AlternativPolitik

Donnerstag, 1. November 2007

Bert Brecht - Die Resolution der Kommunarden

Da das Topic Alternativ-Politik in diesem Blog etwas unterbelichtet ist, stelle ich hier ein Gedicht von Bert Brecht ein, das ich gerade ausgegraben habe und das für sich selbst spricht.
Karl Weiss


Resolution der Kommunarden

Von Berthold Brecht

In Erwägung unserer Schwäche machtet
ihr Gesetze, die uns knechten soll'n
die Gesetze seien künftig nicht beachtet
in Erwägung, daß wir nicht mehr Knecht sein woll'n

In Erwägung, daß ihr uns dann eben
mit Gewehren und Kanonen droht
haben wir beschlossen,
nunmehr schlechtes Leben
mehr zu fürchten als den Tod.

In Erwägung, daß wir hungrig bleiben
wenn wir dulden, daß ihr uns bestehlt
wollen wir mal feststell'n,
daß nur Fensterscheiben
uns vom Brote trennen, das uns fehlt.

In Erwägung, daß da Häuser stehen
während ihr uns ohne Bleibe laßt
haben wir beschlossen, jetzt dort einzuziehen
weil es uns in uns'ren Löchern nicht mehr paßt.

In Erwägung, es gibt zuviel Kohlen
während es uns ohne Kohlen friert
haben wir beschlossen, sie uns jetzt zu holen
in Erwägung, daß es uns dann warm sein wird.

In Erwägung, es will euch nicht glücken
uns zu schaffen einen guten Lohn
übernehmen wir jetzt selber die Fabriken
in Erwägung, ohne euch reicht's für uns schon.

In Erwägung, daß wir der Regierung
was sie immer auch verspricht, nicht trau'n
haben wir beschlossen, unter eig'ner Führung
uns ein gutes Leben aufzubau'n .

In Erwägung, ihr hört auf Kanonen
and're Sprachen könnt ihr nicht versteh'n
müssen wir dann eben, ja das wird sich lohnen
die Kanonen auf euch dreh'n.

Montag, 3. September 2007

Sozialismus - find ich gut!

50% der deutschen Bundesbürger halten Sozialismus für gute Idee

Von Karl Weiss

„Karl Marx hätte seine Freude“ textet die österreichische „Presse“. Gleich nach dem 4. August 2007, als die MLPD mit einer Großveranstaltung das 25-jährige Jubiläum feierte, hat das Institut Allensbach seine jährliche Umfrage zum Sozialismus durchgeführt und veröffentlicht, die aufhorchen läßt. Noch nie war die Zustimmung zum Sozialismus so hoch wie jetzt, vor allem nicht im Westen der Bundesrepublik.

45% der Westdeutschen und 57% der Ostdeutschen (im Schnitt fast 50%) halten den Sozialismus für eine „gute Idee“, die nur bisher schlecht umgesetzt wurde. Der Leiter der Umfrage von Allensbach erläutert: „Viele sagen, damals in der DDR, das sei gar kein richtiger Sozialismus gewesen. Da sei bloß der gute Name mißbraucht worden.“

„Mittlerweile hat es den Anschein, als sei die ganze Republik etwas nach links gerückt. Von „Mindestlohn“, von einer „Kontrolle der Heuschrecken-Hedgefonds“, ist quer durch alle Parteien die Rede.“ wundert sich die „Presse“ und erinnert, nach dem Urnengang hatte es bereits eine linke Mehrheit gegeben, nur verweigerten sich SPD und Grüne der „Linken“. „Sozialismus ist kein Unwort mehr“ stellt sie verblüfft fest und titelt sogar: „Sehnsucht nach Sozialismus“.

Und die „Presse“ hat sogar entdeckt: „Der Sozialismus ist eine deutsche Idee.“ Man hört Marx und Engels aus der Gruft lachen.

Was die Wähler der Sozialdemokraten von der (noch) Partei ihrer Wahl halten, wurde in der gleichen Umfrage deutlich: 40% (!) der SPD-Wähler sagen, die SPD habe ihre linke Herkunft verraten.

Die „Presse“ zitiert in diesem Zusammenhang auch Oskar Lafontaine, der gesagt hat, der Kapitalismus trage den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.

Da paßt eine andere Meldung genau ins Bild: Während die bürgerlichen Parteien monatlich Tausende von Mitgliedern verlieren (CDU von Ende März bis Ende Juli: fast 3000, SPD im gleichen Zeitraum: fast 4000), hat die MLPD als einzige steil ansteigende Mitgliederzahlen: 20% Zuwachs seit 2005.


Veröffentlicht am 3. September 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Sonntag, 18. März 2007

'Die Linke' beginnt die Grünen zu wiederholen

Der Widerspenstigen Zähmung

Von Elmar Getto

Als die Grünen Anfang der 80er Jahre zum ersten Mal in eine Koalition mit der SPD geholt wurden, das war in Hessen unter Ministerpräsident Börner, begann ihr Prozeß des Übergangs zu einer kapitalistischen Partei. Genau die gleichen Erscheinungen kann man nun bei der Partei ‚Die Linke’ beobachten, nur im Zeitraffer.

Unter ständigen Hinweisen auf die ‚Einheit der Partei’ und ‚man müsse doch die Querelen überwinden’, werden die Linken systematisch, ein Grüppchen nach dem anderen, ausgegrenzt, bis nur noch eine systemtreue Partei, basiert auf Antikommunismus, übrig ist. Dann ist „Der Widerspenstigen Zähmung" gelungen und es ist nicht mehr schwierig, in einem zweiten Schritt die Partei auf den Weg zu bringen, den imperialistischen Agressionskurs mitzutragen.

Das nannte man bei den Grünen die ‚Schaffung der Koalitionsfähigkeit’. Das Schema ist einfach und verständlich. Man gibt in kleinen Dosen ‚Kröten zu schlucken’, begründet das immer damit, man müsse in Koalitionen eben Kompromisse eingehen – aber andererseits könne man eben auch auf Entscheidungen einwirken – erwähnt immer wieder die berühmten Sachzwänge – wenn man an der Regierung sei, könne man sich gewissen Dingen eben nicht entziehen -, und bekommt so immer Mehrheiten für die Kröten, wenn auch manchmal knappe. Wenn die Mehrheit einmal nicht zustande kommt, wird solange weiter Druck gemacht und neu abgestimmt, bis die richtige Mehrheit da ist.

Das führt nach und nach dazu, daß sich immer wieder Einzelpersonen und kleine Gruppen von der Partei verabschieden, die ihre Grundprinzipien verletzt sehen. Andererseits führt diese Politik dazu, daß der Abschaum der kleinbürgerlichen Intellektuellen nach oben und in die Partei gespült wird, Karrieristen, die für fette Pfründe die eigene Mutter verkaufen würden und so viel Grundsätze haben wie eine Kuh (das Rindvieh sei um Entschuldigung gebeten).

So wurde aus einer linken, basisdemokratischen und umweltbewegten Partei jenes Zerrbild, das unter Schröder jedes imperialistische Eroberungsabenteuer mitmachte ebenso wie die Brutalisierung der Polizei im eigenen Lande und sogar bis zu den Knöcheln in Blut watete, sei es bei der Bombardierung Serbiens, beim Eingreifen im Kosovo oder beim Überfall auf Afghanistan. Leute wie Fischer, Beck und Schmierer sind die Symbole dieser Partei und das sagt alles.

Die überwiegende Mehrheit der Umweltaktivisten haben der Partei den Rücken gekehrt, praktisch alle, die Umwelt- und soziale Protest-Aktivitäten verbanden und links waren, ebenso wie alle, denen die Basisdemokratie Anliegen und nicht nur schöner Schein war. Auch einige Sponti- und feministische Gruppen sowie die gesamte Trotzkisten-Truppe haben die Partei verlassen, sofern sie nicht selber zum Imperialismus überliefen.

Außer der Masse der passiven Parteimitglieder besteht sie heute praktisch nur noch aus karrieristischen Kleinbürgern und Intriganten. Sie ist eine imperialistische Partei geworden mit allen Attributen. Wenn heute ein grüner Würdenträger (außer Ströbele) bei den Anti-Castor-Demos in Aahaus auftauchen würde, liefe er Gefahr, verprügelt zu werden.

Nun, angesichts der Regierungsbeteiligungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, zu der die WASG jetzt gleich noch mitverdonnert wird, beginnt der identische Prozeß in der Linkspartei, die sich eben mit der WASG vereinigen will, nur diesmal schneller.

Es wird an keiner Stelle erlaubt, offen zu diskutieren, was dort in der Regierung bereits an mit „links" unvereinbaren Zugeständnissen gemacht wurde und was man dafür wirklich positiv erreichen konnte. Die Protagonisten dieser Regierungsbeteiligungen werden bestenfalls einmal freundlich ermahnt, so wenn Lederer sagte, der Diskussionsprozeß sei bereits gescheitert. Wer dagegen die notwendige Diskussion über Mindestkriterien für eine Regierungsbeteiligung anmahnt, wie die Berliner WASG, wird praktisch zum Austritt gedrängt oder sogar mit Ausschluß bedroht.

Fast wortgetreu identisch die Aussage von Klaus Ernst „man habe nichts zu verlieren als die Zerstrittenheit" mit einer damaligen von Joseph Fischer.

Natürlich kann man in Regierungskoalitionen eintreten oder sogar allein eine Regierung übernehmen, wie es bei der Linkspartei im Osten gar nicht mal unmöglich wäre, wenn sie es sich jetzt nicht gleich mit allen Wählern verdirbt, so wie sie es in Berlin tut (Wer jeden Tag die Nahverkehrspreise in Berlin zahlt, hat eben Schwierigkeiten, nicht „auf die Politik des Senats fixiert" zu sein).

Wenn man zum Beispiel Hartz IV zu Fall bringen kann, das wäre ein Preis, für den es sich lohnte, in die Regierung zu gehen. Oder wenn man dann die gesetzliche 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durchsetzen könnte, was wirklich viele in Arbeit bringen würde. Oder wenn man einen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde durchsetzen könnte, mit hohen Strafen für Arbeitgeber, die darunter bleiben. Aber all dies steht gar nicht an und könnte sowieso nur durchgesetzt werden, wenn das Volk auf der Straße ist – doch von diesem redet die neue Partei nur mit spitzen Fingern.

