Nächster Stop: Venezuela?
Von Karl Weiss
Unabhängig davon, ob man demnächst den Iran überfällt oder ob man dies vorsichtshalber verschiebt, wird die Weltöffentlichkeit von der US-Regierung bereits auf das nächste Angriffsziel vorbereitet: Venezuela. Es werden bereits Berichte in die Medien kolportiert, Venezuela würde angeblich nicht genug gegen den Kokain-Schmuggel tun, es würde zum Transitland für den Schmuggel und zum sicheren Hafen für Schmuggler. Das Problem ist nur, dieser Schmuggel wird in Teilen von US-Regierungsstellen durchgeführt.
Der “Miami Herald”, immer geflissentlich “His masters voice”, meldete am 2. März, die oberste Drogenschmuggel-Verantwortliche des US-Auswärtigen Amtes, Anne Patterson, habe einen Bericht vorgelegt, in dem Venezuela vorgeworfen wird, zum “sicheren Hafen” für Kokain-Schmuggler zu werden, weil die Regierung sich weigere, mit anderen Staaten (sprich USA und Kolumbien) in der Bekämpfung des Kokain-Schmuggels zusammenzuarbeiten. Die Regierung Venezuelas, so wird gesagt, sei korrupt und nachlässig, ohne allerdings Belege dafür vorzulegen. Na, wer braucht schon Belege, nicht wahr?
Die venezuelanische Regierung hatte angebliche Beamte von lateinamerikanischen Drogenbekämpfungseinheiten, die allerdings alle US-Amerikaner waren, beim Spionieren gegen venezuelanische Ziele erwischt und ausgewiesen. Dies nimmt die US-Regierung nun zum Vorwand, Venezuela der mangelnden Zusammenarbeit anzuklagen.
Nur Gott und Bush kennen die Zahlen
Der Report lobt dagegen Kolumbien und Peru, die sich dem “Krieg gegen die Drogen” vollständig widmen würden. Getadelt wird dagegen ebenfalls Bolivien, denn dort werde der Anbau der Koka-Pflanze legalisiert, was zu mehr Kokain führen würde.
Soweit Zahlen vorgelegt wurden, hat man nicht eine einzige nachprüfbar belegt. Das ist ja auch logisch, denn Gott selbst braucht seine Zahlen nicht zu belegen, er ist die Wahrheit in Person, in diesem Fall repräsentiert durch seinen Vertreter auf Erden, George W. Bush.
Bekanntes Szenario
Es kann kein Zweifel bestehen, diese Anklagen werden nur die ersten einer Reihe sein. Mehr und mehr werden die Massenmedien voll sein von Berichten über die katastrophale Rolle Venezuelas im Kokain-Schmuggel. Schließlich wird nichts anderes übrig bleiben, als den UN-Sicherheitsrat anzurufen, der Venezuela unter Drohung mit Sanktionen zur Zusammenarbeit mit der friedliebenden USA im aufopfernden Kampf gegen die Drogen ermahnen wird. Gleichzeitig wird der US-Präsident bereits verlauten lassen, dass im Fall Venezuela "keine Option” vom Tisch ist, auch nicht die militärische.
Das Bild zeigt ein US-Spezialschiff für Landeoperationen bei einem Manöver vor Curaçao, unmittelbar vor der venezuelanischen Küste
Nun, das Szenario braucht nicht weiter beschrieben werden, alle kennen es.
Jawoll!
Nun gibt es natürlich immer böswillige Menschen, die nicht die hehren Absichten hinter der US-Politik erkennen wollen und behaupten, das läge daran, dass Venezuela einer der grössten Erdölexporteure der Welt ist und sogar die grössten bekannten noch unerschlossenen Erdölreserven der Erde hat, ebenso wie einen Präsidenten, der nicht immer „jawoll!“ schreit, wenn ein Pubs aus Washington kommt (wie eine gewisse Dame in einer europäischen Hauptstadt, die mit B. anfängt). Aber wir wissen ja alle, diese böswilligen Menschen sind antiamerikanisch und Erfinder kruder Verschwörungstheorien und nicht unserer Beachtung wert.
Im Orinoko-Becken in Venezuela sind die weltweit grössten unerschlossenen Ölvorkommen entdeckt worden.
Trotz Lob der USA – Kokain kommt aus Kolumbien
Nur leider, die Wahrheit ist eine andere. Wer sich ein wenig in Südamerika auskennt, weiß: Fast das gesamte Kokain (und das daraus hergestellte ‚Crack’) auf dem Weltmarkt kommt aus Kolumbien und Peru, den beiden Ländern, die „dem Kampf gegen die Drogen verpflichtet sind“, nur eben auf US-amerikanische Weise. Venezuela hat überhaupt keinen Koka-Anbau, der in Bolivien ist unbedeutend und wird hauptsächlich für den Koka-Tee der Einheimischen verwendet.
Tatsächlich haben US- und kolumbianische Behörden einen wesentlichen Teil der Drogenhersteller und –schmuggler Kolumbiens dingfest gemacht. Nur, der Drogenschmuggel hat sich dadurch nicht im mindestens verringert. Man weiß aber eben auch, warum: Er wurde zum Teil durch die CIA und andere US-Regierungsstellen übernommen.
