AlternativPolitik

Samstag, 14. Februar 2009

Die Krise hat Marx auf die Tagesordnung gebracht

Die bürgerliche Presse hat schon Angst und versucht zu ironisieren

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Verwundert schreibt die „Süddeutsche“ (hier) im Wirtschaftsteil (!) unter dem Titel „Frisches Kapital“: „Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat viele animiert, über das System an sich nachzudenken.“ Es gibt Marx-Studiengruppen an Universitäten und ausserhalb und das „Kapital“ von Karl Marx wie auch das „Kommunistische Manifest“, das er zusammen mit Friedrich Engels verfasst hat, sind Verkaufsschlager.

Karl Marx

Der Berliner Dietz-Verlag hat das „Kapital“ nach eigenen Angaben 2008 rund 3500 Mal verkauft, als Rekordtitel des Verlags, fast das dreifache des Vorjahres und das Fünffache von 2005. "Das ist zwar nicht nur durch die Krise hoch gegangen, aber sie hat sicher noch einmal einen Schub gegeben" wird der Geschäftsführer des Verlages zitiert. Der erste Band, so berichtet er, war sogar sechs Wochen lang ausverkauft nach dem Beginn der Krise. Man behalf sich mit dem entsprechenden Band aus der Gesamtausgabe.

Auch ein Sprecher des Kroener-Verlages, der ebenfalls das „Kapital“ vertriebt, spricht von einer „enormen Steigerung der Nachfrage“.

Der Studentenverband der Linken hat in 38 Städten in Deutschland Leserkreise Karl Marx organisiert. An verschiedenen Hochschulen werden – von diesem Verband und von Privatpersonen - ausserhalb des normalen Studienbetriebes Marx-Seminare organisiert – freiwillig, zusätzlich zum Studium.

Im Leserkreis an der Leipziger Uni wurde die Nachfrage so gross, dass man in zwei Gruppen teilen musste. Doch dieses Interesse ist nicht erst seit dem „Schwarzen September“ 2008 erwacht. Der Leserkreis dort besteht schon seit eineinhalb Jahren, nur ist er jetzt viel grösser geworden.

Da trifft es sich gut, dass 2008 auch das Marx-Jubiläums-Jahr war, 125. Todestag. Da hatte die gleiche „Süddeutsche“, die heute von den Leserkreisen berichtet, noch über Buchhandlungen geschrieben: „ ... lagert in der Abteilung Philosophie "Marx, Karl" mit seinem "Kapital" und wird nicht gekauft.“

Damals, vor einen Jahr (wie lange das nun schon in der Vergangenheit zu liegen scheint, nicht wahr?) hatte man auch einen Text zur MLPD im Gedenkartikel zum 125.Todestag, im gewohnt zynisch-arroganten Ton. Hier ist, was ein bürgerlicher Journalist über die MLPD zu sagen hat:

„Ein bekannter Vertreter dieser auch K-Gruppen genannten Organisationen ist die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands, kurz MLPD.

Im vergangenen Jahr hat die Partei mit ihren geschätzten 2300 Mitgliedern ihr 25-jähriges Jubiläum gefeiert. Damals, im Juni 1982, hatten sich versprengte Kommunisten und Sozialisten aus ganz Deutschland in einem Bochumer Hotel zusammengefunden. Es war ein Geheimtreffen, nicht einmal die Lieben daheim sollten davon etwas erfahren. Erst Monate nach der Gründung hat es einen offiziellen Gründungskongress gegeben.

Hervorgegangen ist die MLPD aus dem Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD). Darin waren all jene organisiert, die links von der DKP eine politische Heimat suchten. Im Gegensatz zur DKP war den MLPDlern die DDR verhasst - dort werde nicht der wahre Sozialismus gelebt, hieß es, sondern lediglich ein neuer Typ des Kapitalismus wiederhergestellt.

Erster Vorsitzender der neuen Partei wurde und ist bis heute Stefan Engel, ein gelernter Schlosser. Inzwischen gibt der selbsternannte Arbeiterführer, Internationalist und Theoretiker als Beruf "Freier Publizist" an. Als solcher erteilt er den Genossen an der MLPD-eigenen Kaderakademie Nachhilfe in der "Erlernung der dialektischen Methode in der Arbeiterbewegung", wie es in einer Selbstbeschreibung heißt.

Unermüdlich kämpfen er und seine Genossen für die Auferstehung des Kommunismus. Die MLPD verstehe sich als "Vorhutorganisation" für den "echten Sozialismus". Weil das nicht unbedingt grundgesetzkonform ist, wird sie wohl auch vom Verfassungsschutz beobachtet.

(...)
Drei wirklich große Erfolge können der MLDP zugeschrieben werden: Mit Monika Gärtner-Engel, der Ex-Frau von Stefan Engel, sitzt ein echtes ZK-Mitglied der MLDP im Stadtrat von Gelsenkirchen; bei der Bundestagswahl 2005 sammelte sie 45.116 Zweitstimmen - verglichen mit 1998 (4713 Stimmen) hat sich das Ergebnis praktisch verzehnfacht; mit Michael May hat die MLPD den größten politischen Einzelspender Deutschlands (mehr als 2,5 Millionen Euro hat er einmal vermacht) auf ihrer Seite.

Bei der Wahl 2005 ist es der MLPD übrigens nicht gelungen, mit der PDS gemeinsame Sache zu machen. Den Biskys und Gysis war die MLPD wohl doch viel zu links.“

Nimmt man die Ironie heraus, so kann man das Unbehagen über diese „Gruppe“ spüren – und wie viel angenehmer ihm die Biskys und Gysis sind. Anscheinend werden die bürgerlichen Schreiberlinge sich langsam an das Gefühl des Unbehagens gewöhnen müssen.

Wie begannen Marzx und Engels doch ihr „Kommunistisches Manifest“: „Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus.“

Donnerstag, 13. November 2008

Die Herren der Welt feiern

Auch zwei schottische Pleite-Banken feierten ihre Macht über die Regierung

Von Karl Weiss

Die Bank-Herren in aller Welt haben nicht nur überall mit Erfolg ihre gehorsamen Dienern, den Politikern, befohlen, ihnen Milliarden aus Steuerzahlergeldern zur Verfügung zu stellen, nachdem sie sich verzockt hatten, sie haben auch, nachdem dies von der Öffentlichkeit geschluckt wurde ohne aufzumucken, jeweils Bank für Bank, Versicherung für Versicherung, diesen Beträgen angemessene Feiern veranstaltet, um sich über ihre Untertanen (sprich uns) im Geiste von Marie Antoinette lustig zu machen: „Wenn sie kein Brot haben, warum essen sie dann keinen Kuchen?“

Als die ersten beiden Feiern bekannt wurden, hätte man noch an einzelne Ausrutscher glauben können. Das größte Versicherungsunternehmen der Welt, die AIG, hatte für ihre Manager eine Woche im teuersten Ressort der Welt gebucht und dabei 300 000 Dollar von den Steuerzahler-Geldern ausgegeben.

Ressort St. Regis
St. Regis in Kalifornien, teuerstes Ressort der Welt

Der andere Fall war der französische Teil der Fortis Bank und Versicherung, der mit Milliardenbeträgen fit gemacht wurde, um verkauft werden zu können. Kaum war dies unter Dach und Fach, wurde ein gemeinsames Festmahl im teuersten Restaurant der Welt angesetzt, also ebenfalls eine Feier, die den Beträgen angemessen war, die da flossen. Siehe zu diesen bereits berichteten Fällen diesen Artikel: „...an die Sonnen“.

Aber nicht nur Feiern stehen da an, nein, man muss auch besonders hohe Bonus-Zahlungen für die Manager ansetzen und natürlich satte Dividendenausschüttungen für die Aktionäre. Hierüber wurde schon in diesem Artikel berichtet: „Können Sie das glauben?“.

Der Rettungs-Plan

Bis heute hat niemand weder im Fall AIG noch im Fall Fortis von den Managern, die da feierten, um sich über uns Idioten lustig machen zu können, die wir das alles bezahlen müssen, auch nur verlangt, für die Kosten selbst aufzukommen, geschweige denn sie versucht dazu zu zwingen. Es wurde also bereits deutlich: Gegenüber der Macht von Bank- und Versicherungsmanager sind Politiker, Staatsanwälte, Richter und sonstige eventuell Angesprochene völlig machtlos.

Restaurant Louis XV Monaco
Restaurant Louis XV in Monaco, teuerstes der Welt

Man kann diese Fälle auch nicht unter „Ausrutscher“ ablegen, weil nun nach und nach weitere Fälle bekannt werden. Die Manager können es einfach nicht lassen, auf unsere Kosten zu feiern, wenn sie uns doch so erfolgreich das Geld aus den Rippen geleiert haben.

Die nächsten zwei Fälle wurden jetzt aus Schottland bekannt. Das ist besonders kurios, da doch früher die Schotten als angeblich geizig galten. Beide schottischen Grossbanken, die „Royal Bank of Scotland“ (RBS) und die „Halifax Bank of Scotland“(HBOS), hatten sich weit über ihre Verhältnisse in Hoch-Risiko-Papiere begeben und waren baden gegangen. Die beiden mussten auf Anweisung ihrer Vorstandsetagen von der britischen Regierung mit insgesamt 32 Milliarden Pfund vor dem Bankrott gerettet werden, das sind annähernd 40 Milliarden Euro. Diese Summe entspricht fast dem ganzen Staatshaushalt Schottlands.

Die RBS ging mit gutem Beispiel voran. Sie setzte eine Champagnerparty in einem Luxushotel an, verlegte sie dann aber vorsichtshalber in ein Gebäude der Bank und verlangte Geheimhaltung, denn man ist natürlich nicht wild darauf, dass wir erfahren, sie lagen dort unter den Tischen vor Lachen über uns Trottel, die für ihre Zockereien aufkommen müssen. Die Geheimhaltung klappte aber nicht vollständig. Die „Daily Mail“ veröffentlichte, dort seien etwa 300 000 Pfund ausgegebene worden (müssen Ströme von Champagner der teuersten Sorte gewesen sein).