Aber wer in Regierungskoalitionen eintritt und dann die Nahverkehrspreise mit hochsetzt, mit für brutale Polizeieinsätze gegen Linke verantwortlich ist, Hartz IV mit umsetzt und mithilft, die Arbeitslosen aus den Wohnungen zu werfen, Ein-Euro-Job-Zwangsarbeit mit hochfährt und schließlich noch seine Stimme für die imperialistische EU-Verfassung abgibt, der führt die Taktik des „eine-Kröte-nach-der-anderen-schlucken-bis-kein-Prinzip-mehr-übrig-ist" durch.

Charakteristisch, daß weder auf dem jüngsten Parteitag der Berliner Linkspartei noch auf dem jüngsten Einigungstreffen zwischen WASG und PDS von auch nur einem dieser Themen die Rede war. Solche Dinge werden ausgespart und stattdessen Nebelschwaden von „Schönsprech" verbreitet.

Die Teile der WASG, die biedere Sozialdemokratie aus der Ecke der Gewerkschaftsführung mit einem soliden Schuß Antikommunismus verbinden, für die Klaus Ernst stellvertretend steht, können natürlich ohne Schwierigkeiten integriert werden. Dagegen wird ausdrücklich betont, daß die Tür der Linkspartei für niemanden offen steht, „der nicht mit am Tisch sitzt".

Das heißt, die Ausgrenzung von DKP und MLPD, die im Wahlkampf noch feige mit Schwierigkeiten wegen der Eile begründet worden war, ist in Wirklichkeit eine heimliche inhaltliche Festlegung auf den Antikommunismus. Auch die Aussage, daß man für Sozialismus „im Rahmen der Demokratie" sei, ist identisch damit. Im Jargon der kapitalistischen Parteien heißt das: Strikt antikommunistisch, mit uns ist Revolution nicht zu machen!

Gleichzeitig werden „Parteilose" willkommen geheißen, d.h. dem trotzkistischen Entrismus ausdrücklich die Tore geöffnet. Na ja, wo Antikommunismus ist, sind Trotzkisten nie weit.

Der Schreiber dieser Zeilen war damals, Anfang der 80er-Jahre, guter Bekannter eines Grünen, der zu jener Zeit fleißig zu den Demonstrationen gegen die damals geplante Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf fuhr. Dort bekam er öfters Polizeiknüppel zu spüren, dabei auch immer hessische Polizei vertreten, also Polizeieinsätze, für die Grüne mit verantwortlich waren. U.a. gab es dabei auch einen Toten.

Damit begann langsam sein Weg von den Grünen weg, denn ein Polizeiknüppel auf dem Kopf ist ein sehr überzeugendes Argument – gegen jene, die verantwortlich sind für die Polizei.

Nun ist es ein WASG-Mitglied, das zu den Bekannten des Schreiberlings gehört und bereits beginnt, „Bauchweh" zu bekommen angesichts der strikten Gleichschaltung der WASG mit dem Berliner Senat und der Mecklenburgischen Regierung. Die Selbstverständlichkeit, daß VOR der Vereinigung eine gemeinsame Diskussion und Entscheidung der beiden Gesamt-Parteien über das Verbleiben der zukünftigen Vereinigten Partei in jenen Regierungen zu erfolgen hat, ist bereits vom Tisch gewischt.

Man tut so, als seien das Entscheidungen der Berliner bzw. Mecklenburger, aber das hat Auswirkungen auf die gesamte zukünftige Partei, deshalb müßte es von allen entschieden werden.

Nun – da kann man das „Bauchweh" verstehen.

Bereits bald können nach Landtagswahlen neue Regierungsbeteiligungen (oder jedenfalls eine) anstehen und bisher hat man nicht einmal angefangen über die Inhalte der bereits bestehenden in den beiden Gesamt-Parteien zu diskutieren. Man kann bereits voraussehen, daß dann die Krötenschluckerei in den Wochenrhythmus übergehen könnte. Der Prozeß, der bei den Grünen in etwa 18 Jahre von 1980 bis 1998 dauerte, könnte so von der Linkspartei in wenigen Jahren absolviert werden.

Das ist auch logisch, denn wir haben heute eine andere Situation. Arbeiter und Volk haben begonnen aufzuwachen und die Kämpfe beginnen sich auszuweiten. Mit dem Schröder-Kabinett wurde die erste Regierung schon gestürzt. Auch wenn sich die politische Krise mit der Übernahme der neuen Regierung zeitweise etwas beruhigt hat, werden doch die verschärften Angriffe, die sich bereits abzeichnen, auch auf einen verschärften Widerstand stoßen.

Auf welcher Seite die Linkspartei, einmal vereinigt, stehen wird, auf der Seite derer, die die Polizei gegen diese Kämpfe einsetzen, so wie beim Streik bei Infineon in München, oder auf der Seite derer, gegen die Polizei eingesetzt wird, wird sich zeigen.


Hier wird ein wichtiger Artikel von Elmar Getto eingestellt, einer der letzten von ihm in der "Berliner Umschau", diesmal zur Linkspartei. Erschienen zuerst in der "Berliner Umschau" vom 8. Dezember 2005, erscheint er heute taufrisch, denn nicht eine der hier angesprochenen Entwicklungen ist anders verlaufen. der genannte Prozess ist vielmehr weiterhin in vollem Gange.

Samstag, 3. März 2007

Die Grünenisierung der Linkspartei schreitet voran

Bonkismus

Von Karl Weiss

Die 'Berliner Umschau' dokumentierte die "Programmatischen Eckpunkte" von Julia Bonk und Gen. unter dem Titel: „Freiheit und Sozialismus - let’s make it real". Dieses Papier von Katja Kipping, Caren Lay und Julia Bonk läßt ahnen, in wie beschleunigten Tempo offensichtlich die Grünenisierung der Linkspartei voranschreitet, wenn dies als Papier der Partei akzeptiert wurde, ohne heftigsten Widerstand auszulösen. Der damalige langsame Entwicklungsprozeß der Grünen von einer Protestpartei zur staatstragenden imperialistischen Partei scheint von der Linkspartei im Schnellzugtempo nachvollzogen werden zu sollen.

Eine Reihe von Stellen dieses Papiers (nennen wir es vereinfachend Bonk-Papier, nach der bekanntesten der drei Verfasserinnen) kamen dem Kommentaristen auffallend bekannt vor. Nach ein wenig Nachdenken stellte sich auch heraus, warum. Der Verfasser war nämlich 1968/1969 selbst eine kurze Zeit lang im ideologischen Wahn des Antiautoritarismus befangen und kennt daher den Duktus.

Tatsächlich ist das Bonk-Papier in wesentlichen Stellen antiautoritär und so die Wiederholung von längst widerlegten Thesen, längst überwunden geglaubten Sektierertum-Anwandlungen und hundertfach in der Praxis belegter Unpraktizierbarkeit.

Ganze Abschnitte scheinen aus der Feder von 68er-Antiautoritären zu stammen. Dazu gehören die Teile gegen den Zwang zur Arbeit und jene, die individuelle Freiheit betonen - im deutlichen Gegensatz zur Freiheit der Gesellschaft. Auch die besonders wirren Aussagen gegen „repressive Normsetzungen", wo man sich nicht mehr um die Unterdrückung durch den Staat sorgt, sondern um die „Unterdrückung von Individuen durch die Gemeinschaft".

Auch die „Einführung von Zwangskollektiven" wird gegeißelt, kurz, die Individualität ist die angebetete Gottheit. Die Individualität, das „selbstbestimmte Leben", „Verfügungsgewalt über das eigene Leben", gegen Kollektivität und „Fremdbestimmung".

Kennzeichnend die Stelle, wo es heißt: „Wir brauchen die gleiche Freiheit wie die Luft zum atmen. Sie ist Sinn unserer Politik." Wobei aus dem Zusammenhang klar hervorgeht, daß mit Freiheit die individuelle Freiheit gemeint ist, nicht die gesellschaftliche, kollektive Freiheit. Wenn das aber „Sinn unserer Politik" ist, also der Zentralpunkt, dann kann man ohne Zögern in die FDP eintreten. Das wird dort genau so unterschrieben.

In einem ganzen Absatz wird über die „Geschichte der Linken" gesprochen. Hat man wirklich die Geschichte der Linken studiert? Warum ist dann nicht aufgefallen, daß immer dann, wenn man die individuellen Freiheiten zum Entscheidenden macht, man in der Falle des Kapitalismus gefangen ist, so wie es alle waren, die den Antiautoritarismus nicht überwunden haben.

Was ist aus denen geworden, die den Antiautoritarismus umsetzen wollten, mit „Transformationsprojekten" (damals nannte man das den ‚Gang durch die Institutionen’), so wie das Bonk-Papier? Ein Teil von ihnen saß nach dem Abflauen der 68er-Bewegung in irgendwelchen Grüppchen, die zusammenfassend als „Spontis" bezeichnet wurden (so wie Joschka Fischer zum Beispiel), ein anderer Teil beim KB Nord usw. Die meisten von ihnen fanden sich nach und nach bei den Grünen ein.

Der kleine Teil, der dort bei den „Fundamentalisten" war, ist längst nicht mehr dort - so mag denn der eine oder andere auch in der Linkspartei oder WASG sein. Die überwiegende Mehrheit aber bildete das, was damals als der „Realo"-Flügel der grünen Partei bezeichnet wurde und heute praktisch die ganze grüne Partei umfaßt.

Wenn man denn also von der Geschichte der Linken lernen will, so ist die erste Lektion: Mit Überbetonung der individuellen Freiheit als „Sinn der Politik" kommt man im Kapitalismus dahin, wo heute die grüne Partei ist: Mitträger von imperialistischen Überfällen auf andere Länder und von Hartz IV.

In diesem Sinne ist das Bonk-Papier als Menetekel an der Wand der Linkspartei aufzufassen, wohin man unweigerlich rutscht, wenn man nicht energisch gegensteuert.

