Dienstag, 30. Oktober 2007

Das neue soziale Image der SPD: 6 Euro pro Stunde

Zeitungsbericht: Sicherheitsleute auf SPD-Parteitag deutlich unter geforderten Mindestlohn bezahlt

Von Karl Weiss

Wie tiefgreifend das neue soziale Profil der SPD nach dem gerade zu Ende gegangenen Parteitag ist, enthüllte der ‚Stern’ am 28. Oktober 2007: Die Sicherheitsleute auf dem Parteitag bekamen weniger als 6 Euro in der Stunde bezahlt.

SPD Oktober 2007

War die SPD früher mal eine Arbeiterpartei, die bei Parteitagen und anderen Veranstaltungen eine „Kämpfertruppe“ von gestandenen Arbeitern aufstellte, für den Fall, es würden ein paar Faschisten versuchen zu stören, so ist sie heute zu einer Partei von Besserverdienenden geworden, die sich nicht die Hände schmutzig machen. Sie muss für ein Heidengeld eine Sicherheitsfirma engagieren, die sie vor Arbeitern schützt, die eventuell einmal ihre Wut handgreiflich auslassen wollten.

Doch genau dieses teure Sicherheits-Unternehmen zahlt seine Leuten fast nichts, fast alles wird vom Chef bzw. den Aktionären eingesteckt. Vor lauter Räsonieren hatten die SPD-Oberen vergessen, sie waren die Verantwortlichen auch für die Sicherheitsdienstleute von der Fremdfirma an diesen Tagen.

Sich allerdings die Mühe zu machen zu fragen, was die denn bekommen für ihre Arbeit und eventuell den Unterschied zu den eigenen Forderungen vom Mindestlohn zu zahlen, das wäre denn doch zu weit gegangen – wo kämen wir denn da hin?.

So kam es, wie es kommen musste, während auf dem Podium der Vizekanzler Müntefering einen Mindestlohn von „sieben-fünfzig“ verlangte, wurde er von Sicherheitsmännern bewacht, die im Auftrag von Parteichef Beck nicht einmal ganz 6 (in Worten: sechs) Euro pro Stunde erhielten.

Eine von ihnen erklärte, er arbeite auf dem Parteitag 16 Stunden am Stück und bekomme dafür weniger als 100 Euro, und davon gehen noch Anfahrtskosten, Steuern und Sozialabgaben ab.

Im Monat, so sagt er, kommt er kaum je auf netto 700 Euro. Zum Leben bleiben in manchen Monaten kaum 200 Euro.

Und nun höre man, was sein zeitweiliger „Arbeitgeber“ Beck auf eben jenem Parteitag sagte: "Der Mindestlohn ist eine Grundweichenstellung für unsere Gesellschaft. Wir wollen, dass jemand, der ... arbeitet, von dieser Arbeit auch leben kann."

Ja, da bleibt kaum ein Rest von Glaubwürdigkeit für das neue Grundsatzprogramm, das man extra für ein Heidengeld bei einer Werbeagentur in Auftrag gegeben hatte.

Scheint sich irgendwie zu einem Syndrom entwickelt zu haben bei der SPD: Fette Moneten für jene, die es sowieso dicke haben und holen bei denen, die nichts haben.


Veröffentlicht am 30. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Mittwoch, 24. Oktober 2007

Die Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht

In eigener Sache

Von Karl Weiss

Die beiden Dossiers Sexualstrafrecht, Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1 und Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2, die am 8. August und am 4. September 2007, in “Nachrichten – heute” erstveröffentlicht und dann auch angereichert mit Beispiel-Fotos in dieses Blog gestellt wurden ( hier und hier ), sind inzwischen zu den bei weitem meistgelesenen Artikeln geworden, speziell der Teil 1, der im Original inzwischen über 33 000 Mal angeklickt wurde.

Er ist damit auch auf der Seite „Nachrichten – heute“ der meistgelesene Artikel geworden.

Aber auch der zweite Teil ist viel gelesen, in beiden Veröffentlichungen zusammen inzwischen an die 12 000 Mal angeklickt. Im Blog karlweiss sind beide Artikel zusammen etwa 13 000 Mal gelesen worden (die Aktualisierung der "Top 6 Dossiers" folgt noch).

[Aktualisierung vom 25.1.2008: Inzwischen gibt es auch bereits den dritten Teil des Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht. Der erste Teil des Dossiers ist in der Originalversion nun bereits fast 50 000 Mal angeklickt worden. Hier im Blog hat der zweite Teil über 25 000 Leser gefunden, der erste Teil beinahe 15 000. Auch dieser Artikel "In eigener Sache" ist bereits über 9000 Mal angeklickt worden.]

Inzwischen hat sich auch herausgestellt: Die Idee, diese Artikel im Blog mit Bildern aus dem „Nudisten-Album“ anzureichern, hat die Problematik noch deutlicher werden lassen. Auch im deutschsprachigen Raum, nicht nur in den USA, gibt es Leute, die verfechten, ihre Moralvorstellungen müssten mit den Mitteln des Strafrechts durchgesetzt werden.

Eine grosse Anzahl von Foren im Internet hat diese Probleme diskutiert. Hier ein typischer Ausschnitt aus einer der Diskussionen, in diesem Fall des Forums ubuntuusers:

Chrissss:

„(...) sich jemand aufregt, dass er seine netten Familienfotos aus Nudistencamps nun nicht mehr seinen Freunden zeigen darf. Sorry, die Beispiele dort sind pornografischer Natur und ich bin froh, dass man solch (ich zensiere mich freiwillig) hinter Schloss und Gitter sperren kann. Nacktbilder von Kindern zu verbreiten, und seien sie noch so "harmlos", ist und bleibt pervers und nun gibts auch die Mittel die Produzenten solcher Bilder zu belangen.“

queue:

„Ich habe mir die Bilder auf der verlinkten Seite angesehen, und irgendwie finde ich überhaupt nichts Verruchtes oder Unnatürliches daran.
Wenn sich jemand an solchen Bildern aufgeilen kann, dann ist es eher ein Armutszeugnis für die Gesellschaft, in der diese Bilder irgendwie verboten wirken. Und wer das erregend findet, der kann auch MTV gucken, wo sich minderjährige Mädchen in Musikvideos räkeln und im Bikini über Laufstege wackeln.“

Ein anderer Diskutant in diesem Forum argumentiert mit der einschlägigen „Bravo“-Seite:

Dort wird alles – und zwar aufgeteilt nach Altersklassen 12 bis 13, 14 bis 15 und 16 bis17 – an männlichen und weiblichen Modellen bis ins Detail der Sexualorgane gezeigt. Man hat sich sogar die Mühe gemacht, Galerien über das unterschiedliche individuelle Aussehen der Sexualorgane in diesem Altersbereich anzulegen und zu zeigen.

Bravo- Junge und Mädchen

Hier nur eine kleine Auswahl von weiteren Fotos, die es bei „Bravo - Dr.Sommer“ zu sehen gibt.

Bravo - Stellung

Da gibt es die Fotos von Stellungen,

Bravo - Stellung 1

Bravo - Stellung 2

Bravo - Stellung 3

Bravo - Stellung4

Bravo Stellung 5

Bravo - Stellung 6

Bravo - Stellung7

Bravo - Stellung 8

Bravo - Stellungen

Fotos und Zeichnungen zu „Aufklärung“ und "Petting"

Bravo - Aufklärung

Bravo - Aufklärung 1

Bravo- Aufklärung2

Bravo Aufklärung 3

Bravo- Aufklärung 5

Bravo Aufklärung 10

Bravo Aufklärung 12

und von Selbstbefriedigung,

Bravo - Selbstbefriedigung

Bravo - Selbstbefriedigung 1

Bravo - Selbstbefriedigung 2

Bravo - Selbstbefriedigung 3

Fotos zu Sex,

Bravo - Sex

zum ‚ersten Mal’ und

Bravo - Erstes Mal

zur Brust.

Bravo Brust

All dies bezogen auf Altersbereiche, die unter 18 liegen (unabhängig davon, ob eines der Modelle eventuell schon über 18 war). Dies alles, wohlgemerkt, im offenen Internet. Man braucht sich nicht einmal mit E-Mail-Adresse anzumelden, um all dies zu sehen.

Nur der Vollständigkeit halber: Hier ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt gezeigt von dem, was dort zu sehen ist.

Das ist das Niveau von Offenheit und Freiheit, mit dem Nacktheit in Deutschland behandelt wird, auch und speziell im Altersbereich von 12 bis 17 Jahre, und darüber hinaus auch Sex, Selbstbefriedigung, Stellungen beim Sex usw. All das wird nicht nur besprochen, sondern auch abgebildet. Niemand nimmt daran Anstoss, denn ein nackter menschlicher Körper und Sex sind kein Tabu mehr, im Gegenteil, man ist heute der Meinung, ältere Kinder und Jugendliche sollten über all dies Bescheid wissen – und dazu gehören natürlich auch Abbildungen.

Es ist offensichtlich, dies lässt sich mit den Absichten der Schöpfer jener neuen Gesetzesnormen nicht vereinbaren.

Tatsächlich würde dieses Aufklärungsmaterial nach dem neuen Gesetz aus „Dr. Sommer“ und der Bravo-Site eine hochkriminelle Organisation von Kinderporno im Internet machen, noch dazu mit kommerziellen Absichten (nämlich die Zeitschrift zu verkaufen). Das könnte interessant werden.

Ein anderes Beispiel sind die Fotos, die man in ‚wikipedia’ offen ansehen kann, wenn man zum Beispiel unter Penis nachsieht:

Hier kann man einen Penis in Normalzustand und eregiert sehen,

Wikipedia: Penis, normal und eregiert

ebenso wie auch einen beschnitten Penis mit halber Erektion.

Wikipedia - Beschnittener Penis

Geht man mit dem gleichen Begriff in Wikipedia Commons

kann man darüber hinaus auch noch ein Video von einem ejakulierenden Mann sehen und eine ganze Fotostrecke mit Penissen, einschliesslich einem mit Masstab,

Wikipedia Commons - Penis mit Skala
Ob das Zoll (inches) sind? Dann wäre das allerdings ein Prachtexemplar.

mit einem masturbierten Penis,

Wikipedia Commons Masturbation

noch zwei eregierte Penisse

Wikipedia - Eregierter Penis
ein kleinerer

Wikipedia - Eregierter Penis 1
und ein normaler

und schliesslich auch einen besonderer Länge.

Wikipedia Commons - Erektion
und Hässlichkeit

Wiederum ist hier nur ein Teil dessen gezeigt, was man dort sehen kann. Nun mag einer sagen, das ist ja nun speziell im Zusammenhang mit Aufklärung über den Körper und über Sexualität. Natürlich, aber auch die beiden betreffenden Artikel sind eben in aufklärerischen Zusammenhang. Die Fotos von Nackten stehen darin, um das im Text gesagte deutlicher zu machen.

Die Wiedergabe der Fotos hier ist ebenfalls zu aufklärerischem Zweck. Es geht darum zu dokumentieren, was heute jedem (und auch jedem Kind) am Computer mit Internetanschluss zugänglich ist, ohne Aufsehen zu erregen. Die hier gezeigten Fotos sind daher nichts „Abartiges“ oder „Perverses“.

Am Beispiel der Meinung von Chrissss zeigt sich, es gibt nicht nur in Kreisen extremistischer Christen in den USA, sondern auch bei uns Fanatiker, die es für absolut richtig halten, jegliche Nacktheit (speziell bei Kindern, aber auch Jugendlichen) zu verbieten. Zwar wird nur von Fotos gesprochen, aber es ist schon klar, man kann nicht Fotoapparate generell von jedem Strand oder Camp entfernen – schon gar nicht in Zeiten, in denen praktisch jedes Handy schon eine Foto-Funktion hat.

Damit ist die gesamte Nudisten-Bewegung nach Meinung von Chrissss reif für das Gefängnis, ebenso wie alle Eltern, die ihre Kleinkinder am Strand ohne Bekleidung spielen lassen und dann auch Fotos machen. Zumindest, so sagt Chrissss, müssten diese Eltern dann jene „pornografischen“ Fotos unter strengsten Verschluss halten. Nacktbilder von Kindern, die fast jeder deutsche Vater oder deutsche Mutter schon gemacht und herumgezeigt hat, meint Chrisssss, seien „pervers“ und erklärt uns, - jedenfalls fast alle Deutschen, die Kinder haben – generell für ein Volk von Perversen.

Vor solch hysterisch extremistischen Fanatikern graust es einem wirklich, speziell wenn man annehmen muss, die deutsche Regierungspartei CDU/CSU glaubt mit ähnlich fundierten Begründungen deutsche Gesetze verändern zu müssen.

Damit ist auch die Ansicht einiger Diskutanten widerlegt, es handele sich gar nicht darum, jegliche Nacktfotos und jegliche angezogenen Fotos mit „aufreizender“ Wirkung (auf Personen, die nicht genannt sind) von Personen unter 18 mit schweren Gefängnisstrafen zu belegen – einschliesslich aller Personen, die (wiederum nach Ansicht ungenannter Personen) aussehen wie unter 18. Es wird deutlich, es geht wirklich genau darum – denn all dies ist ja „pervers“ – und „Perverse“ müssen schliesslich weggesperrt werden.

Es zeigt sich also, die Warnungen in jenen Artikeln waren keineswegs „übertrieben“ oder „an den Haaren herbeigezogen“, sondern sind real – die Absurditäten können aber noch verhindert werden, denn das Gesetz ist ja noch nicht verabschiedet – ganz zu schweigen von weiteren Verschärfungen, die sicherlich anstehen, wenn dieses Gesetz ohne Widerstand durchgewinkt würde.

Zusatz zum Artikel (November 2008)

Mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 4. November 2008 ( hier: http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl108s2149.pdf ) sind die wesentlichen Neuerungen dieses absurden Gesetzes nun Wirklichkeit in Deutschland geworden. Wie jeder weiss, hat keine Zeitung, kein Fernsehen, über die Verabschiedung berichtet. Man kann ohne Übertreibung sagen, es wurde heimlich durchgezogen. Dies vor allem, weil den einschlägigen Politikern natürlich klar war, was sie da beschlossen.

Das entscheidende ist, man hat nun Instrumente in der Hand, fast jeden beliebigen Menschen in Deutschland unter schwerste Anklagen zu stellen, die ihn der abscheulichsten Verbrechen anklagen, die man sich vorstellen kann („Kinderporno-Verbreitung“). Da die Regelung der „wirklichkeitsnahen Beschreibungen“, des neuen Kinderporno-Alters bis achtzehn und der Einbeziehung von Personen, die aussehen, als ob sie jünger wären, beschlossen wurden, ist nun fast jeder Porno auch gleich Kinderporno.