"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Da wollte sich natürlich die Konkurrenz von der HBOS nicht lumpen lassen. Es gelang ihr, in einem Luxushotel in Edinburgh eine noch teurere Feier zu veranstalten. Man ließ dort auch einen Fernseh-Komiker auftreten, der sich über die Finanzkrise lustig gemacht haben soll. Nun, diese Herren können natürlich leicht lachen. Es sind ja wir, unsere Kinder und Kindeskinder, die deren Rechnungen bezahlen werden.

Will sagen, wir werden dies so lange zu bezahlen haben, bis wir sie zum Teufel gejagt haben.


Veröffentlicht am 12. November 2008 in der Berliner Umschau

Freitag, 24. Oktober 2008

...an die Sonnen

Die Krise bringt es an den Tag!

Von Karl Weiss

Die Lüge: „... und sei sie noch so fein gesponnen, am Ende kommt sie an die Sonnen.“

„Man kann fast alle für kurze Zeit an der Nase herumführen und viele für lange Zeit, aber man kann nicht alle für lange Zeit an der Nase herumführen!“

Die große Finanzkrise hat auch ihr Gutes. Alte Lebenslügen kommen an den Tag und die pure Wahrheit beginnt durchzuscheinen, auch wenn noch so heftig versucht wird, die Aufmerksamkeit abzulenken. Wir wurden erzogen in dem Glauben, wer hier das Sagen hätte, wären die Politiker, Kanzler oder Kanzlerin, Minister, Parteigrössen usw. und so bekommen sie auch in der Regel unsere Empörung ab.

Doch Manche meinten schon die ganze Zeit, wir würden in einer Diktatur des Grosskapitals leben, also der Dirigenten der großen Firmen und Banken.

1.

Sehen wir doch mal genau an, was da zwischen Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Hypo Real Estate (frühere Hypo Bank, frühere Bayern Hypo, frühere Hypo- Vereinsbank, frühere Bayrische Hypotheken- und Wechsel-Bank) vor sich ging.

Als erste Gerüchte auftauchten, kam von der Bank ein freches Dementi, obwohl die Chefs dort wissen mussten, sie stecken bereits bis zum Hals im Schlamassel. Schließlich wird niemand Bankdirektor, der nicht gewisse Kenntnisse über Risiken in Finanzgeschäften hat.

Dann meldete man sich (nicht etwa in der Öffentlichkeit, nein, man ist der Öffentlichkeit nicht die geringste Rechenschaft schuldig) bei der Regierung und gab an, da gibt es jenes Loch, das im Extremfall bis zu 35 Mrd. Euro ausmachen kann. Die Regierung sandte sofort alle Spezialisten, um der Bank zu Hilfe zu kommen. Es wurde nicht wirklich ernsthaft erwogen, dies nicht zu tun.

Nach kurzer Zeit gab dann die Regierung (nicht etwa die Bank) bekannt, man habe ein Paket zur Rettung der Bank geschnürt. Bis zu 28 Milliarden Euro (wahrscheinlich aber deutlich weniger) hätte eventuell die Regierung (sprich der Steuerzahler) für die Rettung des Banksystems aufzubringen, den Rest würden andere Finanzinstitutionen beisteuern, denn diese seien heftig bei der Hypo engagiert (will sagen, die haben Anteile an den faulen Titeln und hätten sowieso zahlen müssen). Wegen der Verbindungen unter den Banken dürfe man die Hypo auf keinen Fall Pleite gehen lassen, denn sie würde das ganze deutsche Bankensystem mitreissen.

Ein Parlamentsbeschluss wurde wegen läppischer 28 Milliarden Euro natürlich nicht herbeigeführt, aber der hätte ja auch nichts geändert, man sehe sich nur die Abstimmung zur Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes an.

Kurz danach neue Meldungen. Wiederum nicht von der Bank, sondern von Steinbrück, der äußerst wütend wirkt vor den Mikrofonen. Das Loch ist grösser als erwartet. Die Bundesregierung muss ihren Anteil auf 37 Mrd. Euro aufstocken, während die anderen Banken im wesentlichen bei ihren gleichen Anteilen bleiben. Sonntag abend, bevor die ersten asiatischen Börsen den Montag einläuten, wird dies bekanntgegeben. Wieder kein Parlamentsbeschluss. Man macht sich nicht einmal die Mühe, die Öffentlichkeit noch mit einer Parlamentsdebatte an der Nase herumzuführen.

Der Chef der Hypo hat sich während dieser Zeit nicht ein einziges Mal vor irgendeinem Mikrofon gezeigt, er hat die Anweisungen aus seiner Burg gegeben. Kein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der ihn vorlädt, Steinbrück muss seine Wut unterdrücken, denn er ist gegen den Chef der Hypo machtlos.

Nicht einmal die „Linke“ beantragt einen Untersuchungsausschuss (abgesehen davon, dass der natürlich auch nichts gebracht hätte). Die Hypo, so wie andere großen Kapitalträger, ist unantastbar. Sie braucht nie etwas zu erklären. Wo kämen wir denn da auch hin, wenn die Herren den Untertanen nun schon etwas erklären müssten?

Die aufgebrachte Summe macht einen schönen Prozentsatz des Bundeshaushalts aus. Aber das sind anscheinend ‚Peanuts‘, denn wäre ein Politiker damit durchgebrannt, hätte ein Tausendstel davon einen Untersuchungsausschuss und Rücktritte nach sich gezogen. Nicht so bei den Herren. Die schaffen an. Die haben ihre Leute fürs Grobe, so wie z.B. den Bundesfinanzminister, der seinen Groll runterschlucken muss.

Kann die Politik denn nun mindestens den Chef der Hypo zum Rücktritt zwingen? Nein, nicht daran zu denken. Der trat erst zurück, als er sich die Hände bereits über die ‚grosszügige Geste‘ der deutschen Steurzahler reiben konnte. Und dürfte jetzt unterm Tisch liegen vor lauter Lachen.

Er wurde mit Zahlungen bedacht, bei denen selbst die grössten Fusballstars Tränen in den Augen bekommen.

2.

Nun sehen wir uns das Gleiche in den USA an, nur in grösserem Umfang. Dort war die grösste Versicherungsgruppe der Welt, die American International Group (AIG) in Schieflage geraten. Die US-Regierung, die sonst so aussieht, als ob sie die ganze Welt beherrscht, wurde plötzlich ganz leise und beeilte sich pflichtschuldigst, ein Rettungsprogramm für die AIG zusammenzubasteln.

Versicherungen sollen eigentlich das Geld, das ihnen ihre Kunden zur Verfügung stellen, in sicheren Anlagen anlegen, die zwar keine riesigen Gewinne versprechen, aber eine Sicherheit fürs Alter oder wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Dafür sind – rein theoretisch jedenfalls – Versicherungen da, oder?

Nun, die grösste Versicherung der Welt sah das nicht so. Man sah sich dem Shareholder-Value verpflichtet (also den Kapitaleignern) und spekulierte mit höchst riskanten Papieren, um hohe Dividenden ausschütten zu können. Wurde man in den Chefetagen blind vor lauter hohen Zahlen?

Nun, speziell die Zahlungen für ebendiese Manager wurden in den Mehr-als-50-Millionen-Dollar-Bereich pro Jahr hinaufgeschraubt. Aber niemand kann uns erzählen, man wird Spitzenmanager bei der grössten Versicherungsgruppe der Welt, wenn man sich nicht mit Risiken auskennt und leicht von Zahlen blenden lässt.

Diese Herrschaften wussten also genau, was sie riskierten – hatten sie doch schon im Februar den verantwortlichen Manager vor die Tür gesetzt. Und warum taten sie es trotzdem? Weil sie wussten, wenn es schiefgeht, steht der Staat mit „Unterstützung“ bereit. Dafür ist er schließlich da. Mit anderen Worten, die großen Herren der Finanz- und Industriewelt haben sich den Staat vollständig untergeordnet.

Das wurde deutlich, als sie in Washington anriefen und erklärten, es sei da eine Kreditlücke und der Staat müsse einspringen. Das tat der dann auch sofort. Es waren 85 Millliarden Dollar (also etwa 63 Milliarden Euro), mit denen die US-Steuerzahler für das Wohlergehen von AIG geschröpft wurden. Ohne Parlamentsbeschluss, ohne mit der Wimper zu zucken. Kurze Pressekonferenz des US-Finanzministers (der selbst aus der Welt der Investment-Banker kommt): „Wir zahlen“. Punktum. Erklärung: Wenn dieser Versicherer denn Bach hinunterginge, würde er viel mit sich reissen, daher gebe es keine Alternative.

Und man hat Recht. Der Kapitalismus ist so eingerichtet, dass es immer für sie und gegen uns läuft. Die Krise der realen Ökonomie hätte sich wirklich noch schneller und noch tiefer entwickeln können, wenn man AIG nicht gestützt hätte.

Auch hier: Werden die Verantwortlichen von AIG in irgendeiner Weise zur Verantwortung gezogen? Oder auch nur gezwungen, Erklärungen abzugeben? Nichts dergleichen!

Nun kommt aber der Hammer von allem: Wie uns der britische ‚telegraph‘ mitteilt , hier auf englisch, haben die Spitzenmanager von AIG auch noch einen oben drauf gesetzt und gefeiert mit einen phantastischen gemeinsamen Aufenthalt für eine Woche in einem „Resort“, wenige Tage, nachdem ihnen „etwas unter die Arme gegriffen wurde“. Genau gesagt, war es nicht ein Resort, sondern DAS Resort, das teuerste der Welt, St. Regis in Monarch Beach in Kalifornien.