Der Enthüllungsreporter und Pullitzer-Preisträger Garry Webb hat in seinem Buch „Dark Alliance“ ausführlich und detailliert enthüllt, wie die CIA wesentliche Teile dieses Schmuggels überwacht und z.T. auch betreibt und seine weltweiten illegalen Aktivitäten dadurch finanziert. Aktivitäten wie das Bomben legen und dann der Al Quaida in die Schuhe schieben, Staatsoberhäupter zu ermorden, Bin-Laden-Videos und Al-Quaida-Bekenner-Erklärungen zu produzieren, junge Muslims zu finden, die sich als ahnungslose Bombenträger missbrauchen lassen und so weiter.
Garry Webb verlor aufgrund dieser Enthüllungen seine Arbeit und sein Haus und wurde „verselbstmordet“aufgefunden. Aber die CIA hat damit natürlich nichts zu tun, die CIA ist eine ehrenwerte Gesellschaft!
Zwei Artikel zum Tod von Garry Webb sind hier und hier zu finden.
Einige der Rauschgiftrouten von Kolumbien und Peru – meistens auch durch das Amazonasgebiet – in Richtung Nordamerika und Europa, wo die großen Bedarfszentren sitzen, gehen auch über Venezuela, das stimmt sicherlich. Nur hat die US-Staatssekretärin vergessen dazusagen, wer die Schmuggler oft sind: Die Herren Schlapphüte mit dem Sternenbanner.
Es gibt auch das System SIVAM, das eine Radar- und Satteliten-Überwachung des ganzen Amazonasgebietes darstellt. Alle Resultate werden zuerst US-Behörden bekannt gemacht. Wenn die USA hätten etwas gegen den Drogenschmuggel tun wollen, hätten sie bereits fast alle wesentlichen Routen austrocknen können. Bis heute gibt es keine Erklärung, warum dies nicht getan wurde und wird. Hier der Link zum grossen Artikel über SIVAM.
Ein Bild des CIA-Flugzeugs, das in Mexico mit 5 to Kokain aufgebracht wurde
Da gab es zum Beispiel den Fall der 5 Tonnen (5000 kg!) Kokain, die letztes Jahr in einem Passagierjet gefunden wurden, der statt der Passagiere viele schwarze Koffer mit der wertvollen Fracht beförderte. Er machte eine Zwischenlandung in Mexiko, kam über Venezuela. Irgendetwas ging schief und die Ladung wurde von mexikanischem Militär aufgebracht.
Allerdings gab es ein paar Besonderheiten: Der Pilot der gefängnisträchtigen Ware verschwand spurlos, obwohl das Flugzeug noch auf der Rollbahn von Militär umstellt wurde. Er muss einen Beamer vom 'Raumschiff Enterprise' dabei gehabt haben. Die Eigner des Flugzeugs waren US-Amerikaner, einer davon hatte mit der republikanischen Partei Bushs zu tun. Mexiko hat bis heute keinen Prozess gegen die anderen Beteiligten eröffnet. Es muss vermutet werden, sie sind – wie der CIA-Pilot – längst im „sicheren Hafen“ USA gelandet.
Hier ist ein Link zu einem ausführlicheren Artikel über jenen Fund von 5 Tonnen Kokain und die Verbindung zum CIA sowie zu einem zweiten Artikel zum selben Thema, der mehr auf die Verbindung zu US-Politikern abhebt.
Obwohl das Aufbringen von 5 Tonnen Kokain nicht gerade alltäglich ist, haben alle nordamerikanischen Massenmedien das Thema nach maximal einer nichts sagenden Meldung wieder fallen gelassen und sind nie wieder darauf zurückgekommen. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt.
Es gibt auch die Verbindung der CIA zum Heroin, was hauptsächlich über Afghanistan abläuft. Der oben verlinkte Artikel zum Aufbringen des Coca-Fliegers in Mexiko geht auch auf die Rolle des Pac Tec-Fliegers ein, der hier oben abgebildet ist.
Manchmal wiederholt sich die Geschichte, aber als Farce, wie schon Karl Marx wusste: Der Überfall auf den Irak wurde wegen chemischer Waffen (Massenvernichtungswaffen) unternommen, die, wenn sie denn noch da gewesen wären, von eben jener US-Regierung geliefert wurden, die auch den Überfall anführte. Nun klagt man Venezuela an, nicht genügend mit den USA zusammenzuarbeiten im ihrem energischen Kampf gegen die Kokain-Schmuggler, die wiederum US-Agenten sind – jedenfalls in weitem Masse.
Wer sich näher über die Verbindung der CIA mit dem Drogenhandel beschäftigen will, dem sei hier noch ein Buch empfohlen:
Die CIA und das Heroin. Weltpolitik durch Drogenhandel, von Alfred W McCoy, Andreas Simon, Taschenbuch - 840 Seiten - ZWEITAUSENDEINS, Erscheinungsdatum: Dezember 2003, 14,90€, ISBN: 3861506084
Auch diese neue Anklage muss klar als Vorwand für einen Einmarsch oder jedenfalls einen Luftkrieg gesehen werden. Interessant, denn immer scheinen die heroischen US-Regierungen selbst in genau das verstrickt, was sie bei den Anderen kritisieren.
Waren das nicht extrem christliche Leute da in der US-Regierung? Kennen die nicht die Bibel mit dem Splitter im Auge des Nächsten und dem Balken im eigenen Auge?
Wie auch immer, man kann schon vorhersehen: Nächster Stop Venezuela.
Artikel veröffentlicht am 9. März 2007 in der "Berliner Umschau", hier mit einigen Ergänzungen.
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