Man kann erwarten, dies wird keineswegs breit angewandt werden. Dazu haben die Staatsanwaltschaften auch keine Zeit noch Personal. Es geht darum, Material gegen Dissidenten zu haben. Kann man einen politischen Dissidenten mit einer Anklage wegen Kinderporno überziehen, ist er völlig unglaubwürdig geworden.



Zusatz zum Artikel

anlässlich der Verabschiedung des neuen Sexualstrafrechts im Bundestag:

Um einen ungefähren Eindruck zu geben, wie es um den Sex von Jugendlichen in Deutschland bestellt ist, hier einige Zahlen aus der letzten Sex-Studie des Stern:

„Im Alter von 14 Jahren hätten nach den neuesten Zahlen zwölf Prozent der Mädchen und zehn Prozent der Jungen bereits einen Geschlechtsverkehr erlebt. Im Alter von 15 Jahren seien es 23 Prozent der Mädchen und 20 Prozent der Jungen, mit 16 Jahren 47 Prozent beziehungsweise 35 Prozent. Bei den 17-Jährigen berichteten 73 Prozent der Mädchen, schon Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Bei den Jungen seien es in diesem Alter (...) 66 Prozent.“

Es ist also (73/66%) nicht irgendeine Minderheit, die vor dem Erwachsen-Sein bereits Geschlechtsverkehr hat. Und man darf im Zeitalter des Fotohandy davon ausgehen, dass in nicht unwesentlichen Teilen dieser Fälle Fotos und Videos aufgenommen werden. Diese sind nach neuer Gesetzgebung in Deutschland „Kinderpornos“, jedenfalls dann, wenn sie nicht unter völligen Verschluss und bei den beiden bleiben. Bereits das Verschicken per E-Mail-Anlage verwirkt eine Gefängnisstrafe! Umso mehr, wenn Mädchen ihr „Eroberung“ den Freundinnen zeigen oder Jungs ihren Freunden. Die Absurdität dieser Gesetzgebung ist nicht mehr zu überbieten.


Weitere Aktualisierung
Die oben angebenen Zahlen von Klicks auf die Artikel zur Verschärfung des Sexualstrafrechts in diesem Blog sind schon lange nicht mehr aktuell. Das Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1 alleine ist nun bereits 112 000 Mal angeklickt worden, das Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2 sogar schon 133 000 Mal. Alle drei Dossiers zusammen haben bereits die Zahl von 300 000 Klicks erreicht. Der hier vorliegende Artikel geht im Moment gerade auf die 75 000 Klicks zu.


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zu hysterischen Kinderporno-Verfolgungen, christlich-extremistischen Absurditäten und Sexualstrafrechts-Verschärfungen:

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger

- ...promt ging die Sache in die Hose –Rasterfahndung hätte um ein Haar eine Firma gekostet

- Schon in den USA, bald auch bei uns – Gefängnis für Sex unter 18

- Die Zukunft der USA unter den extremistischen Christen

- Sex?? Gefängnis!!

- Operation Ore, Teil 1: Der grösste Polizei-, Justiz- und Medien-Skandal des neuen Jahrtausends

- Operation Ore, Teil 2: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigten, die Rolle der Polizei

- Operation Ore, Teil 3: Die Rolle der Politik und der Medien

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2

- Sex unter 18? – 10 Jahre Gefängnis!

- Schärferes Sexualstrafrecht soll Donnerstag durch den Bundestag

- Hurra! Sie haben es gestoppt

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für „Sex Offenders“

Dienstag, 23. Oktober 2007

Wieder ein Angegriffener durch Elektroschocker getötet

Tödliche Waffe "Taser"

Von Karl Weiss

Nach Angaben der kanadischen Polizei war am vergangenen Wochenende das 16. Todesopfer in Kanada durch den Einsatz des Elektroschockers „Taser“ zu beklagen.

Elektroschocker "Taser"

Ein Reisender aus Osteuropa hatte im Flughafen von Vancouver (Westküste) offenbar einen schweren Angstanfall, hämmerte mit den Fäusten gegen Scheiben des Flughafens und warf einen Gepäckwagen um. Obwohl er für Niemanden eine Gefahr war und es nicht die geringsten Anzeichen gab, dass er nicht leicht von zwei Polizisten hätte überwältigt und ruhig gestellt werden können, wurde er stattdessen mit der Elektroschocker-Waffe „Taser“ angegriffen, die nur angewandt werden soll, wenn „normale Mittel“ keinen Erfolg versprechen oder wenn der Sicherheitsbeamte sich in Lebensgefahr befindet.

Nach zwei Elektroschocks wurde er ohnmächtig und verstarb kurze Zeit später.

Die kanadische Polizei gab an, dies sei das 16. Todesopfer dieser „nichttödlichen“ Waffe im Land. In Kanada wird sie erst seit letztem Jahr eingesetzt.

In ganz Nordamerika ist dies nach Angaben eines Rechtsanwalts aus Vancouver seit 2003 in etwa das 300. tödliche Opfer. In den bisher bekannt gewordenen Fällen war praktisch nie eine akute Gefahr für den Polizisten oder Sicherheitsbeamten gegeben.

Das war eigentlich als Grund angegeben worden, warum man sie mit „Taser“ ausgerüstet hatte. So könnten sie sich in lebensgefährlichen Situationen zur Wehr setzen, ohne den Angreifer töten zu müssen. Tatsache ist, alle bisher bekannten Einsätze der Elektroschock-Waffe waren in Situationen, in denen keinerlei Lebensgefahr für die Polizisten oder Sicherheits-Männer bestand.

Auf dieser Basis forderte der Rechtsanwalt aus Vancouver das Verbot dieser Waffen.


Veröffentlicht am 22. Oktober 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel

Montag, 22. Oktober 2007

Ist São Paulo schon Meister?

Nach Sonntags-Sieg bereits 13 Punkte Vorsprung

Von Karl Weiss

Der São Paulo F.C. hatte vor diesem Spieltag 11 Punkte Vorsprung auf den zweiten, Cruzeiro Belo Horizonte. Nun kam es an diesem Sonntag, dem 21. Oktober, zum ‚Showdown’ der hauptsächlichen Titelkandidaten. Cruzeiro musste in São Paulo im Morumbi-Stadion antreten. Am Ende stand es 1:0 für São Paulo.

Damit hat der Club nun 13 Punkte Vorsprung vor dem neuen Zweiten, Palmeiras.
Das dürfte bei sechs noch ausstehenden Spieltagen nach menschlichem Ermessen ausreichen, auch wenn São Paulo kürzlich zwei Spiele hintereinander verloren hat. Cruzeiro hat ihm nämlich den Gefallen getan, auch 2 Spiele zu verlieren und eins Unentschieden zu beenden, so dass der Vorsprung von São Paulo sich sogar vergrößerte.

Am vorherigen Spieltag hatten sich die zwei Verfolger des Spitzenduos, Palmeiras São Paulo und F.C. Santos mit einem Unentschieden gegenseitig die Punkte abgenommen, so dass Cruzeiro weiterhin der Hauptverfolger von São Paulo blieb – sofern man bei damals 11 Punkten Abstand von Verfolger sprechen kann. Von hinten hatte sich vorher schon Santos herangeschlichen unter seinem international bekannten Trainer Luxemburgo und stand dann nur noch 1 Punkt hinter Cruzeiro. Nun hat aber an diesem Spieltag Palmeiras gewonnen und Santos sowie Cruzeiro haben verloren. Damit bleibt Palmeiras als einzig ernst zu nehmender Verfolger übrig.

Wiederum, wie schon in den letzten beiden Jahren, muss bei einem Artikel über die 1.Liga des Fußballs in Brasilien vor allem die extreme Ausgeglichenheit der Mannschaften hervorgehoben werden. Es ragen zwar an der Tabellenspitze immer wieder Clubs heraus und auch am Ende der Tabelle setzen sich ein oder zwei früh nach unten ab. So steht América Natal z.B. mit nur 16 Punkten jetzt 15 Punkte hinter dem Vorletzten, aber das Mittelfeld ist so kompakt, dass mit jedem Sieg und jeder Niederlage ein Fahrstuhl durch die Tabelle läuft.

Im aktuellen Moment ist der Unterschied vom 6., das ist im Moment Flamengo Rio de Janeiro, und dem 15., Sport Recife, das ist nur zwei Plätze vor dem 1.Abstiegsplatz, gerade mal 6 Punkte. Es könnte also passieren, dass Sport nach zwei Siegen in der nächsten Woche auf dem 6. Platz stände, der eine sichere Bank auf die Teilnehme der Copa Sulamerica darstellt, die im nächsten Jahr wieder in der 2. Jahreshälfte ausgetragen wird, während Flamengo nach zwei Niederlagen auf Platz 15 abgerutscht sein könnte.

Extrem abstiegsbedroht ist nun Corinthians São Paulo, vor zwei Jahren noch Meister, Nummer 2 in der Zahl der Fans in Brasilien, der in der 20-Millionen-Stadt mehr als das dreifache an Anhängern hat als Tabellenführer São Paulo. An diesem Wochenende gab es eine schmerzliche Niederlage in der letzten Minute durch einen Elfmeter gegen Nautico Recife, einen der wichtigsten Mitkandidaten auf den Abstieg. Das sind 6-Punkte-Spiele. Nun hat Corinthians drei Punkte Abstand zum rettenden 16. Platz. Dort vor ihm steht auch noch ein Traditionsclub, Goiás, dem ein guter Endspurt zuzutrauen ist. Die nächsten Vereine sind bereits 5 Punkte in der Tabelle entfernt.

Das Schicksal besiegelt mit dem Abstieg scheint auch schon mit Niederlagen an diesem Wochende für Juventude Caxias do Sul und Paraná Clube Curitiba. Schwerlich können sie sich noch aus dieser Situation befreien.

Herauszuheben ist: Flamengo Rio de Janeiro, der in Brasilien bei weitem anhängerstärkste Verein, der Club Zicos, hat sich mit einem bravourösen Zwischenspurt vom letzten Platz auf Platz 6 gehievt. Allerdings war jener letzte Platz vor allem durch eine Anzahl von Spielausfälle bedingt, die inzwischen wieder aufgeholt wurden – und die alle Heimspiele waren. Auch diesmal gab es wieder einen Sieg, diesmal mit 2:0 über Gremio Porto Alegre, das nun auf den 5.Platz zurückgefallen ist.

Damit ist Flamengo an Fluminense vorbei gezogen. Fluminense war vor zwei Wochen noch als einziger Verein aus Rio de Janeiro im Vorderfeld angesiedelt, nachdem man Flamengo 2:0 besiegen konnte. Doch nun hat Flamengo bereits überholt und Botafogo, lange Zeit Tabellenführer, doch dann in ein tiefes Loch gefallen, hat wieder aufgeschlossen und belegt den 9.Platz. Dagegen hat Vasco Rio de Janeiro, mit viel Elan gestartet, in letzter Zeit neben einigen Siegen auch herbe Rückschläge einstecken müssen, so wie an diesem Wochenende wieder mit einem 0:1 bei Atletico Belo Horizonte, was diesen Verein zunächst einmal aus der Nähe der Abstiegszone herausgeholt hat. Vasco steht jetzt auf Platz 12 (punktgleich mit Atletico Mineiro), der nicht einmal zur Teilnahme an der Copa Sulamerica nächstes Jahr berechtigt, wo Vasco aktuell noch vertreten ist.

Der Verfasser dieser Zeilen kann beim Schreiben hier im Hintergrund die Freudenrufe „Galo!“ hören von Fans, die sichtlich erleichtert sind. Galo ist der Hahn, das Symboltier von Atletico Mineiro.

In der zweiten Jahreshälfte wird in Südamerika nun schon seit längerem die Copa Sul(d)america ausgetragen, das ist so in etwa der südamerikanische UEFA-Cup. Zusätzlich zu jenen in der Tabelle, die es nicht in die „Libertadores“ geschafft haben, darf auch der jeweilige Meister dort wieder mitspielen. Wie auch bei der Libertadores, werden die besten mexikanischen Vereine ebenfalls eingeladen, so dass auch hier, wie bei der Libertadores, eine südamerikanische Meisterschaft plus Mexiko gespielt wird.

In diesem Jahr hatte man zur Südamerika-Meisterschaft auch den Meister der US-amerikanischen Liga, DC United, eingeladen.

Es waren nach der Vorrunde 4 brasilianische Vereine übrig geblieben, 4 argentinische, 3 mexikanische und jeweils ein Vertreter aus den USA, aus Equador, aus Chile, aus Kolumbien und aus Uruguay.

Weiter kamen im Achtelfinale der mexikanische Meister America aus der Hauptstadt Mexiko Stadt gegen eine andere mexikanische Mannschaft, die Millionarios aus Kolumbien gegen Colo Colo Santiago de Chile im Elfmeterschiessen, Chivas aus Mexiko gegen die US-Mannschaft DC United durch ein Auswärtstor und Defensor aus Uruguay gegen die equatorianische Mannschaft El Nacional.

Die anderen vier Achtelfinalspiele waren Begegnungen zwischen Brasilien und Argentinien. Das Duell der Giganten ging unentschieden 2:2 aus. River Plate Buenos Aires gewann zu Hause 4:2 gegen Botafogo Rio de Janeiro. Da reichte der vorhergegangene 1:0-Heimsieg für Botafogo nicht aus, um das wettzumachen. Der eher wenig bekannte argentinische Club Arsenal warf Goiás Goiánia aus dem Wettbewerb. Zwar gelang Goiás ein Unentschieden im Rückspiel in der argentinischen Stadt Sarandí, aber die Argentinier hatten im Hinspiel 3:2 in Brasilien auswärts gewonnen.

Die anderen beiden Spiele gingen zugunsten der brasilianischen Vereine aus. Vasco Rio de Janeiro gelang es, die 0 : 2-Niederlage in Argentinien gegen Lanus mit einem 3:0 zu Hause zu übertrumpfen. Die bei weitem am intensivsten erwarteten Spiele waren aber die beiden Begegnungen zwischen dem besten Club Südamerikas, den Sieger der Libertadores Boca Juniors Buenos Aires und dem brasilianischen Meister und Spitzenreiter der Tabelle, São Paulo F.C.. São Paulo hatte Anfang des Jahres eine Schwächeperiode gehabt und so war es nicht zu dem eigentlich erwarteten Spiel zwischen beiden im Endspiel der Libertadores gekommen.