Ressort St. Regis

Nach Aussagen des Abgeordneten Henry Waxman der Demokraten aus Kalifornien, gab man dort 440 000 Dollars aus, davon 220 000 für die Unterkunft, 150 000 für die Mahlzeiten und 23 000 für die Kuraktivitäten. Nichts bekannt wurde darüber, was man für Liebesdienste ausgab, aber es gilt als sicher, dass die Ehefrauen nicht dabei waren.

Ein anderer Abgeordneter ereifert sich: „Die liessen sich Maniküre machen, Pediküre, Massagen, Gesichtsmasken und was sonst noch, während die Steuerzahler ihre Rechnungen zahlten.“

Ja, und er kann nichts dagegen machen. Im Kapitalismus ist das nicht nur legal, es ist systemimmanent, denn die einen zahlen und die anderen schaffen an. Die Politiker sind nicht mehr als gut bezahlte Laufburschen für sie.

Interessant in diesem Zusammenhang, dass inzwischen bereits Dokumente aufgetaucht sind, die deutlich machen: Die Manager bei AIG wussten schon seit geraumer Zeit, dass sich da riesige Finazierungslöcher auftun. Was sie daraufhin taten, ist auch charakteristisch für jene, die am Drücker sind: Sie haben sich höhere Einkommen genehmigt. Als Anfang 2008 bereits bekannt war, wie riesig die Verluste sind, hat der Chef dort angeordnet, diese negativen Zahlen zu ignorieren, weil sonst die schönen Bonus-Zahlungen verringert worden wären, die jene Spitzenmanager als Gewinnanteil bekamen.

Der Aufsichtsrat segnete dies ab und gab dem Chef, einem gewissen Sullivan, einen zusätzlichen Bargeld-Bonus von 5 Millionen Dollar, zusätzlich wurde ihm für den Fall der Ablösung von seinem Posten ein weiterer Bonus von 15 Millionen Dollar zugesagt („golden parachute“).

Ein gewisser Cassano war der verantwortliche Leiter des Bereichs der Finanzprodukte, die dann die großen Verluste verursachten. Er hat über die letzten Jahre 280 Millionen Dollar als Gehalt erhalten. Als die Minus-Zahlen im Februar bekannt wurden, hat man ihn abgelöst, nicht ohne ihm vorher noch Boni von 34 Millionen Dollar zukommen zu lassen und ihm außerdem eine Pension von 1 Million Dollar pro Monat (pro Monat!) auszusetzen – die er bis heute bekommt.

3.

Der dritte Fall: Fortis, eine Bank und Versicherungsgesellschaft, die in den Niederlanden, Belgien und Frankreich auf Grund fuhr. In allen drei Ländern wurden Milliarden hineingesteckt, um die Reste verkaufbar zu machen. Der französische Teil, ein Versicherungsunternehmen, wurde an die BNP verkauft.

Der Vorstand dieses französischen Teils der Bank machte es den AIG-Bossen gleich und lud wenige Tage nach Eingang des Geldes von der französischen Regierung insgesamt 50 Personen aus der Pleite-Versicherung zu einem „kulinarischen Ereignis“ in das berühmte Restaurant ‚Louis XV‘ im Hotel Paris-Monte Carlo in Monaco, das drei Sterne im Michelin-Führer aufzuweisen hat und als eines der teuersten der Welt gilt.

Restaurant Louis XV Monaco

Dies Restaurant hat nach Angaben von ‚El Mundo‘ den grössten Weinkeller von allen mit 250 000 Flaschen, wobei man anmerkt, diese Weine seien „unbezahlbar“. Unbezahlbar, wenn man nicht Milliarden von der Regierung bekommt. Man gab die Kleinigkeit von 150 000 Euros für diese Feier mit einem Festmahl aus.

Ob die Manager dort unter den Tischen lagen vor Lachen über die Steuerzahler, die Ihnen das bezahlten, ist nicht überliefert, aber wenn nicht, dann jedenfalls nicht, weil sie keinen Grund gehabt hätten. Hier ist der Link zu diesem Ereignis, berichtet in „El Mundo“, wenn es jemand auf spanisch nachlesen will.

Sehen Sie, so handelt man, wenn man den Laden in der Hand hat, wenn man weiss, die Politik, die Regierung kann einem nichts anhaben, die haben vielmehr zu gehorchen und zu zahlen, wenn man das nötig hat – und zwar mit unserem Geld.

So werden jetzt, da gerade Krisenzeiten sind, die wahren Verhältnisse klar.

Letzte Eilmeldung: Die ‚Hilfe‘ für die AIG hat nicht ausgereicht. Der Staat wird mit weiteren 38 Milliarden Dollar einspringen müssen – und wird dies selbstverständlich klaglos tun.


Veröffentlicht am 24. Oktober 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Ältere Artikel zur Frage einer Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

Samstag, 18. Oktober 2008

System ohne Ausweg

Freiheit ist Sozialismus

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Die meisten Kommentare über das Desaster des kapitalistischen Finanzsystems in diesen Tagen versuchen zu beruhigen, zu verniedlichen und so zu tun, als ob mit den Hilfsplänen für die armen krisengeschüttelten Banken alles ausgestanden wäre. Vor allem aber wiederholen sie unter Unterlass: Es ist keine Krise des Systems, es ist eine Krise von Leuten, die falsch gehandelt haben. Sie erklären aber nicht, wieso alle „Finanzagenten“ in gleicher Weise zur gleichen Zeit falsch gehandelt haben und wieso es für das Volk immer hiess, es sei keine Geld da, während für die „Finanzagenten“ hunderte von Milliarden von Euro (oder Dollar) bereitstehen. Zwischen den Zeilen kann man aber manchmal erkennen: Der Kommentator weiss selbst, dass er schönredet.

Es gibt aber auch ehrlichere Kommentare, wie zum Beispiel der von Peter L. Bernstein in der New York Times unter dem Titel „What’s free abour free enterprise?“ (Was ist frei am freien Unternehmertum?)

Nachdem er entschieden die unsinnigen Geldmengen verteidigt, mit denen die Staaten in diesemMoment jene Zocker in den Banken und Finanzinstitutionen belohnen, die am skrupellosesten im grossen Kapital-Casino gewettet und verloren haben, meint er:

“The subprime mortgage mess, the huge leverage throughout the system, the insidious impact of new kinds of derivatives and other financial paper, and, at the roots, the vast underestimation of risk could not have happened in a planned economy. A superjumbo bailout is the inescapable result, but at some point we must confront its more profound implications.”

“Das Riesenproblem mit den faulen Haus-Hypotheken, der gigantische Gebrauch von „leverage“ im ganzen Finanzsystem (Kaufen auf Pump und Bezahlen mit dem erwarteten Gewinn) und die versteckte Gefährlichkeit der neuen Arten von „derivates“ (Finanztitel, bezogen auf Finanztitel, bezogen auf Finanztitel usw., ähnlich einem Kettenbrief-System) und anderen Finanztiteln und im Kern, das unglaubliche Unterschätzen der Risiken hätten in einer geplanten Ökonomie nicht passieren können. Das „Superjumbo“-Unterstützungspaket ist das unausweichliche Ergebnis, aber zu irgendeinem Zeitpunkt müssen wir uns mit dem beschäftigen, was dies alles im Gunde bedeutet.“

Auch Bernstein treibt die Analyse noch nicht tief genug, denn er unterstellt den „Finanzagenten“ noch, die Risiken unterschätzt zu haben. Das kann man in Wirklichkeit ausschliessen. Diese „Finanzagenten“ sind äusserst gerissene Zocker. Sie wussten von den Risiken, aber sie wussten auch, sie selbst würden sie nicht zu tragen haben. Sie würden zum Zeitpunkt des „Crash“(das ist JETZT) ihre Schäfchen längst im Trockenen haben und das kapitalistische System würde gezwungen sein, die Finanzinstitutionen zu unterstüzen, denn ohne sie funktioniert der Kapitalismus nicht.

Kurz: Das Ganze war kein Falsch-Funktionieren des kapitalistischen Systems, es war das kapitalistische System.

Das ist der Kern des kapitalistsichen Systems: Die Gewinne werden privatisert, die Verluste werden sozialisiert, dh. die Allgemeinheit muss sie tragen. Diese Erkenntnis deutet Bernstein an, wenn er sagt, das alles hätte es in einer geplanten Ökonomie nicht gegeben und man müsse sich fragen, was das im Grunde heisst.

Nun, er darf in seiner Funktion nicht weiterdenken (er ist Redakteur eines Financial Newsletters) und schon gar nicht in der New York Times, aber wir können und wir dürfen und wir sollen: Im Sozialismus wird die Gesamheit derer, die arbeiten und Werte schaffen, der Besitzer des Staates und der Fabriken und Banken sein. Sie werden direkt Einfluss auf die Staatsgeschäfte haben und werden lernen dies klug zu nutzen.

Der Staat wird planen, was produziert und gebraucht wird, wird die nötigen Finanzmittel dazu verteilen und es wird keine Politiker geben, die alle vier Jahre in einer Kampagne riesigen Ausmasses wiedergewählt werden. Alle Repräsentanten werden in den Betrieben und Stadtteilen gewählt und sind täglich, stündlich abwählbar. Das ist der Kern des Rätesystems. Die unmittelbare Beteiligung des Arbeiters an der Macht.

Wir werden aufmerksam sein müssen, wenn unsere Repräsentanten eventuell ehrgeizig und machtgierig werden und sie rechtzeitig abberufen. Zusätzlich wird es eine übergeordnete Kontrollinstanz geben, die hilft, solche Typen zu erkennen und aus der Verantwortung zu entfernen. Wer Verantwortung hat, wird dadurch keine persönlichen Vorteile haben, höchstens mehr Arbeit. So wird man da schon einen guten Teil der Karrieristen fernhalten.

So werden wir verhindern, was in Russland und der DDR und China geschah: Die Übernahme des Systems durch kleinbürgerliche Karrieristen.

Der Kapitalismus macht sich gerade selbst kaputt, seine Protagonisten sind in heller Aufruhr und wissen nicht aus noch ein. Die Frage ist jetzt, wie den Sozialismus errichten und wie verhindern, dass er wieder zurückgedreht wird zum Kapitalismus.

