Sozialabbau

Montag, 31. März 2008

Lohnrückforderungen - der Skandal

Die blanke Wut

Von Karl Weiss

Wer glaubte, im Land von Hartz IV, in dem das Verfassungsgericht die heimliche Ausforschung der Computer freigegeben hat, könne nichts noch Absurderes geschehen, hat sich getäuscht. Jetzt werden die entlassenen Arbeiter pleite gegangener Unternehmen noch mit Forderungen nach Lohnrückzahlungen verfolgt!

Wie in der Sendung ‚Fakt‘ im Ersten Fernsehen berichtet wurde (hier), lässt die neue Konkursordnung zu – beschlossen von unseren heissgeliebten Politkern - , dass der Konkursverwalter bzw. Insolvenzverwalter die in der letzten Zeit vor der Pleite des Unternehmens gezahlten Löhne von den Mitarbeitern zurückfordern kann. Dies gilt dann, wenn die Arbeitnehmer Anzeichen dafür hatten, die Firma könnte dicht machen.

In einem von insgesamt vier Fällen wurden die Löhne von mehreren Mitarbeitern (wahrscheinlich aber von allen) zurückgefordert und es gibt bereits ein Gerichtsurteil, das tatsächlich den Arbeiter Uwe Trautmann verurteilt, etwa 3 700 Euro an den Insolvenzverwalter zurückzuzahlen. Der zuständige Richter argumentierte, Trautmann habe ja bereits Verspätungen in der Lohnauszahlung bemerkt, also habe er Anzeichen gehabt, die Firma stehe vor dem Ende. Wenn er dort weiterhin arbeite und Geld in Form von Lohn für diese Arbeit aus der Firma abziehe, so sei er nach dem Wortlaut der neuen Insolvenzordnung verpflichtet , dies Geld zurückzuerstatten, damit es den Gläubigern der Firma zur Verfügung gestellt werden kann.

Bevor die Insolvenzordnung von unseren heissgeliebten „Volksparteien“ geändert worden war, waren Löhne grundsätzlich unantastbar und ausstehende Löhne sogar bevorzugt gegenüber Gläubigerforderungen. Aber genau das hat man aus der neuen Fassung gestrichen.

Neben Trautmann sollen in der gleichen Firma laut dem „Ersten“ etwa 100 weitere Mitarbeiter Schreiben mit der Forderung der Lohnrückzahlung erhalten haben. In einer anderen Firma, die ebenfalls die Pforten schliessen musste, hat es Heiner Conrad erwischt. Von ihm wurden 3 300 Euro zurüchgefordert und die Amtsrichterin in Gera bestätigte die Berechtigung dazu. Nun weiss Konrad nicht, woher das Geld nehmen.

Soweit, mit 4 Firmen in Sachsen (nach Angaben des sächsischen DGB), in denen eine unbekannte Anzahl von Arbeitern (wahrscheinlich über 100) auf Lohnrückzahlung verklagt wurde, war der Stand im letzten Jahr. Nun hat das „Erste“ in einer neuen Sendung dieses Jahr aufgedeckt, die Sache mit den Lohnrückforderungen ist bereits flächendeckend.

Als Beispiel wird die Hinterlassenschaft der bankrott gegangenen Firma „Holz-Nützel“ aufgegriffen. Vom Arbeiter Keven Ortleb werden mehr als 3000 Euro Lohn aus den letzten drei Monaten der Firma zurückverlangt, denn er habe wissen können, die Firma gehe pleite. Auch hier waren die Löhne am Ende mehrfach verspätet ausgezahlt worden.

Insgesamt 120 frühere Arbeitnehmer von Holz-Nützel wurden vom Insolvenzverwalter auf Rückzahlung der in den letzten drei Monaten erhaltenen Löhne und Gehälter verklagt.

Der Insolvenzverwalter hört auf den schönen Namen Irrgang und man möchte meinen, dieser Name sage etwas über seine Taten, aber die Richter sind da anderer Meinung. Er bekommt vor Gericht Recht. Es steht so in der Insolvenzordnung.

Herr Baumann vom Rechtsschutz des sächsischen DGB sagt dazu: „...müsste man alle Arbeitnehmer bundesweit in Kenntnis setzen, dass bei einer verzögerten Lohnzahlung, sofort de facto selbst gekündigt wird oder die Arbeitskraft sofort zurückgehalten wird. Oder man eben schauen muss, dass man vielleicht sogar selbst einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht stellt.“

Sozialprotest DGB

Der Beitrag im „Ersten“ hat allerdings nicht nachgefragt, warum der DGB nicht eine Kampagne gegen diese Praktiken und diese Gesetzesänderung begonnen hat. Nun, es ist klar: Da sitzen Gewerkschaftsführer, denen zum Teil das SPD-Parteihemd näher ist als als der DGB-Rock. Und wer hat diese Änderung der Insolvenzordnung durchgeboxt?

Ja, Sie haben richtig geraten: Schröder mit seiner SPD – und auch noch unterstützt von den Grünen, die natürlich auch nichts von dieser Geschichte wissen wollen. Sie haben immerhin den Ver.di-Vorsitzenden Bsirske in ihren Reihen, aber von dem hat man diesbezüglich auch nichts gehört – na warum wohl?

Nun hat die CDU natürlich Gelegenheit, Punkte gut zu machen und sie hat daher dieses heisse Eisen aufgegriffen und mit der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin die Abänderung dieses Paragraphen durchgesetzt – oder? Pustekuchen. Die CDU/CSU ist genauso auf Tauschstation wie die Urheber-Parteien.

Kennzeichnend die Reaktion, als das „ Erste“ bei dem zuständigen Justizministerium nach einem Gespräch hierüber fragte. Man gebe kein Interview zu diesem Thema, herrschte man die Fernsehreporter an. Stattdessen wurde eine schriftliche Stellungnahme abgegeben, in der man behauptete, die Arbeitnehmer seien genügend geschützt im Fall von Insolvenzen, denn sie könnten ja Konkursgeld beantragen.

Nur hat die Sache einen kleinen Haken: Das Konkursgeld ist niedriger als die Rückforderungen! Ausserdem ist es als Hilfe vorgesehen, bis man wieder Arbeit findet, nicht als Aufbesserung für Pleitengläubiger. Aber wer kümmert sich um solche Kleinigkeiten, wenn man das Bundesjustizministerium ist. Da ist man schon genug beschäftigt, noch mehr Geld den Grosskonzernen zuzuschustern, da hat man keine Zeit, sich um kleine Leute zu kümmern, die zuerst arbeitslos werden, weil die Firma pleite geht und dann auch noch ihr hart verdientes Geld aus den Rippen geleiert bekommen.

Auch die deutschen bürgerlichen Medien haben nichts über diesen Skandal gebracht, „Fakt“ im „Ersten“ blieb die einzige Stimme, obwohl Beiträge im ersten Fernsehprogramm ja nun nicht gerade geheim sind.

Der oben schon erwähnte gerupfte Uwe Trautmann bekam vom Insolvenzverwalter auch noch den zynische Rat, doch seine Ersparnisse aufzulösen. Nur: Er hatte 4,32 Euro Stundenlohn. Von was sollte er da Ersparnisse anlegen?

Auf die Frage, was angesichts dieser Dinge in ihm vorgeht, antwortet er: „Die Wut! Die blanke Wut!“


Veröffentlicht am 31. März 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Dienstag, 11. März 2008

Hartz IV - Nicht genug zu essen

Realität in Deutschland

Von Karl Weiss

Angesichts der frechen und arroganten Provokation des Berliner Senators Sarrazin, den Arbeitslosen zu erklären, sie könnten mit dem Geld von Hartz IV auskommen, wenn sie nur immer Leberkäse und Kartoffelsalat vom Plus-Markt essen und nur Wasser trinken, muss die Realität von Hartz IV wieder und wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Wir dürfen nicht ruhen, bis Hartz IV gekippt ist!

Ein langes Arbeitsleben – und dann arbeitslos. 61 Jahre alt – und nun nicht genug zu essen. Die ARGE verweigert Hartz-IV-Zahlungen. Das Gericht verurteilt sie zu zahlen, denn die Unterstellungen der ARGE waren unhaltbar. Trotzdem wird nicht gezahlt. Man habe ja vier Wochen, um Rechtsmittel einzulegen. Das ist die Situation von Josef S., heute, hier, in Deutschland.

Welche Exzesse die von Party zu Party eilende Politikerkaste mit ihrem Hartz IV provoziert hat, zeigte sich einmal mehr an diesem Fall, der vom Erwerbslosen-Forum Deutschland (Elo-Forum) veröffentlicht wurde.

Nennen wir ihn Josef S.. Ihm wurde von der ARGE Dorsten unterstellt, mit seiner Vermieterin in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Das war zwar nicht der Fall, aber was kümmert eine deutsche Behörde die Wirklichkeit.

Ausserdem wurde behauptet, der Sohn von Josef S. würde bei ihm leben. Der hat zwar in Wirklichkeit einen anderen Wohnsitz, was leicht nachprüfbar gewesen wäre, aber man muss ja dem Staat Geld sparen, also behauptet man einfach einmal darauf los. Schliesslich muss der Staat sein Geld für Militäreinsätze am Hindukusch verwenden.