Nun musste also das Achtelfinalspiel der Copa Sulamerica als Ersatz herhalten. Boca Juniors gelang es im Hinspiel zu Hause bis auf 2:0 davonzuziehen. Man musste aber gegen Spielende noch das 2:1 durch São Paulo hinnehmen, was die Hoffnungen des Clubes aus der gleichnamigen grössten Stadt der südlichen Hemisphere am Leben liess. Und tatsächlich, es gelang am 29. September ein 1:0 gegen die Boca Juniors zu Hause, was durch das erzielte Auswärtstor São Paulo zum Sieger des Duells machte.

Auch in der Copa Sulamerica muss die Ausgeglichenheit der Mannschaften hervorgehoben werden. Im Achtelfinale gab es neben einem Elfmeterschiessen und zwei Entscheidungen durch das Auswärtstor ausschliesslich Entscheidungen durch ein Tor Unterschied in der Summe beider Spiele.

Im Moment finden nun also die Viertelfinalspiele statt. Drei der Hinspiele wurden am 10. Oktober ausgetragen. America gewann in der mexikanischen Hauptstadt mit 2:0 gegen Vasco Rio de Janeiro, was die Chancen des brasilianischen Vereins aus der „wunderbaren Stadt“ wohl auf annähernd Null brachte.

São Paulo verlor überraschend zu Hause gegen die Millionarios aus Bogota, hat aber noch die Chance, mit einer Energieleistung auswärts weiterzukommen. Die argentinische Mannschaft von Arsenal musste sich zu Hause mit einem 0:0 gegen Chivas aus Mexiko zufriedengeben, das dürfte auch für die Mannschaft aus Sarandí schwierig werden. Das vierte Hinspiel von Defensor Montevideo gegen River Plate Buenos Aires wurde auf den 25. Oktober verlegt, wenn die anderen bereits die Rückspiele bestreiten. Eine weitere Entscheidung zugunsten eines urugaianischen Vereins, wie sie in Südamerika nur noch mit einem Achselzucken kommentiert werden.

Es besteht eine gute Chance, dass zwei mexikanische Vereine in den Halbfinalspielen stehen werden. Wenn, dann kommen sie gegeneinander, was bereits einen mexikanischen Vertreter im Endspiel garantieren würde, wahrscheinlich Meister America.

Sollte São Paulo doch noch weiterkommen, kann man ihm einen Erfolg im Halbfinale zutrauen und es käme zum nächsten Giganten-Duell zwischen America und São Paulo im Endspiel. Da São Paulo gleichzeitig auch die Meisterschaft nach Hause schaukeln muss, wäre America Favorit.


Veröffentlicht am 22. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Freitag, 19. Oktober 2007

CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft!

In Richtung auf die autoritäre Diktatur und den Überwachungsstaat

Von Karl Weiss

Angesichts des Trommelfeuers von Forderungen des Innenministers Schäuble nach Überwachungsmassnahmen und nach dem Abbau bürgerlicher Rechte sowie der Unterstützung, die er durch die Kanzlerin selbst erfährt, fragen sich in Deutschland immer mehr, ob die Haupt-Regierungspartei CDU/CSU eigentlich fest an die Demokratie gebunden ist. Da lässt ein kürzlich entdecktes Zitat aus einer älteren Rede von Frau Merkel, in der sie sagt, wir hätten keinen Anspruch auf Demokratie, alle Alarmglocken schrillen.

Zum 60. Geburtstag der CDU im Juni 2005 hat die Vorsitzende Frau Merkel, damals noch nicht Bundeskanzlerin, eine Rede gehalten, die unserer Aufmerksamkeit wert ist. Damals hat niemand besonders Acht gegeben, was da auf einem Festakt gesagt wurde. Hätte man aber sollen. Frau Merkel sagt nämlich da, wir haben keinen Anspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft, sie legt deutlich dar, die Christdemokratie will einen grundlegenden Umschwung in der Politik, nicht einfach gewisse Verschlimmbesserungen, es geht in die autoritäre Diktatur und in den Überwachungsstaat. Selbst die Koalitionspartner von der SPD dürften stutzen, wenn sie lesen, was da wirklich gesagt wurde.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Vielen Dank dem Leser dieses Blogs 'wolfh', der auf die Rede aufmerksam gemacht hat.

Der Tenor der Rede ist:
  • Alles müsse nun grundlegend anders gemacht werden. Grundlegendes Abwenden vom Bisherigen. Insgesamt sieben Mal in der Rede wird wiederholt, das Bisherige taugt nicht mehr, auf keinem Fall mehr „weiter so“, bzw. es müsse nun bahnbrechend Neues getan werden. Die CDU sei nichts mehr von dem, was sie einmal war.
  • Ausdrücklich wird gesagt: Kein Anspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft
  • Der Nationalismus wird gepredigt. An insgesamt vier Stellen der Rede wird sich ausdrücklich auf die Nation bezogen.
  • Das deutsche Volk muss sich als Schicksalsgemeinschaft begreifen, wird zweimal gesagt. Das riecht meilenweit nach dem faschistoiden „Volksgemeinschaftsgedanken“.
  • Es wird einerseits gesagt, man brauche einen festen Kompass, andererseits, man stände über allen Ideologien, man sei weder rechts noch links. Auch eine Aussage, wie sie schon von Faschisten gemacht wurde.
  • Der Staat wird von jeder Verantwortung entbunden. Er sei vielmehr überfordert. Die Verantwortung müsse in den Schulen, Familien, Vereinen, Nachbarschaften und Freundeskreisen übernommen werden. Ausdrücklich wird aufgefordert, den jungen Leuten hinterherzuschnüffeln.
  • Nun müsse realistische Politik gemacht werden und in der Realität gebe es nichts politisch Korrektes. Man hört Rechtsaussen wie Henrik Broder sprechen.
  • Alle Besitzstände (wie Rentenansprüche, Gesundheitsversorgung und solche auf Arbeitslosenunterstützung) müssen (fast) vollständig abgeschafft werden. Wer so etwas will, soll bei Privatfirmen einzahlen.
  • Die Politik muss einheitlich sein, „wie aus einem Guss“. Ebenfalls ein beliebtes Thema bei Faschisten.
  • Alle kollektiven Lösungen sind abzulehnen, wie etwa die Verantwortung des Staates für das Ganze. Dagegen müsse auf den Einzelnen gesetzt werden, die Familie, den Betrieb (die sagenhafte „Betriebsgemeinschaft“), den Verein und die Gemeinde.
Ob wirklich allen CDU/CSU-Wählern bewusst ist, sie geben ihre Stimme einer Partei, die alles anders machen will als vorher? Das ist ziemlich genau das Gegenteil von konservativer Haltung. Damit dürfte der Wertkonservativismus, wie ihn Kohl noch repräsentierte, in der CDU/CSU endgültig zu "ferner liefen" geworden sein.

Hier im Einzelnen die entsprechenden Zitate aus der Rede von Frau Merkel:

Zunächst das Wichtigste, das den Ton angibt:

„Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit.“

Dann die einzelnen Punkte auf dem Weg zu einer Gesellschaft ohne Demokratie und soziale Marktwirtschaft:

„Wir sind nicht einer Ideologie verpflichtet.(...) Unsere Motivation heißt Deutschland. (...) [Die CDU ist] die Partei des Neubeginns in Deutschland. Die CDU war und ist nie eine Partei, die Angst hat. Wir haben keine Angst vor wegweisenden Entscheidungen. Vor bahnbrechenden Entwicklungen.“

„...steht unser Land wieder an einer entscheidenden Weggabelung. (...) ... brauchen wir eine veränderte gesellschaftspolitische Architektur, um die materiellen, die sozialen und die moralischen Werte unseres Landes zukunftsfähig zu machen. Ein „Weiter so“ geht nicht mehr.“

„Mut zur Auseinandersetzung, um eigene Überzeugungen auch gegen Widerstände zu behaupten und durchzusetzen. (...) Politik, die ... das Bekenntnis zu einem Kompass wagt. Ein Kompass, der die Wertegebundenheit unserer Politik verbürgt.“

„Unser Staat ist überfordert. Wir müssen ihn wieder befähigen, seinen Aufgaben ... nachkommen zu können. ... befreit ...vom Glauben an die Überlegenheit kollektiver Lösungen, (...) Wir setzen auf den Einzelnen, auf seine Familie, seine Gemeinde, seinen Verein, seinen Betrieb.“

„Ich weiß, heute werden unsere Reformkonzepte von nicht wenigen als zu weitreichend empfunden und kontrovers diskutiert. Aber ich bin überzeugt: Morgen werden sie die Grundlage für ein neues gemeinsames Verständnis sein. (...) Die CDU [passt] nicht in das gewohnte Schema. Sie [ist] weder rechts noch links.“

„...wir uns nicht mit zunehmenden Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft abfinden dürfen. Verdrängung hilft nicht. Auch Illusionen helfen nicht. Die Wirklichkeit ist nicht politisch korrekt. (...) Eine Million Kinder in Deutschland leben heute von der Sozialhilfe. Ihr Lebensunterhalt ist gesichert [???]. Aber ihre Lebenschancen drohen zu verderben. Viele dieser Kinder sind völlig sich selbst überlassen. Oft interessiert sich niemand dafür, ob und was sie lesen, was und wie viel sie fernsehen, wie sie lernen und ihre Freizeit verbringen. Diese Kinder steigen nicht aus freier Entscheidung aus, sie werden zurückgelassen."

"Ich nenne das fürsorgliche Vernachlässigung. Wir können das nicht hinnehmen.(...) ... ein Prinzip, das wir anwenden müssen, und das ist das Prinzip Verantwortung. Diese Verantwortung geht uns alle an. Sie ist eine gemeinsame Aufgabe der Politik, der Wirtschaft, der Schulen, der Vereine, der Familie, der Nachbarn, der Freunde. (...) ... wenn Kinder von vornherein auf der Schattenseite der Gesellschaft leben. ... wenn junge Leute den Einstieg in das Arbeitsleben nicht finden.“

„...die Spaltungen in unserer Gesellschaft heilen. Wir werden sie aber nur heilen können, wenn die Bürger unser Land als Schicksalsgemeinschaft - als eine Nation – begreifen.“

„Die geistigen Ressourcen von 1968 waren zu eng für die Zukunft unseres Landes. Die Utopien dieser Generation müssen der Realität Platz machen, wenn das Land eine gute Zukunft haben soll. Nun übernimmt die nächste Generation. Es ist Zeit für eine realistische Politik.“

„Wenn wir die Kraft haben, die Wahrheit der Illusion entgegen zu setzen, wenn wir die Kraft für eine realistische Politik haben, dann wird die Macht alter Besitzstände vor den neuen Wirklichkeiten unserer Generation keinen Bestand mehr haben.“

„Mir scheint, von uns wird mehr verlangt. Gleichsam eine Quadratur des Kreises, ein grundsätzlicher Wandel politischen Handelns.

Dabei geht es um eines: Weg vom Stückwerk. Hin zu einer Politik aus einem Guss. Wer A sagt, muss auch B sagen.“

„Zurzeit habe ich ... allerdings den Eindruck, dass manche unserer verehrten politischen Gegner [in der CDU] eine Partei bekämpfen, die es gar nicht [mehr] gibt. Aber seis drum.“

„[Die Zukunft wird uns daran messen, ob wir] an einer entscheidenden Weggabelung eine gestaltende Kraft geblieben sind oder nicht, ob wir den Herausforderungen der Zeit gerecht geworden sind oder nicht, ob wir die Weichen für einen Politikwechsel gestellt haben oder nicht.“

Und zum Abschluss für jeden, der es noch nicht verstanden hat:

„Ich sage heute: Wir werden es grundlegend anders machen, damit es grundlegend besser wird für Deutschland.“

Der hauptsächliche Grund, warum diese Rede damals nicht mehr Aufsehen hervorgerufen hat, dürfte sein, es wurden keine Details genannt, wie denn wirklich dieses Deutschland ohne Demokratie und soziale Marktwirtschaft aussehn würde. So blieb die Aussage, es gäbe keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft, fast völlig unbemerkt.

Heute aber, nach zwei Jahren „Grosse Koalition“, müssen wir einerseits sagen, bisher wurde jene vollständige Kehrtwendung noch nicht durcgesetzt, da ist wohl auch der Koalitionspartener noch hinderlich. Aber gleichzeitig haben wir jetzt eine klare Vorstellung, was gemeint war mit diesen Worten. Die diversen Ankündigungen und Forderungen von Schäuble zum Gang in den vollständigen Überwachungsstaat und zur Aufhebung von bürgerlichen Rechten machen deutlich, wohin es gehen soll, wenn nur endlich der unbequeme Koalitionspartner abgeschüttelt würde.

Verteidigungsminister Jung konnte ganz forsch erklären, er habe schon eine Gruppe von Piloten, die dem Befehl zum grundgesetzwidrigen Abschuss von Passierflugzeugen folgen würde. Damit hat er deutlich gemacht, er hat bereits Militärs, die auf ihn und nicht mehr aufs Grundgesetz eingeschworen sind, die – wenn Jung das für nötig hält – den Militärputsch durchführen würden.

Es ist auch höchstes Augemerk auf die Bemerkung zu legen, alle Besitzstände seien abzuschaffen.

Es ist nicht übertrieben zu sagen, das ist die Ankündigung des Streichens aller Renten- und Arbeitslosen-Unterstützungs-Ansprüche wie auch der Gesundheitsversorgung über die Sozialversicherung (bis auf irgendwelche unbedeutenden Reste). Der eine oder andere mag dies als übertrieben ansehen, „das würden die nicht wagen“, aber es wird ja auch ausdrücklich gesagt, man erwartet Widerstände und sie würden gebrochen werden.

Ebenso ist in diesem Zusammenhang zu sehen, wie zunehmend jegliche grundsätzliche Opposition in Deutschland als „terroristisch“und „Terrorismus“ verunglimpft wird. Die Gleichsetzung der kämpferischen ausserparlamentarischen Opposition mit Terrorismus hat System.

Da solche radikalen Massnahmen sicherlich nicht ohne Widerstand bleiben würden, kann man damit im „grossen Krieg gegen den Terror“ die Unterdrückung und Ausschaltung der Dissidenten als „leider notwendig“ abhaken.

Stasi 2.0

Da muss man sich auch erinnern, Schäuble hat gegen „Terroristen“ bereits die Abschaffung der Unschuldsvermutung gefordert, er hat sich für vorbeugende Haft und vorbeugendes Erschiessen angeblicher Terroristen ausgesprochen.