Und das Ganze hat, so wie es auch bei den Grünen war, eine Klassenbasis: das Kleinbürgertum. Dies wird im Bonk-Papier an allen Ecken und Enden deutlich. Besonders klar am Ende, wo es heißt: die „Menschen [haben] ... mehr zu verlieren als nur ihre Fesseln", denn genau das prägt den Kleinbürger; im Gegensatz zum Proletarier hat er etwas (wenn auch wenig) zu verlieren, wenn er sich für den Sozialismus entscheidet (wenn er auch eine Welt zu gewinnen hat, wenn er sich auf die Seite der Arbeiter stellt).

Sei es, daß er ein kleines Geschäft hat, einen Bauernhof, oder - wie heute meistens- Privilegien in seiner Arbeit. Er kann die Arbeit weit weniger fremdbestimmt gestalten als der Arbeiter, ist meist „Kopfarbeiter" und stirbt oft fast vor Furcht, er könnte in so eine fremdbestimmte Situation kommen wie der Arbeiter.

Der Abschnitt, in dem von der „Geschichte der Linken" gesprochen wird, ist besonders aufschlußreich, denn er zeigt nicht nur die mangelnde Aufarbeitung dieser Geschichte, sondern auch die zweite Grundlage des Papiers neben dem Antiautoritarismus, den Antikommunismus - der fast immer als Zwillingsbruder des Antiautoritarismus daherkommt.

Zunächst wird mal eben ganz schnell Marx für überholt erklärt. Nun, das haben immer alle Antikommunisten gesagt, aber jeder, der auch nur versucht hat, einen einzigen Gedanken von Marx zu widerlegen, ist gescheitert. So auch hier wieder, man versucht nicht einmal mehr, Marx zu widerlegen. Man erklärt einfach schnoddrig, die Sache mit dem Hauptwiderspruch sei eine Falle (Marx als Fallensteller, wie lustig).

Die Wirklichkeit besteht nicht ausserhalb unserer Köpfe.
Kurz, es gibt keinen Kapitalismus. Die Wirklichkeit besteht nicht außerhalb unserer Köpfe. Die Ökonomie ist nicht die Grundlage der Gesellschaft, der Hauptwiderspruch zwischen der gesellschaftlichen Produktion und der privaten Aneignung besteht nicht, oder wenn er besteht, dann bestimmt er nicht das ganze Leben in der Gesellschaft. Marx ist eine „ökonomistische Verkürzung".

Oh, meine liebe Julia Bonk, da mußt du noch viele Brötchen essen, bis du es mit Karl Marx aufnehmen kannst (deshalb hast du es auch gar nicht erst mit Argumenten versucht?).

Dann wird der Antikommunismus auf den Punkt gebracht: Kommunismus ist der Hauptfeind der „individuellen Freiheit": „Leider wurde und wird im Namen sozialistischer oder kommunistischer Zielsetzungen die individuelle Freiheit nur zu oft als nachrangig betrachtet."

Der Antikommunismus ist aber auch dringend notwendig, denn sonst müßte man sich ja mit der häßlichen Frage der Revolution auseinandersetzen - und das will man ja gerade vermeiden. Hat man erst einmal den Hauptwiderspruch gekippt, dann gibt es keinen Kapitalismus mehr (denn der war ja gerade durch diesen definiert) - und dann braucht man diesen Kapitalismus ja logischerweise auch nicht mehr zum Teufel jagen- was hat man sich dadurch an Arbeit gespart!

Statt der Revolution Stärkung des (kapitalistischen - oder wie man es auch immer nennt) Staates: „Staat und Politik müssen im Sinne des öffentlichen Interesses handlungsfähig bleiben."

Im Prinzip hätte man sich dann natürlich auch das Wort „Sozialismus" sparen können, denn das gibt es ja nur im Zusammenhang mit der „Hauptwiderspruchsfalle", aber man hat es eben so lieb gewonnen, daß man es immer noch verwendet (und sonst wäre man natürlich auch in der ‚Partei des Demokratischen Sozialismus’ fehl am Platz, nicht wahr?)

So wird dann auch gesagt, wie man zu jener Gesellschaft kommen will, die man anstrebt und verschämt immer noch als „demokratisch sozialistisch" bezeichnet. Nein, dazu braucht man keine Revolution, wo käme man denn da hin? Man braucht einfach nur „Transformationsprojekte"! Wie konnten Marx, Engels, Lenin und alle anderen dies nur nicht erkennen?

Die Monopolkapitalisten haben gar nicht die Macht! Glaubt es doch endlich! Das sieht nur so aus! Man kann denen durch Transformationsprojekte die wirtschaftliche Macht durch die Hintertür rauben! Glaubt ihr nicht? Seht doch!

Wir wollen ... die „Transformationsprojekten hervorheben, die uns zentral erscheinen, die das Potential haben, die Gesellschaft sowie die ökonomischen Machtverhältnisse schrittweise zu verändern..."

Denn aus der ökonomischen Macht wächst ja keine politische Macht, die wird vielmehr durch uns, die Linkspartei, repräsentiert, wenn wir in der Regierung sind - und von dort aus die falsche Gesellschaftsordnung einfach wegreformieren!

Dann kann man ins Schwärmen kommen. Was da alles unter den „Transformationsprojekten" steht, ist einfach sagenhaft. Wenn das alles umgesetzt ist, wird der Kapitalismus zum reinen Paradies (halt, den gibts ja gar nicht, also das ungenannte Ding, das anstelle dessen heute besteht)!

Und da das Großkapital ja nicht die Macht hat, kann es gar nichts dagegen machen, daß wir die Transformationsprojekte nach und nach durchsetzen und so aus der bösen, häßlichen Gesellschaft ein Paradies auf Erden machen!

Wie man denn dies alles durchzusetzen gedenkt? Da muß man zurückgehen und weiter oben nachlesen:"Die Einheit zwischen Protest, Gestaltung und über den Kapitalismus hinausweisender Alternativen ist eine schon im „strategischen Dreieck" beschriebene Notwendigkeit."

Daß da wieder der Begriff „Kapitalismus" auftaucht, der doch soeben zu den Akten gelegt worden war, ist nur ein kleiner Schönheitsfehler. Was da eigentlich gesagt wird, ist: Das Volk da draussen darf protestieren, wir von der Linkspartei zeigen die Alternativen auf und wir gestalten dann in den Regierungen mit, so daß dies auch verwirklicht wird.

Schon haben wir uns die Revolution gespart. Daß die bisherigen Erfahrungen des Volkes mit dem „Gestalten" der Linkspartei in den Regierungen allerdings nicht auf diese Alternativen hinauslief, sondern genau aufs Gegenteil, so wie auch schon beim gleichen Projekt der Grünen in den Jahrzehnten vorher, das blenden wir hier einfach mal aus, denn eine wirkliche Bonkige Theorie braucht sich natürlich nicht an der Praxis messen lassen, sondern wird an der Schönheit der Worte gemessen - und darin sind wir Meister.

Früher nannte man das „fortschrittlich", wie langweilig, wir sprechen jetzt von „emanzipierend" oder besser noch „emanzipatorisch" - ist das nicht schick? Un die „emanzipatorische Linke" ist die NEUE LINKE - da spielt es doch keine Rolle, daß sie sich durch Versatzstücke alter, längst von der Wirklichkeit überrollter Theorieansätze definiert.

Und dann kommt die schönste Stelle: „Eine emanzipatorische Linke darf, wenn sie sich ernst nimmt, nicht nur ihre theoretischen Grundlagen verkünden. Sie muß ihre Grundsätze auch bei der Lösung konkreter Probleme anwenden."

Nein, kann nicht wahr sein - ob die das alleine herausgefunden haben?

Und gleich danach kommt die oben schon zitierte Stelle mit dem „strategischen Dreieck", das ja nun in der Praxis schon bewiesen hat, zum Gegenteil des Erwünschten zu führen. Und was ziehen wir daraus für Konsequenzen - natürlich gar keine! Man kann doch eine Bonkige Theorie nicht umwerfen, nur weil sie nicht funktioniert!


Artikel der 'Berliner Umschau' vom 10. Mai 2006, hier leicht redigiert. Besonders aktuell nun wieder angesichts der aktuellen Entwichlungen in der Linkspartei.

Dienstag, 2. Januar 2007

Soll früher begangenes Unrecht entschädigt werden?

Entschuldigungen? Entschädigungen?

Von Karl Weiss

Der englische Premier Blair hat entschieden, nicht für die kolonialen Gräueltaten und die Ausbeutung der Sklavenhaltung um Entschuldigung zu bitten. Er drückte lediglich sein Bedauern aus. Die „Zeit“ springt ihm bei: Wo solle man anfangen, wo aufhören?

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich in diesem Falle einmal positiv ausgezeichnet. Es wurden in beträchtlichem Umfang Wiedergutmachungsleistungen gewährt und gezahlt und es wurde eine beträchtlicher Fond geschaffen, aus dem überlebende jüdische Sklavenarbeiter und deren Angehörige und Nachkommen entschädigt werden. Nun stellt sich die Frage: Und die anderen gigantischen Völkermord- und Sklavenhalter-Verbrechen, die durch staatliche Stellen begangen bzw. gedeckt wurden? Haben die nicht auch Anspruch auf Entschädigungen? Vor allem die unsäglichen Verbrechen des Kolonialismus und der kolonialen und postkolonialen Sklavenhalter sind hierbei im Visier.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg, langsam aber sicher, der ganze Umfang der Völkermorde der faschistischen Hitlerhorden der Weltöffentlichkeit ins Bewusstsein gelangte, wurden bald Forderungen nach Wiedergutmachungsleistungen laut. Dabei handelte es sich sowohl um solche für Überlebende der KZs und von Völkermordaktionen als auch für Angehörige von Opfern der faschistischen Mordmaschinerie.

Auf Druck der West-Alliierten musste der neu entstehende Staat der Bundesrepublik sich offiziell als Nachfolger des Hitler-Regimes etablieren, um (fast) alle staatlichen Einrichtungen auf seinem Gebiet beanspruchen zu können. Als solchem wurde dann die Forderungen an ihn herangetragen und es wurden Wiedergutmachungsgesetze beschlossen.

Allerdings war es nötig, Beweise für die entsprechenden Betroffenheiten zu erbringen, was eine hohe Hürde darstellte. Die Originaldokumente des Hitler-Regimes waren in den Händen der Alliierten, die keinen Einblick gewährten. So konnten viele Betroffene und Angehörige nie die nötigen Beweise erbringen.