Da Josef S. nun weder Verdienstbescheinigungen seiner Vermieterin beibringen konnte noch die seines Sohnes, zahlte man ihm nichts. Den ‚Sozialschmarotzern’ werden wir es zeigen, nicht wahr, liebe ARGE Dorsten?

Josef S. wurde die Wohnung fristlos gekündigt. Er lebte kurzzeitig von ein wenig Geld, das ihm eine mitleidige Seele geliehen hatte. Er hatte nicht mehr genug zu essen. Als er dies dem Sachbearbeiter sagte, erntete er ein Lächeln.

Vor Gericht hielt keine der Behauptungen der ARGE stand. Sie wurde verpflichtet zu zahlen. Trotzdem schickte man Josef S. aber nach Hause. Er werde einen Anruf bekommen. Auf den wartet er heute noch. Nicht genug zu essen. Wirklichkeit, heute, hier, in Deutschland.

Währenddessen hetzen die Politiker, die ihre Schäfchen längst im Trockenen haben, gegen die Arbeitslosen „Anspruchsdenken, Sozialschmarotzer!“.

Wird einer von ihnen angesprochen auf so einen Fall, so erklärt er, man brauche sich nur zu rasieren und die Haare zu schneiden, dann bekäme jeder Arbeit.

Die ARGE Dorsten gibt unterdessen Josef S., dem der Magen knurrt, täglich unterschiedliche Auskünfte. Einmal ist die zuständige Sachbearbeiterin nicht im Haus, ein anderes Mal heisst es, die zuständige Stelle habe den Gerichtbeschluss noch nicht weitergegeben, dann, man habe ja vier Wochen, um Rechtsmittel einzulegen.

Mertin Behrsing vom Erwerbslosen-Forum sagt: „Das ist absolut kein Einzelfall. Es ist menschenverachtend.“

Es sei vielmehr gängige Praxis. In Bonn z.B. sei in einem Fall erst dann gezahlt worden, als der Gerichtsvollzieher auf dem Weg war, den Dienst-BMW der Oberbürgermeisterin zu pfänden. Die Behörden verhielten sich laufend bewusst rechtswidrig.

Der Obrigkeitsstaat lässt seine Stimme aus der Gruft vernehmen: „Ich bin wieder da!“

Wird demnächst wieder jemand vorgeben müssen, ein Hauptmann zu sein, um wenigsten etwas zu essen zu bekommen? Wird es wieder in Köpenick sein oder diesmal in Dorsten?


Wesentliche Teile dieses Artikels wurden schon am 31.März 2007 in der Berliner Umschau veröffentlicht.


Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

Samstag, 2. Februar 2008

Hartz IV führt in Obdachlosigkeit

Nun ist es offiziell!

Von Karl Weiss

Nun ist es offiziell: Hartz IV führt zur Obdachlosigkeit! Was bisher von den bürgerlichen Medien immer wieder in Frage gestellt und als “Panikmache“ bezeichnet wurde, was die Politiker von SPD und Grünen wie auch von FDP und CDU/CSU immer wieder bestritten („Niemand braucht wegen Hartz IV befürchten, obdachlos zu werden!“), ist bereits seit einiger Zeit für Manche Realität geworden und wurde nun auch offiziell von der Stadt Duisburg verkündet: Hartz IV führt zur Obdachlosigkeit.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Im Oktober 2004, über 150 000 Menschen jeden Montag auf der Strasse, drei Monate vor Inkrafttreten von Hartz IV, kurz nachdem die endgültige Version von Hartz IV verabschiedet war (aber noch nirgends zu erhalten war), hatte Elmar Getto eine umfangreiche Recherche gestartet, was mit Hartz IV auf die Menschen in Deutschland zukommt. Ein Sachbearbeiter beim Arbeitsamt gab Auskunft, ein spezialisierter Rechtsanwalt, ein kleiner Parteipolitiker und dazu wurden die Tageszeitungen und andere Publikationen ausgewertet. Obwohl damals zuverlässige Auskünfte fast nicht zu bekommen waren und vieles an der Gesetzgebung von den bürgerlichen Medien bewusst weggelassen und verharmlost wurde, um die Montagsdemos klein zu reden, gelang es Elmar, eine Vorausschau auf das neue Deutschland unter Hartz IV zu erstellen, die sich mehr und mehr als visionär erweist: „Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend“.

Hier einige Auszüge, in denen speziell auf die Tendenz hingewiesen wird, die Hartz IV-Betroffenen in die Obdachlosigkeit zu drücken:

„... wer nicht jeden der „Arbeitsplätze“, die ihm zugewiesen werden – seien es die 1 € - Jobs oder ‚reguläre’ Billigarbeit - ausfüllen kann, ohne aus persönlichen Gründen entlassen zu werden oder selbst zu kündigen, bekommt Sanktionen oder Streichung – und damit kann er seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten, muss Rechnungen unbezahlt lassen und geht damit den ersten Schritt auf dem Weg ohne Wiederkehr ins Elend.“

„... z.B. jene gehören, die bei der Arbeit einschlafen (Wächterjobs), jene, die wegen der Eintönigkeit der Arbeit ‚ausrasten’, jene, die unter der Schwerstarbeit zusammenbrechen, jene, die wegen der grossen Entfernung am Arbeitsplatz fehlen, jene, die sich nicht auf andauernd neue Arbeiten einstellen können und nicht zuletzt jene, die Fehler bei der Arbeit machen, sei es verursacht durch Schlafmangel durch stundenlange Anfahrtswege oder aus anderen Gründen. Es würde ja keine unzumutbaren Arbeiten oder Arbeiten in unzumutbaren Entfernungen mehr geben.“

Hartz-Protest 02

„Entscheidet der „Agent“ (...) auf Sanktionen (vorgesehen sind Kürzungen von 10%, 20%, 30% und 60% der Leistungen) oder auf Streichen des ALG II (bei jungen Arbeitslosen), gibt es kein Entrinnen.“

„Selbst wenn man zum Beispiel noch jemanden hätte, der einem eine Rechtsschutzversicherung zahlte, damit man wenigstens noch anwaltlichen Rat und Hilfe einholen könnte, würde man sein „Recht“ erst nach Durchlaufen aller juristischen Instanzen bekommen – und dann wäre man längst obdachlos und hätte längst keine Adresse mehr, wo man noch zum Gericht vorgeladen werden könnte.“

„Er wird irgendetwas nicht mehr zahlen können, z.B. eine Strom- oder Nebenkosten-Rechnung, Geld, das für das Heizöl vorgesehen war, hierfür verwenden müssen, einen Teil der Miete schuldig bleiben müssen oder ähnliches. Damit ist der Anfang des unaufhaltsamen Abstiegs ins Elend gemacht, denn von was wollte er dies in Zukunft bezahlen? Auch wenn er versuchte, die Schulden um und um zu wenden, um Zeit zu gewinnen, es bliebe ja nichts übrig, von dem er bezahlen und aus der Falle wieder herauskommen könnte. Irgendwann würde man ihm lebenswichtige Dienste kappen (Strom, Gas, Wasser, Heizung) und/oder ihn aus der Wohnung werfen und nichts würde sein „Abgleiten“ in Obdachlosigkeit und Elend mehr aufhalten können.“

Hartz-Protest 01

Dies ist nun genau, was einem Arbeitslosen in Duisburg geschah. Man strich ihm alles einschliesslich des Mietzuschusses und als er empört fragte, wie er denn noch leben sollte, beschied man ihm (vor Zeugen): "Die Stadt Duisburg erklärt, dass es sanktionierten alleinstehenden ALG II-Beziehern zuzumuten ist, obdachlos zu werden."

Mitstreiter von der Duisburger Montagsdemo, die den Betroffenen begleitet hatten, wurden Zeugen der Aussage und berichteten dies auf der letzten Duisburger Montagsdemo.

Damit wird Elmars damalige Aussage, Hartz IV als solches, wie auch das versuchte Abblasen der Montagsdemos durch einige „Linke“ sei objektiv ein Verbrechen, eindrucksvoll bestätigt.

Alle, die glaubten, man solle doch versuchen, einige wenige Veränderungen an Hartz IV zu erreichen und es dürfe nicht radikal die völlige Abschaffung gefordert werden, sind von der Wirklichkeit widerlegt. Das Motto, das die Montagsdemos noch heute verfolgen, ist richtig: „Weg mit Hartz IV, das Volk sind wir!"

Wer bei den Montagsdemos mitmachen will, erfährt hier mehr.


Veröffentlicht am 1. Februar 2008 in 'Nachrichten - heute'

Originalartikel


Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

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"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

Samstag, 26. Januar 2008

AIDS, Malaria und Tuberkulose

Besiegbare Krankheiten weiten sich immer mehr aus

Von Elmar Getto

Ein weiteres Anzeichen, daß der Kapitalismus nun beginnt, in die kapitalistische Barbarei überzugehen, ist der massive Anstieg von schweren Infektionserkrankungen, das Wiedererscheinen von ganz oder fast ausgerotteten Krankheiten und der beginnende Rückbau der Gesundheitsversorgung in den entwickelten Ländern.

So war z.B. die Tuberkulose eine Krankheit, die in den entwickelten Ländern praktisch ausgerottet war und nur noch in einigen wenigen Entwicklungsländern eine Rolle spielte, was man mit wenig Aufwand in den Griff bekommen hätte - wenn man gewollt hätte.

Heute ist die Tuberkulose eine über große Teile der Entwicklungsländer bereits als Epidemie verbeitete Krankheit, die sich rasend schnell auch in die ärmeren Gebiete der entwickelten Länder vorfrißt.

Irgendeine Rückkehr zu den Methoden, mit denen es gelang, diese Krankheit fast auszurotten, ist nicht vorgesehen, wozu auch? Es sind ja fast nur die Armen, die betroffen sind! In Deutschland zum Beispiel waren wegen TB, wie man damals sagte, Anfang der sechziger Jahre noch routinemäßig Lungen-Röntgen-Aufnahmen für die ganze Bevölkerung vorgeschrieben.

Es wird nicht mehr lange dauern, bis sich wieder Krankheiten wie der Pest und der Lepra oder ähnliche Erkrankungen auszubreiten beginnen.

Das schreiendste Beispiel aber ist die Immunschwächekrankheit AIDS. Nachdem diese sich zunächst fast ungehemmt ausweitete, vor allem unterstützt durch die Legende, nur Gays und Drogensüchtige seinen betroffen, wurde sie - jedenfalls in vielen der entwickelten Länder -, hauptsächlich durch Aufklärung, zum langsameren Wachsen gebracht, in einige Ländern sogar zur Abnahme der jährlichen Neuerkrankungsfälle.

Dann wurden die antiretroviralen Medikamente entwickelt und es konnte die Zahl der weltweiten Todesfälle durch AIDS drastisch verringert werden. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis AIDS besiegt wäre.

Doch diese Entwicklung ist inzwischen längst zum Stehen gekommen und hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Die Zahl der Neuerkrankungen an AIDS steigt wieder unaufhaltsam, die Zahl der AIDS-Toten geht wieder in die Höhe, in einigen Ländern im Süden Afrikas kann man inzwischen davon sprechen, daß bereits die ganze Bevölkerung bedroht ist.

AIDS hat sich zu einer weltweiten Epidemie entwickelt und weitet seine Einflußsphäre kontinuierlich aus. Auch in Deutschland und den USA, wo die Zahl der Neuerkrankungen (genau gesagt: neu positiv getesteten) über Jahre zurück gegangen war, ist die Krankheit wieder auf dem Vormarsch. In Südostasien, China und Osteuropa, wo sie erst mit Verspätung ankam, ist die Steigerungsrate immens. Allein in der Ukraine sind inzwischen bereits 250.000 Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von 48 Millionen infiziert. In Deutschland sind es etwa 40.000 Personen im Moment.

Zu dieser Entwicklung hat mit die offizielle US-Politik beigetragen, der Kampf gegen AIDS dürfe ausschliesslich durch Aufrufe zur ehelichen Treue und zur Enthaltsamkeit geführt werden und auf keinen Fall durch Propagieren und Verteilen von Kondomen. Der Versuch, die Menschen dazu zu bringen, Sex nur noch innerhalb der Ehe zu machen, war immer schon verloren und wird auch jetzt nicht gewonnen werden können - abgesehen davon, dass damit religiöse Vorurteile den anderen Menschen übergestülpt werden sollen.

Man hat es inzwischen schriftlich, daß die Gesundheitsbehörden die Entwicklung dieser weltweiten Epidemie nicht mehr kontrollieren können. Die AIDS-Konferenz in Bangkok im vorletzten Jahr erklärte dies offiziell in ihrer Abschlußerklärung.

Im Moment sind weltweit 40,3 Millionen Menschen infiziert, das sind über doppelt so viele wie 1995, als es noch 19,9 Millionen waren. Davon sind 2,3 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Auch dieser Anteil ist dramatisch gewachsen. Allein im vorletzten Jahr haben sich 4,9 Millionen Menschen neu infiziert. Gestorben sind vorletztes Jahr bereits 3,1 Millionen Menschen an AIDS. Im gesamten Zeitraum von 1981 bis 2005 sind 25 Millionen an AIDS verstorben.

Im Moment erhalten 90% der Infizierten nicht die antiretroviralen Medikamente, die ihr Leben verlängern könnten, weil die Pharmakonzerne darauf bestehen, hieraus Maximalprofite zu ziehen und diese Medikamente damit für die meisten unerschwinglich sind.

15 Millionen Kinder auf der Welt wachsen im Moment als AIDS-Waisen auf. Für Medikamente und Projekte gegen die wichtigsten Infektions-Erkrankungen in den Entwicklungsländern, AIDS, Malaria und Tuberkulose, wurden nach Angaben der WHO (Welt-Gesundheits-Organisation) für 2006 7,1 Milliarden Dollar benötigt. Die imperialistischen Länder haben aber nur 3,7 Milliarden zugesagt und nicht einmal das wurde ausgeschöpft, nicht ein Zehntel im ganzen Jahr dessen, was sie monatlich für Rüstung ausgeben.

Alarmierend ist aber auch das Vordringen bereits fast vergessener Krankheiten in den entwickelten Ländern.

In den USA ist die Situation besonders kritisch. Dort gibt es heute ganze Gebiete in bestimmten Bundeststaaten und ganze Stadtviertel in grossen Städten, wo fast niemand mehr irgendeine Art von Krankenversicherung hat. Da es sich um arme Bevölkerng handelt, haben sie damit keinerlei Zugang mehr zu Ärzten, Medikamenten, Erste-Hilfe-Stationen oder Krankenhäusern.

Die völlige Privatisierung des gesamten Gesundheitswesens, der Krankenkassen, Krankenhäuser und Krankenversicherungen, die auch in Deutschland bereits anvisiert ist, macht aus dem Gesundheitswesen eine Profitquelle für schnell wachsende Konzerne statt einer Dienstleistung für die Bevölkerung. Da bleiben die Armen natürlich auf der Strecke (und für die anderen steigen die Gesundheitskosten steil an). Je nach Quelle betrifft dies zwischen 10 und 20% der Bevölkerung im reichsten Land der Welt.

Obwohl die staatlichen Ausgaben für die Gesundheit pro Kopf der Bevölkerung höher sind als in den meisten anderen Ländern, kann das US-Gesundheitswesen als das ineffektivste aller grossen Länder angesehen werden. Gleichzeitig fallen die mit dem Gesundheitswesen befassten Konzerne wie Versicherungen, Pharma, Krankenhäuser und andere, von einem Freudentaumel in den nächsten aufgrund der steil ansteigenden Profite.

Auch in Deutschland gibt es bereits Zehntausende, die keine Krankenversicherung mehr haben, weil ihnen kein Hartz IV mehr zugestanden wird.

Das sind keine unerwünschten Nebenwirkungen des neoliberalen Ausverkaufs aller Werte, sondern dessen logische Konsequenz.

Ein anderes Beispiel ist die Malaria. Auch sie war durch eine Reihe von Maßnahmen bis etwa Ende der 80er-Jahre im wesentlichen bereits zurückgedrängt auf wenige „Hot Spots" in einigen Regenwaldgebieten ohne große Bevölkerung.

Heute gibt es bereits eine weltweite Malariaepidemie. Die Krankheit hat sich weit aus den tropischen Gebieten hinaus ausgeweitet, die jetzigen Erreger reagieren auf keines der klassischen alten Medikamente mehr und speziell unter den Ärmsten der Armen, die chronisch unterernährt sind, ist Malaria heute bereits die häufigste Todesursache, gerade auch unter Kindern.

Hätte auch nur einer der großen Pharmakonzerne auch nur einen Bruchteil dessen an Forschung und Entwicklung für neue Malaria-Medikamente oder eine Impfung ausgegeben wie man es für „Me too"-Arzneimittel tut, die längst auf dem Markt sind, aber eben vom Konkurrenten, dann hätte die Malaria schon ausgerottet werden können. Aber die betrifft ja fast nur Arme, also was kümmert es? Die Menschheit ist zu einem Mittel verkommen, die Profite der Großkonzerne zu sichern und zu erhöhen.

Auch im Fall AIDS wird gelegentlich ein neues antiretrovirales Medikament entwickelt, aber die eigentlich bei weitem nötigste Forschung und Entwicklung, die eines Impfstoffes, der die Krankheit ausrotten könnte, ist allerletzte Priorität der Pharmakonzerne. Auch von den jährlich 2 Milliarden Dollar für die öffentliche AIDS-Forschung gehen nur 650 Millionen in die Impfstoff-Forschung - und davon ist auch noch der weitaus größte Teil im Budget des „Walter Reed Army Institute" der US-Regierung, wo alles Mögliche geforscht wird für die militärische Anwendung solcher Retroviren, was als „Impfstoff-Forschung" getarnt ist.


Dieser Artikel erschien in seiner ursprünglichen Form am 2. Dezember 2004 in der Berliner Umschau. Hier eine vom Verfasser aktualisierte und erweiterte Version.

Samstag, 1. Dezember 2007

Auf dem Weg zum Entwicklungsland

Niemals war der Arbeitnehmeranteil an der Kaufkraft so niedrig

Rasche Abnahme des Anteils

Von Karl Weiss

Ein neues Allzeit-Tief wird die Kaufkraft der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik dieses Jahr erreichen, hat das WSI-Institut des DGB ausgerechnet. Am Jahresende wird der Anteil der Arbeitenden am Volkseinkommen auf einer historischen Tiefmarke von etwa 38% liegen. Den Rest von 62% haben die wenigen Reichen, Superreichen und Kapitalisten eingesteckt.

Die Grössenordnung von 38%, die jetzt erreicht wurde, ist Lichtjahre von den 56 % entfernt, die Deutschlands Arbeiter und Angestellte im Jahr 1960 bekamen, aber auch weit von den 40,5%, die man noch vor einem Jahr, 2006, erreichte. Diese Entwicklung zeigt die rasante Geschwindigkeit des Lohnabbaus an, der die Republik erschüttert.

Schnell steigen die Armutsquoten, in die Millionen gehen inzwischen bereits die Zahl der prekär Verdienenden, die Anspruch auf einen Hartz-IV-Zuschuss haben, weil sie weniger als die sowieso nicht ausreichenden Hartz-IV-Brosamen erhalten.

Hartz-Protest 02

Diese rasche Entwicklung beschleunigte sich noch in den letzten Jahren, seit Hartz IV eingeführt wurde. Damit bestätigen sich die Vorhersagen, die Elmar Getto bereits vor der Einführung von Hartz IV gemacht hat (siehe diesen Artikel: „Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend“) und werden die Aussagen der Politiker und Medien widerlegt, die damals dies alles für „Panikmache“ erklärten und behaupteten, Einigen werde es sogar besser gehen, nur Wenige würden verlieren.

Hartz-Protest 01

Tatsächlich war Hartz IV, das am 1. Januar 2005 in Kraft trat, der Startschuss für die gewaltigste Umverteilungsoffensive zur Seite der Kapitaleigner, die es in der deutschen Kapitalismusgeschichte je gegeben hat. Die Kinderarmut steigt nun um Hunderttausende in jedem Quartal, die angebotenen Arbeitsplätze sind fast ausschliesslich Extrem-Niedrig-Lohn-Plätze, die Altersarmut greift bereits um sich, während die Komiker von Kapitalisten von Arbeitskräftemangel sprechen, während Monat für Monat mehr als 6 Millionen Deutsche (und deren Familien) im Bezug von Arbeitslosengeld stecken, davon mehrere Hunderttausend Hochqualifizierte.

Der Beginn der beschleunigten Umverteilung zugunsten der Kapitalbesitzer kann etwa im Jahr 1991 angesiedelt werden, als der Anteil der Arbeitenden, genannt Netto-Lohn-Quote, noch bei fast der Hälfte des Volkseinkommens lag. Seit damals nimmt der Arbeitnehmeranteil Jahr für Jahr ab, mit einer bedeutenden Beschleunigung seit 2005.

Irgendetwas von einem „Aufschwung“ oder auch nur von einer Verlangsamung dieser Ausbeutungssteigerung ist nirgendwo auch nur am Horizont zu erkennen. Es wird deutlich, die Behauptung des Wirtschaftsaufschwungs ist nicht auf Fakten basiert. Der einzige Aufschwung ist bei den Reichen-Einkommen und Kapital-Gewinnen festzustellen. Für die Menschen in Deutschland dagen wird das Tal der Tränen immer tiefer – und das immer schneller.

Fast alle, die selbst Kapitalisten sind oder im wesentlichen von angelegtem Geld leben, fallen dagegen von einem Einkommenshoch ins Andere. Niemals zuvor war in der Bundesrepublik die Verteilung so einseitig.

Vor kurzem noch galten etwa 10% der Bundesbürger offiziell als arm, jetzt sind es bereits 20%!

Der Kommentator „solitaire 100“ in der „ Süddeutschen“ schreibt dazu am 29. November:

„Die vielen neu geschaffenen Jobs haben nach Berechnungen des WSI nicht zu einer Verringerung der Einkommensunterschiede geführt. Mehr als die Hälfte der Stellen seien prekäre Beschäftigungsverhältnisse, zum Beispiel Zeitarbeit, Minijobs oder schlecht bezahlte Arbeiten.
Einer der Gründe ist, dass in Deutschland an manchen Stellen ein fieses Spiel gespielt wird.

Wenn es zu Lohnerhöhungen kommt, werden eigene Mitarbeiter entlassen und stattdessen Leiharbeitskräfte eingestellt. Beliebt ist es auch, Vollzeit-Jobs abzubauen und durch 400,00 Euro Jobs zu ersetzen. Und man findet das auch noch intelligent. Und da gibt es ja noch die Niedriglohn-Jobs, (...).

Ich würde da eher von Heuchelei Sprechen !

Das ist wohl ein Ergebnis von der Agenda 2010. Dieses als " Erfolg" zu verkaufen, ist ordinär!“

Dabei ist das am meisten Erschütternde nicht einfach die skandalös niedrige Zahl des Anteils derjenigen, welche die Arbeit machen, sondern vor allem die Geschwindigkeit der Abnahme und damit die der Zunahme der Armut.

Zwei bis zweieinhalb Prozent des gesamten Einkommens des Landes wurde in diesem Jahr von den Arbeitenden auf die umgelegt, die „ihr Geld arbeiten lassen“, das bedeutet in zehn Jahren 20 bis 25 % weniger als heute – das aber nur, wenn sich die Umverteilung nicht noch beschleunigt, wie das in den letzten drei Jahren der Fall war. Auch ohne diese Beschleunigung werden wir also im Jahr 2017 bei etwa 18% oder weniger Anteil der Arbeitenden am Gesamteinkommen angekommen sein.

Typisch für Entwicklungsländer

Das ist die typische Zahl eines der besonders wenig entwickelten Entwicklungsländer, wie etwa jene in Afrika: Kenia, Kongo, Sudan. Jetzt wissen wir also, wohin die Reise geht, wenn wir es uns gefallen lassen. Dabei geht es lediglich um den Zeitraum von 10 Jahren!

Innerhalb von zehn Jahren wollen sie uns auf das Niveau armer Entwicklungsländer heruntergewirtschaftet haben!

Sozialprotest DGB

Es verwundert also gar nicht, warum der Streik der Lokführer auf so viel Sympathie oder jedenfalls Verständnis in der Bevölkerung trifft. Die Menschen sind ja aufmerksam und sehen, was vor sich geht. Ihnen ist klar, unser einziges Mittel, dies aufzuhalten ist der Streik. Je mehr wir in Streiks Erfahrungen sammeln, umso mehr werden wir die Kraft entwickeln, diese Offensive zu stoppen – und schliesslich selbst in die Offensive zu kommen.

Darum: Solidarität mit dem Streik der Lokführer!

Veröffentlicht am 30. November 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Freitag, 23. November 2007

Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden

Hartz IV: "Verfolgungsbehörde" in verschlossene Wohnung eingedrungen

Von Elmar Getto

Bei Hartz IV gilt die Regel: Was kommt noch alles...? Was immer auch nur theoretisch vorstellbar ist an Übergriffen, Erniedrigungen, Ungerechtigkeiten, Willkür, kriminellen Taten wie Erpressung, ja sogar die Übergabe der Entscheidung über Leben und Tod von ALG-II-Geschädigten an kleine Angestellte bei den Agenturen ohne Arbeit (oder kommunalen ARGEs), hat es schon gegeben. Aber man kann immer alles noch toppen.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Jetzt ist auch der Fall vorgekommen, der bisher als undenkbar galt: Staatsbeschäftigte drangen in die Wohnung eines Antragsstellers während dessen Abwesenheit ein, um an Material zu kommen, den Antrag auf ALG II ablehnen zu können – und geben dies auch noch zu!

Diesmal verdanken wir die Information einer Zeitung, von der dies kaum zu erwarten war: Der Passauer Neuen Presse. Das ist jene Publikation, die wahrscheinlich deshalb so braun ist, weil sie sich in einer bestimmten Körperöffnung von (damals: F.J.Strauss, später Stoiber) heute: Beckstein befindet.

Hartz-Protest 02

Nun, jedenfalls dürfen wir den sachbezogenen Informationen dieses Blattes unbesehen glauben, wenn sie Kritisches zum (ja von ihren Säulenheiligen mitbeschlossenen) Hartz IV bringt.

Es geht um folgenden Sachverhalt (wir beschränken uns hier auf den unstrittigen Teil):

Ein deutsches Ehepaar war aus Österreich in den kleinen Ort Freyung bei Passau zugezogen und hatte bei der zuständigen Agentur ohne Arbeit in Waldkirchen bei Passau den Antrag auf ALG II abgegeben, weil sie arbeitslos waren. Die Wohnung, die sie gemietet hatten, lag in einem Ferienpark, wo die Wohnungen meist Urlaubern vermietet werden. Es gebe aber Ausnahmen und dies sei eine gewesen, sagt der zuständige Geschäftsführer der Stadt Freyung.

Hartz-Protest 01

Doch die Wohnung im Ferienpark war der Leiterin der Agentur ohne Arbeit, Bauernfeind, verdächtig. Die heißt wirklich so, wir können nichts dafür.

Die Frau Bauernfeind beauftragte also nun, ganz im Sinne von Frau Merkel und Herrn Beck, zwei ihrer Untergebenen, einen Angestellten und einen Beamten, dort vorbeizusehen und festzustellen, ob der Antragsteller wirklich dort wohne. Als die beiden dort ankamen, wurde ihnen zwar bestätigt, daß das Ehepaar dort eine Wohnung gemietet hatte, trafen es aber nicht an.

Nun drangen sie ins Innere der Wohnung ein, wohl wissend, daß die Bewohner nicht zu Hause waren, um Näheres zu eruieren (oder was sonst auch immer). Wie genau sie sich Zugang verschafft haben, ist umstritten (Schlüssel des Verwalters oder illegaler Nachschlüssel), aber für die Tatsachen auch nicht ausschlaggebend, denn das Betreten der Wohnung ohne die Anwesenheit der Mieter ist auf jeden Fall unzulässig und sogar eine Straftat.

Sozialprotest DGB

Was man dort gefunden hat: Nichts. Oder jedenfalls so wenig, daß man davon ausging, das Paar wohne dort gar nicht und hat das ALG II versagt.

Verfolgungsbehörde

Bemerkenswert, daß Frau Bauernfeind ihre Untergebenen verteidigt: Sie hätten das Recht gehabt, dort zu schnüffeln, denn sie seinen ja Verfolgungsbehörde. Wie bitte, Verfolgungsbehörde? Wir haben mehrmals nachgelesen, ob da wirklich Verfolgungsbehörde steht, aber es stimmt, Frau Bauernfeind hat dies gesagt.

Eine exemplarische Freud’sche Fehlleistung. Freud’sche Fehlleistungen pflegen ohne Absicht ausgesprochene Wahrheiten zu sein. Hier haben wir also eine tiefe Wahrheit: Das Politikerpack hat aus den Arbeitsämter Verfolgungsbehörden gemacht!

Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden!

Der Rechtsanwalt des deutschen Ehepaars gibt eine Nummer in Österreich an, wo sie jetzt zu erreichen wären. Sie sind angesichts solcher Zustände in Deutschland anscheinend wieder nach Österreich gezogen.


Dieser Artikel (hier in einer leicht vom Autor redigierten Form) erschien schon vor einiger Zeit in "rbi-aktuell". Er ist aber so aktuell wie je. Nichts an der "Verfolgungsbehörde" hat sich geändert seitdem, im Gegenteil, die Verfolgung ist sogar noch intensiviert worden.



Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

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"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

Dienstag, 30. Oktober 2007

Das neue soziale Image der SPD: 6 Euro pro Stunde

Zeitungsbericht: Sicherheitsleute auf SPD-Parteitag deutlich unter geforderten Mindestlohn bezahlt

Von Karl Weiss

Wie tiefgreifend das neue soziale Profil der SPD nach dem gerade zu Ende gegangenen Parteitag ist, enthüllte der ‚Stern’ am 28. Oktober 2007: Die Sicherheitsleute auf dem Parteitag bekamen weniger als 6 Euro in der Stunde bezahlt.

SPD Oktober 2007

War die SPD früher mal eine Arbeiterpartei, die bei Parteitagen und anderen Veranstaltungen eine „Kämpfertruppe“ von gestandenen Arbeitern aufstellte, für den Fall, es würden ein paar Faschisten versuchen zu stören, so ist sie heute zu einer Partei von Besserverdienenden geworden, die sich nicht die Hände schmutzig machen. Sie muss für ein Heidengeld eine Sicherheitsfirma engagieren, die sie vor Arbeitern schützt, die eventuell einmal ihre Wut handgreiflich auslassen wollten.

Doch genau dieses teure Sicherheits-Unternehmen zahlt seine Leuten fast nichts, fast alles wird vom Chef bzw. den Aktionären eingesteckt. Vor lauter Räsonieren hatten die SPD-Oberen vergessen, sie waren die Verantwortlichen auch für die Sicherheitsdienstleute von der Fremdfirma an diesen Tagen.

Sich allerdings die Mühe zu machen zu fragen, was die denn bekommen für ihre Arbeit und eventuell den Unterschied zu den eigenen Forderungen vom Mindestlohn zu zahlen, das wäre denn doch zu weit gegangen – wo kämen wir denn da hin?.

So kam es, wie es kommen musste, während auf dem Podium der Vizekanzler Müntefering einen Mindestlohn von „sieben-fünfzig“ verlangte, wurde er von Sicherheitsmännern bewacht, die im Auftrag von Parteichef Beck nicht einmal ganz 6 (in Worten: sechs) Euro pro Stunde erhielten.

Eine von ihnen erklärte, er arbeite auf dem Parteitag 16 Stunden am Stück und bekomme dafür weniger als 100 Euro, und davon gehen noch Anfahrtskosten, Steuern und Sozialabgaben ab.

Im Monat, so sagt er, kommt er kaum je auf netto 700 Euro. Zum Leben bleiben in manchen Monaten kaum 200 Euro.

Und nun höre man, was sein zeitweiliger „Arbeitgeber“ Beck auf eben jenem Parteitag sagte: "Der Mindestlohn ist eine Grundweichenstellung für unsere Gesellschaft. Wir wollen, dass jemand, der ... arbeitet, von dieser Arbeit auch leben kann."

Ja, da bleibt kaum ein Rest von Glaubwürdigkeit für das neue Grundsatzprogramm, das man extra für ein Heidengeld bei einer Werbeagentur in Auftrag gegeben hatte.

Scheint sich irgendwie zu einem Syndrom entwickelt zu haben bei der SPD: Fette Moneten für jene, die es sowieso dicke haben und holen bei denen, die nichts haben.


Veröffentlicht am 30. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Sonntag, 9. September 2007

19 Fälle - Die Realität von Hartz IV

Aus Anlass des dritten Geburtstages von Hartz IV

Von Karl Weiss

Im September 2004, vor drei Jahren, wurde von der damaligen "rot-grünen" Koalition Hartz IV in die endgültige Form gebracht und anschliessend von der "Opposition" aus CDU/CSU und FDP mit abgesegnet. Die Montagsdemonstrationen brachten in jenen Tagen allmontäglich um die 200.000 empörte Bundesbürger auf die Strasse. Die Massenmedien verkündeten, es handele sich um "Aufgeregtheiten" und Hartz IV werde keinerlei wesentliche Verschlechterungen bringen, für manche sogar Verbesserung. Die Montagsdemonstranten glaubten das nicht. Wer Recht behielt, kann man an dieser kleinen Übersicht über 19 Einzelfälle aus Millionen sehen.

Alltag von Hartz IV


1. Landkreis Würzburg: Hier hat man sich ein besonderes Mittel ausgesucht, wie man die Zahl der Arbeitslosen verringern kann: Man schiebt sie auf Dauer in nicht existierende Fördermaßnahmen ab. Dazu wird die katholische „Kolping”-Dienstleistung GmbH benutzt. Die Arbeitslosen werden verpflichtet, dort an „Förderungsmaßnahmen” teilzunehmen, die aber gar nicht bestehen. Einer der Arbeitslosen wird zum Unkrautjäten eingesetzt, ein anderer als Küchenhilfe. Das einzige Angebot ist ein Bewerbungskurs, der aber nach wenigen Tagen beendet ist und ein Computerkurs, in dem andauernd von vorne angefangen werden muß, weil ständig neue Teilnehmer eintreffen. Irgendein Zeugnis über diesen Kurs wird nicht ausgestellt. Diese Fördermaßnahme ist unbefristet! Die Teilnehmer bekommen nichts bezahlt, es sind also keine Ein-Euro-Jobs. Die Anwesenheit der Teilnehmer wird mit Stechkarten kontrolliert. Niemand darf vor 5 Uhr abends gehen. Der Landkreis Würzburg entledigt sich einfach seiner Arbeitslosen und bessert die Statistik auf, indem er sie bei der „Kolping” herumgammeln läßt. Es muss vermutet werden, dass die „Kolping” auch noch dafür bezahlt wird.
(Aktualisierte Neuigkeiten über die Sauereien der Kolping Würzburg auch hier unten im Kommentar von 'Spargel').

2. Wie ein Hausbesuch von Schnüfflern vor sich geht, berichtet eine Arbeitslose. Zunächst kämen sie zu zweit und erzwingen Eingang in die Wohnung, indem sie ankündigen, andernfalls würden die Leistungen gestrichen. Vorher haben sie dafür gesorgt, dass die Überweisung des Geldes von diesem Monat noch nicht erfolgt ist. Darauf wird jetzt grinsend hingewiesen. Das könnte sich noch länger hinziehen...
Die Zimmer der Mitbewohner werden trotz Protest auch inspiziert. Das Bett sei zu breit, das sei für zwei, das sei eine Bedarfsgemeinschaft, wird dann festgestellt. Dann will man in der dreckigen Wäsche wühlen. Man weist darauf hin, man könne sich den Antrag noch einmal vornehmen und etwas finden, wenn das nicht gestattet werde. Es wird nach Klamotten des anderen Geschlechts gesucht.Dann will man die Untermietgenehmigung des Vermieters sehen, obwohl die Mietquittung längst vorgelegen hat. Dann werden alle Zimmer nachgemessen und durch die Küche geschnüffelt. Das Ergebnis: Wahrscheinlich dürfte die Arbeitslose nun gar nichts mehr bekommen, denn was man da so gesehen habe....

Hartz-Protest 02

3. Kreis Marburg-Biedenkopf: Ein Arbeitsloser, der sich bereits aus dem Leistungsbezug abgemeldet hatte, bekam von seinem „Fallmanager” trotzdem eine Arbeitstelle angeboten mit der Drohung, die Bezüge zu streichen, wenn es nicht angenommen würde. Es stellte sich heraus, dass die Bewerbungsfrist bereits eine Woche abgelaufen war, bevor der Fallmanager das Angebot weiterleitete.

4. ARGE Grevenbroich, Nordrhein-Westfalen: Erfahrungen eines Arbeitslosen: Er kam zusammen mit seiner Frau zur ARGE, einen Tag, nachdem sich beide telefonisch dort arbeitslos gemeldet hatten. Es wurde ihm beschieden, dass die telefonische Meldung nicht anerkannt werde. Er wies auf den Leitfaden der Bundesagentur hin, in dem dies ausdrücklich erwähnt wird, bekam aber die Auskunft, dies sei Kokolores. Die Frau des Arbeitslosen wurde gefragt, warum sie denn nicht arbeite. Sie hatte nicht mehr gearbeitet, seit Kinder gekommen waren und diese aufgezogen. Man machte ihr sofort klar, dass sie mindestens fünf Bewerbungen pro Monat nachweisen müsste. Wenn von dem Arbeitgeber die Auskunft: „Stelle schon besetzt” käme, bedeute das, dass man sich zu spät beworben habe und man bekäme Geld gestrichen. Als nächstes wurde sofort der Umzug gefordert, ohne den kein Geld fließen könne. Die maximale Miete für vier Personen in Grevenbroich sei € 466. Der Hinweis, dass solche Wohnungen für vier Erwachsene im unmittelbaren Einzugsbereich des teuren Düsseldorf nicht zu haben seien, nützte nichts.

5. Kreis Marburg-Biedenkopf: Ein Arbeitsloser stellte Antrag auf Übernahme der Umzugskosten, der ihm aber abgelehnt wurde. Sein Widerspruch wurde über 1 Jahr nicht bearbeitet. Bis zu diesem Zeitpunkt musste der Arbeitslose mit 3.200 Euro in Vorleistung treten, was die meisten sowieso bereits zum Offenbarungseid gezwungen hätte. Der Fallmanager gab an, die Bearbeitung habe u.a. so lange gedauert, weil er nicht die richtigen Textbausteine gefunden hatte, um eine Gerichtsentscheidung in dieser Sache umzusetzen.

6. Kreis Marburg-Biedenkopf: Ein Arbeitsloser berichtet, er habe bereits so viele falsche Auskünfte und Bescheide erhalten, dass er den Eindruck hat, die „Fallmanager” würden an der Arbeit ausgebildet und nicht vorher. Er konnte über insgesamt sechs erfolgreiche Einsprüche in wenigen Monaten berichten.

7. Ortenaukreis, Baden-Württemberg: Arbeitslosen, die mit anderen Personen in der gleichen Wohnung leben (Wohngemeinschaften, Untermiete) müssen hier einen Bogen unterschreiben, in dem als „eheähnliche Gemeinschaft” definiert wird, wenn es ein äußerliches Erscheinungsbild gibt, dass eine bestehen könnte, so wenn man gegenüber Nachbarn, Vermietern oder Verwandten zusammen auftritt, oder wenn man gemeinsam in Urlaub fährt, oder wenn man ein Wochenende gemeinsam verbingt. Es wird ausdrücklich gesagt, dass die genannten Personen dazu befragt würden und dass man dazu seine Zustimmung gibt. Wer den Bogen nicht unterschreibt, wird mit der Kürzung wegen „Bedarfsgemeinschaft” belegt.

Hartz-Protest 01

8. ARGE Magdeburg, Sachsen-Anhalt: Ein Arbeitsloser gewann den Prozess gegen die Arge. Sie wurde verurteilt, ihm sein Arbeitslosengeld II (ALG II) auszuzahlen. Trotzdem zahlte die ARGE nicht. Einen Zwangsvollstreck-ungsbefehl musste das Sozialgericht einen ausstellen. Das reichte der ARGE nicht. Sie legte Beschwerde beim Landessozialgericht ein, der abgewiesen wurde. Bis zum Tag der Zwangsvollstreckung hatte die ARGE immer noch nicht gezahlt.

9. Kreis Marburg-Biedenkopf: Von einem Arbeitslosen wurde ein ausgefüllter Berufsbogen angefordert. Als Sanktion im Falle des Nicht-Einreichens wurde die Ablehnung des Antrags auf ALG II angedroht. Der Antrag war aber schon seit Monaten genehmigt. Beim Anruf sagte der Sachbearbeiter, er habe keinen geeigneteren Textbaustein gefunden.

10. Nagold, Baden-Württemberg: Die Agentur für Arbeit ignorierte einen Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe, dass einem Arbeitslosen ALG II zusteht. Der Arbeitslose war gezwungen, das Geld per Zwangsvollstreckung einzutreiben.

11. Kreis Marburg-Biedenkopf: Arbeitslose, die im ALG II-Bezug sind, bekommen bei der örtlichen Agentur für Arbeit keine „Kundennummer” und können daher nicht auf Arbeitsangebote zurückgreifen, die nur mit Chiffre-Nr. Zugang zu Name und Adresse des Arbeitgers erlauben. Versuche, diese Nummern zu bekommen, trafen auf erbitterten Widerstand der Angestellten der Arbeitsagentur. Damit werden die Chancen der Arbeitslosen noch geringer, eine Arbeit zu finden.

12. Kreis Offenbach: Der dortige Landrat Peter Walter hat eine private Detektiv-Firma beauftragt, hinter dem Privatleben der dort gemeldeten Arbeitslosen hinterherzuschnüffeln. Die Firma hatte kürzlich Anzeigen in Tageszeitungen, in denen sie private Schnüffler sucht. Das ist natürlich schon allein deshalb unzulässig, weil damit der Datenschutz ausgehebelt wird, in dem kritische Daten der Arbeitslosen an private Unternehmen weitergegeben werden. Aber CDU-Landräte stehen ja bekanntlich über dem Gesetz. Der forsche CDUler begründet seine Schnüffelorgien damit, dass angeblich viele Arbeitslosen einer Beschäftigung nachgingen. Belegen konnte er das zwar nicht, aber CDU-Landräte brauchen nie etwas zu belegen, nicht wahr?

Polizeieinsatz gegen friedliche Demonstranten

13. In einem Jobcenter im Norden... Die Antragstellerin hat keine Vermögen über der Freigrenze und hat daher das Zusatzblatt über Vermögen nicht ausgefüllt, weil sie ja schon den negativen Fall im Hauptantrag angekreuzt und unterschrieben hat. Der Sachbearbeiter besteht trotzdem darauf, dass sie das Zusatzblatt ausfüllt, ohne genügende Erklärung. Als er feststellt, dass sie über 3.000 Euro auf dem Konto hat, sagt er: „Und da stellen Sie Antrag auf ALG II?”. Auf die Antwort, das sei doch unter der Freigrenze, meint er, nun wisse er wenigstens, dass ihr Antrag nicht vorrangig bearbeitet werden müsse.

14. ARGE Düsseldorf: Eine Arbeitslose kann telefonisch keinen Termin bekommen und geht persönlich vorbei. Am Eingang wird sie abgewiesen: Ohne Termin kein Zugang. Da schickt sie ein Einschreiben mit Bitte um Termin. Das Einschreiben wird nicht angenommen.

15. Verfolgungsbetreuung in einem kleinen Ort im Siegerland: Ein Arbeitsloser hilft seinem 90jährigen Nachbarn, indem er ihm ab und zu den Rasen mäht. Daraufhin wird er zum Arbeitsamt einbestellt, ob er gewerbsmäßig Gartenpflege anbiete. Der Arbeitslose klärt das als Nachbarschaftshilfe auf und bekommt die Antwort, Nachbarschaftshilfe sei abgeschafft. Tage später tauchten zwei Zollfahnder auf, die in Sachen „Schwarzarbeit” ermittelten. Die Beamten befragten ihn und die ganze Nachbarschaft. Schließlich stellte sich heraus, dass sie auch noch bei den Gewerbebetrieben im Ort nachgefragt hatten. Seitdem wird der Arbeitslose im Ort schief angesehen. Wer will schon mit jemand zu tun haben, der im Visier der Behörden steht?

Elmar auf Stuttgarter Modemo Jan 06, Polizeifahrzeuge

16. Der „Verlag der deutschen Wirtschaft AG” hat einen Praxistip veröffentlicht, in dem er die Ein-Euro-Jobs für Privatunternehmen anpreist. Jedes Unternehmen, das einen öffentlichen Auftrag ausführe, könne bei den lokalen Ämtern Arbeitslose anfordern, die nur einen Euro bekämen, maximal 120 Euro im Monat, der Betrieb aber 200 bis 500 Euro. Man bekäme also die Arbeit gemacht und noch Geld dazu.

17. Buchholz, Landkreis Hamburg: Zusammen mit einer privaten Schule hat die dortige Agentur in einer Zeremonie 20 Arbeitslose gemeinsam eine „Zielvereinbarung” unter-schreiben lassen, die allerdings keine der Anforderungen der „Zielvereinbarung” laut Sozialgesetzbuch II erfüllt, die nämlich individuell sein müssen. Auch hier wieder das Problem, daß die „Agentur” an ein Privatunternehmen auslagert, was sie selbst machen muß und dazu wieder sensible Daten der Arbeitslosen auf den öffentlichen Markt kommen. Das Ganze hat auch noch den Projektnamen „Besserungsprogramm”. Wiederum der Verdacht, dass öffentliche Gelder in private Kassen geschoben werden.