In diesem Zusammenhang muss auch die in der CDU weit verbreitete Verehrung von Filbinger gesehen werden. Schäuble hat sich nicht umsonst im Rollstuhl auf den beschwerlichen Weg nach Freiburg gemacht, um seinem engen Freund die letzte Ehre zu erweisen. Die innige Verquickung von Teilen der CDU/CSU mit faschistischen oder faschistoiden Kräften ist früher schon aufgefallen.

Was als grundlegende Neuausrichtung genannt wurde, ist nichts anderes als der Weg in eine Diktatur oder jedenfalls ein extrem autoritäres System und in einen Überwachungsstaat, gegen den die Stasi-Republik eine lahme Vorstufe gewesen wäre.

Zieht man all dies in Rechnung, wird diese Aussage in Merkels 2005-Rede zu einem Fanal:

„Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit.“


Veröffentlicht am 19. Oktober 2007 in der Berliner Umschau


Originalartikel

Hier ist der Link zu Merkels Rede (pdf-Dokument)

Donnerstag, 18. Oktober 2007

Der Süden beginnt sich zu organisieren

Der IBAS-Gipfel

Freihandelszone Indien, Südafrika und Mercosur vorgeschlagen

Von Karl Weiss


Auch wenn es schon oft Absichtserklärungen gab und die wirkliche Realisierung von Freihandelszonen meist an den verschiedensten Details scheitern, ruft doch die Erklärung des brasilianischen Präsidenten Lula beim IBAS-Treffen (Indien, Brasilien und Südafrika) in Südafrikas Hauptstadt Pretoria Aufmerksamkeit hervor. Er schlug eine Freihandelszone von Indien und Südafrika mit dem Mercosur vor, in dem die wichtigsten Länder Argentinien und Brasilien sind.

Dies würde die bevölkerungsreichste Freihandelszone auf der Erde schaffen. Die drei Länder haben bereits vor Jahren die IBAS-Gruppe geschaffen und hatten an diesem Mittwoch ihr zweites Gipfeltreffen. Lula verhandelte mit dem südafrikanischen Präsidenten Mbeki und dem indischen Premier Maonma Singh.

Die drei Länder sind bereits seit Jahren die Vertreter der 'Gruppe der 20', die alle wesentlichen Entwicklungsländer bzw. Schwellenländer umfasst, bei den Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO, die im Moment mit der sogenannten Doha-Runde nicht vorwärtskommen, denn die Entwicklungsländer bestehen darauf, im Gegenzug zur völligen Öffnung ihrer Märkte für Industrieprodukte und Kapital der imperialistischen Großmächte eine Öffnung von deren Märkten für Agrarprodukte aus dem Süden zu erhalten.

Dagegen wehren sich die EU, die USA und Japan mit aller Kraft. Sie wollen ihr teures System der Agrarsubventionen aufrecht erhalten, das so gut wie alle Agrarprodukte der Entwicklungsländer vom Eingang in ihre Märkte blockiert und außerdem Konkurrenz zu den Produkten der Entwicklungsländer auf den internationalen Märkten macht.

In diesem Zusammenhang bemerkte Lula, der im Moment eine Rundreise durch eine Anzahl afrikanischer Länder macht, die reichen Länder müssten aufhören, die Entwicklungsländer als Bittsteller zu betrachten. Er sagte im Kongo, die aktuelle Weltordnung sei voll von Ungleichbehandlungen und offensichtlich nicht in der Lage, dringende Fragen der Entwicklung und der kollektiven Sicherheit zu lösen – mit einem deutlichen Seitenhieb auf die imperialen Kriege der Vereinigten Staaten.

In einem Artikel von Lula, der aus Anlass des Gipfels in der indischen Zeitung „The Hindu“ erschien, erklärt er, der nächste aktuelle Schritt sei eine verstärkte Zusammenarbeit der drei Schwellenländer aus Asien, Afrika und Südamerika.

Mit deutlicher Anspielung auf den G8-Gipfel, zu dessen Schluss noch einige Vertreter von Schwellenländern eingeladen waren, erklärte Lula: „Es hat wenig Wert, zur Nachspeise beim Bankett der Mächtigen eingeladen zu werden.“

Die USA haben in den letzten Monaten versucht, eine Gegen-Repräsentation gegen die IBAS-Gruppe als Gesprächspartner auf die Beine zu stellen, konnten aber nur Länder wie Guatemala und Costa Rica dafür gewinnen. Als einziges grösseres Land erklärte sich Mexiko mit seinem durch Wahlbetrug an die Macht gekommenen US-freundlichen Präsidenten bereit, den Pfad der Unterwerfung unter US-Interessen zu folgen.

In diese Richtung gehen folgende Anmerkungen Lulas: „Die ärmeren Länder sollten verstehen, dass die Attitüde der Unterwerfung nicht weiterhilft.“ „Entweder erheben wir unser Haupt und fordern eine gerechte Vereinbarung oder wir werden weitere 20 Jahre in einer handelspolitisch ungerechten Welt leben.“

Lula erwähnte die bereits stattfindende Zusammenarbeit von Indien und Brasilien in der Pharmazeutischen Industrie. Indien produziert eines der Medikamante des „AIDS-Cocktails“ (unter Bruch der zweifelhaften US-Patente) auch für Brasilien und im Gegenzug Brasilien ein anderes auch mit für Indien. Südafrika und andere afrikanische Länder wurden eingeladen, sich der Anti-Aids-Politik der Schwellenländer anzuschliessen.

Brasilien ist das Entwicklungsland mit der geringsten relativen AIDS-Todes-Rate und dem geringsten Zuwachs an Infektions-Fällen, weil man eine konsequente „Benutzt-Kondome“-Politik betreibt, Kondome kostenlos verteilt, die Prostituierten zu Schutzorganisationen zusammenschliesst und jedem Infizierten kostenlos den „Cocktail“ zur Verfügung stellt.

Als andere Ziele einer gemeinsamen pharmazeutischen Politik wurden Malaria und Tuberkulose genannt.

Eine andere wichtige Waffe der Länder des Südens, so Lula, sind die Bio-Kraftstoffe, die angesichts der Explosion der Ölpreise und dem ständig knapper werdenden Öl-Nachschub eine der grössten Einzel-Rechnungen für die meisten Entwicklungsländer und eine andauernde Abhängigkeit darstellen. Ein grosser Teil der Entwicklungsländer haben klimatische Konditionen zum Anbau von Zuckerrohr, aus dem Alkohol als Benzin-Ersatz hergestellt werden kann.

Brasilien als das Land mit jahrzentelanger Verwendung von Alkohol-Autos bietet seine Erfahrungen diesen Ländern an, um eine eigene Alkohol-Industrie aufzubauen. In modernen Produktionsanlagen, in denen die nicht verwertbaren Teile des Zuckerrohrs zur Energiegewinnung für den Prozess verwendet werden, kann Alkohol zu Preisen unterhalb von Benzin hergestellt werden und der Zuckerrohr-Bauer hat noch ein Auskommen.

Etwas ähnliches gilt auch für Bio-Diesel, das in Brasilien erfunden wurde. Während die deutsche Bundesregierung in einer wilden Geisterfahrt auf der Gegenfahrbahn der Tendenz zu den Bio-Kraftstoffen die Steuerbefreiung für Biodiesel aufgehoben und damit der deutschen Bio-Kraftstoff-Industrie den Garaus gemacht hat, will Brasilien bis 2020 das Diesel, das in grossen Teilen importiert werden muss, vollständig durch Bio-Diesel aus nachwachsenden Rohstoffen ersetzen.

Lula wies stolz darauf hin, dass Brasilien die USA wegen ihrer Subsidien der Baumwolle bei der Welthandelsorganisation verklagt hat. Die Vereinigten Staaten mussten daraufhin die Subventionen verringern, was nicht nur Brasilien, sondern auch vielen anderen Entwicklungsländern zugute kommt.

Beim Treffen in Pretoria kam, wie zu erwarten, auch die Sprache auf Fussball, denn in Südafrika und danach wahrscheinlich Brasilien, zwei fußballverrückten Ländern, werden die beiden nächsten Fussballweltmeisterschaften stattfinden. Außerdem hat Südafrika gerade den brasilianischen Trainer Parreira für seine Nationalmannschaft engagiert, der bei der Weltmeisterschaft in Deutschland das brasilianische Team führte.

Mbeki meinte, falls man verliert, werde man dem Trainer die Schuld geben und Lula gab zurück, es sei normal, gegen Brasilien im Finale zu verlieren.

Am Abend reiste Lula nach Angola weiter, einem anderen grossen Land portugiesischer Sprache.

Ob aus der vorgeschlagenen Freihandelszone je etwas wird, steht in den Sternen.

Es ist deutlich, warum Lula versucht, den südamerikanischen Freihandelsmarkt Mercosur über den Kontinent auszuweiten, denn er ist mit seiner 'gemässigten' Politik hier nicht mehr der Held. Diese Rolle fällt nun vielmehr Chavez und Morales zu. Für Lula, der versucht, Brasilien zu einer regionalen Oberherrschaft zu führen, kann darum der Ausweg nur lauten, über die Grenzen des Kontinents hinauszusehen.

Die Schwierigkeiten, die EU und USA haben, die Entwicklungsländer um sich zu scharen, wie sie das früher problemlos konnten, haben sicherlich sehr viel mit den Überfällen auf arme Entwicklungsländer wie Afghanistan und Irak durch Großmächte wie die USA oder Vereinigungen wie die NATO zu tun, wo im Moment zwei der bluttriefendsten Gewaltherrschaften der Menschheitsgeschichte ihre tödlichen Seiten von Geschichtsbüchern schreiben – ganz zu schweigen vom drohenden Angriff auf den Iran.

Irak-Krieg US-Aggression

Ob sich die NATO mit ihrem Überfall auf Afghanistan und die USA mit der Koalition der Willigen auf den Irak wirklich der Folgen bewusst waren, die diese imperialen Kriege für die politische Sicht in armen Länder und deren fast immer extrem „gemässigten“ Regierenden haben?

Irak: Weinendes blutbeflecktes Kind, dessen Vater und Mutter soeben von US-Soldaten ermordet wurden

Heute ist es bereits schwierig, noch Regierende von Entwicklungsländern zu finden, die weiterhin alles, was aus Washington kommt, bedenkenlos anbeten, während andererseits die Sympathien für die Aufbegehrenden, wie Kuba, Venezuela, den Iran, Equador oder Bolivien immer mehr zunehmen.

Afghanistan: US-Armee zerstört Filmkamera

Ob das wirklich das war, was man erreichen wollte? Die Faszination Amerika, die über Jahrzehnte einen ungebrochenen Glanz hatte, auch zu Zeiten des Vietnam-Krieges, ist am Verblassen. Aber sie war neben der wirtschaftlichen Macht und der militärischen Stärke einer der Pfeiler der Weltmacht USA.

Auch der andere Pfeiler „militärische Unbesiegbarkeit“ ist nicht mehr sehr überzeugend, nachdem das Abenteuer im Irak selbst nach Eingeständnis der US-Generäle, die dort gedient haben, nur noch als Desaster angesehen wird.

Schliesslich ist auch der dritte Pfeiler, die absolute Oberherrschaft durch die wirtschaftliche Stärke der US-Ökonomie, nicht mehr zweifelsfrei – im Gegenteil, man spricht schon offen davon, die USA würden in eine Krise schlittern und man müsse sich von ihnen abkoppeln.


Veröffentlicht am 18. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Montag, 15. Oktober 2007

'Gegen Demokraten helfen nur Granaten'

Gezielte Förderung der Faschisten in Deutschland

Von Karl Weiss

Ein Interview von Peter Kleinert mit dem evangelischen Schulpfarrer Dr. Stoodt, dieser Tage veröffentlicht in Kleinerts `Neue Rheinischen Zeitung`, legt den Finger in eine offene deutsche Wunde: Die systematische Förderung sowie das gleichzeitige Herunterspielen der faschistischen Gefahr in Deutschland durch angeblich christliche Politiker und durch die Massenmedien.

Das Interview fand bisher nur wenig Resonanz, zumal die NRhZ mit ihrem „Flyer“ im Internet außerhalb des Kölner Bereichs noch wenig bekannt ist.

In den Jahren 2000 bis 2006 gab es in Deutschland insgesamt 1343 Fälle rechtsextremer Gewalttaten, von Anschlägen über Morde zu schweren Körperverletzungen mit Dauerfolgen und Körperverletzungen. Dazu kommen Tausende von Fällen, in denen die Täter nicht oder nicht eindeutig als Rechtsaussen identifiziert wurden, was dann nicht als 'rechtsextreme Gewalt' registriert wird. Dabei wurden in insgesamt 1640 Fälle Waffen gefunden, die eindeutig sogenannten Neonazis zuzuordnen waren, auch dies nur die Spitze des Eisbergs.

Seit 1989 sind 136 Menschen in Deutschland dem Terror von Faschisten, hier meist ‚Nazis’ genannt, zum Opfer gefallen. Diese Zahl wird von den deutschen bürgerlichen Medien verheimlicht und so getan, als sei die RAF z.B., die niemals auch nur nahe solchen Zahlen kam, eine Gefährdung des ganzen Staates gewesen, während die meist `Neonazis` genannten Gruppen behandelt werden, als seinen es ein paar unbedeutende Spinner.

Schiesstraining von Faschisten in Aargau, Schweiz
Schiessstand in Aargau, 10.8.2007, links am Boden Völkel, als Ausbilder: Wagner

Im August dieses Jahres wurden durch Zufall zwei bundesweit bekannte Faschisten in der Schweiz bei Schiessübungen gefilmt – mit Sturmgewehren! Faschisten sind nicht nur für praktisch alle politisch motivierten Gewalttaten in der Bundesrepublik verantwortlich, sie bereiten sich auch bereits auf die gewaltsame Machtübernahme vor. Sie kündigen dies bei ihren Aufmärschen ungestraft an.

Trotzdem wird uns von der Politik, den Sicherheitsbehörden und den bürgerlichen Medien vorgegaukelt, die Gefahr ginge von dubiosen islamistischen Grüppchen aus. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache.

Es handelte sich auf dem Schiessstand in der Schweiz um die bekannten Faschisten Übelacker und Völkel aus dem unmittelbaren Umfeld des hessichen NPD-Vorsitzenden Wöll. Der Präsident des Hessischen ‚Verfassungsschutzes’ dagen erklärte entgegen aller Offensichtlichkeit, die NPD würde für ihre „Meinung“ werben und nicht auf bewaffnete Aktionen setzen.