Speziell für die jüdischen Betroffenen gab es aber die Hilfe des Staates Israel und von Dokumentationsstellen, die entsprechende Beweise beschafften. Jüdische Stellen konnten zum Teil auch Zugang zu Akten erhalten, die in US-Gewahrsam waren. So kam es zu der Situation, die oft als ungerecht empfunden wurde: Weit überwiegend, wenn nicht ausschließlich, waren es jüdische Betroffene und Angehörige, die Wiedergutmachungszahlungen erhielten.

Andere Gruppen von Betroffenen, wie z.B. die wenigen überlebenden Homosexuellen oder Geisteskranke, an denen barbarische Experimente durchgeführt worden waren, gingen fast durchweg leer aus.

Ein besonderes Kapitel waren die überlebenden Kommunisten aus den Konzentrationslagern, denen generell und pauschal Entschädigungen verweigert wurden. Gegen Ende des Krieges waren die überlebenden Kommunisten in großen Teilen im KZ Buchenwald konzentriert worden. Bevor auch dort die Häftlinge in Todesmärschen ausgelagert werden konnten, inszenierten die Häftlinge unter Führung der Kommunisten einen Aufstand, der angesichts der minimisierten Wächtertruppe zu einem Patt führte: Die Häftlinge konnten zwar nicht fliehen, aber die Wächter konnte sie auch nicht zu einem Todesmarsch zwingen. Dies dauerte bis zum Eintreffen alliierter Truppen und so konnte eine beträchtliche Anzahl von Kommunisten das KZ überleben. Da sie angeblich „Staatsfeinde“ gewesen wären, verweigerte man ihnen Wiedergutmachungen, damit nachträglich noch die Haft legalisierend. Aber das soll heute nicht das Thema sein.

In den 80er Jahren des 20. Jahrhundert tauchten dann erneut Forderungen auf an die Bundesrepublik: Jüdische Sklavenarbeiter aus der Zeit des Faschismus in deutschen Betrieben verlangten von den Nachfolgefirmen und dem deutschen Staat Ausgleichszahlungen für die von ihnen erzwungenermassen geleistete Arbeit. Da sie dies vor US-Gerichten gegen die US-Töchter der Nachfolgefirmen damaliger deutscher Betriebe vorbrachten, bestand die Gefahr, dass solche Firmen wirklich zu umfangreichen nachträglichen Lohnzahlungen und dazu noch zu Strafzahlungen verurteilt hätten werden können, die nach US-Praxis in viele Zig oder Hundert Millionen Dollar-Bereiche hätten kommen können.

Hier sprang der deutsche Staat mit einer beispiellosen Aktion ein: Ein schuf einen Fond, den er mit Millionen von Mark in Steuergeldern ausstattete und bot den Klägern an, daraus Ersatzleistungen zu zahlen, wenn sie dafür die Klagen gegen deutsche Firmen zurückzögen. Die Firmen wurden aufgefordert, freiwillig ebenfalls Leistungen in den Fond zu zahlen. Der verurteilte Kriminelle Graf Lambsdorf wurde als Treuhänder für den Fond eingesetzt. Zwar zog sich das Ganze dann über mehr als ein Jahrzehnt hin, bis längst nach der Wiedervereinigung, aber am Ende konnten sich die deutschen Firmen, die unter Hitler von jüdischer Zwangsarbeit profitiert hatten, wirklich von Hunderten von Millionen Mark an Ausgleichszahlungen und Strafen freikaufen, indem sie ein paar „peanuts“ in den Fond einzahlten (und nicht einmal das taten alle).

Damit war weltweit ein Präzedenzfall geschaffen worden: Früher begangenes Unrecht kann noch viele, viele Jahrzehnte später mit Geldleistungen „wiedergutgemacht“ werden, nicht nur für die Betroffenen (von denen die meisten schon nicht mehr lebten), sondern auch für Angehörige und Nachkommen.

Die Logik, die hinter sxolchen „Wiedergutmachungsleistungen“, „Ausgleichszahlungen“ oder wie man sie auch immer nennen mag, steckt, ist in etwa folgende:

Es gibt keine Wiedergutmachung für den Tod einer Person. Abgesehen von der strafrechtlichen Verfolgung der Täter ist ein Mord nicht wiedergutzumachen. Aber es gibt die Möglichkeit, erlittenes Leid zu mildern durch Zahlungen. Ebenso gibt es die Möglichkeit, Angehörigen bzw. Nachkommen mit Zahlungen in einen ähnlichen Zustand zu versetzen, wie er gewesen wäre, wenn der Ermordete weitergelebt hätte, also z.B. weiter für den Unterhalt der Familie hätte aufkommen können, oder weiter in der Lage gewesen wäre, eine Firma zu führen und damit die Nachkommen in eine günstige finanzielle
Lage zu bringen.

Ausgehend von dieser Logik, haben verschiedene Nachkommen von Opfern von Völkermordsverbrechen oder vergleichbar riesigen Unrechtstaten (Kolonialismus, Sklaverei) eine Logik für die Rechtfertigung von Ausgleichszahlungen für sie entwickelt:

Die vom Kolonialismus ausgebeuteten Staaten haben bis heute Schwierigkeiten, auf einen grünen Zweig zu kommen. Ausgleichszahlungen für die Vorteile, die jene Kolonialmächte aus den Länder herauszogen, könnten viele von ihnen schuldenfrei machen und sie aus der aussichtslosen Zinsfalle befreien, in der sie oft seit Urzeiten stecken – meistens seit dem Ende der Kolonialherrschaft.

Seien es Vorteile in Form von Bodenschätzen, die ohne jede Gegenleistung aus diesen Ländern geholt wurden, sei es die Form der Sklavenarbeit oder nur minimal bezahlte Arbeit, mit denen Vorteile aus diesen Länder gezogen wurden, ihnen steht ein Ausgleich zu.

Die Nachfahren von Sklaven, die praktisch ausschließlich aus Afrika entführt wurden, beanspruchen Wiedergutmachungen für die geleistete Sklavenarbeit in Anlehnung an die deutsche Regelung mit den Juden. Fast alle von ihnen wurden nach dem Ende der Sklaverei in den verschiedenen Ländern einfach ihrem Schicksal überlassen. Der Großteil der Nachfahren dieser Sklaven leben noch heute unter prekären Bedingungen, Bedingungen, die eindeutig von der ursprünglichen Sklaverei verursacht wurden. Ihnen stehen Hilfen für ein lebenswürdiges Leben zu.

Schwerwiegende Argumente. Wenn die Juden Anrecht auf Entschädigungen hatten – was nicht zu bezweifeln ist – dann haben es diese Menschen auch, oder?

Auf einer UN-Konferenz in Südafrika waren vor einiger Zeit schon einmal solche Forderungen vorgebracht worden. Im Auftrag der EU antwortete ein spanischer Beauftragter (Spanien fühlt sich offenbar besonders angesprochen), es sei gar nicht daran zu denken, für diese Untaten Wiedergutmachungszahlungen anzuerkennen. Das seinen andere Zeiten gewesen, es hätten andere Maßstäbe gegolten.

Zu Zeiten der Präsidentschaft von Clinton war eine entsprechende Frage schon einmal in den USA aufgetaucht. Der Präsident hatte damals, ebenso wie Blair jetzt, erwogen, für die Sklaverei um Entschuldigung zu bitten. Schließlich war aber auch er auf den Nebenausgang gekommen, sein Bedauern auszudrücken.

Auch der Papst hatte schon zu diesem Trick gegriffen. Der Vorgänger des jetzigen, unter Druck, sich zumindest zu entschuldigen für die unsäglichen Massenverbrechen der katholischen Kirche oder solchen, die unter ihrer ausdrücklichen Billigung stattfanden, wählte den gleichen Weg, sich nicht zu entschuldigen, sondern sein Bedauern auszudrücken.

Nun, Bedauern drückt man den Angehörigen aus, wenn jemand gestorben ist, man aber nichts mit dessen Tod zu tun hatte. Das Ausdrücken von Bedauern schließt ausdrücklich die Anerkennung einer Schuld, speziell eigener Schuld, aus. Das ist natürlich auch der Grund, warum die Rechtsberater den Repräsentanten der Nachfolgeregierungen von Massenmordverantwortlichen immer abraten, um Entschuldigung zu bitten. Es könnte jemand irgendwelche Reparationsleistungen damit zu begründen versuchen.

Die „Zeit“ hat sich nun die Mühe gemacht, die Argumente zusammenzutragen, warum zurückliegende Schuld heute nicht mehr zu Entschuldigungen und Ausgleichsleistungen führen könne. Nicht ohne die unglaublichen Barbareien, jedenfalls was den Sklavenhandel betrifft, auch beim Namen zu nennen: Von etwa 9 Millionen Sklaven, die in der modernen Sklaverei aus Afrika entführt und im wesentlichen in die „neue Welt“verfrachtet wurden, überlebten allein 3 Millionen nicht einmal den Transport!

Schon in der Überschrift wird gesagt: „Wo anfangen, Wo aufhören?“ und damit ausgedrückt, man könne eben keine Grenzen finden, was denn nun zu entschuldigen sei und was nicht. Tatsächlich sollte man, wenn viele Jahrzehnte oder sogar ein, zwei oder drei Jahrhunderte vergangen sind, wirklich nur über die ganz großen, massenhaften, barbarischen und völlig außerhalb jeder Menschlichkeit stehenden Verbrechen reden. Darunter fallen praktisch alle Kolonialherrschaften und die damit verbundenen, aber später auch ohne Kolonialismus fortgeführten Versklavungen und Sklavenhalter-Gesellschaften.

Bei diesen, klar umrissenen und in ihrer Abscheulichkeit überwältigenden Verbrechen davon zu reden, man wisse nicht, wo anfangen und wo aufhören, ist lächerlich. Sie sind klar definiert, gut untersucht und bis ins Detail bekannt.

