Was Jupiter darf, steht einem Ochsen noch lange nicht zu
Von Karl Weiss
Originalveröffentlichung
Die „Süddeutsche“ greift die Frage der Vorverurteilung von Verdächtigen auf, speziell im Fall von Kinderporno-Vorwürfen. Das ist ehrenvoll, nur tat sie dies nicht, als sich 2007 herausstellte, dass Zehntausende von Menschen auf der ganzen Welt unschuldig in solchen Verdacht geraten und öffentlich vorverurteilt worden waren, wie im Fall „Operation Ore“, sondern erst jetzt, als ein SPD-Bundestagsabgeordneter in diese Mühle geriet, noch dazu einer, der offensichtlich gar nicht so sehr unschuldig ist.
Zwei Masse, zwei Gewichte, das ist die Praxis der „Süddeutschen“ und selbstverständlich auch der anderen bürgerlichen Medien. Als im Jahr 2007 offensichtlich wurde, dass Zehntausende von einfachen Bürgern in verschiedenen Ländern, darunter in den USA, in Deutschland, in Grossbritannien, in Österreich und der Schweiz unschuldig in Kinderpornoverdacht geraten waren, weil Kriminelle ihre Kreditkartendaten „gephisht“ und damit Porno-Seiten besucht hatten, unter denen auch eine Kinderporno-Site gewesen sein soll, war Schweigen im Walde bei der „Süddeutschen“ und allen anderen bügerlichen Medien. Der Fall „Operation Ore“ wurde vom Bürger-Journalisten in drei Teilen eines Dossiers abgehandelt, Teil 1 hier, Teil 2 hier und Teil 3 hier.
Auch die bürgerlichen Medien hätten Gelegenheit gehabt, diese Dinge zu recherchieren und dazu zu berichten. Aber: Kein Wort!
Nun aber hat man, so will man uns jedenfalls weismachen, einem SPD-Bundestagsabgeordneten übel mitgespielt. Nur hat er inzwischen schon zugegeben, sich aktiv „hartes“ Kinderporno-Material per Post zuschicken gelassen zu haben, angeblich, weil er den Behörden bei der Verfolgung der Täter behilflich sein wollte. Und da wird laut aufgeschrien. Dem Abgeodneten Tauss sei Unrecht geschehen. Seine Taten seien an die Öffentlichkeit gekommen, ohne dass er sich vorher in einem Prozess verteidigen konnte. Wegen der unglaublichen Brisanz des Kinderporno-Vorwurfs sei er „sozial abgeschlachtet“ worden, bevor er eine Chance hatte.
Und warum war das keinen Artikel wert, als Zehntausende einfacher Bürger diese Behandlung erfuhren? Nun, die sind ja keine SPD-Bundestagsabgeordneten, nicht wahr? Das kann man doch nicht vergleichen. Die alten Römer nannten das: „Quod licet Iovi, non licet bovi“ (Was Jupiter darf, steht einem Ochsen noch lange nicht zu).
Was den Abgeordneten Tauss betrifft, der war kein Hinterbänkler, bevor er sich gezwungen sah, alle Posten (ausser dem Bundestagsmandat) aufzugeben. Er war medienpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, er war Geschäftsführer der baden-württembergischen SPD. Und er hat sogar sehr zutreffend den Gesetzentwurf von Frau von der Leyen zur Sperrung von angeblichen Kinderporno-Seiten im Netz kritisiert. Allerdings hat diese Kritik ihres Sprechers die SPD-Fraktion nicht davon abgehalten, geschlossen für eben jenes Gesetz zu stimmen.
Nun, es gibt schon einmal Fälle, in denen Journalisten und – warum nicht - auch einmal ein Bundestagsabgeodneter selbst gewagte Recherchen anstellen, um der Justiz, den Sicherheitsvorkehrungen oder Polizei und Staatsanwaltschaft oder auch dem Gesetzgeber auf die Sprünge zu helfen. So gab es zum Beispiel Journalisten, die mit Pistolen in Flugzeuge stiegen, um die mangelnden Sicherheitskontrollen zu beweisen, es gab andere, die Polizisten bestachen und nachwiesen, die sind bestechlich und mehrere ähnliche Fälle.
Schliesslich gab es noch den bis heute ungeklärten Fall von zwei mit Sprengstoff ausgerüsteten Personen, die versuchten in den abgesperrten Sicherheitsbereich des G8-Gipfels in Heiligendamm im Jahr 2008 einzudringen und erwischt wurden. Sie behaupteten, sie seien CIA-Agenten und hätten die Sicherheitsmassnahmen testen wollen. Genauers in diesem Artikel: http://karlweiss.twoday.net/stories/3949019/
Was tun solche Personen, die recherchieren und sich dabei selbst in die Position von Gesetzesbrechern bringen, um nicht als solche angesehen zu werden? Nun, sie hinterlegen ein Dokument mit ihrem Plan der Recherche bei Notaren oder Rechtsanwälten und bei ihrem Chefredakteur und/oder sie warnen direkt die Polzei vor, kurz, sie sichern sich - meistens mehrfach - ab, um nicht mit Kriminellen verwechselt zu werden und das funktioniert auch in der Regel.
Hat nun SPD-Tauss entsprechende Absicherungen benutzt? Nein. Er muss sich also sehr wohl den Verdacht gefallen lassen, es ging ihm unter Vorschützen seines Bundestagsmandats eben doch darum, an „hartes“ Kinderporno-Material zu gelangen.
Nun, er bestreitet das vehement. Allerdings muss man einem medienpolitischen Sprecher einer grossen Bundestagsfraktion unterstellen, er habe ein Minimum an Intelligenz und kann unmöglich glauben, er brauche sich nicht abzusichern. Dann aber muss man ihm etwas vorwerfen, was eigentlich stärker wiegt als der Konsum von Kinderporno (nach deutscher Gesetzgebung rein rechtlich gesehen ein Vergehen vergleichbar mit Sachbeschädigung).
Dann muss man davon ausgehen, er hat sich mit der Anhäufung hoher politischer Ämter soweit vom normalen Menschen entfernt (so wie Jupiter vom Ochsen), dass er ernsthaft glaubte, über den Gesetzen zu stehen. Fehlende Realitätsbezogenhet ist ja gar nicht so selten bei bürgerlichen Politikern.
Mit der weiterhin aktuellen Verfolgung von Tauss stellt sich aber gleich auch noch eine andere Frage: Was war denn nun mit den beiden (angeblichen oder wirklichen) CIA-Agenten, die beim G8-Gipfel mit Sprengstoff in den Sicherheitsbereich eindringen wollten. Auch sie hatten weder vorher bei der deutschen Polizei ihren „Test“ angekündigt noch Dokumente bei Rechtsanwälten hinterlegt oder ähnliches. Sie wurden in keinster Weise behelligt. Im Gegenteil, nach einer kurzen Rückfrage bei US-Stellen haben die deutschen Behörden beide sofort freigelassen. Wie ist das nun? Gibt es da auch das Jupiter-Ochse-Verhältnis? CIA-Agenten sind Jupiter-gleich und wir Deutschen einschliesslich unserer Polizei und Justiz sind Ochsen?
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