Sozialprotest DGB

18. Die Berliner Arbeitsagentur lehnte den Antrag eines zuckerkranken Arbeitslosen ab, einen Vorschuß zu bekommen, um sein Insulin kaufen zu können. Er fiel ins Zuckerkoma!

19. Die ARGE Neumünster und die dortige Agentur bedauern in einem Schreiben, dass sie „nicht nachvollziehbare” Bescheide ausstellen müssen, aber sie seien gezwungen, die Software des ALG II zu benutzen.

Warum all diese unwürdige Behandlung, warum die bewußte Nicht-Information und Nicht-Ausbildung der Sachbearbeiter, warum all dieser Wahnsinn? Etwas näher kommen wir der Antwort auf diese Frage, wenn wir nachlesen, was der Deutsche Industrie- und Handelskammertag von der Politik fordert und diese umsetzt: „Es muss selbstverständlich und ‘zumutbar’ werden, Jobs zu Stundenlöhnen von zum Beispiel 3 oder 4 Euro anzunehmen. (...) Beschäftigung in der Privatwirtschaft muss immer Vorrang haben.”

Drei Euro stündlich, das wären für einen Vollzeitjob weniger als 700 Euro brutto. Das soll selbstverständlich werden! Darum geht es! Das ist es, was die Politiker der etablierten Parteien mit uns vorhaben!

Die zentrale Koordination der Montagsdemos hat eine zentrale Demonstration in Berlin für den 13. Oktober 2007 angekündigt. Die ist dringend nötig!

Dieser Artikel ist schon vom letzten Jahr (hier leicht redigiert und aktualisiert), aber er ist so aktuell wie je. Nichts hat sich verbessert. Was am Anfang als "Anlaufschwierigkeiten" deklariert wurde, ist in Wirklichkeit gewollte Schikane.



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"Hartz IV: Der angeleinte Mensch"

"Hartz IV: Der Fall Brigitte Vallenthin"

Sonntag, 8. April 2007

Sterben die Deutschen aus? Musste das Rentenalter erhöht werden?

Demographie - Hysterie und Realität.

Von Karl Weiss

Wie der Statistiker Prof. Bosbach von der FH Koblenz in den VDI-Nachrichten erklärte, sind die verbreiteten Theorien über ein Demographie-Desaster in Deutschland völlig unbegründet. Weder sinken die Geburtenraten über das hinaus, was schon in der Vergangenheit erreicht war, noch ist die deutsche die niedrigste auf der Welt. Irgendwelche Vorhersagen, die Deutschen würden aussterben, sind lächerlich angesichts der Zahlen. Bosbach spricht ausdrücklich von Horrorszenarien und Panikmache, um Deutsche für „Reformen" empfänglich zu machen.

Hier sind die nackten Fakten: Tatsächlich hat das statistische Bundesamt bekanntgegeben, daß in einer ersten Vorausschätzung (die genauen Zahlen werden erst im Laufe des Jahres 2007 Jahr zur Verfügung stehen) die Geburtenrate pro Frau in Deutschland 2005 bei 1,34 lag. Das ist in keinster Weise beunruhigend.

Laut einer Vorausschau des Statistischen Bundesamtes (bei der überhaupt noch keinerlei Veränderungen einbezogen sind) würde eine solche Geburtenrate zu 75 Millionen Deutschen im Jahr 2050 führen, keineswegs eine schreckliche Vorstellung - abgesehen davon, dass Vorausschauen über so lange Zeiträume mit der Annahme, alles würde so bleiben wie jetzt, extrem unwahrscheinliche Ergebnisse zeitigen.

Man muß schließlich auch berücksichtigen, daß Deutschland eines der am dichtesten bevölkerten Länder der Welt ist. In Europa sind nur die Niederlande, Belgien und England dichter besiedelt. International gibt es da noch Bangladesh und einige wenige kleine Länder mit noch höheren Dichten.

Um nur einen Eindruck zu geben: Deutschland hat 231 Einwohner je Quadratkilometer, in den USA leben 31 Einwohner auf diese Fläche, in China 135.

Wenn ein wenig mehr Platz in Deutschland wird, kann dies also nur gut sein. Auch angesichts der Wohnsituation kann dies vorteilhaft sein, denn der Sozialwohnungsbau und Bau von bezahlbaren Wohnungen ist praktisch eingestellt. Würde die Bevölkerung noch steigen, hätten wir Mieten aufzubringen, die kaum noch für jemand zu zahlen wären.

Ganz zu schweigen davon, daß ja nicht einmal jetzt Arbeitsplätze für alle zur Verfügung stehen. Man denke, wie hoch die Arbeitslosigkeit würde, wenn die Deutschen begännen sich zu vermehren wie die Karnickel.

Auch hat Deutschland mit 1,34 pro Frau (wahrscheinlich aber eher 1,4 pro Frau)keineswegs die niedrigsten Geburtenraten aller Länder, allein in Europa sind es 11 Länder, die niedrigere haben: Slowakei mit 1,17, Tschechien mit 1,18, Slowenien mit 1,22, Polen mit 1,24, Litauen mit 1,25, Spanien mit 1,26, Griechenland mit 1,27, Rußland mit 1,28, Lettland mit 1,29, Italien mit 1,29 und Ungarn mit 1,30. Auch Japan hat mit 1,33 noch eine niedrigere Rate.

Dazu kommt, daß die Rate im endgültigen Ergebnis wahrscheinlich einen höheren Wert ergibt. Die vorläufige Rate wird nämlich lediglich mit einer Umfrage ermittelt, in der nach der Zahl der Kinder im Haushalt gefragt wird. Kinder, die nicht im Haushalt leben, werden gar nicht erfaßt. Im Verlauf der beiden davor liegenden Jahre war die Geburtenrate in Deutschland sogar geringfügig angestiegen, von 1,36 im Jahre 2003 auf 1,37 im Jahre 2004.

Auch sind diese Zahlen im Gegensatz zu Behauptungen von angeblichen Experten nicht die niedrigsten seit dem 2.Weltkrieg. 1983 und 1986 lagen die Zahlen noch darunter in der damaligen Bundesreublik.

Auch der Anteil der kinderlosen Frauen in der Bundesrepublik wird üblicherweise überschätzt. So geistert im Blätterwald z.B. die Zahl von 40% der Akademikerinnen herum, die angeblich kinderlos seinen. Die wirkliche Zahl ist 21%.

Prof. Bosbach hebt hervor, daß es auch keinerlei Grund gibt anzunehmen, daß das Verhältnis von Jungen und Alten sich so verschieben würde, daß die Rentner nicht mehr versorgt werden könnten. Die Erwerbsfähigen (statistisch sind das die Menschen zwischen 20 und 60 Jahren) werden im Jahr 2050 nach der Vorausschau des statistischen Bundesamtes im Verhältnis 100 zu versorgenden Alten zu 112 Aktiven stehen. Aber auch im Jahr 1970 war das Verhältnis schon 100 zu 100.

Die momentane Zahl (letzte Statistik 2001: 100 zu 82) scheint da deutlich niedriger, aber man muß berücksichtigen, daß man ja eigentlich noch alle Arbeitslosen und „Sonstigen" mit zu den zu Versorgenden zählen müßte, so daß bereits beweisen ist, daß diese Anzahl ‚nicht Erwerbstätiger’ tatsächlich versorgt werden kann.

Vom Autor sei noch angemerkt, daß es auch etwas unlogisch ist, wenn man alle mit mehr als 60 Jahren unter ‚nicht erwerbsfähig’ einreiht, während gleichzeitig das Rentenalter auf 67 erhöht wird. Es gab also keinerlei Gründe, das Rentenalter zu erhöhen - außer dem, daß die Politiker Gelder aus den Rentenkassen zweckentfremded verwendet haben und die deshalb jetzt leer sind.

Bosbach weist allerdings darauf hin, daß der Produktivitätsanstieg natürlich unbedingt an die Beschäftigten weitergegeben werden muß, damit sich da keine Versorgungslücke auftut, d.h. also, die jährlichen Lohnerhöhungen müssen mindestens in der Höhe Inflation + Produktivitätsanstieg liegen. Wie Bosbach das wohl den Politikern, Konzernen und Großbanken beibringen will?

Auch auf einen anderen Punkt weist Prof. Bosbach noch hin: Die Geburtenraten sind keineswegs ein unentrinnbares Schicksal. Man kann durch eine aktive Umverteilung zugunsten der wenig verdienenden Familien da einen deutlichen Effekt erreichen. Er nennt als Beispiel Frankreich, ein Land mit traditionell hohen Raten, wo die Geburtenrate bis 1993 auf 1,65 gesunken waren, als man eine solche Förderung begann. Heute liegt die Rate in Frankreich bei 1,90 (letzte bekannte Zahl von 2004).

Alterspyramide-2050-Unsinn

Hier wird die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Vorausschätzung der Alterspyramide der deutschen Bevölkerung im Jahre 2050 wiedergegeben. Diese Figur ist dem Artikel "Demographie, Renten und Alter, Teil 1" entnommen, wo sie folgendermassen kommentiert wird:

"Vergleicht man ... [diese] voraussichtliche Altersverteilung des Jahres 2050 mit den ... [vorherigen] Kurven, kann man eine deutlich Verschlankung feststellen. Ganz oben, bei über 80-jährigen kann noch der Rest der Baby-Boomer der Fünfziger- und beginnenden Sechziger-Jahre erkannt werden, aber dort sind schon so viele weggestorben, daß diese Altersgruppe zu diesem Zeitpunkt in jedem Jahr schon kleiner ist als die Gruppe der in den 70er Jahren bis 90er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts geborenen (also die heutigen jungen Leute), die dann die Gruppe der 70jährigen bis 50jährigen darstellen. In dieser Gruppe, die ja dann im wesentlichen noch nicht pensioniert ist, haben wir zu diesem Zeitpunkt noch in jedem Jahrgang etwa 1 Million Menschen.

Erst wenn wir zu den unter Fünfzigjährigen in dieser Pyramide kommen, zu den Menschen, die jetzt gerade geboren werden oder noch nicht geboren sind, d.h. zu dem Teil, der [im wesentlichen] eine Zukunfts-Vorausschau darstellt, nehmen die Geburten noch einmal deutlich ab und sinken auf bis zu unter 600 000 pro Jahrgang ab.

Worauf diese Voraussage beruhen soll, bleibt unklar. Die Vorstellung, daß in Deutschland die nächsten 45 Jahre alles etwa so bleibt wie jetzt, nur die Menschen noch deutlich weniger Lust haben, Babys zu bekommen, ist ausnehmend einfallslos.

Tatsache ist, daß wir schnelle Änderungen erleben, wie es sie vorher Jahrzehnte nicht gegeben hat. Die Durchsetzung der Agenda 2010 und von Hartz IV gegen den erklärten Willen der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland und ähnlicher Programme in anderen Ländern haben schnelle Verschiebungen eingeleitet, die sich einerseits in politischen Krisen auswirken (Schröder mußte vorzeitige Neuwahlen ausrufen, die EG steckt in einer doppelten schweren Krise: Verfassung und Finanzen) und andererseits in wachsendem Bewußtsein und Kampfwillen der Arbeiterklasse und des Volkes. Die Ankündigung der Bildung einer neuen Linkspartei mit bekannten Köpfen führte zu Ergebnissen von Meinungsumfragen, die es in der ganzen Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben hat. Eine noch nicht einmal konstituierte Partei hat bereits zwischen 8 und 11 % der Wählerstimmen in den Umfragen [dies bezieht sich auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels].

Tatsache ist, daß dieser Zeitraum der nächsten 45 Jahre jener ist, in dem entweder die sozialistische Revolution stattfinden wird (was sicherlich zu einem Baby-Boom führt) oder aber der Kapitalismus in der kapitalistischen Barbarei versinkt – und das würde die Bevölkerung weit über das hinaus zusammenschrumpfen lassen, was hier vorausgesagt wird und würde ausserdem jegliche sozialen Systeme detonieren - dann bräuchte von Renten nicht einmal mehr gesprochen werden.

Nehmen wir also den Unsinn von Voraussagen weg, die so nie eintreten werden, kann absolut zu keinem Zeitpunkt von einer ‚Vergreisung’ oder etwas ähnlichem die Rede sein. Tatsächlich wird die Zeit, wenn die Baby-Boomer der Fünfziger- und Sechziger-Jahre ins Rentenalter kommen, eine Verschiebung des Altersdurchschnittes der Bevölkerung nach oben erleben, aber eben auch nicht in dramatischen Maße [und ausserdem für begrenzte Zeit, denn ab 1964 haben wir ja schon schnell fallende Geburtenraten]. Dies wird etwa ab dem Jahr 2012 beginnen (... dann wird nämlich der erste größere Jahrgang der Männer das Rentenalter erreichen, der Jahrgang 1947) und sich bis in die 40er Jahre des neuen Jahrzehnts hinziehen, wenn die aus den 50er-Jahren des letzten ja schon 90 sind."


Mehr hierüber auch in "Demographie, Renten und Alter, Teil 2"


Schließlich und endlich, so Prof. Bosbach, kann man eben nicht nur von einer Seite herangehen und mehr zu Versorgende sehen, sondern muß auch berücksichtigen, daß die Werte der Volkswirtschaft ständig ansteigen. Mit der Vorhersage der Herzog-Kommission von durchschnittlich 1,25 % Wirtschaftswachstum jährlich hätten wir im Jahre 2050 eine um 84% höhere Gesamtleistung der Volkswirtschaft, rechnet man mit den 1,8 % der Rürüp-Kommission, kommt man sogar auf eine 140% höhere - und das ist bereits inflationsbereinigt.

Es steigt also lediglich in geringem Masse die Zahl der zu Versorgenden - und sinkt anschliessend wieder - , während nach allen Vorausschätzungen der bürgerlichen Gremien die Gesamtleistung der deutschen Volkswirtschaft weit mehr steigen wird.

Kurz, die inzwischen auch vom Bundesrat verabschiedete Erhöhung des Rentenalters mit der Begründung der Demographie ist nichts anderes als die These der Massenvernichtungswaffen im Irak: Ein plumper Vorwand skrupelloser Politiker. Sie ist nichts als eine schlichte Rentensenkung - für den kleinen Mann natürlich - , die 'Schäfchen-im-Trockenen-Politiker' müssen selbstverständlich keinerlei Senkung hinnehmen.


Die ursprüngliche Version dieses Artikels erschien in der "Berliner Umschau" am 29. März 2006, hier in einer aktualisierten und erweiterten Fassung.

Samstag, 31. März 2007

Nicht genug zu essen

Hartz IV - Realität in Deutschland 2007

Von Karl Weiss

Ein langes Arbeitsleben – und dann arbeitslos. 61 Jahre alt – und nun nicht genug zu essen. Die ARGE verweigert Hartz-IV-Zahlungen. Das Gericht verurteilt sie zu zahlen, denn die Unterstellungen der ARGE waren unhaltbar. Trotzdem wird nicht gezahlt. Man habe ja vier Wochen, um Rechtsmittel einzulegen. Das ist die Situation von Josef S., heute, hier, in Deutschland.

Welche Exzesse die von Party zu Party eilende Politikerkaste mit ihrem Hartz IV provoziert hat, zeigte sich einmal mehr an diesem Fall, der vom Erwerbslosen-Forum Deutschland (Elo-Forum) veröffentlicht wurde.

Nennen wir ihn Josef S.. Ihm wurde von der ARGE Dorsten unterstellt, mit seiner Vermieterin in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Das war zwar nicht der Fall, aber was kümmert eine deutsche Behörde die Wirklichkeit.

Hartz-Protest 02

Ausserdem wurde behauptet, der Sohn von Josef S. würde bei ihm leben. Der hat zwar in Wirklichkeit einen anderen Wohnsitz, was leicht nachprüfbar gewesen wäre, aber man muss ja dem Staat Geld sparen, also behauptet man einfach einmal darauf los.

Da Josef S. nun weder Verdienstbescheinigungen seiner Vermieterin beibringen konnte noch die seines Sohnes, zahlte man ihm nichts. Den ‚Sozialschmarotzern’ werden wir es zeigen, nicht wahr, liebe ARGE Dorsten?

Josef S. wurde die Wohnung fristlos gekündigt. Er lebte von ein wenig Geld, das ihm eine mitleidige Seele geliehen hatte. Er hatte nicht mehr genug zu essen. Als er dies dem Sachbearbeiter sagte, erntete er ein Lächeln.

Vor Gericht hielt keine der Behauptungen der ARGE stand. Sie wurde verpflichtet zu zahlen. Trotzdem schickte man Josef S. aber nach Hause. Er werde einen Anruf bekommen. Auf den wartet er heute noch. Nicht genug zu essen. Wirklichkeit, heute, hier, in Deutschland.

Hartz-Protest 01

Währenddessen hetzen die Politiker, die ihre Schäfchen längst im Trockenen haben, gegen die Arbeitslosen „Anspruchsdenken, Sozialschmarotzer!“.

Wird einer von ihnen angesprochen auf so einen Fall, so erklärt er, man brauche sich nur zu rasieren und die Haare zu schneiden, dann bekäme jeder Arbeit.

Die ARGE Dorsten gibt unterdessen Josef S., dem der Magen knurrt, täglich unterschiedliche Auskünfte. Einmal ist die zuständige Sachbearbeiterin nicht im Haus, ein anderes Mal heisst es, die zuständige Stelle habe den Gerichtbeschluss noch nicht weitergegeben, dann, man habe ja vier Wochen, um Rechtsmittel einzulegen.

Mertin Behrsing vom Erwerbslosen-Forum sagt: „Das ist absolut kein Einzelfall. Es ist menschenverachtend.“

Es sei vielmehr gängige Praxis. In Bonn z.B. sei in einem Fall erst dann gezahlt worden, als der Gerichtsvollzieher auf dem Weg war, den Dienst-BMW der Oberbürgermeisterin zu pfänden. Die Behörden verhielten sich laufend bewusst rechtswidrig.

Der Obrigkeitsstaat lässt seine Stimme aus der Gruft vernehmen: „Ich bin wieder da!“

Wird demnächst wieder jemand vorgeben müssen, ein Hauptmann zu sein, um wenigsten etwas zu essen zu bekommen? Wird es wieder in Köpenick sein oder diesmal in Dorsten?


Veröffentlicht am 31. März 2007 in der "Berliner Umschau"

Originalartikel


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"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

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