Ein Volk unverbesserlicher Rassisten?
Originalveröffentlichung
Von Karl Weiss
Uri Avnery hat in seiner aktuellsten Kolumne, veröffentlicht in vielen alternativen Medien, unter dem deutschen Titel „Des Teufels Pferdefuss“ eine mögliche Ein-Staat-Lösung für das Problem Israel/Palästina als eine Anti-Lösung bezeichnet, weil dies automatisch zu der „ethnischen Säuberung“ durch die jüdischen Israelis gegen alle Araber führen würde, deren sie habhaft werden könnten. 99,99% der jüdischen Israelis würden daran teilnehmen. Ist Israel wirklich der Staat der unverbesserlichen und gewaltbereiten Rassisten?
Eine der Stellen dieser Veröffentlichung des Artikels von Avnery ist hier.
Als Grund für den vorausgesagten Genozid in diesem Fall gibt Avnery an, die Juden in Israel würden die "demographische Drohung" fürchten. Will sagen, die Palästinenser haben durchschnittlich mehr Kinder als die jüdischen Einwohner Israels und würden so bald die Mehrheit darstellen. Avnery, anstatt das rassistische Argument der „demographischen Drohung“ zu bekämpfen, macht es sich zu eigen.
Das sei dann eben so, dass die Palästinenser bald die Mehrheit stellen würden und dann: „99,99% der jüdischen Bevölkerung wird sich mit Zähnen und Klauen dagegen wehren. Die Demographie wird nicht aufhören, sie heimzusuchen, im Gegenteil, es wird sie zu Dingen antreiben, die heute noch undenkbar sind. Die ethnische Säuberung wird praktisch auf die Agenda kommen.“
Das ist rassistisch und faschistisch, bei allem Respekt vor Uri Avnery, dessen Kommentare üblicherweise die grosse Hoffnung am Leben erhalten, das Nahost-Problem könne doch noch friedlich gelöst werden, wenn nur endlich der „grosse Bruder“ von der anderen Seite des Atlantiks aufhörte, sich einzumischen. In diesem Fall aber stimmt Avnery in diese absurde Lamentiererei über die „demographische Bedrohung“ ein, was viel von dem, was er sonst geschrieben hat, den Wert nimmt.
Tatsache ist, wenn man eine Bevölkerung in Elend, Armut und Hoffnungslosigkeit treibt oder belässt, hat sie eine weit höhere Kinderzahl pro Paar als wenn man ihnen ausreichende oder gute Lebensbedingungen bietet. Über die Gründe dafür braucht hier nicht spekuliert werden. Würden die Palästinenser aus der von der israelischen Besatzung verursachten Elend, Armut und Unterentwicklung befreit und hätten ausreichende und sogar aufstrebende Lebensbedingungen, würde die Zahl der Kinder pro Paar im gleichen Masse sinken wie bei allen anderen Völkern, bei denen dies geschah.
Das Argument, die Palästinenser seien eben so, die hohe Zahl der Kinder stecke bei ihnen gewissermassen in der DNA, ist absurd und rassistisch. Das ist vergleichbar mit der Anmassung jener hohen Adligen in Deutschland, die erklärte, die Schwarzen würden eben so gerne „poppen“, daher seien die Probleme Afrikas mit der hohen Geburtenrate verbunden.
Avnery ist eigentlich zu intelligent, um dies absurde Argument zu verwenden. Wenn er es trotzdem tut, so steckt da offenbar Anderes dahinter. Was das sein könnte, darauf weist diese Passage hin: „Innerhalb weniger Jahre werden die arabischen Bürger die Mehrheit darstellen. Dann ist der zionistische Traum ausgeträumt. Der jüdische Staat ist gestorben.“
Ist das ein Albtraum für Avnery?
Meint er wirklich, es wäre möglich, das Nahostproblem zu lösen, indem in Israel alles gleich bleibt, lediglich ein winziges Stück Land den Palästinensern zur Verfügung gestellt wird, das sie einen „Staat“ nennen dürfen, möglichst noch geteilt in zwei (oder mehrere) Teile ohne Verbindung, wo man sie nach Belieben aushungern kann, ihnen das Wasser abdrehen, jeglichen Kontakt nach aussen unterbinden und dann vergnügt zusehen kann, wie sie verdursten, verhungern - oder sich vielleicht sogar gegenseitig auffressen?
Nein, eine Lösung des Nahostproblems ist nur möglich, wenn der zionistischen Ideologie in Israel abgeschworen wird, die eine angebliche „natürliche“ Überlegenheit des jüdischen über andere Völker beinhaltet, wenn Israel die Attribute des „Jüdischen Staates“ verlässt und einen normalen säkularen demokratischen Staat installiert, unabhängig, ob es daneben einen palästinensichen Staat gibt oder ob sich der als gar nicht nötig herausstellt, denn man kann ohne Zionismus und „Jüdischen Staat“ auch in einem gemeinsamen Staat zusammenleben.