So wird die Überschrift von Bernsteins Artikel zu einem Menetekel an der Wand des Systems: „Was ist frei am freien Unternehmertum?“ Nichts! Freiheit ist Sozialismus!

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Populismus - was ist das eigentlich?

War Haider Populist?

Von Karl Weiss

Anlässlich des Todes von Haider hat der Begriff wieder Hochkonjunktur: Populismus. 99% der Nachrufe enthalten in der einen oder anderen Form diesen Vorwurf. Ähnlich ist es, wenn über Lafontaine berichtet wird. Populismus ist zum meist gebrauchten politischen Schimpfwort geworden. Nur: Haider war nicht vor allem Populist – und Lafontaine ist es schon gar nicht.

Wenn Sie hier nun stutzen, so haben Sie sich noch keine Gedanken zu diesem Wort gemacht. Ist Populismus, wenn man populären Forderungen aus dem Volk Rechnung trägt?

Die Linke 2008

Wenn zum Beispiel Hartz IV abgeschafft werden wird, wenn die Truppen aus Afghanistan abgezogen werden, wenn Sozialtarife auf den Nahverkehrsmitteln und der Bahn eingeführt werden und die Studiengebühren abgeschafft? Ist das Populismus? Wenn die geschlossenen Schwimmbäder wieder geöffnet werden, wenn Tausende von neuen Lehrern eingestellt werden und die Klassengrössen endlich auf erträgliche Zahlen heruntergehen? Wenn endlich das Versprechen wahrgemacht wird, kostenlose Kinderkrippen- und Kindergartenplätze für alle bereit zu stellen, wäre das Populismus? Wenn die Vorratsdatenspeicherung wieder rückgängig gemacht wird, der Bundestrojaner verboten und alle anderen Bespitzelungs-Massnahmen ohne konkreten Verdacht ebenso, wäre das Populismus? Wenn ein Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde eingeführt würde und die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, ist das Populismus? Nein, das ist Demokratie.

Denn Demokratie ist ja nichts anderes als das Versprechen an das Volk, es sei der Souverän, es habe die Macht und dementsprechend zu handeln. Den Forderungen des Volkes nachzukommen, ist populär, aber kein Populismus. Es müsste in einer Demokratie hoch gelobt werden. Andernfalls muss man sich doch fragen, was ist das für eine Demokratie.

Nun kommt an dieser Stelle mit Regelmässigkeit das Argument, man könne nicht jeder hochgeputschten Emotion des Volkes folgen, die ein Mal in diese und dann wieder in Gegenrichtung laufen könne. Kurz, das Volk ist einfach zu doof dafür. Das Beispiel, dass dann mit tödlicher Sicherheit gebracht wird, ist die Todesstrafe. Wenn es nach dem Volke ginge, würde nach jedem spektakulären Kindermord die Todesstrafe eingeführt.

Ja, allerdings, es gibt Organe wie die ‚ Bild‘, aber auch andere Medien, wie ‚ ‚heute‘, ‚tagesschau‘, Spiegel usw., die gerne Kindermorde, niedergeschlagene Rentner und andere Skandale hochkochen und dann versuchen, ihre Süppchen darauf zu kochen. Tatsächlich mag sich das in manchen Umfragen niederschlagen. Nur: Zu „normalen Zeiten“ spricht sich heute die Bundesbevölkerung eindeutig mehrheitlich gegen die Todesstrafe aus. Und es fällt auch niemandem ein Stein aus der Krone, wenn in einigen Ländern die Todestrafe existiert. Dies ist keine Argument gegen populäre Politik, sondern nur gegen Sensationsberichterstattung.

Nun kommen aber andere und argumentieren, es könne eben nicht einfach nach dem Volke gehen. In der aktuellen Finanzkrise zum Beispiel hätte das Volk, wenn es Mitsprache gehabt hätte, die Milliardensummen für Banken, Versicherungen und andere Institutionen des Grosskapitals sicher nicht genehmigt. Der Durchschnittsbürger habe eben nicht ausreichend ökonomische Kenntnisse und man müsse in so einem Fall eben den ‚ Fachleuten‘ vertrauen - wobei diese Fachleute rein zufällig die gleichen sind, die den ganzen Schlamassel verursacht haben. Die Massnahmen seien aber doch notwendig gewesen, um den Kapitalismus zu retten.

Nun kommen wir der Sache näher: In Wirklichkeit war das Versprechen der Demokratie eben nie ernst gemeint. In Wirklichkeit hält man das Volk für eine tumbe Masse,ein notwendiges Übel, um unter dem Deckmäntelchen der „Demokratie“ den KAPITALISMUS ZU RETTEN.

Zwar ist es praktisch, von Demokratie zu reden und so eine scheinbare Massenbasis seiner Politik vorweisen zu können, aber immer, wenn es hart auf hart geht, entscheidet man eben gegen das Volk – „tja, so leid es uns tut!“

Das ist Populismus.

Populismus ist, wenn man Volksverbundenheit vortäuscht, aber in Wirklichkeit die Politik des Kapitalismus betreibt - gegen das Volk.

Populismus, das ist Demagogie.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Z.B. jene Demagogie, die von fast allen Parteien in Brandenburg der Bevölkerung vormacht, man sei gegen das Bombodrom, während genau diese gleichen Parteien in Berlin nicht einen kleinen Finger bewegen, um das Verteidigunsministerium von seinem Vorhaben abzubringen – ein einfacher Bundestagsbeschluss hätte ausgereicht.

Z.B. jene Demagogie, die von der CSU vor den bayerischen Wahlen betrieben wurde: Man setzte sich angeblich vehement für eine Wiedereinführung der Entfernungspauschale im Steuerrecht ein – und stimmte geschlossen gegen einen entsprechenden Antrag im Bundestag.

Z.B. jene Demagogie, die man benutzte, um die Privatisierung der deutschen Stromerzeuger und –verteiler zu rechtfertigen. Nach der Privatisierung werde es Zig Firmen geben, die Strom anbieten und man werde auswählen können und sie würden in Konkurrenz stehen und so würde der Strom billiger werden. Jeder weiss, was geschah: Binnen weniger Jahre bildeten sich drei Monopole heraus, die in holder Eintracht die Strompreise erhöhen und Jahr um Jahr mehr Profite an ihre Aktionäre ausschütten – einen Effekt, den man schon genau von den Ölriesen kennt. Das ist Populismus, das ist Demagogie!

Vor allem aber jene Demagogie, die man verwendete, immer wenn populäre Forderungen gestellt wurden (wie sie oben schon dargelegt wurden): Dafür sei kein Geld da. Man habe nichts gegen diese Forderungen, nur sie seien einfach nicht finanzierbar. Man könne einem nackten Mann nicht in die Tasch greifen usw.

Wie jeder weiss, hat sich dies in diesen Tagen als gigantische Lüge herausgestellt. Das Geld war vorhanden, ja es war weit mehr vorhanden, als all dies gekostet hätte. Für nur eine einzige Bank, die Hypo, hat man bereits 38 Milliarden Euro bereitgestellt – und da ist noch nicht nicht berücksichtigt, was bereits in die IKB gesteckt wurde, in die KfW, in die Bayerische Landesbank, in die Sächsische Landesbank, in die Nordeutsche Landesbank, die Westdeutsche Landesbank – und jetzt hat man noch weitere weit höhere Beträge für die armen notleidenden Banken angekündigt. Das war Demagogie hoch drei – und Populismus hoch drei!

Schill 2

Und Schill, war der nicht Populist? Er war es in dem Masse, wie er den Wählern versuchte einzureden, man brauche nur die Strafen zu erhöhen und schon würde dem Verbrechen der Garaus gemacht. Nun, jeder weiss, heute wird in Hamburg nicht weniger verbrochen als vor seinem kometenhaften Auf- und Abstieg. Interessant, dass Schill selbst nun unter den Kriminellen zu finden ist mit seinem Kokain–Konsum.

Schill beim Koksen

Viel populistischer als er war aber noch van Beust, der ihn in seine Koalition aufnahm und eine „Zero-Tolerance-Policy“ versprach, genau wissend, dies erreicht gar nichts gegen berufsmässige Verbrecher. In den gleichen Fussstapfen bewegt sich auch Frau Merkel, die sehr wohl weiss, wie sich mafiähnliche professionelle Kriminalität in Deutschland ausbreitet, aber fordert, es müssten überall Überwachungskameras angebracht werden, denn nun müsse man endlich gegen jene vorgehen, die auf der Strasse jemanden anrempeln. Tatsächlich, das ist das dringendste Problem, das wir in Deutschland haben.

Schill und van Beust

Natürlich sind auch die Faschisten Demagogen und damit Populisten, aber das ist nicht der Kern des Faschismus. Auch wenn Faschisten versuchen sich mit „sozialen“ oder „populären“ Mäntelchen in das Vertrauen einzuschleichen, dann, wenn sie an die Macht kommen, kommt der Kern zum Vorschein, ihr wahres Gesicht: Sozialisten werden weggesperrt oder gleich umgebracht, die freien Gewerkschaften verboten, das Kapital erhält offen freie Entscheidungsgewalt, der Kapitalist wird als „Betriebsführer“ eingesetzt, dem absoluter Gehorsam geschuldet wird, die Renten werden gekappt, genauso wie die Löhne, statt einer Arbeitslosenhilfe wird unterbezahlte Zwangsarbeit eingeführt usw usf. Das geht viel weiter als einfache Demagogie, als einfacher Populismus. Faschismus ist Turbo-Kapitalismus brutal.

Schiesstraining von Faschisten in Aargau, Schweiz

Insofern ist auch die Bezeichnung Populist für Haider nicht angebracht. Wer offen gegen Ausländer hetzt, ist ein Verbrecher.