Er muss es besser wissen, denn der ‚Verfassungsschutz’ und die NPD sind, bestätigt von Bundesverfassungsgericht, nicht klar auseinanderzuhalten. Damit wird deutlich, der ‚Verfassungsschutz’ versucht in der Öffentlichkeit die rechte Gewalt zu negieren und damit die Putschpläne zu fördern.

Ein anderer Teil der Förderung der Faschisten ist die - vorsichtig ausgedrückt – eigenwillige Auslegung des Paragraphen 139 des Grundgesetzes, in dem völlig eindeutig jegliche faschistischen Nachfolgeorganisationen für illegal erklärt sind. Die NPD und die diversen „Wehrsportgruppen“ brauchen also gar nicht verboten zu werden, sie sind bereits illegal und müssen lediglich verfolgt werden. Das wird nicht getan, man sagt entgegen der Rechtslage, die NPD sei eine legale Partei und deren Aufmärsche müssten daher von der Polizei geschützt werden.

Wohin das führt, wurde im Juli in Frankfurt bei einem Aufmarsch des rechten Mob deutlich. Im Vorfeld erklärte der Frankfurter Polizeipräsident, man sei nicht um die NPD besorgt, die habe man „im Griff“, Sorgen würden die linken Gegendemonstranten bereiten. Und so wurde auf der Demonstration gehandelt.

Die Faschisten wurden von einem absurd riesigen Aufgebot von Polizisten vor den Gegendemonstranten geschützt, sie durften sämtliche Auflagen übertreten, offen Straftaten begehen unter den Augen der Polizei, doch gemäss der These des Polizeipräsidenten hatte die Polizei keine Problem damit.

Man höre, welche Sprechchöre die hessische NPD auf diesem Marsch skandierte, die von der Polizeiführung mit Achselzucken quittiert wurden:
  • „Linkes Gezeter – neun Millimeter“
  • „Schlagt den Linken die Schädeldecke ein“
  • „Gegen Demokraten helfen nur Granaten“
Der Demonstrationsanmelder, Marcel Wöll, NPD-Landesvorsitzender und zugleich zentrale Figur der „Freien Nationalisten Rhein-Main“ wurde von einem der verschwindend wenigen Zuschauer seiner Kundgebung mit eingeweichten Keksen beworfen. Seine Reaktion darauf bestand darin, dass er brüllte: „Kameraden, wenn wir eines Tages in Deutschland aufräumen, werden wir dabei keinen Zwieback in der Hand haben, das kann ich Euch versprechen!“

Stoodt kommentiert dies im Interview, das seinen wohl eher eben jene Sturmgewehre, mit denen jetzt geübt wird.

Pfarrer Dr. Stoodt
Der Frankfurter Studentenpfarrer und Antifaschist Dr. Stoodt

Die Polizei dagegen kümmerte sich ausschliesslich darum, linke Gegendemonstranten abzudrängen. Zitat aus dem Interview:

„Nun – wir haben ja gesehen, wie 8.000 PolizistInnen die knapp 600 Nazis im Griff hatten: Auflagenverstöße, Verstöße gegen das Strafrecht, Hasspropaganda, Verherrlichung des NS-Regimes und vor allem: ein offener Antisemitismus, wie ich ihn in den letzten 30 Jahren in Frankfurt nie erlebt habe – das alles wurde geduldet, obwohl Demo-BeobachterInnen und JournalistInnen aktiv darauf hinwiesen, dass gerade gegen Auflagen oder sogar das Strafrecht verstoßen wurde. Polizeiliches Achselzucken war die Folge. Uns liegt eine schriftliche Zeugenaussage von einem Fotojournalisten vor, aus der hervorgeht, dass nach Auskunft eines vor Ort anwesenden Polizeirats die Polizeieinsatzleitung im expliziten Auftrag der Staatsanwaltschaft so gehandelt hat, was selbst bei eingesetzten Polizeibeamten aus NRW zu Kopfschütteln führte. Das ist beweisbar und belegt.“

Es geht also nicht nur um Verharmlosung, es geht um offene Förderung!

Der interviewte Pfarrer drückt das so aus: „Das politische Feindbild der hessischen Exekutive ist völlig klar. Sie hat am 7. Juli ihre demokratische Ehre verloren.“ Das betrifft eben nicht nur den Frankfurter Polizeipräsidenten und die Staatsanwaltschaft, sondern auch den hessischen Ministerpräsidenten und den zuständigen Innenminister.

Übelacker und Wöll bei Faschisten-Aufmarsch
Übelacker (schwarzes Kleid), der NPD Bundes-Vorstand Schwerdt (lila Hemd) und der hessiche NPD-Vorsitzende Wöll (braunes Hemd , wie treffend) bei einem NPD-Aufmarsch in Jena im August 2006

Nicht zufällig beschäftigt die Stadt Frankfurt auch eben genau jene Faschistin Übelacker, die bei den Schiessübungen erwischt wurde. Die Frau arbeitet bei bei Mainova, dem Frankfurter Energieversorger mit städtischer Beteiligung.

Charakteristisch auch: Obwohl ‚Verfassungsschutz’ und NPD bis zur Unkenntlichkeit miteinander verwoben sind, wussten die ‚Verfassungsschützer’ nichts von den Schiessübungen in der Schweiz oder taten jedenfalls so. Dabei hatten sie behauptet, die Franktfurter Gruppe „Freie Nationalisten Rhein-Main“, die inzwischen weitgehend in der NPD aufgegangen ist, werde mit „höchster Aufmerksamkeit“ beobachtet.

In Wirklichkeit tat man überrascht, als in der Schweiz die Bilder von der Schiessübung veröffentlicht wurden und nicht nur der Schweizer Nationalratskandidat Roland Wagner, sondern auch die beiden deutschen Jung-Faschisten von der NPD idetifiziert wurden. Hierauf aufmerksam gemacht, erklärte der ‚Verfassungsschutz’ wiederum mit den gleichen Worten, man werde das mit höchster Aufmerksamkeit beobachten.

Völckel und Übelacker bei Faschisten-Aufmarsch in Wiesbaden
Die beiden Schiesswütigen bei einem Faschistenaufmarsch im Frühjahr in Wiesbaden; Völkel in Bildmitte mit Tarnjacke, Übelacker links davon mit brauner Jacke

Statt die Haltung zu ändern und endlich aus der passiven Beobachterrolle und Verneinung jeder Gefährlichkeit der NPD herauszutreten, „business as usual“. Wahrscheinlich wird man auch den Putschversuch der Rechtsaussen, der bereits angekündigt wurde (‚wenn wir in Deutschland einmal aufräumen“) mit höchster Aufmerksamkeit beobachten.

Genauso charakteristisch auch die Reaktion der bürgerlichen Medien. Ausser in Frankfurt selbst wude all dies totgeschwiegen. Die Frankfurter Rundschau brachte nur eine kurze Meldung ohne Namensnennungen. In der ‚Hessenschau’ interviewte man den Präsidenten des hessichen Verfassungsschutzes dazu, wobei er die oben genannten Beschwichtigungen von sich gab, ohne dass nachgehakt wurde.

Dabei ist in hessen die gezielte Förderung von Faschisten keine Ausnahmefall. Von den vier Leibwächtern von Friedmann, so hat sich herausgestellt, waren drei Faschisten. Einer von ihnen wurde, als der Skandal aufflog, in diejenige LKA-Abteilung versetzt, in der untergetauchte NS-Verbrecher „gesucht“ werden. Es sind also keine „Fehler“, die da passieren, sondern es ist Politik.

Da kann man nur mit Shakespeare sagen: „May it be madness, there is method in it!”


Hier ist der Link zum ganzen Interview


Veröffentlicht am 15. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Dienstag, 9. Oktober 2007

Auf zum letzten Gefecht!

Die Protagonisten mit Weitblick bekommen schon Angstschauer

Von Karl Weiss

Heribert Prantl, der Leiter der Redaktion Innenpolitik der „Süddeutschen“ hat sich schon verschiedentlich als weitblickender Journalist bewiesen. Wenn er einen Kommentar schreibt, wird er in der Sozialdemokratie meist mit Aufmerksamkeit gelesen.

Er hat nun am 5. Oktober in einem Kommentar so etwas wie das Ende der Demokratie vorausgesehen, wenn die Enteignung der Steuer- und Sozialabgabenzahler so weitergeht. Er sieht die Möglichkeit, die Mehrheit des Volkes könnte sich erheben gegen die steigenden Zumutungen und kleidet das in die Worte: „Es geht darum, die Demokratie zu sichern.“

Er darf natürlich nicht die Wahrheit schreiben: „Es geht darum, den Kapitalismus zu sichern.“, sonst wäre er seinen Job schnell los. So verwendet er denn den Begriff Demokratie, der eigentlich etwas ganz anderes meint, genauso wie Präsident Bush als Synonym für Kapitalismus.

So gesehen ist sogar Pakistan ein demokratisches Land, wie jetzt behauptet wird, wenn dort Wahlen stattfinden. Die kleine Nebensächlichkeit, dass eine Militärdiktatur herrscht und auf den Straßen ist, der Diktator gleichzeitig Chef der Armee und Hauptkandidat ist und Gegenkandidaten deportieren ließ, spielt da keine Rolle. Er sichert die „Demokratie“.

Was Prantl im wesentlichen sagt, ist einfach: Wenn es so weitergeht, wird die SPD bald zu einer Splitterpartei verkommen sein. Darum muss einiges ein klein wenig zurückgenommen werden an der Agenda 2010. Im wesentlichen will er drei Dinge: Die von Beck bereits vorgeschlagene Verlängerung des Arbeitslosengelds I, die von Müntefering befürwortete Einführung eines Mindestlohns und eine Mindestabsicherung im Alter. Ebenso deutet er an, man müsse den Freibetrag für Erspartes im Hartz IV erhöhen. Das sei, so unkt er, das Gefecht um das Überleben der Sozialdemokratie und nennt denn auch seinen Kommentar „Das letzte Gefecht der SPD“.

Der Begriff „das letzte Gefecht“ stammt aber aus der ‚Internationalen’, wo geschmettert wird „Völker hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht!“, dem Lied des Sozialismus-Kommunismus. Nicht von ungefähr kam ihm diese Assoziation, denn das ist es genau, wovor er vor Angst bibbert, was ihm die kalten Schauer den Rücken hinunterlaufen lässt: Die Arbeiter zusammen mit den anderen Teilen des Volkes lassen sich nicht mehr alles gefallen, proben den Aufstand und führen ihn dann auch durch. Das will er verhindern, wenn er sagt, die „Demokratie“ müsse gerettet werden.

Er hat nämlich, so wie andere Weitblickende auch schon, die deutliche Linkstendenz im deutschen Volk gemerkt, die zeitgleich mit einer Rechtstendenz der Politikerkaste und der Wirtschafts- und Finanzbosse abläuft. Er hat die Umfragen gelesen, wo fast 50% der Befragten bundesweit erklärten, sie fänden die Idee des Sozialismus gut, sie sei in der DDR nur nicht verwirklicht worden.

Er bemerkt, die Menschen lassen sich nicht mehr so leicht gegen Streiks aufhetzen, wie es seine Zeitung unter seiner Verantwortung gerade gegenüber dem Streik der Zugführer versucht hat. Ein wenig oberhalb seines Kommentars kann mal lesen: Der Streik wurde weithin mit Verständnis aufgenommen.

Er hat registriert, dass es nicht gelungen ist, die Montagsdemonstrationen abzuwürgen. Er weiss, sie können jederzeit wieder zum Sammelbecken der Empörten werden, wenn eine der nächsten Brutalitäten fällig ist.

Er ist sich vermutlich bewusst, wie die MLPD, gerade 25 geworden, an Rückhalt gewinnt und bereits Streiks ausgelöst und beeinflusst hat. Er ist sich deren Mitgliederwachstum bewusst und dass sie eben dabei ist, die relative Isolation, in der sie sich befand, zu durchbrechen.

Er spürt wohl, die alten Mittel des Antikommunismus, zu schreien „Stalinismus! Stalinismus!“ und „Bolschewiken, Bolschewiken!“ wirken nicht mehr wie früher.

Denn alles Ideelle, so lehrte Marx schon im vorletzten Jahrhundert, hat eine materielle Basis. Die materielle Basis des Reformismus (gleichlautend mit SPD und Rechte Gewerkschaftsführung) ist auf Dauer ausgehöhlt, nur noch Hülse fast ohne Inhalt. Da bricht auch der Überbau zusammen, der sich in der Vergangenheit auf der materiellen Grundlage von Lohnsteigerungen, Altersabsicherung, Arbeitlosen-Vergütung und sozialen Rechten erhob.

Man höre, wie er das auszudrücken beliebt: „Soziale Rechte sollen den Zusammenhalt der Gesellschaft wahren. Wenn das nicht mehr Agenda der Politik ist, dann verwahrlost zuerst die Sozialdemokratie und dann die Gesellschaft.“

Nun, wenn das Verwahrlosung ist, dann kann man nur sagen: „Wacht auf, Verdammte dieser Erde! Verwahrlost Euch!“


Veröffentlicht am 9. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Montag, 8. Oktober 2007

Folter, Folter ohne Ende

Die bürgerlichen Medien sind nur um das Ansehen besorgt

Von Elmar Getto

Wieder neue Folterfotos, diesmal britische Soldaten.... Waren da nicht schon welche von britischen Truppen?... Ach, die waren alle gefälscht.... Diesmal hat es nicht mehr geklappt zu sagen, sie sind gefälscht. Britische Truppen foltern... US-Truppen foltern.... Auch von einem anderen Ort als Abu Ghraib im Irak sind neue Folterfotos von Folter durch US-Soldaten aufgetaucht.

Britische Truppen haben schon gefoltert, als sie noch Kolonialmacht in Indien, Pakistan und vielen anderen Ländern waren. Fragen Sie dort nach! US-Soldaten haben bereits in den sechziger Jahren südamerikanische Folterer ausgebildet. Fragen Sie dort nach! Das Foltern von vermutlichen Vietcong im Vietnamkrieg war Routine. Fragen Sie dort nach! Nun, wenn uns das neue Jahrtausend, wie Bush Vater sagte, eine „Neue Weltordnung“ beschert, die US-Weltordnung, so wird dies nicht zuletzt eine Folter-Weltordnung sein.

Starke Schmerzen, ohne dass er gleich stirbt

Die ‚Weiterentwicklung’ der Folter in den Fünfziger und Sechziger Jahren durch die US-Spezialisten war vor allem darauf ausgerichtet, die Gefolterten nicht so schnell sterben zu lassen. Die Affenschaukel wurde erfunden, die Elektroschocks und weitere Dinge, die stark schmerzen, aber über Wochen und Monate angewendet werden können, ohne dass der Gequälte stirbt.

Ein katholischer Mönch, der in brasilianischen Gefängnissen von Schergen der Miltärdiktatur mit Ausbildung in den USA über vier Jahre hin fast täglich gefoltert wurde, beging kurz nach seiner Entlassung Selbstmord! (Die Basis der katholischen Kirche in Brasilien stand im Widerspruch zum Militärregime. Der Papst „mußte“ sich mehrere Male von Aussagen des Bischofs Dom Helder Câmara distanzieren. So unglaublich es aus deutscher Sicht anmuten will, die katholische Kirche ist nicht überall faschistisch angehaucht). Die von US-Spezialisten ausgebildeten Folterer schafften es mit ihrer Folter, jeden beliebigen Menschen so weit zu bringen, daß er nur noch einen einzigen Wunsch hatte: So schnell wie möglich zu sterben.

Inzwischen haben die Spezialisten der USA anscheinend weitere ‚Fortschritte’ gemacht. Sie konzentrieren sich jetzt mehr auf fast subtile Dinge. Schmerzen erzeugen sie einfach, indem sie die ‚Delinquenten’ in bestimmten Positionen festbinden, die auf die Dauer unerträgliche Schmerzen verursachen.

Bild eines nackten Gefangenen in "Stress-Haltung"

Man braucht gar keine Elektroschocks mehr! (Die konnten immerhin meistens wegen der örtlichen Verbrennungen durch Elektroden nachgewiesen werden.)

Sie beschallen Tag und Nacht mit überlauter Musik. Das läßt anscheinend den Gefestigsten durchdrehen. Sie heizen die Zellen auf oder kühlen sie herunter. Auch das funktioniert offenbar gut. Auch die gute alte Kriminalpolizei-Methode mit überhellem Licht direkt in die Augen, um Schlaf zu verhindern, kommt wieder zu Ehren. In Guantanamo hat man sich noch perfideres ausgedacht: Es wird nicht nur Tag und Nacht das Licht nicht abgeschaltet, die Gefangenen werden auch Tag und Nacht beobachtet. Auch das scheint guten Erfolg zu haben – jedenfalls wendet man es seit Jahren ununterbrochen an.

Und das ist natürlich keine Folter – das sind "harte Verhör-Methoden"!

Sehr beliebt ist auch das mit den Hunden. Wenn man herausgefunden hat, wer Angst vor Hunden hat (und nicht nur jene), auf den hetzt man Hunde und sagt, sie seinen auf den Penis dressiert, um sie im letzten Moment zurückzureißen

Bild eines nackten angeketteten Gefangenen in Abu Ghraib, dem man mit einem Bluthund Angst macht.

(die Abu Ghraib-Fotos haben bewiesen, sie werden keineswegs jedes Mal zurückgerissen, beissen dann allerdings `nur`ins Bein).

Bild aus Abu ghraib einer hunde-Bisswunde, die man einem angeketteten gefangenen beibringen liess.

Ängste sind überhaupt sehr ‚in Mode’. Wer Angst vor dem Ertrinken hat (und nicht nur jene), dem hält man den Kopf unter Wasser, so daß er glaubt, ertrinken zu müssen. Die alte, immer wieder beliebte Methode der Schein-Exekutionen feiert auch fröhliche Urständ.

Und jetzt – die Phantasie der US-Spezialisten ist wirklich unerschöflich – die Sex-Folter. Man hat anscheinend herausgefunden, daß man Menschen mit einem ausgeprägten Schamgefühl am besten erniedrigen kann, wenn man sie zwingt sich auszuziehen und sie in ihrer Nacktheit schamlosen Dingen aussetzt, sie zum beispiel masturbiert oder sie zwingt sich zu masturbieren.

Es geht um das Brechen von Menschen

Offenbar kann man auch so Menschen brechen – und um das Brechen von Menschen geht es am Ende bei jeder Folter. Die nackten Leiber werden zu Pyramiden gestapelt („auch Cheerleader formen Pyramiden“ sagte der Verteidiger).

Bild des "Berges der nackten Gefangenen"

Man läßt eine Frau sich über den eingeschrumpelten „Peeney-Weeney“ lustig machen. Man begeht sexuelles an ihnen. Und alles wird immer photographiert.

Und jetzt kommen die Briten: Was, die Amis sind Weltmeister im Foltern, nein, wir haben etwas noch Schweinischeres: Wir zwingen sie, einen Analverkehr vorzutäuschen und fotografieren sie!

British Torture

Ja, sehen Sie sich dies Foto gut an! Bald werden sie versuchen dies mit uns zu machen..... Oder wollen Sie etwa auf deren Seite stehen??

Die Reaktionen in der bürgerlichen Medienlandschaft von Mainstream sprechen für sich:

Nur um das Ansehen besorgt, Folter ist ganz selbstverständlich

In der „Süddeutschen“ schreibt der Kommentator:

„Charles Garner, ist zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, und diese ... mögen etwas Genugtuung in der arabischen Welt verbreitet haben.“

New Torture Photo1
Neues US-Folterfoto: Auf einem der Photos sieht man einen Gefangenen mit der bekannten schwarzen Kapuze über dem Kopf, sonst nur mit einer Unterhose bekleidet, die Arme hinter dem Rücken gefesselt. Unter der Kapuze heraus läuft ihm vom Hals bis zum Bauch eine Blutspur. Der Körper zeigt auch sonst Blutspritzer. Zwei der US-Soldaten stehen vor ihm und leuchten mit einer Taschenlampe ein Tuch an, daß dem Gefangenen über einer Schulter hängt und ebenfalls Blutflecken aufweist.

Es wird klar, warum Garner als Sündenbock herhalten mußte, während die Verantwortlichen straflos ausgehen.

“... diese Werbefotos für eine funktionierende Justiz in einer Demokratie überlagert werden von Folterbildern britischer Soldaten ...“

„Funktionierende Justiz“ für Sündenböcke?

New Torture Photo2
Neues US-Folterfoto: Auf einem anderen Photo sieht man einen US-Soldaten auf (!) einem Gefangenen (tot oder lebendig?) sitzend (!) und in die Kamera lächelnd. Auch diesem Gefangenen wurde eine Kapuze übergestülpt und seine Hände sind hinter den Körper gefesselt.

„Die Bilder von ,Camp Brotkorb’ werden Verheerung an zwei Fronten anrichten. Zu einen im Irak selbst, wenn wieder gewählt wird. Dieses Material ist wie gemacht für Radikale und Terroristen, die kein Interesse haben an einer Stabilisierung des Landes. Mit diesen Fotos können Leute aufgestachelt und weitere Gewalt und weitere Anarchie ins Land gebracht werden.“

Abu Ghraib Lynndie England

Die Folter selbst ist nicht zu verurteilen, aber die Bilder hätten nicht an die Öffentlichkeit kommen dürfen, den nun können „Radikale und Terroristen“ dies ausnützen.

New Torture Photo3
Neues US-Folterfoto: Ein drittes Photo zeigt einen liegenden halbnackten Gefangenen, dem ein US-Soldat seinen Stiefel auf die Brust gesetzt hat.

Nichts beschreibt die Menschenverachtung unseres Mainstream-Journalismus besser als diese Worte. Nicht der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der US-Regierung hat Gewalt und Anarchie in den Irak gebracht, nein, das sind die „Radikalen und Terroristen“.

Es gibt nur noch zwei Alternativen: Entweder wir stehen auf der Seite dieses Packs von Folterern und Menschenverächtern oder wir werden „Radikale“. Daß sie uns dann Terroristen nennen werden, ist unvermeidlich.

New Torture Photos4
Neues US-Folterfoto: Auf einem vierten Photo taucht ein US-Soldat auf, der den Kopf eines Gefangenen, der offenbar ebenfalls mit den Händen hinter dem Rücken gefesselt ist und der deutliche rote Marken am Hals aufweist, offenbar mit Gewalt in die Kamera dreht, während die behandschuhte Hand des offenbar photographierenden Soldaten dessen Hals zudrückt.

„Katastrophal sind die Folterfotos aber auch für den britischen Premierminister zu Hause, wo der Krieg ohnehin sehr unpopulär ist. Und nicht bloß im Irak wird gewählt, auch in Großbritannien. Derartige Bilder und ihre suggestive Kraft sind ... mit Worten nicht so leicht aus der Welt ... zu schaffen.“

Ist es nicht tragisch, welchem unverschuldeten Schicksal der arme Premier ausgesetzt ist? Schnüff! Trauerminute ein ...Trauerminute aus.

Die „Süddeutsche“ ist aber keineswegs allein, der ganze Chor der Menschenverächter stimmt ein. Hier ein Auszug aus der englischen Ausgabe der Nachrichtenagentur Reuter:

“... newspapers and opposition politicians warned of long-term damage to the image of Britain's military … The Times said the pictures would "provoke outrage in the Arab world and sully the reputation of the British Army." … "These pictures will inevitably open all wounds and be part of drawing parallels with Abu Ghraib." … Some newspapers said the case could put Britain's 9,000 troops in southern Iraq at risk by fueling anger…. “

„Zeitungen und Oppositionspolitiker warnten vor einem Schaden auf lange Sicht für das Ansehen des britischen Militärs ... Die ‚Times’ schrieb, diese Bilder werden einen Aufschrei in der arabischen Welt verursachen und das Ansehen der britischen Armee schädigen ... Diese Bilder werden unvermeidlich alle Wunden öffnen und man wird Parallelen ziehen zu Abu Ghraib ... Einige Zeitungen schreiben, dieser Fall kann die 9 000 Mann britischer Truppen im Südirak in Gefahr bringen, indem er Wut entflammt...“

Die Folter selbst ist nicht Teil der Befürchtungen. Es geht um das Ansehen des britischen Militärs, daß man den Unmenschlichkeiten der US-Truppen in Abu Ghraib gleichgesetzt werden könnte und daß Wut entfacht werden könnte auf die britischen Truppen im Irak. Niemand ist über Folter besorgt!

Interessant auch, daß diese Leute glauben, das britische Militär hätte ein Ansehen. Glaubt man wirklich, das Gedächtnis der Welt ist so schlecht, daß man vergessen hätte, was diese Soldateska über Jahrhunderte in kolonial unterdrückten Ländern getan hat?

Besonders die Bilder, in denen die Soldaten sich wie Jäger mit einer erlegten Beute ablichten lassen, lassen die Erinnerung auf eine Reihe von Bildern der bekannten „Wehrmachts-Ausstellung“ hochkommen, die in vielen deutschen Städten gezeigt wurde. Auch dort tauchten Soldaten auf, die sich mit Gefangenen oder Toten in diesen Positionen fotografieren ließen. Das heißt nicht, daß die heutige US-Administration mit dem Hitler-Regime vergleichbar ist, aber daß beide vergleichbare Methoden verwenden. Der Gegner wird als ‚Untermensch’ oder ‚entmenschter Terrorist’ in den Köpfen der Soldaten verankert. Dann kann man sicher sein, daß sich Soldaten finden, die gegnerische Gefangene oder Leichen entsprechend behandeln.

Einen eigenen Skandal stellen die Äusserungen von Gary Solis dar, der zu diesen Photos befragt wurde. Er ist ein ehemaliger Militär-Staatsanwalt und –Richter der US-Marine und lehrt zur Zeit an der US-Militär-Akademie. Er sagt, die Photos zeigen „dummes und kindisches, aber nicht notwendigerweise kriminelles Verhalten“.

Wenn Leute an der US-Militärakademie lehren, die solch eindeutig als Folter zu kennzeichnendes Vorgehen als ‚dumm und kindisch’ verharmlosen, braucht man sich nicht zu wundern, daß die Offiziere, die aus diesen Akademien hervorgehen, später Truppen befehligen, in denen „dumme und kindische“ Folter an der Tagesordnung ist.

Was glaubt Herr Solis, was dem Gefangenen rotes aus der Kapuze läuft? Ketch-up?


Hier noch ein älterer Artikel von Elmar, zusammengestellt aus zwei Artikeln, redigiert vom Autor. Er ist so aktuell wie am ersten Tag!



Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur Folter:


- Bush und Rumsfeld foltern!

- Die USA am Scheideweg – Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

- Profimässig foltern – wie ist das?

- Kann man durch Folter Wahrheit erfahren?

- Folter – CIA-Folterflüge und europäische Regierungen

- Wenn bürgerliche Rechte abgeschafft werden... - USA-Land der Freiheit?

- Interviews mit Guantánamo-Insassen

- Beine zu Brei geschlagen – Folter in Afghanistan

- Warum wird gefoltert?

- US-Generalmajor Taguba zwangspensioniert

- Fürchterlich schrille Schreie von gefolterten Jungen

Sonntag, 7. Oktober 2007

Brasilien: Oberstes Bundesgericht nimmt Anklagen gegen Vertraute Lulas an

Palocci ist weiterhin nicht angeklagt

Von Karl Weiss

Die von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss angeklagten Politiker der PT Lulas und andere Vertraute des brasilianischen Präsidenten wurden vor dem obersten Bundesgericht angeklagt. Es nahm fast alle Anklagen gegen alle Angeklagten an und wird nun in einem langen Gerichtsverfahren die Schuld zu klären haben.

Vor etwa eineinhalb Jahren (März 2006) wurde ein umfangreiches mafia-gleiches System der Bereicherung aus Steuergeldern, der Korruption und von nicht deklarierten Spendengeldern von Lulas PT in Brasilien mit dem Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses des Parlaments offiziell verurteilt. Der Skandal, der zunächst als „Mensalão“ in die Schlagzeilen kam, dann aber weit über monatliche Korruptionsgelder an verbündete Politiker hinausging, führte zum Rücktritt praktisch der ganzen Führungsspitze der PT mit Ausnahme von Lula selbst.

Der Höhepunkt des Skandals war erreicht, als im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses Super-Minister Palocci zurücktreten musste, der wichtigste Vertraute Lulas, der bei einem Versuch erwischt wurde, seine Verwicklung in eine ähnliches Korruptions-System aus seiner Zeit als Bürgermeister der großen brasilianischen Stadt Ribeirão Preto zu vertuschen, indem er seine Macht missbrauchte, um eventuell belastende Dokumente gegen einen Zeugen zu erlangen, der gegen ihn ausgesagt hatte.

Was die Entlassung des Finanzministers Palocci damals so bedeutsam machte, ist die Tatsache, daß er es war, der ohne Zweifel die Richtlinien der brasilianischen Politik bestimmte. Lula war und ist ein begabter Schauspieler, eine Symbolfigur –ähnlich wie Bush jr. – gut als Darsteller, aber unfähig, eine eigene Politik zu entwickeln.

Brasilianische Politik – und das gilt für die meisten Entwicklungsländer - heißt zu bestimmen, wieviel Prozent Zinsen man den imperialistischen Regierungen, Banken und Großkonzernen pro Jahr zahlt. Zahlt man soviel wie von Weltbank und Internationalem Währungsfond gefordert - und das war die Politik Paloccis - bleibt sowieso kaum noch etwas übrig, von dem man noch irgendetwas anderes bezahlen könnte. Wenn sich Politik fast ausschließlich auf Dinge bezieht, die nichts oder fast nichts kosten, z.B. Aussenpolitik, ist das logischerweise etwas spärlich.

Paloccis Politik lautete damals, 18 bis 19 Prozent Zinsen jährlich auf die Milliarden-Schulden zu zahlen. Das war wohlgemerkt der Leitzins (heute bei etwa 11%). Mit anderen Worten, alle internationalen Spekulanten konnten, wenn sie ihr Geld in brasilianischen Regierungsanleihen anlegten, eine phantastische Superverzinsung erreichen, die sonst nur mit extrem riskanten Hedge-Fonds, mit noch riskanteren reinen Spekulationen oder ähnlichen Anlagen möglich ist.

Abzüglich der Inflation, die unter 5 Prozent jährlich lag (und auch heute noch liegt), ergab das um die 13 Prozent Netto-Zinserlöse. Das zahlt nicht die Aktie des profitabelsten Konzerns, nicht der KKR-Hedge-Fond, nicht einmal der Besitz einer Goldmine gibt soviel her. Mehr gibts nur noch, wenn man in illegale Geschäfte einsteigt – was daher von vielen Superreichen auch immer mehr getan wird.

Brasilianische Regierungsanleihen sind natürlich nichts, wo Otto Normalverbraucher Geld anlegen könnte, so er denn welches hat. Allein die Kosten für den Kauf oder Verkauf gehen in die Tausende von Dollar. Das lohnt sich also nur, wenn man im Bereich von zig oder Hunderten von Millionen oder mehr anlegt, dann sind diese Kosten verschwindend.

Der neue Minister Mantega, Nachfolger Paloccis, versicherte denn auch gleich, daß er alles genauso machen würde wie jener. Hätte er das nicht gesagt, hätte es massive Abwertungen des brasilianischen Real gegeben. So war denn auch das einzig Neue, er ging eine Politik der geringfügigen Verminderung der Zinsen an.

Die brasilianische Ökonomie war in jenem Moment ein reines Finanzspiel. Das Brutto-Sozialprodukt Brasiliens wuchs im Jahr davor (2005) lediglich um 2,3 Prozent. Das sind Zahlen, die in die Nähe des deutschen Wachstums kommen – und das nennt man in Deutschland einen ‚kranken Mann’. Es gab also keinerlei Grund zu frohlocken, die Wirtschaft stottert so vor sich hin. Trotzdem stieg der Wert des Real bis in die Nähe der Grenze von 50 Cents vom US-Dollar – ein völlig absurder Wert (heute liegt er aufgrund der Dollar-Schwäche sogar noch höher).

Dies alles, weil Milliarden und Abermilliarden spekulative Gelder nach Brasilien flossen (und heute noch fliessen) – kein Wunder bei diesen Zinserwartungen (auch wenn die heute etwas geringer sind). Keine wirklichen Gelder, keine Investitionen, nein, volatiles Geld, angelegt in Real und Staatsanleihen, das beim geringsten Anzeichen eines Problems wieder aus dem Land abgezogen wird und dann massive und ebenso absurde Verluste des Wertes der Währung verursacht.

Palocci war nicht gestürzt über die Korruption, auch wenn es wahrscheinlich ist, daß er dort auch verwickelt war, aber man hatte noch nichts wirklich beweisen können. Er war gestürzt, so wie viele Politiker (man erinnere sich nur an den damaligen US-Präsidenten Nixon) über seine Versuche, die Spuren zu verwischen bzw. in diesem Fall einen Zeugen unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Es ging um den Hausmeister einer Villa, der angegeben hatte, Palocci sei auch unter den PT-Politikern gewesen, die in jener Villa ein- und ausgingen, von der man bereits wußte, daß dort die Gelder aus den schwarzen Kassen verteilt – und nebenbei auch Gelage und Feste mit Prostituierten abgehalten wurden.

Na, kommt uns das nicht bekannt vor? Korruption gemischt mit Prostituierten in extra hierzu bereitgestellten Immobilien – und der Chef selbst, Hartz, geht dort auch ein und aus?

Man sollte also nicht zu schnell die Nase über eine südamerikanische Bananerepublik rümpfen, denn all diese Vorgänge haben direkte Parallelen zu der Hartz-VW- und SPD-Korruption und in jenen Teilen, die nicht gemeldete Spendengelder umfassen, auch zu Kohls und Schäubles schwarzen Geldkoffern, deren Urheber sie nicht nenen wollten und doch nicht verurteilt wurden.

Nun ging es darum, diesem Hausmeister das Maul zu stopfen. Man begann zu suchen, ob da nicht auf seinem Konto bei Brasiliens Bundes-Sparkasse ‚Caixa Económica Federal’ Unregelmässigkeiten zu finden waren. Der Chef der ‚Caixa’ kam rein zufällig auf die Idee, sich einen Kontoauszug von dessen Konto geben zu lassen. Kurz zuvor - so ergaben die Ermittlungen – gab es einen Anruf aus Paloccis Büro bei ihm – Palocci war sein Chef.

Mit dem Kontoauszug benachrichtigte er sofort Palocci: Dort waren Geldeingänge gefunden worden waren, die eventuell auf Illegales des Hausmeisters hinweisen könnten. Später stellte sich heraus, alle Geldeingänge waren legal, aber das spielte dann schon keine Rolle mehr.

Palocci hatte diese Information über eventuell illegale Geldeingänge über einen Politker seines Vertrauens an ein Nachrichtenmagazin heraussickern lassen, um die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu untergraben. Man liess andeuten, der Hausmeister habe eventuell Gelder von den Oppositionsparteien erhalten, um eine verlogene Aussage gegen Palocci zu machen. Doch nun kam die Sache heraus.

Einer der Beteiligten ließ im Gegenzug die Information über den Bruch des Bankgeheimnisses ‚aus persönlichen Gründen’ an einen Oppositionspolitiker durchsickern – und schon stand Palocci bis zum Hals im Dreck. Lula konnte nicht mehr anders, als ihn zu entlassen, um nicht selbst mit hineingezogen zu werden.

Die zweite geplatzte Bombe damals war der Abschlussbericht jenes Untersuchungsausschuß des Parlaments, der zunächst wegen bestimmter Unregelmässigkeiten bei der in Brasilien immer noch staatlichen Post eingerichtet worden war. Dieser Ausschuß hatte im vorhergehenden Jahr, als die ersten Korruptionsanklagen gegen Lulas PT aufkamen, diesen Komplex an sich gezogen und ermittelt. Sein Verdikt wäre ausreichend, um unter normalen Umständen jede beliebige betroffene Partei zur Bedeutungslosigkeit zu verurteilen. Nicht so die PT Lulas.

Der Bericht bestätigt die Hauptanklage, daß nämlich die ganze Direktion der PT (mit Ausnahme Lulas) ein Schema entwickelt und dann durchgezogen habe, wie man Gelder aus staatlichen Unternehmen herausholt und dann (zusammen mit nicht gemeldeten Spenden) über eine Art von Geldwaschanlage zu PT-Geld macht, das für die Wahl-Fonds der Kandidaten verwendet wird, wobei die Kandidaten allerdings keinerlei Rechenschaft darüber abzugeben hatten. Auch die Verbündeten wurden bedacht. Angeklagt (und damit der weiteren Behandlung durch die Staatsanwälte anheimgestellt) wurden 122 Personen.

Hier nur die Haupt-Anklagepunkte und die wichtigsten angeklagten Personen des Berichts:
  • José Dirceu, damaliger Kabinett-Chef und ‚rechte Hand Lulas’ (in Wirklichkeit war Lula seine linke Hand; er mußte bereits Mitte vorhergehenden Jahres zurücktreten), angeklagt der aktiven Bestechung;
  • Luiz Gushiken, ein anderer damaliger Minister (ebenfalls schon lange zurückgetreten), soll der Hauptakteur innerhalb der PT gewesen sein, angeklagt wegen aktiver Bestechung und Machtmißbrauch;
  • José Genoino, damals Vorsitzender der PT (auch er schon ein halbes Jahr aus dem Amt), angeklagt der Geldwäsche, Unterschriftsfälschung, aktiver Bestechung und Wahlvergehen;
  • Delúbio Soares, damaliger Schatzmeister der PT, angeklagt der Unterschriftsfälschung, Geldwäsche, aktiver Bestechung, Untreue und Wahlvergehen;
  • Marcos Valério, Unternehmer und „Berater" Lulas, er soll die Geldwäsche und die Geldverteilung über zig Konten koordiniert haben, angeklagt insgesamt neun krimineller Taten, darunter Geldwäsche, Machtmißbrauch und Unterschriftsfälschung; die Geldflüsse waren so hoch, dass man dafür in Anlehnung an den Begriff Aquädukt den Namen Valerio-dukt erfand;
  • Roberto Jefferson, vom Koalitionspartner der PT, der PTB; er hatte den Stein ins Rollen gebracht; er war in die ursprünglich zu untersuchenden Unregelmäßigkeiten bei der Post verwickelt; als er merkte, daß er nicht davon kommen würde, beschloß er, die ganze Regierung mit in den Skandal zu ziehen und legte die ganzen Korruptionsschemata dar; angeklagt der passiven Bestechung, der Steuerhinterziehung und von Wahlvergehen;
  • Eduardo Azeredo, nicht von der PT, sondern früherer Präsident deren ärgster Gegner PSDB (des vorherigen Präsidenten Cardoso), angeklagt der passiven Bestechung und des Wahlvergehens. Sein Fall macht deutlich: es handelt sich keineswegs nur um eine PT-Mafia, vielmehr sind diese kriminellen Machenschaften schon lange fester Bestandteil jeglicher brasilianischen Politik.
Dazu wurden eine Reihe von damaligen Präsidenten und Direktoren von Staatsbetrieben der Untreue angeklagt. Zwei Politiker waren außerdem angeklagt, weil sie Dokumente der Kommission übergeben hatten, die sich später als gefälscht herausstellten.

Brasilien (topographisch)

Der Duchschnittsbrasilianer sieht in solchen Fällen meist schwarz: Es wird am Ende doch niemand verurteilt. In Brasilien gebraucht man hierfür das Bild der Pizza: Alle Beteiligten gehen in die Pizzeria, bestellen eine Pizza und alles bleibt unter dem Teppich.

So kam es dann auch zum Pizza-Tanz. Im März 2006 war u.a. einem der PT-Abgeordneten, die monatliche hohe Zahlungen bekommen hatten, vom Plenum des Bundestages sein Mandat nicht aberkannt worden. Eine Kollegin von ihm war nach der Absolution so erfreut, daß sie von ihrem Abgeordnetensitz aufstand und ein kleines Samba-Tänzchen hinlegte, das man in allen Fernseh-Nachrichten sehen konnte und dann sofort die Bezeichnung Pizza-Tanz bekam.

Nun also, was unerhört ist in der brasilianischen Politik: Die Angeklagten des Mafia-Schemas, die das Recht haben, nicht vor normalen Gerichten angeklagt zu werden, weil sie zur Zeit der Taten hohe staatliche Würdenträger waren, wurden von der Bundesanwaltschaft vor dem Obersten Gerichtshof angeklagt und der nahm Anklagen gegen alle Angeklagten an, insgesamt 29 „Würdenträger“.

Wahrscheinlich wird sich der Prozess nun Jahre hinziehen. Selbst wenn sie in erster Instanz verurteilt werden, haben die Mafia-Politkrer noch das Recht auf eine Berufung, wiederum beim Obersten Gerichtshof. Mit ein wenig geschickter Prozess-Verzögerung wird wohl schon keiner von ihnen mehr am Leben sein, wenn ein nicht mehr anfechtbares Urteil vorliegen würde.

Trotzdem ist es immerhin ein kaum glaubliches Ereignis, nicht nur für Brasilien, sondern international: Die gesamte Führung einer Regierungspartei, mit der einzigen Ausnahme des Staatspräsidenten, musste zurücktreten und ist einer Reihe von Verbrechen angeklagt, ohne dass dies Auswirkungen auf die tatsächlichen Wahlaussichten dieser Partei hat. Es sei daran erinnert: Lula wurde nach diesen Veröffentlichungen, als er bereits eine neue Equipe hatte, mit grosser Mehrheit in Direktwahl vom Volk wiedergewählt.

Palocci allerdings ist bis heute nicht angeklagt worden wegen seiner eigenwilligen Auslegung des Bankgeheimnisses, um einen Zeugen gegen ihn unglaubwürdig machen zu können.

Die brasilianische Bevölkerung nimmt all dies mit ziemlich stoischer Ruhe hin und geht dem schweren Tagewerk in einem Entwicklungsland nach. Die Politiker dürften aber unterschätzen, wieviel Wut auf sie und ihre Machenschaften sich da im Bauch eines ganzen Volkes ansammelt.

Veröffentlicht am 6. Oktober 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel

Mittwoch, 3. Oktober 2007

Verbeamtete Mafia

Wie sich durch Zufall einmal die tägliche Polizei-Praxis entlarvte

Von Karl Weiss

Deutsche Staatsgewalt in Aktion. Gegen Links immer „volle Pulle“. Die „Weimarer Republik“ lässt grüßen. Von einem demokratischen Staat hat das nichts. Was seit Urzeiten Praxis deutscher (und nicht nur deutscher) Polizisten ist, der Korpsgeist über alles, das gegenseitige „Absichern“ von Polizisten mit falschen Zeugenaussagen bei illegalen Übergriffen, wurde nun an einem konkreten Fall öffentlich und belegt. Selbstverständlich passiert den Polizisten trotzdem nichts. Die Staatsanwaltschaft hat entsprechende Anklagen bereits niedergeschlagen.

Was war geschehen?
Am 2. Oktober 2004 hatten einige Gewerkschaftseinheiten, attac, PDS und weitere Organisationen zu einem Protest gegen Hartz IV aufgerufen. 45 000 Menschen kamen zur Demonstration (nach Angaben der Veranstalter über 100 000). Sie ging vom Berliner Alexanderplatz durch die Friedrichstrasse und Unter den Linden. „Weg mit Hartz IV – das Volk sind wir“ war das Motto.