Avnery unterschätzt offenbar sein eigenes Volk. Araber und Juden haben friedlich zusammengelebt im Nahen Osten, bevor dort der Zionismus installiert wurde und können dies auch danach wieder.
Wenn Israel darauf besteht, zionistisch zu bleiben und ein „Jüdischer Staat“ zu sein, dann macht es nicht den geringsten Unterschied, ob daneben ein palästinensischer Staat installiert wird oder nicht. Es wird weiterhin ständig Quelle von Spannungen und Kriegen im Nahen Osten sein, denn die Araber können nicht in Frieden leben, solange es in ihrer Mitte einen zionistischen Krebs gibt.
Wenn Avnery gewissermassen argumentiert, wenn die Palästinenser in einem gemeinsamen Staat die Mehrheit zu werden drohten, sei es fast schon gerechtfertig, sie mit einem Genozid zu überziehen oder zu vertreiben, so stellt er sich in den Gegensatz zu allen grundlegenden Menschenrechten. Er sollte sich wirklich überlegen, was er da sagt.
Wenn er wirklich Recht hat, dass 99,99% der jüdischen Israelis sich dann am Genozid und an Vertreibungen beteiligen würde – was kaum glaubhaft ist -, wenn das wirklich stimmte, so muss man die grundlegende Frage stellen, ob die Existenz eines solchen Volkes unverbesserlicher gewaltbereiter Rassisten im arabischen Herzland von der wirklichen internationalen Gemeinschaft (nicht von der selbsternannten der Regierung der USA und ihrer Verbündeten) akzeptiert werden kann.
Dann muss man sich überlegen, ob ein Staat, der sich so identifiziert, nicht mit Gewalt von diesen Idealen abgebracht werden muss, z.B. durch ein System von Sanktionen, wie damals im Falle Südafrika. Siehe in diesem Zusammenhang auch den Artikel: „...am Ende werden wir weg sein“.
Diese Frage mag sich konkret erst in Jahrzehnten so stellen, aber auch wenn es noch 100 Jahre dauert, es kann kein Überleben eines zionistischen „Jüdischen Staates“ im arabischen Kernland geben. Nur das friedliche Zusammenleben unter gleichen Rechten und Bedingungen mit den Arabern kann den Juden in Israel garantieren, in diesem Teil der Welt leben zu können.
Der Denkfehler wurde aus der Evolutionstheorie auf die Gesellschaft übertragen. Von der Evolutionstheorie gibt es die Auffassung, die Evolution würde sich in Arten vollziehen. Aber schon dort ist das falsch. Es leben und pflanzen sich immer nur Individuen fort. Arten sind taxonomische Konstrukte unseres Geistes, sie existieren nicht wirklich.
Es leben und pflanzen sich Arten fort.
Sie haben Recht in Bezug auf die "Völker, Ethnien und Demographie", aber die Übertragung auf die Frage von Arten ist m. E. nicht richtig.
Arten sind nämlich eindeutig definiert: Was die mit geschlechtlicher Vermehrung betrifft - und das sind jene, die interessieren -, so ist eine Art, wenn die männlichen und weiblichen Exemplare durch Sexualverkehr Nachwuchs erzeugen können.
Zwischen den Arten dagegen ist das nicht möglich.
In Analogie auf die Gesellschaft übertragen: Je nachdem, welches Klassifikationsmerkmal man anwendet, um Menschen einzuteilen, kommen unterschiedliche Gruppierungen heraus. Für ein verträgliches Miteinander sind aber die weitaus meisten, nicht alle, Einteilungen irrelevant.
Hallo Köppnick
Vielleicht kann man diesen oder jenen besser erreichen indem man so gut verständlich redet wie es geht. Oder wollen Sie ewig unter sich bleiben?
Dann wird sich auch nie etwas ändern!
Über die Arten
also es mag sein, dass irgendjemand andere Arten-Theorien aufgestellt hat, aber das interessiert mich ehrlich gesagt nicht. Für mich interessiert die Biologie - und die ist klar: Die Begriffe Art und Arten sind klar definiert.
Es mag da ein paar Ausnahmen geben und einzelne Vorkommnisse, die mit dem normalerweise zu erwartenden nicht übereinstimmen, aber die Existenz von Ausnahmen widerlegt ja nicht die Regel.
Der Fall, auf den Sie sich beziehen, bei dem die Nachkommen der Kreuzung zweier Arten, die gekreuzt werden können, nicht mehr mit den ursprünglichen Arten gekreuzt werden können, also praktisch neue Arten darstellen, bezieht sich auf Pflanzen und Versuche zum Kreuzen von Pflanzen.
Natürlich verschwimmt die exakte Abgrenzung der Arten immer mehr, je weiter man zu extrem primitiven Tieren kommt oder dann zu Pflanzen.
Nur kann man das natürlich nicht auf die Menschen übertragen. Man kommt da vom Hundertsten ins Tausendste, wenn man alle Besonderheiten, die es bei Einzellern gibt und bei Pflanzen, ins Arten-Konzept der Wirbeltiere übertragen will.
Das ist Sophistiererei, wenn man verzweifelt nach Ausnahmen sucht, um das ganze Arten-Konzept in Frage stellen zu können.
Hallo Sachmed,
Köppnick drückt sich gewollt unverständlich aus, um als in höheren Spären schwebend angesehen zu werden und dann seine eigentliche These anzubringen: Nämlich dass die Evolutionstheorie falsch sei.
Es handelt sich um Leute, die aus religiösen Gründen die Evolutionstheorie, basiert auf den Lehren von Darwin und millionenfach bewiesen, ablehnen und die phantastischsten Gedankenakrobatereien machen, um dies zu begründen.
Ich gebe mir Mühe. Es ist nur so, dass man in Diskussionen über ein Fachgebiet auch die dort üblichen Begriffe verwenden muss. Ein Sachverhalt wird ja nicht dadurch einfacher, wenn man jeden Begriff umschreibt. Bezüglich der biologischen Arten ist der entsprechende Wikipedia-Artikel sehr gut: http://de.wikipedia.org/wiki/Art_(Biologie) Dort findet man auch alle von mir verwendeten Fremdwörter.
@Karl Weiß
Es ist eine böswillige Unterstellung zu behaupten, ich hätte an irgendeiner Stelle gegen die Evolutionstheorie argumentiert, es ging um den Artbegriff in der Biologie. Schauen Sie doch einfach mal diese Rezension an: http://kwakuananse.twoday.net/stories/5096380/, um sich vom Gegenteil zu überzeugen. Oder lesen Sie Dawkins "Das egoistische Gen" oder Susan Blackmore "Die Macht der Meme". Das erste Buch räumt mit einigen Irrtümern bzgl. der Evolutionstheorie auf. Die letzten beiden Bücher sind interessant, weil sie zeigen, dass Evolution nicht nur auf die Biologie beschränkt ist, sondern ein allgemeineres Prinzip der Natur ausdrückt. Im Übrigen: Argumente ad hominem disqualifizieren einen als Gesprächspartner.
Tatsächlich
Entschuldigung, da habe ich mich tatsächlich geirrt. Ich glaubte diese Stelle:
"Der Denkfehler wurde aus der Evolutionstheorie auf die Gesellschaft übertragen. Von der Evolutionstheorie gibt es die Auffassung, die Evolution würde sich in Arten vollziehen. Aber schon dort ist das falsch."
würde bereits eine Ablehnung der Evolutionstheorie beinhalten, sehe jetzt aber, das steht da nicht drin.
Auch aus ihrer Antwort an sachmed geht hervor, dass Sie keiner jener Spinner sind.
Als noch einmal : Entschuldigung.
Übrigens: Sie lassen tatsächlich den Wissenschaftler heraushängen.
'ad hominem': wäre auch auf Deutsch gegangen. Ich bin aber nicht persönlich geworden, sondern habe nur sachlich geirrt.
mir ging es nur darum einen weitverbreiteten Irrtum bzgl. der ET klarzustellen, der "greater goodism" genannt wird und bis Anfang des 20. Jahrhunderts vertreten wurde. Auch viele Menschen glauben ja noch heute, die Evolution würde sich auf der Ebene der Arten vollziehen. Aber das geht nicht, weil die Gene nur in Individuen wirken, ihre Mutationen auch, usw. Aber vielleicht haben Sie Recht, man kann das nicht in wenigen Worten erklären, ohne dass der Eindruck entsteht, man "würde den Wissenschaftler heraushängen lassen".
Ich kann mir auch eine kritische Anmerkung nicht verkneifen, nachdem wir das größere Missverständnis aufgeklärt haben: Jemandem vorzuwerfen, er würde den Wissenschaftler heraushängen lassen, ist bereits "ad hominem", weil es nichts über seine Argumente aussagt, sondern nur darüber, dass einem sein Diskussionsstil nicht gefällt.
"Argumentum ad hominem" http://de.wikipedia.org/wiki/Argumentum_ad_hominem ist ein feststehender Begriff aus dem Arsenal von Diskussionsfehlern. Es lohnt sich, mal nach "logical fallacies" zu googeln, und einigen Links zu folgen. Könnte gerade für Journalisten von sehr großem Interesse zu sein, wenn man Argumentationsfehler nach logischen Kriterien finden und einordnen kann.