Und wie steht es mit der Linkspartei? Ja, leider zeigt sie auch klare Anzeichen von Demagogie, von Populismus, nur nicht in dem Sinne, wie es uns die Medien am Beispiel Lafontaine weis machen wollen. Sie ist dort demagogisch, „populistisch“, wo sie vorher von „Sozialismus“ spricht und soziale Forderungen vertritt, doch wenn sie an der Regierung beteiligt ist, dann trägt sie Privatisierungen von Krankenhäusern und Sozialwohnungen mit, dann trägt sie Milliarden für die Landesbank Berlin mit, dann nimmt sie hin, dass keine ihrer sozialen Forderungen verwirklicht wird, ja, sie stimmt sogar in den demagogischen Chor ein, es sei kein Geld da, man wollte ja, aber es ginge nicht, absolute Ebbe in der Kasse. Nur peinlich, das dies jetzt so gründlich widerlegt wurde.


Veröffentlicht am 15. Oktober 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Linke als Volkspartei?

Kommunisten?

Von Karl Weiss

Beeindruckend eine Studie des DIW-Instituts, die Anhänger der Linken seien nicht, wie vermutet, hauptsächlich aus den unteren Schichten (geringer Bildungsstand, geringes Einkommen) gekommen, sondern würden sich gleichmäßig über alle Bevölkerungsschichten verteilen, allerdings mit deutlichen Unterschieden im Osten und im Westen.

Die Linke 2008

Siehe hier.

Das DIW schließt daraus, die Linke hätte das Zeug zur Volkspartei.

Dazu muss man bemerken, dass diese Studie ihre Befragungen 2007 vornahm, also zu einer Zeit, als die Linke in den Umfragen noch bei weitem keine 13 oder 14 Prozent der Stimmen bei der „Sonntagsfrage“ erhielt wie jetzt, das sind immerhin fast das doppelte als bei der Bundestagswahl 2005. Das sind schlechte Nachrichten für die etablierten Parteien, die sich nun wohl langsam daran gewöhnen müssen, mit der „Linken“ leben zu müssen.

Dabei muss man die allerletzten Entwicklungen noch berücksichtigen, wo der Staat, geführt von Parteien, die den Treueeid auf die Prinzipien des Neo-Liberalismus geschworen haben, jetzt entgegen allen diesen Prinzipien staatlicherseits massiv in die Wirtschaftsabläufe eingreift, die nach deren Bibel doch immer nur und gut funktionieren, wenn sich der Staat da völlig raushält.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Damit verlieren diese „bolschewistischen Neoliberalen“ das bisschen an Glaubwürdigkeit, das sie noch hatten, jedenfalls bei einer guten Anzahl von Menschen.

Kein Wunder, dass speziell die Partei, die eigentlich konservativ sein müsste, also die überkommenen Werte hochhalten, in spezieller Weise Zuspruch verliert. Letzter Stand: CDU bei 33% derer, die noch ihre Stimme abgeben, das sind etwa die Hälfte der Wahlberechtigten, macht zusammen also in etwa 16,5% der wahlberechtigten Bürger, die dieser „Volkspartei“ noch zustimmen. Die andere angebliche Volkspartei, die SPD, steht derweil auf 25%, das macht also 12,5% der Wahlberechtigten. Die Summe von beiden Regierungsparteien, nur dass man mal die richtigen Zahlen hat, kommt gerade mal auf 28% der Zustimmung der Wahlberechtigten.

Wenn die aktuellen Ausbrüche der beginnenden Weltwirtschaftskrise erst einmal in das Bewusstsein weiter Kreise der Bevökerung eingesickert sind und Hunderttausende ihren Arbeitsplatz verloren haben, dann werden da noch ganz andere Zahlen herauskommen.

Bundestag - Reichstag

Wirklich interessant ist es aber auch, die Kommentare unter diesem Artikel in der Süddeutschen zu lesen, bereits am ersten Tag weit mehr als 150. Da kommt die Wut auf die Profiteure zum Teil vehement zum Ausdruck. Einer der heftigen Verteidiger der etablierten Parteien unter den Kommentatoren, der sich ‚Passagier‘ nennt, antwortet darauf mit dem, was er wahrscheinlich für den Leibhaftigen hält:

„...wenn man Ihre Formulierungen so liest (...) dann sollten Sie überlegen, ob statt der Linken nicht die MLPD ihre wahre politische Heimat ist ...“

Süddeutsche - historisches Foto des Redaktionsgebäudes in der Münchener Sendlinger Strasse

Danke, Herr Passagier, für die Aufklärung.

Aber auch ein anderer Kommentar hat sehr viel Beachtung gefunden, der von einer Kommentatorin stammt, die sich „Unschuldsvermutung“ nennt:

„Ich bin geborene Münchnerin (Wessi) mit Abitur und Eigentumswohnung und außerdem wertkonservative Katholikin, die (fast) jeden Sonntag in die Kirche geht.

München

Ich wähle die Linke und bin seit kurzem auch Mitglied, weil sie als einzige Partei das christliche Menschenbild und die christliche Soziallehre vertritt (auch wenn ich in der Familienpolitik andere Ansichten vertrete). Die sogenannten christlichen Parteien tanzen ums goldene Kalb und treten die christliche Soziallehre mit Füßen. Die SPD hat alle ihre Grundsätze verraten und ist so charakterlos geworden, dass einem schlecht werden könnte. Die Grünen sind nur noch eine grün angestrichene FDP. Die FDP ist marktradikal und sozialdarwinistisch und daher von vorherein für einen Christen indiskutabel und unwählbar. Die freien Wähler sind - ja was eigentlich ?

Wenn ich mir Sonntags die Predigt anhöre, dann bekomme ich jedesmal bestätigt, dass die Linkspartei die einzige Alternative darstellt, wenn man eine gewissenhafte und christliche Wahl treffen will. Oder um es mal wieder mit dem katholischen Bischof Helder Camara zu sagen: "Wenn ich den Armen zu Essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Wenn ich danach frage, warum sie in Armut leben, nennen sie mich einen Kommunisten." Dem ist nichts hinzuzufügen.“


Veröffentlicht am 9. Oktober 2008 in der Berliner Umschau


Originalveröffentlichung

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Zwei politische Erdrutsche

Es wird nicht mehr so sein wie früher

Von Karl Weiss

Zwei politische Erdrutsche an zwei aufeinanderfolgenden Tagen! Der Berichterstatter hatte bereits in einigen Artikeln bewegte und interessante Zeiten vorausgesagt, aber das übertraf doch alles seit 9/11.

Beckstein

Sonntag: Eine der großen politischen Parteien in der Bundesrepublik verliert in der bayerischen Landtagswahl über 17 Prozentpunkte an Wählern (in Zahlen: 800 000 Wähler) in einer Legislaturperiode! Gegenüber den Ergebnissen der Bundestagswahl 2005 (also der letzten Wahl in Bayern vorher) verliert die CSU sogar 1,5 Millionen Wählerstimmen!

Montag: Der vom Präsidenten vorgelege und von ALLEN Parteiführern und den Präsidentschaftskandidaten BEIDER Parteien empfohlene Plan, den Finanzinstitutionen in den USA Hunderten von Milliarden Steuergelder in den Rachen zu werfen, wird in einer noch nie gesehenen Rebellion der einfachen Abgeordneten gegen ihre Parteiführer abgelehnt. Die Reaktion der Wall Street: Der Dow Jones Aktienindex, der bei weitem wichtigste der Welt, verliert an einem einzigen Tag über 777 Punkte, mehr als je zuvor. Vor allem aber bedeute dies: Verluste der Werte der dort gelisteten Gesellschaften in nie gekanntem Ausmaß: 1.2 Billionen Dollar an einem Tag!

Bush

Auf den ersten Blick haben diese beiden „land-slides“ nichts miteinander zu tun und tatsächlich ist der Zusammenhang nur indirekt. Aber es gibt einen gemeinsamen Nenner: Das kapitalistische System hat ausgedient. Es geht seinen letzten Tagen entgegen. Im ersten Erdrutsch kommt dies in der Abwendung der deutschen Bundesbürger von den bürgerlichen Parteien zum Ausdruck. Im zweiten Erdrutsch kommt dies zum Ausdruck im extremen Druck der Bevölkerung der USA auf die Abgeordneten, dies 700 Milliarden-Dollar-Geschenk für jene, die Schuld sind an der Krise, nicht durchzulassen, auch und nicht zuletzt, weil es allen vorher gepredigten Prinzipien widerspricht.

Reden wir zunächst von der deutschen Situation:

Die massiven Einbrüche der CSU in Bayern haben natürlich auch regionale Gründe, aber das riesige Ausmaß lässt sich so nicht erklären. In der ganzen Zeit des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland hat es nie seine solche Wahlschlappe gegeben. Deutlich wird dies auch daran, dass die Schwesterpartei CDU bei den Kommunalwahlen in Brandenburg am gleichen Tag ebenfalls massiv Einbußen hinnehmen musste.

Man stelle sich vor: Bei den Umfragen vorher war das schlechteste Ergebnis für die CSU 47% der abgegebenen Stimmen. Das wurde bereits als Katastrophe angesehen. In Wirklichkeit sackte man aber auf 43% ab. Die Kaffeesatzleser von den Umfrageinstituten sind angesichts solcher Pleiten sprachlos.

Das geradezu sensationelle an diesem Wahlergebnis wird aber speziell dann klar, wenn man fragt, wieviel von diesen Stimmen denn zur anderen „großen Volkspartei“, der SPD gingen. Antwort: praktisch keine. Die SPD, die bereits bei den letzten Wahlen Hunderttausende von Wählern verloren hatte, erhielt in Bayern ihr schlechtestes Ergebnis in Zeiten der Bundesrepublik mit 18,6 % der abgegebenen Stimmen. Es gab Städte wie Kempten und Lindau, wo die SPD nur noch viertstärkste Kraft ist.

Zusammengefasst: Die beiden früheren großen Volksparteien CSU (im Fall Bayern) und SPD haben noch gerade soviel Stimmen bekommen wie in der vorherigen Wahl die CSU allein.

Mit anderen Worten: Die Zeiten, als es in der deutschen politischen Landschaft zwei „grosse Volksparteien“ gab und daneben noch eine oder einige wenig bedeutenden kleinere, sind vorbei.

Die Abkehr von den bürgerlichen Parteien in Deutschland kommt in einigen Wahlen vor allem im Einbruch der Wahlbeteiligung zum Ausdruck, in anderen speziell in massiven Stimmenverlusten der SPD, in weiteren in deutlichen Rückgängen bei FDP und/oder den Grünen, aber generell gibt es seit Beginn der großen Koalition fast immer die Ergebnisse, die speziell negativ für SPD und/oder CDU/CSU sind.

Zur gleichen Zeit taucht die neu erstandene „Linke“ fast immer bei den Gewinnern auf. In Bayern hat sie auf Anhieb über 461. 000 Stimmen bekommen, wenn dies auch noch nicht für den Einzug in den Landtag ausgereicht hat.

In anderen Worten: Es gibt in Deutschland einen generellen Linkstrend. Im Gegensatz zu Österreich gibt es keine deutliche Tendenz zu extrem rechten Parteien.

Womit wir nun zu den Ereignissen in den USA kommen:

Die Hilfe für die Täter (die Finanzinstitutionen)statt für die Betroffenen (die Bürger, die ihr Haus verlieren) war so klar und deutlich, dass selbst der an extrem kapitalistische Verhältnisse gewöhnte US-Bürger begann zu rebellieren. Wie CNN am Montagabend berichtete, hat eine Website gegen diesen „bailout plan“, wie er dort genannt wird, die erst am Sonntag ins Netz gestellt wurde, innerhalb 24 Stunden 100 000 Unterschriften gegen dies Vorhaben gesammelt.

Capitol, Washington (DC)

Ein Teil der Abgeordneten, der noch das Ohr am Puls des Volkes hat, war sich bewusst: Man würde ihn in seinem Wahlkreis zerreissen, wenn er dem zustimmen sollte. So gab es parteiübergreifende Kontakte und die überwiegende Mehrheit der republikanischen Kongressabgeordneten zusammen mit einer bedeutenden Minderheit von demokratischen vereinbarten, gegen das Projekt zu stimmen und taten dies.

Der Präsident der Vereinigten Staaten, beide Präsidentschaftskandidaten und alle – ohne Ausnahme – „leader“ der beiden Parteien hatten die Annahme des Plans empfohlen. Das Argument war: Man müsse verhindern, dass die Krise der Finanzinstitutionen auf die Realwirtschaft im Lande übergeift. Sonst sei mit massiven Werksschliessungen und steil ansteigender Arbeitslosigkeit zu rechnen. Allerdings hat diese Argumentation einen Haken, den schnell Viele bemerkten: Alle Protagonisten des Plans weigerten sich zu garantieren, dies Übergreifen auf die Realwirtschaft werde mit der Annahme des Plans auf keinen Fall eintreten.

Barack Obama

Das hat einen einfachen Grund: Es wird in jedem Fall zu einer Wirtschaftskrise (also einer Krise der Realwirtschaft) kommen. Die hat nämlich als Ursache nicht das Übergreifen von Problemen der Finanzwirtschaft, sondern es ist eine Überproduktionskrise. Es werden weit mehr Güter angeboten als die Arbeiter kaufen können, denn sie erhalten fast keine Lohnerhöhungen und es bleiben viele Güter unverkauft. Es müssen die Produktionskapazitäten heruntergeschraubt werden. Viele Entlassungen, weitere Lohnkürzungen. Das ist das Einmaleins des Kapitalismus, wie es bereits Marx vor über 100 Jahren dargelegt hat.

Nun mögen die US-Bürger und die Abgeordneten keinen Marx gelesen haben, aber sie haben ein Gespür für die Dinge und sie spüren richtig. Mag am Donnerstag oder irgendwann vielleicht noch eine Mehrheit für den „bailout plan“ in irgendeiner Form zusammenkommen, der Gang in die Wirtschaftskrise ist vorgezeichnet - sie hat sogar schon begonnen.

Auf jeden Fall: In Deutschland wie auch in den Vereinigten Staaten wird nichts mehr so sein wie vor diesen zwei denkwürdigen Tagen: 28. und 29 September 2008.


Veröffentlicht am 1. Oktober 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Dienstag, 5. August 2008

WTO-Doha-Runde endgültig gescheitert

Die Agrarsubventionen müssen weg!

Von Karl Weiss

Wie bereits vorausgesagt in diesem Artikel, sind praktisch keine bedeutenden internationalen Abkommen mehr möglich, im gleichem Masse, wie der im Todeskampf liegende Kapitalismus in die kapitalistische Barbarei schlittert.

Diese ist neben der völligen Kriminalisierung aller Beziehungen eben genau dadurch gekennzeichnet: ‚Keine gemeinsamen Ziele mehr‘, ‚die Einzelinteressen dominieren‘, ‚Alle gegen alle‘, ‚je rücksichtsloser, desto besser‘ und ‚Rache ist Blutwurst‘. Entsprechend ist denn auch am 29. Juli 2008 der letzte Versuch in Genf gescheitert, auf einer Versammlung von über 500 Delegierten aus fast allen Ländern der Welt (153 Länder waren vertreten), die Doha-Runde der Verhandlungen der World Trade Organisation (WTO) über eine weitere Liberalisierung des Welthandels zu einer Einigung zu bringen.

Die Doha–Runde wurde 2001 in Doha, der Hauptstadt des Emirates Quatar, eröffnet und sollte dazu führen, dass die letzten Einfuhrzölle fallen, der Kapital- und Gewinn-Verkehr völlig von Restriktionen und Abgaben befreit wird und dass die Ansichten der reichen Länder zu Patenten und zu Urheberrechtfragen anerkannt werden. Kurz: Die imperialistischen Länder sollten alle Vorteile haben, die Entwicklungsländer alle Nachteile. Allerdings haben die Entwicklungsländer sich zusammengeschlossen und Gegenleistungen der imperialistischen Länder gefordert, was diese aber nicht zugestanden haben. Daran sind letztendlich nach 7 Jahren und unzähligen Versuchen der Wiederbelebung diese Verhandlungen gescheitert.

Was die WTO unter Liberalisierung des Welthandels versteht, war vor dieser Runde bereits deutlich geworden. In mehreren Abkommen waren die Entwicklungsländer gezwungen worden, ihre Märkte für die Waren und das Kapital der Industrieländer zu öffnen. Das hatte verheerende Auswirkungen für die armen Länder. Die Industrie-Ansätze, die sich entwickelt hatten, wurden praktisch vollständig konkurrenzunfähig und gingen meistens ein. Die Entwicklungsländer waren dadurch gezwungen, fast alle Industriegüter einzuführen und dafür die dringend benötigten Devisen auszugeben. Soweit im eigenen Land hergestellt wurde, waren die Firmen fast immer im Besitz von Gruppen aus den reichen Ländern, so dass keine Werte für die armen Länder erzeugt wurden, sondern nur Profite für jene, die sowieso schon in Geld schwammen.

Als Gegenleistung kamen von den reichen Ländern Versprechungen oder jedenfalls Andeutungen über Erleichterungen von Einfuhren von Agrarprodukten aus den Entwicklungsländern und zum Abbau der Subventionierung der eigenen Agrarprodukte. In Wirklichkeit haben die imperialistischen Länder aber nicht im Traum daran gedacht, ihre Märkte für Agrarprodukte der Entwicklungsländer zu öffnen und ihre Agrarsubventionen wirklich zu kappen. Aus Versprechungen wurden „nicht bindende Ankündigungen“ und aus dem fest Vereinbarten etwas, an das man sich nicht hielt, denn es waren keine Sanktionen vorgesehen. Selbst in den wenigen Fällen, in denen Sanktionen vorgesehen sind, hielt man einfach die Zusagen nicht ein.

So sind die USA bereits seit vielen Jahren verpflichtet, die Subventionen für ihre Baumwollanbauer deutlich zu kürzen. Man hat dies aber nicht getan. Brasilien, ein Land, das grosse Mengen von Roh-Baumwolle herstellen und exportieren könnte, wenn die USA nicht mit ihrer subventionierten Baumwolle den Weltmarkt zu Preisen überschwemmen würden, die keinerlei Konkurrenz zulassen, hat bereits vor Jahren die USA vor dem Gericht der WTO verklagt und hat Recht bekommen. Die USA gingen in Revision und kürzlich wurde das endgültige Urteil verkündet: Die USA wurden verurteilt zu dulden, dass Brasilien im Milliardenmasstab Einfuhrzölle auf Einfuhren aus den USA erhebt, um den Nachteil auszugleichen, der Brasilien durch das Nichteinhalten der Verpflichtungen der USA aus einem der Abkommen entsteht.

Tatsächlich hat es Brasilien bis jetzt nicht gewagt, diese Zölle zu erheben, sondern versucht, dies als Verhandlungsmasse einzubringen.

Bereits kurz nach dem Beginn der Doha-Verhandlungen hatten sich die Entwicklungsländer zum ersten Mal zusammengetan, um sich bei diesen Verhandlungen nicht wieder an die Wand drücken zu lassen wie bei den vorhergehenden. Man gründete die ‚Gruppe der 20’ , das sind die bedeutendsten 20 Entwicklungsländer und es wurde ein Führungstrio für diese Gruppe gebildet, das aus Indien, Südafrika und Brasilien bestand.

Die Globalisierungsgegner wie z.B. attac haben die Verhandlungen immer mit Beifall für die harte Haltung der Entwicklungsländer begleitet.

Allerdings gibt es keinerlei Grund, „Sieg“ zu schreien. Es wurde lediglich noch Schlimmeres verhindert mit diesem Scheitern, nichts Positives erreicht.

Es ist unbedingt notwendig, dass wir in den entwickelten Ländern bei unseren Regierungen darauf dringen, die Agrarsubventionen abzuschaffen und diese Milliarden sinvoll auszugeben, z.B. in einer massiven Umstellung der Landwirtschaft auf Biogas-Herstellung. Das könnte in einem Land wie Deutschland glatte 30 bis 40% der Erdöl- und Kohle-Importe unnötig machen. Zudem bekäme de Landwirtschaft wieder eine positive Aufgabe und würde unabhängig vom Brüsseler Tropf.

Wenn die Entwicklungsländer nicht mehr mit billigen Agrarprodukten aus reichen Ländern eingedeckt werden, könnten dort auch wieder die Millionenmassen von ländlicher Bevölkerung Ackerbau und Viehzucht betreiben und damit ihr Brot verdienen, was heute nicht möglich ist, denn man kann mit EU- oder US-Landwirtschaftsgütern nicht konkurrieren.

In den Entwicklungsländern sind zwischen 50 und 90% der Bevölkerung ländlich bzw. eine, die nur deshalb in die Städte gestrebt ist, weil man mit der Landwirtschaft kein Auskommen mehr hatte. Wenn alle diese Menschen wieder aufs Land gehen können, Ackerbau und Viehzucht betreiben und damit ein Auskommen haben, können Milliarden von Menschen aus Elend und Armut kommen.

Veröffentlicht am 4. August 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Sonntag, 20. Januar 2008

Offener Brief an die Herrschenden - Von den Arbeitern und dem Volk in Deutschland - 2

Vorschlag für einen Offenen Brief von Karl Weiss



Tatsächlich hättet ihr uns beinahe herumgekriegt. Wir waren schon fast überzeugt von den Stories vom angeblichen Sozialstaat, der uns alle zu einer großen Familie macht, vom Rechtsstaat, der Gerechtigkeit für alle einführt, von der Demokratie, in der wir angeblich das Sagen hätten und von der Verfassungsmäßigkeit, die uns vermeintlich alle schützt.

Fast waren wir schon überzeugt, wir hätten wirklich im Grunde die gleichen Interessen wie eure Konzerne und Banken und eure Politiker.

Fast glaubten wir bereits fest, daß all das, was wir uns wünschen, im Kapitalismus Wirklichkeit werden kann: Ausreichend Geld zum Leben, eine angemessene Wohnung, Ausbildung für die Kinder, Kinderbetreuung, damit die Frau mitarbeiten kann, genügend Arbeitsplätze für alle, die arbeiten wollen, eine komplette und fortgeschrittene Gesundheitsversorgung, Ausbildungs- und Studienplätze und eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder, eine auskömmliche Rente nach einem erfüllten Arbeitsleben und vielleicht sogar dann und wann noch kleine Extras.

Zu schön wäre es gewesen, wäre wirklich ein gerechter Staat zu schaffen gewesen, hier im Kapitalismus. Doch nun müssen wir entsetzt feststellen, daß dies alles nur eine Schlafpille mit begrenzter Wirkung war für uns, daß ihr all dies keineswegs vorgesehen habt für uns, ja, es geradezu als absurd anseht, daß wir es wollen.

Die Sechziger Jahre, die Siebziger Jahre und selbst noch die Achtziger Jahre haben es fast geschafft, uns dies alles als möglich zu verkaufen. Waren wir doch schon fast dort, es fehlte ja nicht mehr viel. Ja, es war schön, ein Auto zu haben und Urlaub machen zu können, wir wollen das nicht leugnen. Doch nun sehen wir bereits, daß sich so mancher das schon nicht mehr leisten kann und es auch für den Rest nicht mehr lange dauern wird. Es war angenehm, daß sich manche von uns sogar den Traum eines Häuschens erfüllen konnten, aber jetzt erleben wir, wie jene, die arbeitslos werden, die Abzahlungen in der Regel nicht mehr leisten können.

Ihr habt es uns nun wiederholt und ausführlich klargemacht: Ob wir genug zu essen haben, kümmert euch einen feuchten Kehricht, ob wir Arbeitsplätze haben, ob unsere Kinder eine Zukunft haben, das alles ist nicht euer Bier. Ihr habt euch nur um eure Profite zu kümmern und wir sollen sehen, wo wir bleiben.

Mit der Gesundheitsreform und den zehn Euro Eintrittsgeld beim Arzt habt ihr uns schon geschockt, aber wir glaubten meist immer noch, alles werde schon nicht so schlimm kommen. Als ihr die Renten immer weiter gekürzt habt, hofften wir noch, andere eurer Politiker könnten dies rückgängig machen.

Als dann aber Hartz IV eingeführt wurde und das Versprechen gebrochen war, es müsse keiner darben, wenn er keine Arbeit mehr findet, da wurden schon ganz schön viele aufsässig und begannen mit den Montagsdemos. Ihr habt es zwar geschafft, die wieder klein zu bekommen, aber macht euch keine Illusionen: Das ist nicht von Dauer.

Daß Hartz IV so durchgegangen ist, bei allen euren Parteien, bei den Gerichten, bei den Medien und sogar bei manchen Sozialverbänden, das allerdings hat uns zutiefst geschockt, kein Verfassungsgericht, das Einhalt geboten hätte. Nun wissen wir, Rechtsstaat, Demokratie, Grundgesetz: Alles hohle Phrasen, nur um uns zu täuschen.

Noch sind die meisten von uns gelähmt vor Entsetzen, nicht in der Lage, irgendetwas zu tun und ratlos, was getan werden müßte. Aber im Grunde, in der Tiefe unserer Herzen, wissen wir fast alle schon, was dies bedeutet und was wir tun müssen. Die meisten von uns wollen es sich noch nicht eingestehen, ringen noch mit sich.

Was das bedeutet - und das dringt mehr und mehr von uns ins Bewußtsein, ist: Der Kapitalismus hat sein Gesicht nicht gewandelt, es war lediglich eine kurze Phase in der Geschichte, in der ihr eure wahre Fratze verstecken konntet. Der Kapitalismus hat für uns keinerlei Zukunft und nicht für unsere Kinder. Wir werden die Revolution machen müssen und euch zum Teufel jagen.

Ihr versucht unsere Reihen zu spalten, wollt uns gegen unsere ausländischen Kollegen aufbringen. Aber wir wissen, woher der Wind weht, wir arbeiten mit ihnen seit vielen Jahren zusammen!

Ihr baut unsere Arbeitsplätze ab, gerade wie es euch gefällt. Ihr streicht unsere Löhne zusammen, verlängert unsere Arbeitszeiten, laßt die Renten ins Nichts fallen, laßt die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik durchziehen (natürlich für uns), während eure Großkonzerne und Banken überhaupt keine Steuern mehr zu zahlen brauchen. Ihr streicht die Lehrstellen, die unsere Kinder brauchen und ihr übernehmt nicht in ein festes Arbeitsverhältnis nach der Ausbildung, die noch eine gefunden haben.

Ihr beschimpft uns noch dazu, wir seinen Sozialschmarotzer, wenn wir keine Arbeit finden, wenn wir krank sind oder pflegebedürftig oder alt. Ihr betrügt uns um das Geld, das wir und unsere Väter und Mütter in die Sozialversicherungen eingezahlt haben. Ihr habt dies Geld für andere Dinge verbrauchen lassen und zuckt nun mit den Schultern: Nichts mehr da.

Ihr habt die Zeitungen und Zeitschriften, das Fernsehen und die Radios fest im Griff. Sie überschütten uns mit eurer Ideologie, daß der Staat nicht dazu da sei, für uns zu sorgen, wenn wir es brauchen. Wir hätten vielmehr alleine klar zu kommen. Das hätte uns eigentlich schon früher auffallen müssen, daß von den Medien Einmütiges kommt - und das dort Veröffentlichte nicht auf unserer Seite steht.

Aber auch diese Einsicht beginnt sich auszuweiten, ebenso wie jene, daß die Kommunisten vielleicht doch keine kleinen Kinder fressen. Wir beginnen nun auch bereits alternative Nachrichten im Internet zu finden.

Seit Jahren sinkt nun unser Reallohn und wird zusätzlich noch durch Arbeitszeitverlängerungen gekürzt. Ihr wollt uns bis 67 weiterarbeiten lassen, ja sogar von Rente mit 70 ist schon die Rede - und dann die Altersarmut für fast Alle von uns.

Tatsächlich haben wir schon begonnen, dies nicht mehr hinzunehmen. In den Wahlen, die ihr immer als große Ausrede hattet („Die Mehrheit hat sich dafür entschieden"), haben wir euren Politkern bereits Denkzettel gegeben, die sich gewaschen haben. Bei der letzten Bundestagswahl haben gerade noch 50 % der Wahlberechtigten die euch genehmen Parteien gewählt und wenn man alle abzieht, die noch glaubten, taktisch wählen zu müssen, sind es noch weit weniger. Das Vertrauen in eure Politker ist inzwischen nur noch bei 20 % der Bevölkerung vorhanden.

Da ist es ein Zufall, daß kürzlich der „Club of Rome", eine eurer Denkorganisationen, verkündet hat, daß man in Zukunft nur noch 20% brauchen werde, die anderen würden ohne Arbeit sein. Danke für die Offenheit.

Dabei ist es noch nicht einmal die Gegenwart, die uns so Angst macht und wütend, es ist vor allem die Zukunft, die ihr für uns vorgesehen habt. Fast jeder von uns muß mit Arbeitslosigkeit rechnen, noch bevor er in Rente gehen kann und dann heißt es, er sei arbeitsscheu. Jahrzehnte von Einzahlungen in die Sozialkassen und dann wird man mit Almosen abgespeist, die weit unterhalb der Armutsgrenze liegen, sei es bei Arbeitslosengeld II oder später der Rente.

Demütigende Bittgänge zu Behörden, die Kontrolleure in unsere Wohnungen schicken - und die Politiker tönen mit euren Medien im Chor: soziale Hängematte, arbeitsscheu, Mißbrauch!