Das zweite wesentliche Argument stellt sich bei der „Zeit“ wie folgt dar: „Geschichte schreitet voran, Haltungen ändern sich, neue moralische Maßstäbe bilden sich heraus.“„Das [Versklavungen und Sklavenhaltung im Sudan] sind die Wirklichkeiten, auf sie sollte sich die Aufmerksamkeit aller derjenigen konzentrieren, die sich über Rechtlosigkeit empören. Und nicht einer Vergangenheit, die längst überwunden ist.“

Das ist interessant. Man wusste also im 17. und 18. sowie in wesentlichen Teilen des 19. und auch noch teilweise 20. Jahrhundert nicht, dass das Erobern von Ländern, das Ausbeuten der dortigen Schätze und Arbeitskraft und das anschließende „Sich-Selbst-überlassen“ sowie Versklavung und Sklavenhaltung Unrecht sind? Es gab andere moralische Maßstäbe?

Es gab kein Christentum, das Nächstenliebe lehrt und „Was du dem geringsten meiner Brüder getan hast, hast du mir getan“? Reden wir hier von primitiven, vorgeschichtlichen Zeiten? Von mittelalterlichen Zeiten? Nein wir reden von der Neuzeit, als alle Verantwortlichen Zugang zu den Werten der Renaissance hatten. Speziell reden wir auch von Zeiten nach der Mitte des 18.Jahrhunderts, als die Aufklärung und die mit ihr vorangehenden Verständnisse der unveräußerlichen Rechte eines jeden menschlichen Wesens entwickelt waren und ebenfalls allen Verantwortlichen zugänglich.

Es handelt sich offensichtlich um eine lahme Ausrede.

Speziell aber muss man sich mit dem Argument auseinandersetzen, dass diese Vergangenheit längs überwunden sei. Sind doch die Länder, die Kolonialreiche errichteten,„rein zufällig“ heute alle auf der Sonnenseite der reichen entwickelten Länder, ebenso wie fast alle, die Sklaverei zur Bereicherung nutzten. Dagegen sind „rein zufällig“ alle vom Kolonialismus unterdrückten Länder heute Teil des armen Gürtels der Menschheit, der Entwicklungsländer. Wollen die ehemaligen Kolonialländer wirklich behaupten, das massive Ausbeuten von Schätzen und Arbeitskraft zu jener Zeit und das anschliessende "Sich-selbst-Überlassen" habe nichts mit diesem heutigen Status zu tun?'

Um nur einen Eindruck zu gewinnen, von welchen Größenordnungen der Ausplünderung die Rede ist, hier ein kurzer Ausschnitt aus dem Artikel von Elmar Getto über „Brasilien und Gold“ aus der Reihe "Brasilien jenseits von Fussball und Samba".

„Würde Brasilien sich vergleichsweise ebenfalls mit 10% [des Wertes des geraubten Goldes] zufriedengeben, würde zusätzlich auf die Aktualisierung des damaligen Goldwertes verzichten und würde auf Schadenersatz für alle anderen Werte verzichten außer dem Gold aus der Region ‚Zentrales Minas Gerais’, so hätte die Europäische Union immer noch 2,8 Billionen Dollar (oder entsprechend weniger in Euro) zu entrichten. Nehmen wir nun an, Brasilien würde in unendlicher Güte eine Rückzahlungsdauer von 500 Jahren akzeptieren, so wären Jahresraten von etwa 50 Milliarden Euro fällig. Da die Gesamtschulden Brasiliens etwa 600 Milliarden Euro betragen, wären die Schulden in zwölf Jahren bezahlt und es ständen immer noch 482 Jahre von jährlichen Zahlungen aus.“

Quelle hier


Und das sind nur 10% und nur von einem Teil des aus Brasilien geraubten Goldes, ohne andere Bodenschätze zu zählen!

Nun kommen wir langsam etwas mehr dahinter, warum die ehemaligen Kolonialländer und Sklavenhalterstaaten die Frage von Entschädigen meiden wie der Teufel das Weihwasser. Was da auf sie zukommen könnte, wäre gigantisch.

Da ist es sicher besser, von „längst überwundener Vergangenheit“ zu schwafeln, nicht wahr?

Ist ist also zu erwarten, dass die deutschen Ausgleichszahlungen die Einzigen in der Geschichte bleiben werden.


Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 30. Dezember 2006, hier geringfügig redigiert.

Samstag, 25. November 2006

Rührendes Bemühen

Wer nach links geht, sucht keinen Antikommunismus

Stellungnahme zum Treffen der "Linken" in WASG und Linkspartei in Felsberg

Von Karl Weiss


100 aufrechte und verlorene Gestalten, noch dazu gespalten im Verhältns 62,5% zu 37,5%, das war das bundesweite Treffen in Felsberg der linken Opposition in Linkspartei und WASG, die sich hochtrabend „Netzwerk linke Opposition“ nennt, über das ein Artikel in der „linkezeitung“ informierte. Ein rührendes Bemühen.

Die 100 waren nicht etwa gewählte Delegierte ihrer Basisgruppen, sondern das WAR das „Netzwerk“. Immerhin ein neuer Minus-Rekord für ein „Netzwerk“.

Als „leidenschaftliches Ringen“ wurden die Grabenkämpfe zwischen der von der trotzkistische SAV angeführten Fraktion genannt, die konsequent auf Entrismus in die Linkspartei ausrichtet und jenen, die nur für ein Aufgehen in der Linkspartei sind, wenn dort linke Politik durchsetzbar ist.

Die letzteren hatten denn auch einen Antrag vorbereitet, der klare Bedingungen für einen Eintritt in die Linkspartei stellt und für den Fall, die seien nicht durchsetzbar, den Aufbau einer eigenen Partei links von der Linkspartei in Aussicht stellt. Dieser Antrag wurde von der Berichterstatterin der ‚linkezeitung’ als „politische Vernunft“ bezeichnet, die sich dann auch mit 62,5% der Stimmen durchsetzte.

Die Spaltung der 100-Mann–bundesweiten-Partei wurde dann doch noch verhindert, indem man die Möglichkeit des Eintretens in die Linkspartei offenließ, falls die Bedingungen durchsetzbar sind. Gleichzeitig berichtet die Autorin des Artikels in der ‚linkezeitung’ aber über die offenbar bestehende Einigkeit, es gebe dazu keinerlei reale Aussichten, was dieses "Zugeständnis"wohl ein wenig theoretisch macht.

Die Autorin E.B.S. ist eine bekannte Linksintellektuelle aus dem Ruhrgebiet, Funktionärin des in Auflösung begriffenen Netzwerkes „attac“, die bereits durch eine führende Rolle in der Spaltung der großen Berlindemonstration der Montagsdemos im Oktober 2004 aufgefallen war.

Interessant auch, wie diese Linken die Frage der Demokratie innerhalb ihres Netzwerks lösen: Es gibt keine Beschlüsse, an die jemand gebunden ist, jeder tut, was er will, die Koordinierungsgruppe hat keinen klaren Auftrag und kein politisches Mandat und somit auch keinerlei Verantwortung und Rechenschaftspflicht. Die idealen Voraussetzungen, aus einem „Netzwerk“ die Diktatur einer kleinen „Elite“ zu machen, wie dies schon bei „attac“der Fall war.

Es wird ein „Rat“ gebildet, der aber weder einen Auftrag hat, sich an ein Programm halten muß noch rechenschaftspflichtig ist. Die „starken Personen“ bestimmen alles, ohne je mit Auftrag gewählt worden oder rechenschaftspflichtig zu sein. Sie haben Verbindungen zu Redaktionen von Massenmedien und Journalisten von Presseagenturen und sind so alleinige Sprecher, ohne je die Basis befragen zu müssen.

Einfache „attac“-Mitglieder berichten genau davon in ihrer „Organisation“. Wenn Herr Wahl von „Rat“ etwas sagte, stand es in allen Zeitungen als „attac“-Position. Seine Aussage z.B., die Montagsdemonstrationen hätten im Westen nicht gegriffen und könnten daher eingestellt werden, war niemals in „attac“ abgestimmt worden noch hatte er sich danach innerhalb des Netzwerks zu rechtfertigen. Er war einfach einer der nie mit Auftrag gewählten Könige der Organisation, weil er „Verbindungen“ zum Establishment hat. So verwundert es letztendlich nicht, wenn man konstatieren mußte, er tat innerhalb der linken Bewegung immer genau das, was in jenem Moment dem Gegner half, der Bundesregierung. Wer Kritiken innerhalb des Netzwerkes hatte, wurde auf das attac-Forum verwiesen.

Geradezu ein Scherz, wenn diese Leute ihr Modell „Jeder tut, was er will“, als „Rätedemokratie“ bezeichnen. Alle, die je in wirklichen „Sowjets“ oder „Räten“ gewählt wurden, rotieren in ihren Gräbern. Das Rätesystem ist nicht ein von Intellektuellen ausgedachtes System zu ihrem höheren Ruhm, sondern ein von Arbeitern geschaffenes. Es verpflichtet jeden Gewählten, genau das zu tun, was sein Auftrag durch die Basis ist und nichts anderes.

Was eine abgehobene Intellektuelle wie E.B.S. vom Einhalten von Aufträgen der Basis hält, hat sie schon im Vorfeld der Berliner Oktober-Demonstrationen der Montagsdemos von 2004 bewiesen. Ihre Basis hatte ihr den Auftrag gegeben, auf dem Berliner Treffen auf einer einzigen, vereinigten zentralen Demonstration zu bestehen. Dort allerdings habe sie sich aufgrund der konkreten Umstände gezwungen gesehen, genau das Gegenteil zu tun, verteidigte sie sich. Sie setzte sich für eine Spalterdemonstration ein und ließ sich auch noch in deren Organisationskomittee wählen. Alles zum Ruhme des überlegenen Geistes der Intellektuellen!

So ist es denn auch charakteristisch, wie die Beschreibung der Inhalte aussieht, für die das linke Netzwerk eintritt:
„...die Partei neu gegründet werden soll und es die vollständige Trennung von Amt und Mandat resp. Amt und wirtschaftlicher Verflechtung auch für Delegiertenämter geben soll. Privatisierungen der öffentlichen Daseinsvorsorge werden kategorisch abgelehnt, ebenso Beteiligungen an Regierungen, die Sozialabbau oder die Absenkung von tariflichen Standarts im öffentlichen Dienst betreiben. Die Bundeswehr soll nicht im Ausland und nicht im Rahmen der inneren Sicherheit im Inland eingesetzt werden. Zudem soll sich die neue Partei kämpferisch in gewerkschaftliche und soziale Auseinandersetzungen einbringen.“

Dies wird als „Rote Linien“ bezeichnet. Nun, wenn man die Weimarer SPD als „rot“ ansieht, kann man das auch als rot bezeichnen. Es handelt sich um schlichte sozialdemokratische Positionen, wie sie die SPD in ihren Programmen im wesentlichen noch bis vor einer Anzahl von Jahren vertrat.

Heute ist die SPD natürlich zu einer neoliberal-konservativen Partei verkommen, aber das „linke Netzwerk“ hat keine anderen Inhalte, als sie die klassische Sozialdemokratie hat. Die gleichen Positionen werden ja theoretisch auch von der Linkspartei vertreten, nur mit dem Unterschied: Sie werden für ein paar Fleischtöpfe verraten.

Der Kern der Sache ist und bleibt aber, man will auch in diesem winzigen linken Teil von WASG und Linkspartei nichts anderes als eine sozialdemokratische, antikommunistische Partei. Bald wird der Prozess, wie er in Berlin schon abgelaufen ist, auch bundesweit abgeschlossen sein: Die Linkspartei verspeist den einen Teil der WASG und „linken Opposition“ zum Frühstück, der andere Teil wird sich unter „WASG“ oder anderem Namen daneben etablieren und genausolche Walniederlagen hinnehmen müssen wie schon in Berlin.

Ist da denn eine Alternative für den Wähler oder jene, die links eine politische Heimat suchen? Drei sozialdemokratische antikommunistische Parteien, eine davon nur dem Namen nach noch sozialdemokratisch, die zweite ständig die Umarmung mit dieser suchend und die dritte basierend auf 100 Mann bundesweit?

Nein, die sich nach links bewegenden Massen werden immer weniger den Kontakt mit Kommunisten scheuen. Parteien, die als ersten und wichtigsten Inhalt den Antikommunismus, den abgrundtiefen Haß auf den Kommunismus haben, werden ihnen nicht reichen. Sie werde sich großen umfassende linken Bündnissen zuwenden, die Kommunisten genauso einschließen wie nicht-revolutionäre Linke. Antikommunistische Organisationen wie „attac“ und die Trotzkisten bleiben dabei am rechten Rand.

Hier stelle ich zum ersten mal einen Artikel in den Blog, der vorher noch nirgends erschienen ist. Ich will damit die Möglichkeit nutzen, auch in polemische Themen einzutreten, ohne die Absegnung der jeweiligen Chefredaktionen zu brauchen.

Montag, 13. November 2006

Auch Linkspartei hilft Streik abzuwürgen

Politik und hohe IG Metall-Funktionäre hintertreiben Streik bei BSH in Berlin


Von Karl Weiss

In einem beispiellosen Einsatz von Politprominenz mit Champagner und allem drum und dran gelang es noch einmal, den Streik von Arbeitern abzuwürgen. Die Linkspartei war mit von der Partie. Die Bosch-Siemens-Hausgeräte (BSH) in Berlin soll geschlossen bzw. verlegt werden. Dagegen begannen die Arbeiter einen Streik und bereiteten einen siemensweiten Aktionstag vor.

Sie hatten bereits Kontakt zur Belegschaft der Benq aufgenommen, ein anderer Siemens-Betrieb, der dem Profitstreben der Siemens-Vorstände zum Opfer fallen soll. In dieser Situation kam es zu Verhandlungen der IG Metall mit Siemens und es wurde eine scheinbare Einigung erzielt, die praktisch immer noch die Stillegung von BSH beinhaltete, lediglich eine Art winziger „Notbelegschaft“ soll für einen scheinbaren Erhalt des Standorts stehen. Der Siemens-Aktionstag wurde von der IG-Metall-Führung abgesagt.

Die Belegschaft reagierte darauf logischerweise nach einer Streikversammlung am Nachmittag des 20.Oktober in einer Urabstimmung mit einem Beschluss zur Fortführung des Streiks.

Daraufhin trat die Spitze der Berliner Regierungsparteien SPD und PDS sowie die Führung der hauptstädtischen IG Metall in Aktion, erschien im Streikzelt der kämpfenden Kollegen und machte Druck.

Bald hatte sich herumgesprochen, dass Bürgermeister Wowereit sowie PDS-Gysi und Wolf im Streikzelt erwartet wurden und die Belegschaft kam zusammen. Die örtliche IG Metall, sonst immer knapp bei Kasse, hatte für das abendliche Treffen ein Essen auffahren lassen, das seinesgleichen sucht. Selbst Champagner war angesagt.

Die Berliner IG Metall machte klar: Es gibt keine Unterstützung mehr von ihr, wenn der Streik weitergeführt werde. Wowereit, Gysi und Wolf waren sich einig: Der Streik habe ein Ergebnis erzielt und müsse jetzt abgebrochen werden. Am Anfang kamen noch Buh-Konzerte auf die Aufforderungen, zu Kreuze zu kriechen, doch mit der Zeit wurden die leiser und am Ende hatte die aufgefahrene Politprominenz die noch Stunden vorher bestehende Mehrheit gebrochen. Der Streik ging zu Ende.

Ein Vertreter der MLPD, der die ganzen Wochen des Kampfes seine Solidarität mit dem Kampf der Arbeiter gezeigt und viele gute Vorschläge zum Vorgehen gebracht hatte, wurde mit massiver Gewalt am Reden gehindert. Als die Arbeiter ihn aus der Umklammerung befreit hatten, bauten die IG-Metall-Funktionäre sofort die Verstärkeranlage ab, damit er auf keinen Fall gehört werden könnte.

Damit haben die rechten Gewerkschaftsführer mit SPD- (und manchmal auch Grünen-) Parteibuch in der Tasche, die SPD-Führung (was war von der anders zu erwarten?), aber ebenso die in der Entstehung begriffene „Die Linke.“ gezeigt, auf welcher Seite sie stehen. Die Siemens-Monopolherren reiben sich die Hände: Wieder ein Kampf abgewürgt, der zu einem Fanal hätte werden können.

Der massive Einsatz von Polit-Prominenz zeigt aber auch, wie groß die Angst vor einem Kampf der Arbeiter ist, wenn er der sozialdemokratischen Maxime („möglichst viel Abfindung herausholen“) und den sozialdemokratischen Führern aus der Kontrolle zu laufen droht.

Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 11. November 2006

Link zum Originalartikel hier

Samstag, 4. November 2006

Open letter to the rulers in Germany

Proposal by Karl Weiss

[This open letter published in Berlin online September 29, 2006 is translated from the German on the World Wide Web, http://karlweiss.twoday.net/stories/2737125/.]

10.10.06

In fact you almost persuaded us. We were nearly convinced of the stories of the alleged welfare state making all of us into a great family, of the constitutional state that enjoins justice for everyone, of the democracy where we supposedly join in the conversation and of constitutionality allegedly protecting everyone.

We were almost convinced we really had the same interests as your corporations, banks and politicians.

We almost believed that all our desires could become reality in capitalism: enough money to live, suitable housing, education for the children, child care so women could cooperate, sufficient jobs for everyone who wants to work, a complete and progressive health care, training and places at a university, a future worth living for our children, a decent pension after a full working life and perhaps a little extra every now and then.

It would be beautiful if a just state could be created here in capitalism.
But now we must admit shocked that all this was only a sleeping pill with a limited effect for us. You in no way provided all this for us. That we wanted this seems bluntly absurd.

The sixties, seventies and even the eighties almost sold all this as possible. We were almost there; not much was lacking. Having a car and taking a vacation was beautiful. We cannot deny this. But now we see already this cannot be afforded any more and will not last long. It was wonderful that some of us could fulfill the dream of a little house. Now we see how those who are unemployed cannot usually afford the payments.

Now you explain to us repeatedly and in detail: whether we have enough to eat, whether we have jobs and whether our children have a future – all this isn’t your problem. You only worry about your profit and we should not criticize.

You shocked us with the health reform and the ten-euro visitation fee for the doctor. Still we thought everything wasn’t so bad. When you cut the pensions again and again, we still hoped other politicians would cancel this. Then when Hartz IV (radically reducing social benefits by combining income support and unemployment money) was introduced, the promise that no one would suffer want if he or she couldn’t find work was broken. Then many were rebellious and the Monday demonstrations began. You trivialized this but have no illusions. The status quo will not last.

That all your parties, the laws, the media and even some social associations have accepted Hartz IV is deeply shocking to us. No constitutional court stopped this. Now we know, the constitutional state, democracy and the constitution are all hollow phrases to deceive us.

Still most of us are paralyzed by horror, unable to do anything and helpless about what must be done. But in the depths of our hearts, we know what we must do. Most of us will not yet admit this and wrestle with ourselves. More and more we realize: capitalism has not changed its face. You could only hide your real grimace for a brief phase in history. Capitalism has no future for our children or us. We will have to make the revolution and send you packing.

You abolish our jobs as you please. You cut our wages, lengthen our working hours, let the pensions fall to nothing and carry out the greatest tax increase (for us) in the history of Germany while your big corporations and banks pay no taxes any more. You cancel the apprenticeships that our children need and ignore those who have not found a stable work situation.

You call us social parasites when we don’t find any work, are sick, need care or are seniors. You defraud us of money that we and our fathers and mothers paid in to social security. You use the money for other things and now shrug your shoulders: there's nothing for you any more.

You have a strong grip on the newspapers, journals, television and radio. They shower us with your ideology that the state doesn’t exist to look after us when we are needy. Earlier it occurred to us that the unanimous ideology comes from the media and the responsible ones never stand on our side. This insight is beginning to spread like that insight that communists did not devour little children. Now we are also beginning to find alternative news on the Internet.

For years our real wages have been falling and are cut additionally by lengthened working hours. You want us to continue working to 67. There is even talk of pensions at 70.

We have started to reject this. In the elections that you always use as a great excuse (“The majority voted for this”), we have taught your politicians a lesson. In the last Bundestag election, 35% of those entitled to vote voted for your parties. Only 20% of the population has confidence in your politicians.

That the “Club of Rome,” one of your think tanks, proclaimed that only 20% will be needed in the future and the others will be without work is a coincidence. Thanks for the frankness.

The present does not make us worried and furious but the future you have earmarked for us. Nearly every one of us must expect unemployment before retiring. Then one is called work-shy. After paying in the social treasuries for decades, one is placated with alms far below the poverty line, unemployment benefits II or later pensions.

After humiliating petitions to authorities that send inspectors to our living quarters, politicians announce in a choir: social hammocks, social parasites and misuse!

For the rest of life, there are “vouchers” to get something to eat. Health care is so limited that necessary operations cannot be performed any more. One either moves into a tiny dwelling or becomes homeless. That is the future you design for us. Then you drum into our heads that people in developing countries face worse conditions.

Thanks also that one of your politicians made clear to us that food is in no way guaranteed with the “voucher”: “Whoever does not work should not eat.”

Perhaps that already occurred to us – or some of us. People easily fall into resignation, despair or depression. Your plans are mainly directed against our children. While we noticed that class sizes increased more and more when the discussion about student tuition began, we saw when you cancelled more and more apprenticeships, that our children were condemned to remain at home with us if they couldn’t find any work and were offered only part-time jobs, mini-jobs, one-euro jobs, contract work, practical assignments and precarious work.

We love our children and will not let you do this to them! This is crucial! We now fight against you even if our struggle was clumsy in the beginning. You don’t have the least presentiment how intense is the rage in our bellies and how wild is our determination. You are obviously not very impressed by our struggle. Those union leaders allied with your parties always successfully choked off the battles before they began. Still we learned. Look, the number of union members in the striking factories has doubled.

Yes, we will learn to be combative – and we will learn French. You should begin to tremble.

Hier habe ich die englische Übersetzung meines Vorschlags "Offener Brief an die Herrschenden - Von den Arbeitern und dem Volk in Deutschland" dokumentiert, dem bei weitem am häufigsten angeklickten Artikel dieses Blog, die ich überraschenderweise auf einer US-amerikanischen Website fand, der UCIMC, das ist eine der US-IMC-Organisationen, bei uns nennt sich 'IMC' "indymedia". Diese Übersetzung, ist offensichtlich jene aus "Journalismus - Nachrichten von heute", die schon dokumentiert wurde. Als Quelle wird "Berlin online" angegeben, aber auf der Website mit diesem Namen kann man dies nicht finden. Im einzelnen gibt es diese Übersetzung auf folgenden US-amerikanischen und englischen IMC- (bzw."indymedia"-)Sites und der US-Site "Smirking Chimp":

http://www.ucimc.org/node/121

http://www.indymedia.org.uk/en/2006/10/353191.html

http://www.smirkingchimp.com/thread/1569

http://portland.indymedia.org/en/2006/10/347363.shtml

http://www.indybay.org/newsitems/2006/10/10/18319403.php

http://nyc.indymedia.org/en/2006/10/77075.html

https://www2.indymedia.org.uk/en/regions/world/2006/10/353191.html

http://www.indybay.org/newsitems/2006/10/10/18319403.php?printable=true

http://www.ucimc.org/taxonomy/term/1?page=6


Der Link zum Originalartikel in deutsch ist hier, der zu einer neuen, erweiterten deutschen Version hier.

Montag, 23. Oktober 2006

Der Widerspenstigen Zähmung

Die Linkspartei beginnt fast deckungsgleich die Grünen zu wiederholen

Von Elmar Getto

Heute zunächst ein weiterer wichtiger Artikel von Elmar Getto, einer der letzten von ihm in der "Berliner Umschau", diesmal zur Linkspartei, hier leicht redigiert vom Autor. Erschienen zuerst am 8. Dezember 2005, ist der Artikel heute wieder besonders aktuell angesichts der Auseinandersetzungen über das Eintreten in eine neue Berliner Regierung.

Als die Grünen Anfang der 80er Jahre zum ersten Mal in eine Koalition mit der SPD geholt wurden, das war in Hessen unter Ministerpräsident Börner, begann ihr Prozeß des Übergangs zu einer kapitalistischen Partei. Genau die gleichen Erscheinungen kann man nun bei der Partei ‚Die Linke’ beobachten, nur im Zeitraffer.

Unter ständigen Hinweisen auf die ‚Einheit der Partei’ und ‚man müsse doch die Querelen überwinden’, werden die Linken systematisch, ein Grüppchen nach dem anderen, ausgegrenzt, bis nur noch eine systemtreue Partei, basiert auf Antikommunismus, übrig ist. Dann ist „Der Widerspenstigen Zähmung" gelungen und es ist nicht mehr schwierig, in einem zweiten Schritt die Partei auf den Weg zu bringen, den imperialistischen Agressionskurs mitzutragen.

Das nannte man bei den Grünen die ‚Schaffung der Koalitionsfähigkeit’. Das Schema ist einfach und verständlich. Man gibt in kleinen Dosen ‚Kröten zu schlucken’, begründet das immer damit, man müsse in Koalitionen eben Kompromisse eingehen – aber andererseits könne man eben auch auf Entscheidungen einwirken – erwähnt immer wieder die berühmten Sachzwänge – wenn man an der Regierung sei, könne man sich gewissen Dingen eben nicht entziehen -, und bekommt so innerhalb der Partei immer Mehrheiten für die 'Kröten', wenn auch manchmal knappe. Wenn die Mehrheit einmal nicht zustande kommt, wird solange weiter Druck gemacht und neu abgestimmt, bis die richtige Mehrheit da ist.

Das führt nach und nach dazu, daß sich immer wieder Einzelpersonen und kleine Gruppen von der Partei verabschieden, die ihre Grundprinzipien verletzt sehen. Andererseits führt diese Politik dazu, daß der Abschaum der kleinbürgerlichen Intellektuellen nach oben und in die Partei gespült wird, Karrieristen, die für fette Pfründe die eigene Mutter verkaufen würden und so viel Grundsätze haben wie eine Kuh (das Rindvieh sei um Entschuldigung gebeten).

So wurde aus der linken, basisdemokratischen und umweltbewegten Partei der Grünen jenes Zerrbild, das unter Schröder jedes imperialistische Eroberungsabenteuer mitmachte ebenso wie die Brutalisierung der Polizei im eigenen Lande. Man watete sogar bis zu den Knöcheln in Blut , sei es bei der Bombardierung Serbiens, beim Eingreifen im Kosovo oder beim Überfall auf Afghanistan. Leute wie Fischer, Beck und Schmierer sind die Symbole dieser Partei und das sagt alles.

Die überwiegende Mehrheit der Umweltaktivisten haben der Partei den Rücken gekehrt, praktisch alle, die Umwelt- und soziale Protest-Aktivitäten verbanden und links waren, ebenso wie alle, denen die Basisdemokratie Anliegen und nicht nur schöner Schein war. Auch einige Sponti- und feministische Gruppen sowie die gesamte Trotzkisten-Truppe haben die Partei verlassen, sofern sie nicht selber zum Imperialismus überliefen.

Außer der Masse der passiven Parteimitglieder besteht sie heute praktisch nur noch aus karrieristischen Kleinbürgern und Intriganten. Sie ist eine imperialistische Partei geworden mit allen Attributen. Wenn heute ein grüner Würdenträger (außer Ströbele) bei den Anti-Castor-Demos in Aahaus auftauchen würde, liefe er Gefahr, verprügelt zu werden.

Nun, angesichts der Regierungsbeteiligungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, zu der die WASG jetzt gleich noch mitverdonnert ist, beginnt der identische Prozeß in der Linkspartei, die sich eben mit der WASG vereinigen will, nur diesmal schneller.

Es wird an keiner Stelle innerhalb der offiziellen Parteitreffen erlaubt, offen zu diskutieren, was dort in der Regierung bereits an mit „links" unvereinbaren Zugeständnissen gemacht wurde und was man dafür wirklich positiv erreichen konnte. Die Protagonisten dieser Regierungsbeteiligungen werden bestenfalls einmal freundlich ermahnt, so wenn Lederer sagte, der Diskussionsprozeß sei bereits gescheitert. Wer dagegen die notwendige Diskussion über Mindestkriterien für eine Regierungsbeteiligung anmahnt, wie die Berliner WASG, wird praktisch zum Austritt gedrängt oder sogar mit Ausschluß bedroht.

Fast wortgetreu identisch die Aussage von Klaus Ernst „man habe nichts zu verlieren als die Zerstrittenheit" mit einer damaligen von Joseph Fischer.

Natürlich kann man in Regierungskoalitionen eintreten oder sogar allein eine Regierung übernehmen, wie es bei der Linkspartei im Osten gar nicht mal unmöglich wäre, wenn sie es sich jetzt nicht gleich mit allen Wählern verdirbt, so wie sie es in Berlin tut (Wer jeden Tag die Nahverkehrspreise in Berlin zahlt, hat eben Schwierigkeiten, nicht „auf die Politik des Senats fixiert" zu sein).

Wenn man zum Beispiel Hartz IV zu Fall bringen kann, das wäre ein Preis, für den es sich lohnte, in die Regierung zu gehen. Oder wenn man dann die gesetzliche 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durchsetzen könnte, was wirklich viele in Arbeit bringen würde. Oder wenn man einen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde durchsetzen könnte, mit hohen Strafen für Arbeitgeber, die darunter bleiben. Aber all dies könnte sowieso nur durchgesetzt werden, wenn das Volk auf der Straße ist – doch von diesem redet die neue Partei nur mit spitzen Fingern.

Aber wer in Regierungskoalitionen eintritt und dann die Nahverkehrspreise mit hochsetzt, mit für brutale Polizeieinsätze gegen Linke verantwortlich ist, Hartz IV mit umsetzt und mithilft, die Arbeitslosen aus den Wohnungen zu werfen, Ein-Euro-Job-Zwangsarbeit mit hochfährt, für den Verkauf städtischer preiswerter Wohnungen stimmt und schließlich noch seine Stimme für die imperialistische EU-Verfassung abgibt, der führt die Taktik des „eine-Kröte-nach-der-anderen-schlucken-bis-kein-Prinzip-mehr-übrig-ist" durch.

Charakteristisch, daß weder auf dem jüngsten Parteitag der Berliner Linkspartei noch auf dem jüngsten Einigungstreffen zwischen WASG und PDS von auch nur einem dieser Themen die Rede war. Solche Dinge werden ausgespart und stattdessen Nebelschwaden von „Schönsprech" verbreitet.