Die Staatsgewalt suchte nun einen Vorwand zum Eingreifen. Bald hatte sie einen gefunden. Ein paar Eier waren gegen die Fassade der VW-Vertretung Unter den Linden geworfen worden. Schließlich war Hartz VW-Vorstand.

Zu diesem Thema, den immer mehr um sich greifenden exzessiven Polizeieinsätzen gegen linke Demonstrationen, gibt es auch noch diesen Artikel im Blog.

Schon rückte die Polizei mit Hundertschaften an und zielte genau mitten in die Demonstration. Einer der ersten, der getroffen wurde, war der Junge Felix K. Man deckte ihn mit Faustschlägen ein und er ging kurzzeitig bewusstlos zu Boden. Wieder erwacht, führte man ihn im Polizeigriff ab, brachte ihn auf die Wache, ohne seine Verletzungen behandeln zu lassen, später auf die Hauptwache, ohne Zugang zu Rechtsbeistand noch zu einem Arzt, obwohl die Verletzungen offensichtlich waren, behandelte ihn erkennungsdienstlich - und ließ ihn dann laufen.

Es wurde eine Platzwunde an der Lippe von den Schlägen konstatiert, beide Augen waren zugeschwollen von den Misshandlungen. Am Hals hatte er Abschürfungen mit der Marke von Stiefelsohlen, mit denen er gewürgt und auf den Boden gedrückt worden war.

Hatten nun die Polizisten, die dafür verantwortlich waren, ein Problem? Oder jener, der das Einsatzkommando gegeben hatte? Misshandlung in polizeilicher Obhut? Unbegründete Festnahme? Nein, keineswegs. Man sprach sich ab: Der Felix sei vermummt gewesen, darum habe man ihn „schnappen“ müssen. Er habe sich mit Gewalt gegen seine Festnahme gewehrt, dabei u.a. einem Polizisten gegen die Schienbeine getreten, da habe man ihn überwältigen müssen gegen schweren Widerstand. Dabei könnte es sein, dass man auch einen Faustschlag verteilt habe.

So wurde den Felix angeklagt, nicht die Polizisten oder der für den unbegründeten Einsatz Verantwortliche.

Vor Gericht sagten die drei beteiligten Polizisten alles eakt gemäss der Absprache aus. Weder Richter noch Staatsanwalt schien aufzufallen, dass man von einem Faustschlag nicht eine aufgeplatzte Lippe und zwei zugeschwollene Augen haben kann. Auch der Tritt gegen das Schienbein wurde geglaubt, obwohl der betroffene Polizist sagte, er habe das nicht gespürt. Der dritte Polizist sagte aus, er habe nichts von mehreren Faustschlägen gesehen und so kam es, wie es in der deutschen Unrechtsjustiz kommen muss: Das Opfer wurde zum Täter und verurteilt zu Arrest, sogar über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Der unsägliche Richter meinte, er müsse „eindringlich vor weiteren Straftaten gewarnt“ werden.

Soweit ging alles seinen geregelten Gang, wie in Deutschland (und nicht nur hier) üblich. Polizisten haben immer recht. Sie werden nicht einmal vereidigt, weil sie sowieso glaubwürdig sind. In diesem Fall sprachen die Verletzungen des Polizei-Opfers eine eindeutige Sprache, doch sie wurden einfach „übersehen“.

Dann allerdings kam eine kleine Unregelmässigkeit. Bei intensiven Suchen nach einschlägigen Fotos wurde Felix fündig. Es gibt ein Foto genau vom Moment seiner Festnahme und dem ersten Faustschlag, der ihn niederstreckte. Hier ist das Foto.

Verbeamtete Mafia - Polizisten misshandeln Demonstranten

Man kann eindeutig sehen, er ist in keiner Weise vermummt, die Begründung für seine Festnahme ist also frei erfunden.

Nun ging Felix mit diesem Beweis in die Berufung vor dem Berliner Landgericht. Der Polizist, der bei einer Falschaussage erwischt wurde, wusste nichts weiter zu sagen als, dann sei es wohl ein Irrtum gewesen.

Wenn ich mit einem Trick über das Internet das Bankkonto meines Nachbarn anzapfe, erwischt werde und dann vor Gericht sage, das sei ein Irrtum gewesen, ob ich dann wohl davon komme?

Na, Felix wurde in der Berufung freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte nun die gesetzliche Pflicht, die Falschaussage-Polizisten anzuklagen, tat es aber nicht. >Was kömmert mich eine gesetzliche Pflicht.<

Wenn ich meiner gesetzlichen Pflicht nicht nachkomme und die Steuern nicht zahle, ob ich dann auch mit nichts wegkomme, wie dieser Staatsanwalt?

Schließlich wurde Anzeige gegen die Polizisten erstattet. Wegen Falschaussage und Körperverletzung im Amt. Antwort: Schweigen im Walde. Nach einem Jahr kommt endlich eine Reaktion: Der Staatsanwalt stellt das Verfahren ein!

Die Begründung ist abenteuerlich. Felix hätte doch vermummt gewesen sein können, andere waren es ja auch. Die Perspektive des Fotos lasse Raum für Missverständnisse.

Das ist deutsche Staatsanwaltschaft im 3. Jahrtausend: Gegen Links immer auf Draht, gegen die eigene Truppe von der Polizei ist jede noch so lahme Ausrede gut.

Gute Nacht, Demokratie!


Veröffentlicht am 3. Oktober 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel

Montag, 1. Oktober 2007

Transrapid: Ein Atom-U-Boot für die Hafenrundfahrt?

Magnetschwebebahn zum Münchener Flughafen soll nun gebaut werden

Von Karl Weiss

Ist die Magnetschwebebahn eine Zukunftstechnik? Nicht nur in und um München wird heftig diskutiert: Ist es sinnvoll, den Transrapid für viel Geld als Zubringer zum Flughafen zu bauen? Soeben haben der Staat Bayern und die Bahn bekanntgegeben: Die Finanzierung sei gesichert, bereits im nächsten Jahr soll Baubeginn sein für die Magnetschwebebahnstrecke vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen. Auch die Strecke zwischen Berlin und Hamburg war schon im Gespräch, konnte dann allerdings doch nicht finanziert werden.

Die einen sagen, der Transrapid sei „der Zug der Zukunft“ und er brauche eine Referenzstrecke, um den Durchbruch zu schaffen, die anderen, er sei eine überflüssige reine Vorzeigetechnik ohne praktischen Wert. Zudem sei es veraltete Technik, weil das erste Magnetschwebebahn-Patent bereits 1934 angemeldet wurde.

Nun, der Diesel-Motor wurde bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfunden und nun, im 21. Jahrhundert, hält ihn niemand für überholt. Das kann also das Argument nicht sein.

Alternative zum Flugverkehr - Flugzeug keine Zukunftstechnik

Was ist denn die Magnetschwebetechnik wirklich? Sie ist die Alternative zum Flugverkehr.

Das Flugzeug ist nämlich im Gegensatz zur Magnetschwebebahn keine Zukunftstechnik. Warum? Weil in der Zukunft (fast) der ganze Energiebedarf der Menschheit über Elektrizität zur Verfügung gestellt wird, die aus Sonnen-Paneelen in den Wüsten und Steppen der Welt gewonnen wird.

Es ist aber kaum denkbar, dass es in irgendeiner voraussehbaren Zeit Akkus geben wird, die zum Antrieb von Flugzeugen dienen können. Ebenso kann die moderne Düsentechnik nicht auf elektrische Energie umgestellt werden.

Es gibt längst das Projekt „Synthesis“ für ein internationales Verbundnetz von Gleichstrom-Hochspannungsleitungen, mit denen die verschiedenen Zentren der Energiegewinnung in den Wüsten rund um die Erde miteinander verbunden werden können und so den einzigen Nachteil aufheben, den die Gewinnung von Energie durch Photovoltaik aus Sonnenlicht hat: Die Sonne scheint ja immer nur auf einer Seite der Erde.

Synthesis Hochspannungsleitungen-Verbund
Synthesis: Ein Verbund von Hochspannungsleitungen rund um die Erde zwischen den Zentren der Sonnenenergie-gewinnung in den grossen Wüsten bzw. Steppen der Erde. Von diesen gehen dann die Verbindungen zu den Verbrauchszentren ab.

Dazu kommen die anderen wesentlichen Nachteil der Flugzeuge, wie die unvermeidlich hohe Lärmentwicklung beim Starten und Landen, die relativ grosse Unfallgefahr, die hohen Kosten pro befördertem Passagier und km und das unglaublich hohen Niveau von schädlichen Abgasen und „Greenhouse gases“ pro befördertem Passagier und km, die bedrängende Enge in der Touristenklasse und die inhärente Terrorismus-Gefahr.

Darum ist die Magnetschwebetechnik die ideale Alternative. Zwar zeigt auch die Magnetschwebebahn das typische Pfeifen bei hohen Geschwindigkeiten, aber das Problem kann durch Tieferlegen, Tunnel, Röhren und ähnliches, wie auch beim ICE, überwunden werden, während die Umgebung von Flughäfen nicht vor dem Lärm der startenden und landenden Flugzeuge geschützt werden kann.

Bahnverkehr, so auch die Magnetschwebebahn, kann mit ein wenig Aufwand praktisch unfallfrei funktionieren.

Die Kosten pro Passagier und km sind vergleichbar denen des ICE, während weit höhere Geschwindigkeiten entwickelt werden können.

Mit Elektrizität, die direkt aus Photovoltaik unter Ausnutzen des Sonnenlichts gewonnen wird, gibt es keinerlei Luftverschmutzung mehr wie auch keinen Ausstoss von Gasen, die zur globalen Erwärmung beitragen können.

Zumindest für den Ersatz des Flugverkehrs innerhalb der Kontinente ist die heute bestehende Technik bereits geeignet und anwendbar. Für den Ersatz von Interkontinentalflügen muss noch einiges Neue geschaffen werden, was aber wohl auch nichts Unmögliches darstellt, z.B. Unterwasserröhren, Brücken oder ähnliches.

Aber selbst wenn bis auf weiteres nur die kontinentalen Flüge ersetzt würden, wären die Vorteile schon gewaltig. Man könnte die interkontinentalen bis auf weiteres den Flugzeugen überlassen. Mehr als 90% des Passagieraufkommens und mehr als 75% der Passagierkilometer betreffen kontinentale Flüge (wobei Eurasien eben ein Kontinent ist).

Über lange Strecken macht sich natürlich bis jetzt noch der Geschwindigkeitsunterschied bemerkbar, denn die modernen Passagierjets fliegen mit etwa 900 km/h, während der Transrapid nur mit bis zu 500 km/h unterwegs ist, aber die weitere Beschleunigung ist auch bei ihm noch möglich. Er wurde ja seit der Eröffnung der Teststrecke im Emsland nicht mehr weiterentwickelt, weil man erst einmal das investierte Kapital herausholen wollte.

Das ist eben das Problem mit dem Kapitalismus, man kann neue sinnvolle Technologie nicht einfach vorantreiben, sondern muss immer warten, bis irgendein Kapitalist damit Profite macht. Deshalb stehen ja die Wüsten heute noch nicht voller Photovoltaik, um der Menschheit fast umsonst alle benötigte Energie zur Verfügung zu stellen. Damit könnten alle Fragen der Verknappung von Ölresourcen und von globaler Erwärmung mit einem Schlag gelöst werden.

Der Kapitalismus, der gegenüber dem Feudalismus noch ein gewaltiger Schritt vorwärts in der Menschheitsgescichte war, ist zum wichtigsten Hindernis für die Lösung der Probleme der Menschheit geworden.

Zudem kann man mit einer Hochgeschwindigkeits-Technologie auf dem Boden (oder besser gesagt 10 cm über dem Boden) auch die Technik anwenden, die Hochgeschwindigkeitszüge ständig in Bewegung zu halten, während kleinere Zugeinheiten während der Fahrt angekoppelt und abgekoppelt und zum Beschleunigen und Abbremsen verwendet werden und noch andere Einheiten tatsächlich zu den Haltestellen fahren. Die kräftige Beschleunigung und das extreme Abbremsen, die man mit der Magnetschwebetechnik realisieren kann, machen so einen schnellen Passagierumsatz möglich, auch wenn die Passagiere dann innerhalb der Zugeinheiten umsteigen müssen, wenn sie aussteigen wollen oder auf die Hochgeschwindigkeitsstrecke wollen.

Aber all das ist Zukunftsmusik, solange der Profit für einige wenige Kapitalisten das alles Ausschlaggebende ist statt der objektiven Interessen der Menschen.

So kam es auch, dass vor einiger Zeit überhaupt die Idee aufkam, der Hochgeschwindikgkeitszug mit der niedrigen Flughöhe könnte als Zubringer für Flughäfen geeignet sein. In Wirklichkeit ist dies eine Verwendung, in der er fast alle wesentlichen Vorteile eben gerade nicht beweisen kann. Es ist sogar eine ironische Anwendung, wenn man bedenkt, er sollte eigentlich diese Flughäfen überflüssig machen.

Trotzdem hat man den Chinesen den Flug-Zug für die Zubringerdienste zum Flughafen Shanghai verkauft. Die Chinesen haben sich dafür dadurch bedankt, dass sie eine eigene Kopie der Technik entwickelt haben und sie jetzt weit billiger als Siemens herstellen können.

Die letzte Chance, die Siemens jetzt noch sieht, eventuell noch Profit aus dem Transrapid zu schlagen, ist wiederum ein Flughafenzubringer, diesmal zum Münchener Flughafen. Das Projekt geistert schon eine ganze Zeit herum, nur ist es eben unsinnig.

Der Transrapid als Flughafenzubringer, das ist so, als würde man ein modernes riesiges AtomU-Boot für eine Hafenrundfahrt benutzen.

Selbst die vorher in Erwägung gezogene Strecke Berlin-Hamburg wäre ja relativ kurz gewesen, um die Überlegenheit des Konzepts der Magnetschwebetechnik zu zeigen.

Hier im Kapitalismus geht es eben auch immer um die Interessen von Konzernen, die überlagern, was sinnvoll wäre. Die Flugzeugbau-Konzerne, die Fluggesellschaften, die Flughafenbetreiber, all die Arbeitsplätze, da sind die Widerstände praktisch fast unüberwindlich.

So kann man unter den gegebenen Umständen eigentlich nur die völlige Unsinnigkeit des Projekts Flughafenzubringers konstatieren und gleichzeitig die Magnetschwebebahn-Technik als Zukunftstechnik verteidigen.


Veröffentlicht am 1. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Karl Weiss - Journalismus

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