Für den Rest des Lebens zur „Tafel", um noch etwas zu essen zu haben, die Gesundheitsversorgung so eingeschränkt, daß Nötiges nicht mehr durchgeführt wird, in eine Winz-Wohnung wechseln oder man wird ganz obdachlos. Das ist die Zukunft, die ihr uns bereitstellt. Und dann klingt es auch noch in unseren Ohren, wenn ihr hervorhebt, daß es in Entwicklungsländern den Menschen noch schlechter geht.

Auch Danke dafür, daß ihr einen eurer Politker gleich habt klarmachen lassen, daß uns das Essen bei der „Tafel" keineswegs garantiert ist: „Wer keine Arbeit hat, soll auch nicht essen."

Doch selbst das hätten wir uns vielleicht - oder jedenfalls so mancher von uns - gefallen lassen, denn man fällt leicht in Resignation, in Hoffnungslosigkeit, in Depression. Die ersten Selbstmorde Verzweifelter, der erste Hungertote.

Aber dann haben wir gemerkt, daß eure Pläne sich hauptsächlich gegen unsere Kinder richten. Waren wir schon aufmerksam geworden, als die Klassengrößen immer mehr anstiegen, als die Diskussion über Studiengebühren begann, so merkten wir endlich, wo es hinläuft, als ihr immer mehr Lehrstellen abschafftet, unsere Kinder verurteiltet, bei uns wohnen zu bleiben, wenn sie keine Arbeit finden und für sie fast nur noch Teilzeitstellen, Minijobs, Ein-Euro-Jobs, Zeitarbeit, Praktikum und prekäre Arbeit anbotet.

Wir lieben unsere Kinder und wir werden euch dies nicht mit unseren Kindern machen lassen! Das war ausschlaggebend, daß wir nun, wenn auch zunächst noch unbeholfen, zu kämpfen begonnen haben - zu kämpfen gegen euch. Ihr habt nicht die geringste Ahnung, wie stark die Wut in unserem Bauch ist und wie wild unsere Entschlossenheit.

Ihr seid noch nicht sehr beeindruckt von unseren Kämpfen - das wird sich legen. Tatsächlich ist es jenen Gewerkschaftsführern, die mit den euch genehmen Parteien verbändelt sind, bisher noch meistens gelungen, die Kämpfe abzuwürgen, ehe sie ans Eingemachte gingen, aber wir lernen. Seht nur, wie sich im Ver.di-Streik die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder in den bestreikten Betrieben verdoppelt hat.

Hartz-Protest 02

Doch ihr habt es auch schon gemerkt. Wir werden dies alles auf keinen Fall ergeben über uns ergehen lassen. Ihr bereitet euch schon darauf vor, dass wir kämpfen werden, nicht nur gegen Entlassungen, sondern für eine bessere Zukunft für uns und unsere Kinder. Warum sonst lasst ihr diesen Staat in eine Überwachungsstaat umwandeln? Um Terroristen oder Kinderschänder geht es nicht! Die liefern euren Politikern nur Vorwände.

Wir sind es, wir sind das Ziel all diesen Abbaus von selbstverständlichen bürgerlichen Rechten. Schon werden wir alle im Internet und am Handy überwacht, schon ist die Freiheit von Folter nicht mehr gewährleistet, schon wird vom wichtigsten Verbündeten das Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren aufgehoben und eure Politiker klatschen Beifall. Im Lokführerstreik wurde bereits das Streikrecht generell in Frage gestellt.

Ihr wisst, was auf euch zukommt!

Schon päppelt ihr wieder die faschistischen Horden hoch, so wie ihr es damals mit der Hitler-Brut gemacht habt. Doch ihr habt es schon gemerkt: Diesmal trifft dies auf entschlossenen und fast einmütigen Widerstand.

Ihr vertraut auf euren Gewalt-, Schnüffel- und Unterdrückungsapparat. Habt ihr schon vergessen, wie schnell einer der entwickeltsten Apparate dieser Art, jener der DDR, das Zeitliche segnete?

Ja, wir werden kämpfend lernen - und wir werden französisch lernen! Und wir werden uns erinnern: Montags geht man auf die Strasse!

Ihr könnt schon mal zu zittern anfangen.


Dieser Artikel, dessen erste Version in der "Berliner Umschau" am 3.6.2006 erschien (Übersetzung auf Englisch hier), wird hier nun aus Anlass der Umwandlung der Bundesrepublik in einen Schnüffelstaat und aus Anlass der angekündigten Werksschliessung von Nokia in einer erweiterten neuen Version veröffentlicht.

Mittwoch, 2. Januar 2008

Der schlaueste Spruch des Jahres 2007

Sinn und Unsinn

Von Karl Weiss

Unter dem Titel „Der dümmste Spruch des Jahres“ hat die „Süddeutsche“ zum Jahresabschluss dem notorisch bekannten Professor Sinn Raum gegeben, einen Artikel zu schreiben, der erfrischend offen - wenn auch in anderen Worten - sagt, was die „Süddeutsche“ sonst zu verstecken vorzieht: „Wir, die Mächtigen im Lande, werden nicht ein bisschen zurückgehen hinter das, was bereits dem Volk auferlegt wurde, im Gegenteil, wir werden noch verschärfen. Wer leben wird, wird es sehen!“

Auf die Forderung nach einem Mindestlohn antwortet er klar: „ ... das verwechselt Wunsch und Wirklichkeit.“ Er macht deutlich: Es wird keinen Mindestlohn geben und wenn doch, dann werden wir massiv entlassen. „Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!"

Jeder müsse von seiner Hände Arbeit leben könne, so schreibt er, sei der „dümmste Spruch des Jahres“. Ja, das muss man sich ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen: Er verdonnert ganz offen und ohne das geringste Zögern eine große Zahl von Menschen dazu, nicht leben zu können!

Wir müssen ihm dankbar sein. Er ist immerhin einer, der offen sagt, was man mit uns vorhat.

Während die anderen wie ein Kaninchen vor der Schlange vor dem Linkstrend in der Bevölkerung (Sinn nennt das den Zeitgeist) zittern und versuchen, mit wohlfeilen Sprüchen irgendetwas daran zu ändern, sagt Sinn, was Sache ist. Es sei ihm zugestanden: Er ist ein mutiger Mann. Er fürchtet nicht, in nicht allzu ferner Zukunft einer der ersten zu sein, die in jene Erziehungs-Camps eingeliefert werden, welche die CDU/CSU gerade für kriminelle Jugendliche vorgeschlagen hat und zweifellos bald einrichten wird.

Kurz: Was er da schreibt, ist schlicht und einfach der schlaueste Spruch des (eben vergangenen) Jahres.

Er schreibt, „wir“ stehen im internationalen Niedriglohnwettbewerb. Mit anderen Worten, die Löhne müssen auf die international niedrigsten abgesenkt werden, sonst werden noch viel mehr arbeitslos. In China ist man im Moment bei 13 Dollar im Monat, also etwa 9 Euro – nicht in der Stunde, nein, im Monat. Aber es lässt sich sicher noch ein Land mit noch geringeren Löhnen finden. In solchen Dingen ist Sinn Meister!

Ohne es vielleicht zu wollen, sagt er uns klar: „Wir, die Mächtigen im Lande, scheren uns einen feuchen Kehricht, ob ihr mit euerer Hände Arbeit genug verdient, um leben zu können. Wir leben prachtvoll, wenn ihr nicht leben könnt, ist das eure Sache.“

Ja, er hat recht: Es ist unsere Sache. Wir müssen mit dieser Kaste von Managern, Kapitaleignern und deren Protagonisten fertig werden, sie in die Erziehungs-Camps stecken, die bis dahin schon aufgebaut sein werden und müssen den Staat in die eigenen Hände nehmen. Dann wird die erste Frage immer sein: Kann man von diesem Lohn leben? Selbst den ehemals Mächtigen in den Erziehungs-Camps werden wir dann einen kleinen Lohn zahlen, von dem sie leben können, denn wir brauchen dann nicht mehr nachtragend zu sein.

Danke, Herr Sinn, für die Lehre! Wir werden sie so schnell wie möglich befolgen!


Veröffentlicht am 2. Januar 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

Willkommen / Impressum

Willkommen im Weblog Karl Weiss - Journalismus.
Der Weblog Karl Weiss - Journalismus ist umgezogen. neue Adresse: www.karl-weiss-journalismus.de
IMPRESSUM
Ich bin zu erreichen über weiss.karl@ rocketmail.com
Ich wünsche also allen (und mir) viel Spaß (und Ernst) mit diesem Blog.
Karl Weiss, Belo Horizonte, Brasilien

Artikel und Dossier der Woche

Artikel der Woche "CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft" Da wurde es von Frau Merkel vorhergesagt

Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Israel und der Konflikt...
ICH FRAGE MICH WARUM DIE JUDEN SO BRUTAL GEGEN DIE...
mik4777 - 30. Jan, 20:32
Abscheulich!!!
Wie man überhaupt im Ansatz auf den Gedanken kommen...
david3371 - 3. Okt, 19:02
Der Vatikan schützt die...
Sehr geehrter Herr Weiss, der Vatikan k a n n die...
MoMa - 6. Jan, 10:28
Fünf Jahre ist das jetzt...
Fünf Jahre ist das jetzt her!!! Die eine Immobilienkrise...
girico - 6. Mär, 13:34
Ich teile nicht diese...
Ein führender Landespolitiker oder ein wichtiger Geschäftsmann...
Nonkonformer - 21. Sep, 23:42

Status

Online seit 6511 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits

Archiv

April 2024
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 
 

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Zufallsbild

Hieronymus Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 17

kostenloser Counter

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

AbbauRechte
AlternativPolitik
Brasilien
Deutschland
Fussball
Imperialismus
InternetundMeinungsfreiheit
Lateinamerika
Medien
NaherOsten
Oekonomie
Sozialabbau
Umwelt
Willkommen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren