sein werden.
Ebenso hat er Zahlen für den Anstieg des Meeresspiegels vorgelegt, die völlig überholt sind. Es liegen schon neue, weit höhere Zahlen vor. Auch in diesem Fall wäre zu klären, warum.
Es ist zu vermuten, die Regierung der USA, die ja in der UNO das Sagen hat, machte ihren Einfluss geltend, um bestimmte Themen im Report nicht zu erwähnen und andere mit veralteten Zahlen.
So sind denn die bürgerlichen Medien auch schon wieder zur Tagesordnung übergegangen. Es werden Artikel veröffentlicht, die spekulieren über ein Europa mit ein paar zusätzlichen Graden, und suggerieren, dies sei die einzige Veränderung, die der „Klimawandel“, wie sie die beginnende Klimakatastrophe nennen, mit sich brächte.
Es ist charakteristisch: Wenige Tage nach der Veröffentlichung wurde der sowieso schon ungenügende Grenzwert für Autoabgase von der EU-Kommission auf Betreiben der deutschen Auto-Konzerne und – beflissene Dienerin – Frau Merkel aufgeweicht.
"Business as usual – Alarm abblasen – lediglich ein paar Grad mehr und ein paar Zentimeter mehr Meeresspiegel. Und das in 100 Jahren, wenn wir alle nicht mehr am Leben sind. Unsere Kinder und Kindeskinder? Sollen sie doch selbst damit fertig werden." Diese Haltung wird nahegelegt.
In Wirklichkeit bedeuten etwa 5 Grad weltweite Erwärmung eine grundlegende Veränderung aller klimatischen Vorgänge auf der Erde. Die tiefste Eiszeit, die es bisher auf der Erde gab, hatte weniger als 5 Grad Unterschied zu den heutigen Temperaturen. Die heißeste Epoche der Erde, das war zur Zeit der Dinosaurier, bedeutete weniger als 5 Grad Unterschied zu heutigen Temperaturen. 5 Grad bedeuten also das bei weitem extremste, was diese Erde je erlebt hat, seit sie bewohnt ist.
Zudem haben sich damals die Temperaturen um drei oder vier Grad im Laufe von Jahrtausenden verändert, heute reden wir von weniger als einem Jahrhundert.
Was an diesem Bild interessant ist (waagrechte Achse: Jahre; senkrechte Achse: weltweite Durchschnittstemperatur), ist die schwarze Linie rechts: Beobachtung. Die tatsächliche Temperaturentwicklung geht völlig aus dem bisherigen Schema heraus.
Aber abgesehen von all diesen Fragen wurde weder im Report noch in der Berichterstattung der bürgerlichen Medien darüber die entscheidende Frage aufgeworfen: Wie viel Zeit bleibt noch, bis die Entwicklung zur Klimakatastrophe unaufhaltbar ist?
Sich selbst verstärkende Effekte
Die globale Erwärmung hat nämlich einen furchterregenden Nebeneffekt: Die sich selbst verstärkenden Entwicklungen. Hier seien die wesentlichen davon aufgezählt:
1. In den Tundren des Permafrost – das ist im wesentlichen der ganze Norden Kanadas und Russlands – sind ungeheure Mengen von Kohlendioxid und Methan eingefroren. In dem Maße, wie der Permafrostboden auftaut, werden diese Mengen von Treibhausgasen zusätzlich freigesetzt.
2. Die Eiskappen, hauptsächlich an den Polen und in der Nähe der Pole, haben einen intensiven Effekt der Reflexion von Licht- und Wärmestrahlen. In dem Maße, wie sie wegschmelzen und sich verkleinern, werden zusätzliche von der Sonne kommende Energiemengen an der Erdoberfläche absorbiert und beschleunigen die globale Erwärmung.
3. Der Anstieg von Kohlendioxid in der Atmosphäre führt zu einer fortschreitenden Versauerung der Meere. Dies wiederum verringert die Möglichkeit für kalkerzeugende Lebewesen (Muscheln, Korallen usw.), Kohlenstoff in Form von Kalk der Atmosphäre zu entziehen. Ebenso werden dadurch bereits abgelagerte Kalk-Sedimente (von abgestorbenen Lebewesen) im Wasser aufgelöst. Dies wiederum befreit zusätzliche Mengen von Kohlendioxid und verstärkt den Effekt der Versauerung usw.
4. Ein anderer wesentlicher Teil des Kohlenstoffs ist in der Substanz der Lebewesen auf der Erde enthalten, wobei die Pflanzen die entscheidende Menge ausmachen. Was die Pflanzen auf dem Festland angeht, so werden sie durch die Ausbreitung und Neuformation von Wüsten und Steppen, durch fortschreitende Erosion durch die Wolkenbrüche, durch das Fortschwemmen fruchtbaren Humus, ganz abgesehen vom ungebändigten Abbrennen und Abholzen, in der Gesamtmasse verringert. Der Kohlenstoff, der ihre Masse ausmachte, wird dann in Form von Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre übergehen und einen Teufelskreis von ständig extremeren Klimasituationen, ständig weniger Pflanzen und ständig mehr Treibhausgasen in Gang setzen
5. Der andere, von der Masse her sogar grössere, Teil der Pflanzen ist in den Meeren in Form der Algen vorhanden. Zu Beginn der Entwicklung (das dürfte heute noch der Fall sein) stellen sie einen „Puffer“ dar, verlangsamen den Anstieg der Temperaturen und des Gehaltes an Kohlendioxid in der Luft, weil sie, begünstigt durch die in die Meere geschwemmten Nährstoffe, wachsen und gedeihen. Damit entziehen sie für eine Zeit Kohlendioxid der Atmosphäre, wandeln es in Pflanzensubstanz um und verlangsamen die Entwicklung zur Klimakatastrophe.
Allerdings können Algen nur in den obersten Wasserschichten der Weltmeere leben, weil sie Sonnenlicht brauchen. Damit ist dieser Effekt sichtlich begrenzt. Ist die Grenze der „Pufferfähigkeit“ erreicht, wird ein katastrophaler Umkehreffekt eintreten. Die absterbenden Algen aus dem übermäßigen Algenwachstum werden den Sauerstoff der oberen Wasserschichten des Meeres verbrauchen und bei dieser Verwesung ihren Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid und Methan freigeben. Ist der Sauerstoff dort verbraucht, kippen diese Meeresgebiete um. Es können dort keine Algen mehr wachsen, denn die brauchen Sauerstoff – auch alle anderen Meereslebewesen in den oberen Schichten werden vernichtet, denn auch sie brauchen Sauerstoff (abgesehen von den anaeroben Bakterien). Die absterbenden Algen und anderen Lebewesen werden in tiefere Wasserschichten sinken und den dort verbleibenden Sauerstoff verbrauchen. Soweit kein Sauerstoff mehr vorhanden ist, wird die Verwesung anaerob vor sich gehen, das heißt, es wird Methan produziert, ein Treibhausgas noch weit stärker als Kohlendioxid. Ist dieser Prozess in Gang gesetzt – das Absterben der Meere – werden innerhalb kürzester Zeit Mengen an Treibhausgasen freigesetzt, die es für einen Hintertreppenwitz erscheinen lassen werden, wie ein UNO-Report einmal von 5 Grad Erwärmung gesprochen hat, ohne die Weiterungen aufzuzeigen. Dann wird die Erwärmung in zig Graden gemessen. Das Überleben der Menschheit, wie wir sie kennen, ist dann unmöglich.
Nach allem, was wir heute wissen, können alle diese Entwicklungen noch aufgehalten werden, wenn jetzt sofort durchgreifende Maßnahmen zum Ersetzen von Energiegewinnung aus fossilen Stoffen durchgeführt werden.
So haben z.B. Brasilien und Schweden Programme aufgelegt, bis zum Jahr 2020 die fossilen Energiestoffe praktisch vollständig zu ersetzen bzw. einzusparen (allerdings hat die neue konservative schwedische Regierung schon durchblicken lassen, sie wird dies Programm so nicht umsetzen). In allen anderen Ländern sind noch nicht einmal ernst zu nehmende Ansätze vorhanden. Fast überall nur leere Absichtserklärungen und ein paar Mini-Alibi-Programme.
Dieses Bild vom Umwelt- und Wirtschaftsministerium belegt eindeutig: Die Bundesregierung plant überhaupt keine Verminderung des Anteils der fossilen Quellen am "Energie-Mix".
Nach unterschiedlichen Aussagen von Wissenschaftlern dürften in etwa noch 10 bis 15 Jahre Zeit bleiben, bis der Ausstoß an Treibhausgasen so weit verringert sein muss, dass die sich selbst verstärkenden Effekte nicht jegliche Bemühungen zunichte machen werden. Eventuell könnten es auch 20 Jahre sein, aber es gibt keinen ernst zu nehmenden Wissenschaftler, der von mehr Zeit geprochen hätte. Spätestens im Jahre 2027 ist also alles entschieden - und das ist übermorgen.
Was nützt es, wenn unsere Kinder und Kindeskinder am Ende dieses Jahrhunderts wirklich „nur“mit 5 Grad genereller Erwärmung und „nur“ 50 cm höherem Meeresspiegel rechnen müssten, aber bereits seit 80, 70 oder 60 Jahren wissen, das Ende der Menschheit, wie wir sie kennen, ist nicht mehr aufzuhalten.
Es gibt nur einen Ausweg: Wir müssen in Massenbewegungen, wie es die Franzosen vorgemacht haben, die menschenverachtende Politikerkaste und ihre Auftraggeber in den Großkonzernen zwingen, solche massiven Ersatz- und Einsparungsprogramme durchzuführen.
Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 16. Februar 2007, hier leicht redigiert
Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur beginnenden Klimakatastrophe und was man dagegen tun kann:
- Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet
- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 1 – Bill Gates und George Soros investieren in Alkohol
- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 2 – Was spricht gegen Bio-Kraftstoffe?
- Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen
- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 3 – Der 'Rush' gewinnt an Tempo
- Das Klima kann nicht warten – Offener Brief an „Rettet den Regenwald“
- Wie die Industrie der „Global Warming Sceptics“ funktioniert
- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 4 - Endlich auch Bio-Alkohol in der Bundesrepublik
- Kofi Annan: Keine Gegenargumente mehr
- Brasilien plant völlige Umstellung auf Biodiesel
- Lulas Brasilien, Teil 4 – Abholzen und Abbrennen
- Stärkster Hurricane aller Zeiten
- Wie wird der Verkehr der Zukunft angetrieben
- Naive Umweltschützer geben Massenmedien Stichworte
- Briefwechsel mit „Rettet den Regenwald“
- Ein deutscher ‚Global Warming Sceptic’
- Klimahetzer? – Klimaketzer? Eine Auseinandersetzung um die beginnende Klimakatastrophe
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