Die Teile der WASG, die biedere Sozialdemokratie aus der Ecke der Gewerkschaftsführung mit einem soliden Schuß Antikommunismus verbinden, für die Klaus Ernst stellvertretend steht, können natürlich ohne Schwierigkeiten integriert werden. Dagegen wird ausdrücklich betont, daß die Tür der Linkspartei für niemanden offen steht, „der nicht mit am Tisch sitzt".

Das heißt, die Ausgrenzung von DKP und MLPD, die im Wahlkampf noch feige mit Schwierigkeiten wegen der Eile begründet worden war, ist in Wirklichkeit eine heimliche inhaltliche Festlegung auf den Antikommunismus. Auch die Aussage, daß man für Sozialismus „im Rahmen der Demokratie" sei, ist identisch damit. Im Jargon der kapitalistischen Parteien heißt das: Strikt antikommunistisch, mit uns ist Revolution nicht zu machen!

Gleichzeitig werden „Parteilose" willkommen geheißen, d.h. dem trotzkistischen Entrismus ausdrücklich die Tore geöffnet. Na ja, wo Antikommunismus ist, sind Trotzkisten nie weit.

Der Schreiber dieser Zeilen war damals, Anfang der 80er-Jahre, guter Bekannter eines Grünen, der zu jener Zeit fleißig zu den Demonstrationen gegen die damals geplante Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf fuhr. Dort bekam er öfters Polizeiknüppel zu spüren, dabei auch immer hessische Polizei vertreten, also Polizeieinsätze, für die Grüne mit verantwortlich waren. U.a. gab es dabei auch einen Toten.

Damit begann langsam sein Weg von den Grünen weg, denn ein Polizeiknüppel auf dem Kopf ist ein sehr überzeugendes Argument – gegen jene, die verantwortlich sind für die Polizei.

Nun ist es ein WASG-Mitglied, das zu den Bekannten des Schreiberlings gehört und bereits beginnt, „Bauchweh" zu bekommen angesichts der strikten Gleichschaltung der WASG mit dem Berliner Senat und der Mecklenburgischen Regierung. Die Selbstverständlichkeit, daß VOR der Vereinigung eine gemeinsame Diskussion und Entscheidung der beiden Gesamt-Parteien über das Verbleiben der zukünftigen Vereinigten Partei in jenen Regierungen zu erfolgen hat, ist bereits vom Tisch gewischt.

Man tut so, als seien das Entscheidungen der Berliner bzw. Mecklenburger, aber das hat Auswirkungen auf die gesamte zukünftige Partei, deshalb müßte es von allen entschieden werden.

Nun – da kann man das „Bauchweh" verstehen.

Bereits im kommenden März können nach den Landtagswahlen in drei Bundesländern neue Regierungsbeteiligungen (oder jedenfalls eine) anstehen und bisher hat man nicht einmal angefangen über die Inhalte der bereits bestehenden in den beiden Gesamt-Parteien zu diskutieren. Man kann bereits voraussehen, daß dann die Krötenschluckerei in den Wochenrhythmus übergehen könnte. Der Prozeß, der bei den Grünen in etwa 18 Jahre von 1980 bis 1998 dauerte, könnte so von der Linkspartei in wenigen Jahren absolviert werden.

Das ist auch logisch, denn wir haben heute eine andere Situation. Arbeiter und Volk haben begonnen aufzuwachen und die Kämpfe beginnen sich auszuweiten. Mit dem Schröder-Kabinett wurde die erste Regierung schon gestürzt. Auch wenn sich die politische Krise jetzt mit der Übernahme der neuen Regierung zeitweise etwas beruhigt hat, werden doch die verschärften Angriffe, die sich bereits abzeichnen, auch auf einen verschärften Widerstand stoßen. Auf welcher Seite die Linkspartei, einmal vereinigt, stehen wird, auf der Seite derer, die die Polizei gegen diese Kämpfe einsetzen, so wie beim Streik bei Infineon in München, oder auf der Seite derer, gegen die Polizei eingesetzt wird, wird sich zeigen.

Montag, 2. Oktober 2006

'Nur Mord, sonst alles in Ordnung'

Faschistischer Terror und Verharmlosung auf neuem Höhepunkt

Von Karl Weiss

Anläßlich des aktuellen Terroranschlags in Potsdam im April wurde dieser Artikel verfaßt, der die Notwendigkeit der Verbote der Aufmärsche der faschistischen Horden heraushebt. Er erschien in der "Berliner Umschau" am 21. April 2006.

Der faschistische Terroranschlag auf einen deutschen Ingenieur und Familienvater dunkler Hautfarbe in Potsdam hat wieder Vielen ins Bewußtsein gebracht, daß Deutschland wirklich von Terroristen bedroht ist. Aber nicht, wie man uns weismachen will, von denen der Al Quaida, sondern von ganz realen faschistischen Terroristen wie den Skinheads und anderen Totschlagbanden.

Charakteristisch die Reaktion des Brandenburgischen Inneministers Schönbohm (CDU): Es müsse sich erst noch herausstellen, ob überhaupt sogenannte Rechtsextremisten (gemeint sind Faschisten) dahinter steckten. Der zuständige Staatsanwalt ließ denn auch gleich verlauten, es sei ein ‚extremer Einzelfall’.

Ist es aber nicht. Laut Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage der Abgeordneten der Linkspartei Pau gibt es in Deutschland etwa 10.000 gewaltbereite „Rechtsextreme", die meisten in der Shinhead-Szene. Im vorletzten Jahr gab es 12.051 Straftaten aus dieser Tätergruppe, davon 776 gewaltsame Übergriffe mit „rechtsextremem" Hintergrund auf Bürger. In allen letzten Jahren lag diese Zahl über 700. 2005 waren es 10.271 Straftaten, also eine steigende Tendenz. Allein im Januar 2006 gab es bereits 53 Verletzte durch solche Taten.

Die Medien weigern sich weithin, dies als Terror zu bezeichnen, während Straßenblockaden von Streikenden schon mal als solcher eingestuft werden. Die deutschen Gerichte genehmigen fast durchweg die Umzüge dieser Terrorbanden durch deutsche Städte, obwohl das Grundgesetz im Artikel 39 unter Bezug auf das Potsdamer Abkommen ausdrücklich den Antifaschismus vorschreibt. Deutsche Polizisten verteidigen aggressiv solche Umzüge gegen die Proteste der Bevölkerung und prügeln ihnen immer wieder den Weg frei. Während die Faschisten von den „Ordnungshütern" mit Samthandschuhen angefaßt werden, müssen sich Gegendemonstranten Knüppel und Karateschläge gefallen lassen.

Die heimlichen Sympathien für die Faschisten in Polizeirevieren, Staatsanwaltschaften und Amtsstuben sind so auffallend, daß sich am 18.4. sogar die „Süddeutsche", die sonst auch gerne verharmlosende Worte gebraucht und offizielle Polizeiberichte unkommentiert zitiert, in einem Kommentar (in der Rubrik ‚Ausland’!) unter dem Titel „Nur Mord, sonst alles in Ordnung" über die konsequent benutzten Verharmlosungen erregt.

Von deutschen Behörden und Polizisten werde der Hitlergruß als Lappalie behandelt und ironisch als „nicht mehr zeitgemäß" bezeichnet. Die faschistischen Schläger werden da zu „Streithähnen". Polizei und Gemeinden würden „lange geübt" wegsehen, das Ganze grenze schon an Dienstpflichtverletzung. Im Kommentar wird an einige Fälle dieses Jahres erinnert:

„Da wird in Quedlinburg ein Junge von einer rechten Horde zusammengeschlagen und im Polizeibericht steht dann, einem "Streithahn" sei der Kiefer gebrochen worden.

Da schlägt ein Rechtsradikaler in der Stadt Zerbst einem 16-Jährigen mit dem Bierglas ein Auge aus, nur weil der ein T-Shirt mit der Aufschrift "Gegen Nazis" trägt. Die Stadt aber lobt, wie friedlich das Fest verlaufen sei und spricht von einer "Rangelei unter Jugendlichen".

Einer Hoteliersfrau, die ein dunkelhäutiges Kind hat, malen Täter an die Wand: "Ich hatte einen Traum, ein Neger hing am Baum! Ich hatte viele Träume, nur zu wenig Bäume." Die Polizei erklärt, zu den Motiven dieser Tat könne nichts gesagt werden."

Aber auch dieser Kommentar lamentiert nur und zieht keine Konsequenzen. Die müssen nämlich lauten: „Verbot aller faschistischen Organisationen und Aufmärsche!"

Link zum Originalartikel hier

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

Willkommen / Impressum

Willkommen im Weblog Karl Weiss - Journalismus.
Der Weblog Karl Weiss - Journalismus ist umgezogen. neue Adresse: www.karl-weiss-journalismus.de
IMPRESSUM
Ich bin zu erreichen über weiss.karl@ rocketmail.com
Ich wünsche also allen (und mir) viel Spaß (und Ernst) mit diesem Blog.
Karl Weiss, Belo Horizonte, Brasilien

Artikel und Dossier der Woche

Artikel der Woche "CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft" Da wurde es von Frau Merkel vorhergesagt

Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Israel und der Konflikt...
ICH FRAGE MICH WARUM DIE JUDEN SO BRUTAL GEGEN DIE...
mik4777 - 30. Jan, 20:32
Abscheulich!!!
Wie man überhaupt im Ansatz auf den Gedanken kommen...
david3371 - 3. Okt, 19:02
Der Vatikan schützt die...
Sehr geehrter Herr Weiss, der Vatikan k a n n die...
MoMa - 6. Jan, 10:28
Fünf Jahre ist das jetzt...
Fünf Jahre ist das jetzt her!!! Die eine Immobilienkrise...
girico - 6. Mär, 13:34
Ich teile nicht diese...
Ein führender Landespolitiker oder ein wichtiger Geschäftsmann...
Nonkonformer - 21. Sep, 23:42

Status

Online seit 6520 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits

Archiv

Mai 2024
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Zufallsbild

Bild aus Abu Ghraib eines Gefangenen auf einem Hocker mit Kapuze.

kostenloser Counter

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

AbbauRechte
AlternativPolitik
Brasilien
Deutschland
Fussball
Imperialismus
InternetundMeinungsfreiheit
Lateinamerika
Medien
NaherOsten
Oekonomie
Sozialabbau
Umwelt
Willkommen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren