Montag, 18. August 2008

Langzeitarbeitslose in der Pflege von Demenzkranken

Bundesagentur will Tausende „Stellen“ im Pflegedienst schaffen

Von Karl Weiss

Die Bundesagentur für Arbeit, bekannt für ihre Statistikmanipulationen, die Millionen von Arbeitslosen scheinbar spurlos verschwinden lassen, hat einen neuen Coup vorbereitet: Man will „schwer vermittelbare“ Arbeitslose als Pfleger für Demenzkranke einsetzen. Vertreter der Pflege lehnen dies strikt ab: „Der Aktionismus der Behörden ist zynisch!“

Meseberg-Tagung Bundesregierung

In der Pflege von Demenzkranken, das sind vor allem von Alzheimer Betroffene, werden die höchsten Ansprüche in den Pflegeberufen gestellt: In der Regel ist eine Ausbildung als Sozialarbeiter, Krankenpfleger oder ähnliches gefordert. Vor allem aber müssen die möglichen Kandidaten in einem Kurs von mehreren Monaten auf die schwierigen Aufgaben dieses Pflegeberufs vorbereitet werden.

Wegen ihrer Orientierungslosigkeit werden Alzheimer-Patienten schon einmal gewalttätig. Dann muss der Pfleger oder die Pflegerin mit Härte vorgehen, aber ohne selbst gewalttätig zu werden. Dabei sein psychisches Gleichgewicht zu behalten und nicht der Versuchung zu unterliegen, die Kranken als Vieh zu behandeln, verlangt über die Ausbildung hinaus extrem gefestigte Persönlichkeiten.

Alzheimer-Kranke in mittlerem und fortgeschrittenem Stadium sind nicht mehr in der Lage, die Pfleger wiederzuerkennen – ganz zu schweigen von den eigenen Familienangehörigen. Sie sehen sich deshalb in einer Welt nur von Fremden umgeben, allein gelassen und unwürdig behandelt und reagieren entsprechend.

In der Endphase der Krankheit verlieren die Patienten praktisch vollständig die Erinnerung an die einfachsten Handlungen des täglichen Lebens. Sie können nicht mehr essen oder trinken, sie können sich nicht anziehen, sich waschen oder duschen, sie wissen nicht mehr auf die Toilette zu gehen, sind aber gleichzeitig bewusst und haben einen eigenen Willen. Dabei fühlen sie sich allein und ausgesetzt, denn sie erkennen niemanden mehr wieder und sind daher völlig verzweifelt. Da kann jeder verstehen, dies führt zu Verzweiflungstaten.

Diese Patienten zu betreuen ist daher eine der schwierigsten Aufgaben in der ganzen Pflege. Gefestigte Charaktere mit guter Ausbildung verstehen es aber, den Patienten Anhaltspunkte zu geben und sie so zu beruhigen. Das bedeutet, völlig Verzweifelten noch einen kleinen Rest von Lebensqualität zu ermöglichen.

Ausgerechnet in dieser Aufgabe will nun die Bundesagentur Personen unterbringen, die selbst schon Probleme genug haben. Sie müssen seit geraumer Zeit mit Hartz IV auskommen und werden in vielen Fällen von den Behörden erniedrigt, drangsaliert und mit dem Hungertod (Streichen der Leistungen) bedroht. Erfahrungsgemäss stärkt das nicht die Persönlichkeiten, sondern macht sie selbst zu Opfern.

Die Vorstellung, wie diese Arbeitslosen mit einem Schnellkurs von nicht einmal einem Monat zu verantwortlichen Pflegern für solche Patienten werden können, ist abenteuerlich. Es werden ausdrücklich keine Erfahrungen in der Pflege verlangt. So empört sich denn auch Helmut Wallrafen-Dreisow, Mitglied des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe: „Demenz gleichzusetzen mit basteln, vorlesen und Spazierengehen, ist eine Unverschämtheit".

Es gibt etwa 30 000 arbeitslose Altenpfleger und Altenpflegehelfer, berichtet die „Tagesschau“ und eine grosse Zahl von Lehrstellen in diesem Bereich sind nicht besetzt. Stattdessen will man dort nun Langzeitarbeitslose einsetzen.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat den geplanten Einsatz von Langzeitarbeitslosen in der Pflege verteidigt. Die neue Betreuung von Demenzkranken in Pflegeheimen sei ... "ein großer Schritt voran". Nur befähigte Arbeitslose würden dazu vorgesehen. Aber das ist die gleiche Beruhigungspille, die man damals bei den Ein-Euro-Jobs verteilte. Nur zusätzliche Arbeitsplätze würden besetzt, keine normalen Arbeitsplätze umgewandelt. Jeder weiss, was wirklich geschah.

Es ist charakteristisch für unsere Politikerkaste und die ihnen unterstehenden Behörden, solche Ideen in die Welt zu setzen. Am Anfang meinen viele, so wie es bei Hartz IV geschah, das sei wohl nicht ernst gemeint und werde gar nicht verwirklicht. Doch dann wurde es - und jeder vernünftige Mensch beobachtet es mit offenem Mund, wie es so etwas in einem Land geben kann, das doch gerade noch als zivilisiert angesehen wurde.

Das gleiche geschah ja mit den Ein-Euro-Jobs. Als sie am Anfang vorgeschlagen wurden, gab es viele Stimmen, die sagten, das werde nicht greifen, denn das sei ja Zwangsarbeit, es gebe sowieso nur wenige Stellen, wo dies nicht reguläre Arbeitsplätze ersetzen würde usw. Doch die Politikerkaste meint, was sie sagt. Nur die Beruhigungspillen sind Lügen. Man ersetzte Zehn-, ja Hunderttausende von regulären Arbeitsplätzen durch Ein-Euro-Jobs, ohne mit der Wimper zu zucken.

Insofern müssen wir auch anfangen ernst zu nehmen, was Frau Merkel schon vor Jahren sagte: „Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit.“ (Siehe hier).

Auch das wird man konsequent umsetzen wollen. Der angebliche Sozialstaat ist sowieso schon den Bach hinunter gegangen, jetzt kommt die angebliche Demokratie dran, d.h. der völlige Abbau aller bürgerlichen Rechte.

Dieses System muss weg!


Veröffentlicht am 18. August 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Zusatz zum Artikel

Was im Artikel noch fehlte war, wie schon vermutet, die lächerlich geringe Bezahlung für die Arbeitslosen in der Demenzkranken-Pflege. Hier gibt es dazu eine Ausage:

http://www.rf-news.de/rfnews/schlagzeilen#News_Item.2008-08-22.0941

21.08.08 - Merkel zu geplanten Billigpflegern: "Große Leistung"

Bundeskanzlerin Merkel lobte in der gestrigen Kabinettssitzung den geplanten Einsatz von Langzeitarbeitslosen als Pfleger von Demenzkranken in Altenheimen als eine "großartige Leistung". Die Regierung rechnet mit 10.000 Stellen, die nach dem neuen Pflegerreformgesetz mit Billigpflegern für wenige Euro die Stunde und einer "Ausbildung" von ganzen 160 Stunden besetzt werden sollen.

Sonntag, 17. August 2008

Brasilien jenseits von Fußball und Samba, Teil 8: Mata Atlântica - der atlantische Regenwald

Teil 8: Landschaften Brasiliens: Mata Atlântica - Der atlantische Regenwald

Von Elmar Getto

Nach dem Artikel über den Amazonas-Urwald im sechsten Teil der Reihe wollen wir uns nun einer weiteren tropischen Landschaft Brasiliens zuwenden, die für die Menschen in Brasilien eine weit größere Bedeutung hat: Dem Gebiet der ‚Mata Atlântica’ (Atlantischer Regenwald, Atlantik-Dschungel), einem Wunder der Natur, in dessen Bereich mehr als die Hälfte der brasilianischen Bevölkerung lebt.

Brasilien (topographisch)

Die ‚Mata Atlântica’ war zur Zeit des Beginns der Eroberung Brasiliens (schönfärberisch ‚Entdeckung’ genannt) im Jahre 1500 – und ist es in Teilen noch heute – schlicht und einfach das Habitat mit der größten Artenvielfalt, das es auf der Erde gibt. Es handelt sich um einen tropischen und subtropischen Regenwald, der sich vom Norden (heutiger Staat Ceará) bis in den Süden (heutiger Staat Santa Caterina) Brasiliens hinzog, entlang der Atlantikküste über Tausende von Km und der 50 bis 450 Kilometer in das Landesinnere hineinreicht, nach dem Amazonasgebiet die zweitgrößte Landschaft Brasiliens mit etwa 1 300 000 Quadratkilometer Ausdehnung, das entspricht 15% des brasilianischen Territoriums.

Nachdem diese Landschaft fast die ganze Küste Brasiliens einnimt, war sie die erste, die in Besitz genommen wurde von den ach so christlichen Europäern. Sie blieb bis heute das Gebiet, in dem die meisten Brasilianer leben, etwa 100 Millionen der 170 Millionen.

Die ‚Mata Atlântica’ war das, was jeden der Eindringlinge bezauberte und was sie (alle Beschreibungen stimmen darin überein) den Begriff ‚paradiesisch’ gebrauchen ließ.

Regenwald

Hören wir noch einmal, was Americo Vespucci über die Mata Atlântica schrieb:

„Einige Male steigerte ich mich hinein in den Duft der Bäume und der Blumen und den Geschmack dieser Früchte und Wurzeln, so sehr, daß ich bei mir dachte, ich sei im Paradies auf Erden. Und was soll ich sagen über die Vielfalt der Vögel, die Farbenpracht ihrer Gefieder und Gesänge, wie viele es sind und von welcher Schönheit? Ich will gar nicht weiter sprechen, denn ich befürchte, ihr werdet mir nicht glauben.“

Mit diesen und anderen Beschreibungen der Mata Atlântica und des – im wahrsten Sinne des Wortes paradiesischen – Lebens vieler Indio-Stämme, die man antraf, gelang es ihm, das Interesse Europas für den neuen Kontinent zu wecken und, ganz nebenbei, für sich den Nachruhm der Benennung eines Kontinentes mit seinem Namen zu errringen.

Wie kommt es, daß sich gerade entlang der brasilianischen Küste ein solches Wunderwerk der Natur entwickeln konnte? Es gibt hier eine Anzahl von Bedingungen, die an anderen Orten nicht angetroffen werden:

Amazonas

- Der nördliche Teil des Südatlantiks ist von einem Süd-Ost-Wind geprägt, also einem, der aus der Richtung Afrika herúberweht, der eine ausgeprägte Meeresströmung auf die ‚Spitze’ des südamerikanischen Kontinents zu verursacht. Der größte Teil der warmen Meeresströmung wird dort nach Norden abgeleitet und fließt in die Karibik und dann in den Golf von Mexiko. Dort hat die Strömung nur einen Ausweg, die schmale Öffnung von etwa 100 km zwischen Florida und Kuba, wo sie die stärkste bekannte Meereströmung bildet, den Golfstrom, der uns in Europa viel Feuchtigkeit, aber auch deutlich höhere Temperaturen beschert, als es für die geographische Höhe typisch wäre.

Der andere Teil der Strömung wird aber nach Süden abgelenkt und bringt der Ostküste Südamerikas eine warme Strömung und damit eine warme und feuchte Witterung. Auf diese Art und Weise werden die tropischen Gebiete an der Küste nach Süden weit in subtropische geographische Höhen hinein ausgedehnt.

- Zur Bildung eines Regenwaldes müssen etwa 2 000 mm Regen pro Jahr fallen (in Deutschland haben wir in etwa 500 mm pro Jahr). Für Zulieferung von Feuchtigkeit sorgen einerseits diese warme Meeresströmung und andererseits die das ganze Jahr über von Süden heranziehenden Fronten kalter Luft. Zwischen dem Südpol und der Mitte und dem Norden des südamerikanischen Kontinents gibt es keinen Riegel von Bergen, der das Fortschreiten dieser Kaltfronten aufhalten könnte. Dazu kommt, dass die Anden mit Gipfeln von über 5000 Metern Höhe einen Riegel in Nord-Süd-Richtung bilden und ein Ausweichen der Kaltfronten nach Westen verhindern, ebenso eine ins Gewicht fallende Beeinflussung durch das Wetter im Pazifik. Diese Fronten treffen auf der Höhe des ‚atlantischen Dschungels’ auf die aufgeheizten tropischen Luftmassen aus dem Inneren Südamerikas und verursachen Regen – oder besser gesagt tropische Sturzbäche.

- Während das riesige Gebiet des Amazonas-Urwaldes seinen Regen selbst erzeugt – er ist ja eine riesige ‚Maschinerie’ des Verdampfens von Wasser (der Amazonas-Regenwald verdampft pro Jahr etwa 7 'trillions of tons' Wasser) - , konnten die Reste des atlantischen Regenwaldes nur aufgrund dieser äußeren Belieferung mit Feuchtigkeit überleben, denn dieser Regenwald hat keine ausreichende Ausdehnung für einen internen Kreislauf.

Brasilien: Soja-Pflanzungen auf Regenwald-Gelände

Das bedeutet gleichzeitig, daß der Amazonas-Regenwald, wenn er erst einmal zu großen Teilen vernichtet sein wird, seinen eigenen Regen nicht mehr erzeugen kann und der Rest damit auch verschwinden wird. Das Gebiet wird versteppen und zur Wüste werden.

Regenwald-Abholzung Brasilien

- Zu den speziellen Bedingungen der Mata Atlântica gehört auch, daß das küstennahe Terrain Brasiliens über weiteste Strecken stark hügelig und gebirgig ist. Der ganze mittlere bis südliche Teil Brasiliens stellt eine riesige hügelige Platte von Granit und Gneis dar, die zum Landesinneren geneigt ist und nahe dem Meer einen Steilabfall hat, der üblicherweise zwischen Fünfhundert und Tausend Meter Höhenunterschied ausmacht. Dieser Steilabfall läßt an manchen Stellen nur noch 100 Meter und einen Strand frei, an anderen Stellen haben sich große Anschwemmgebiete gebildet, wie im Staat Rio de Janeiro, und der Steilabfall liegt bis zu 70 oder 80 km im Landesinneren. Wie überall, sind Steilabfälle in der Nähe des Meeres DIE Wolkenfänger und so garantieren die Bedingungen an diesen Hängen eine extrem häufige Nebelsituation und Luftfeuchtigkeiten von zwischen 90 und 100% das ganze Jahr über, die idealen Bedingungen, nicht nur Regenwald, sondern artenreichsten Regenwald zu bilden.

São Paulo, grösste Stadt der südlichen Hemisphere

Wenn die Bewohner des Groß-Bereichs São Paulo (immerhin etwa 20 Millionen) zum Strand wollen oder zum Hafen nach Santos, müssen sie einen dieser Steilabfälle hinunter, der in diesem Fall etwa 800 m hoch ist, wofür es heute bereits 4 mehrspurige Autobahnen gibt, zwei aufwärts und zwei abwärts. Dort ist die Nebelbildung, speziell im oberen Teil des Steilabfalles, so häufig und der Nebel manchmal so dicht, daß die Zahl der Unfälle nur mit einer Methode verringert werden konnte: Wenn der Nebel eine bestimmte Dichte überschreitet, stoppt die Polizei den Verkehr und stellt Konvoys zusammen, die – mit Polizeiautos am Anfang und Ende, in gleicher Geschwindigkeit fahren.

- Die hügelige und gebirgige Struktur der meeresnahen Bereiche des mittleren und südlichen Brasiliens sorgt auch dafür, daß die Mata Atlântica die vielfältigsten Ansichten bietet. Auf Bergkuppen ist manchmal nur Buschwerk vorhanden, an den Berghängen ist sie meist weniger dicht, weil oft Bäume umstürzen und in den Tälern bildet sich ein undurchdringlicher Dschungel aus. Die ausgesprochenen Urwaldriesen fehlen deshalb auch in ihr. Die höchsten Bäume erreichen ‚nur’ 30 bis 40 Meter an Höhe.

- Eine weitere Bedingung für die Vielfältigkeit in der Mata Atlântica ist die lange Nord-Süd-Ausdehnung. Während im Norden, im rein tropischen Gebiet, alle Pflanzen daran angepaßt sein müssen, daß keinerlei jahreszeitliche Temperaturunterschiede auftreten, gibt es im Süden einen ausgeprägten Winter und es kommt schon einmal zu Temperaturen um den Gefrierpunkt. Hier gibt es Gewächse, die im Winter für einige Wochen die Blätter abwerfen und dann im Frühling zu blühen beginnen, bevor die Blätter wieder wachsen, so wie z.B. einer der beeindruckendsten Bäume dieser Region, der Ipê, den es in einer strahlend gelb und einer pupur blühenden Form gibt.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden 93% der ursprünglichen Tropenwaldfläche der Mata Atlâtica vernichtet, statt der ursprünglich auf 5 bis 10 Millionen Spezies geschätzten Anzahl der Arten machte sich die einzige Spezie homo sapiens sapiens breit, wobei allerdings von sapiens (‚klug’) nicht viel zu bemerken war.

Es wurde rücksichtslos abgeholzt und abgebrannt, die Indios wurden vertrieben, versklavt oder abgeschlachtet. Man begann, auf dem unfruchtbaren Boden, der nach dem Abholzen blieb, Anbauversuche zu machen und das Land schließlich brachliegen zu lassen und der Erosion preizugeben, wenn sich das als vergeblich Unterfangen erwies. Nach den ersten Versuchen wurden daraus keine Lehre gezogen. Es wurden vielmehr diese Anbauversuche Jahrhunderte (!) fortgeführt, bis fast aller Regenwald den ‚klugen Menschen’ zum Opfer gefallen war. Es gelang lediglich mit eingeführten Grassorten wenigstens eine Viehweide aufzubauen, auf der man - ebenfalls eingeführte - Rinder halten konnte, aber bis heute gibt es nur in begrenzten Gebieten eine lohnende landwirtschaftliche Betätigung auf der früheren Mata-Atlântica-Erde.

Die einzig erkennbaren Ziele der Eroberer waren persönliche und kolonialstaatliche Bereicherung und Machtgewinn, während offiziell und nach außen hin andauernd das hehre Ziel, den katholisch-christlichen Glauben zu den Indios zu bringen, als angebliche Motivation der Expeditionen wie eine Reliquie vor sich hergetragen wurde.

Würden doch sonst die armen Seelen der Indios für immer verloren sein. Als dann der Papst entschieden hatte, daß Indios keine unsterbliche Seele haben und daher - wie alle anderen ‚Tiere’ – versklavt und abgeschlachtet werden durften, war dieser Grund für die Eroberung eigentlich weggefallen. Dies tat den Aktivitäten der Kolonialisten aber keinerlei Abbruch. Sie verstärkten sie vielmehr, hauptsächlich weil sie immer noch auf der Suche nach ergiebigen Goldvorkommen waren – eine Suche, die sich nicht allzu lange danach ja als erfolgreich erwies (siehe auch den 5. Teil der Reihe: Brasilien und Gold)

Die Parallelen zur heutigen Zeit und zum Einfall der US-Truppen im Irak sind verblüffend. Hier wie dort die Macht- und Bereicherungsziele als wahre Gründe, hier wie dort die militärische Überlegenheit, hier wie dort das Vorschieben scheinbar hehrer Begründungen für die Eroberung, hier wie dort der ständig betonte christliche Hintergrund der Kommandeure der Überfallstruppen, hier wie dort eine (Schein-)Begründung, die sich als nicht haltbar erwies, was – hier wie dort – natürlich zu keinerlei Änderung der Politik führte.

Irak-Krieg 2

Hier wie dort das Foltern und brutale Abschlachten der heimischen Bevölkerung. Hier wie dort einer der wichtigsten Bodenschätze als Hauptantriebsfeder.

Obwohl mit Sicherheit seit damals viele Spezies des atlantischen Regenwalds ausgestorben sind, wahrscheinlich sogar die Mehrzahl, die nie mehr auch nur beschrieben werden können, ist auch das verbliebene kleine Areal, bestehend aus kleinen bis mittleren, unzusammenhängenden Stücken, im ganzen etwa 94.000 Quadratkilometer (etwa 7,3% der ursprünglichen Fläche), immer noch ein wahres Wunderwerk der Natur. An Zahl der vorkommenden Baum-Arten ist er weiterhin die artenreichste der Welt.

Es leben darin immer noch mehr als 10.000 Spezies von Pflanzen, davon 50% ‚endemisch’, also nur hier vorkommend. An Tieren gibt es immer noch 1.600.000 Arten, der größte Teil, wie immer, Wirbellose. 261 Arten von Säugetieren bevölkern immer noch die Restgebiete des atlantischen Regenwaldes, davon 73 endemische. Die Vögel machen noch 620 Spezies aus, davon 160 endemisch. Allein an Amphibien gibt es 260 Arten, 128 endemisch.

Vier der fünf Riesenstädte Brasiliens (São Paulo, Rio de Janeiro, Salvador und Recife/Olinda) liegen im Gebiet des atlantischen Dschungels, so wie auch alle Landeshauptstädte der Küstenländer.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

So unglaublich es erscheinen mag, aber es gibt noch ein schönes Stück des ‚atlantischen Dschungels’ mitten in der Millionenstadt Rio de Janeiro, der Stadt, in der Verbrechen und Drogenhandel herrschen, wo man nächtens die Maschinenpistolen-Garben der Fraktionskämpfe hört, wo eine unterbesetzte, unterbezahlte und manchmal entmenschte Polizei ohne Aussicht auf Erfolg versucht, dem Einhalt zu gebieten oder jedenfalls dies vorzugeben – mitten in dieser Stadt hat sich ein Stück des Paradieses erhalten, heute als ‚Nationalpark Tijuca’ geschützt.

Der liegt nicht am Rande, sondern mitten in der Stadt und umfaßt eine Fläche von 37 Quadratkilometern. Die meisten Großstädte wären schon froh, wenn sie soviel Grünfläche hätten, aber ein Stück erlesensten, (fast) unberührten Regenwaldes, das ist einmalig.

Zuckerhut von der Botafogo-Bucht aus

Ein „Muß“ für jeden Besucher von Rio, wichtiger als der obligatorische Abstecher mit der Gondelbahn auf den Zuckerhut. Dort hat man Recht auf Wasserfälle, sichere Pfade durch den Urwald, Aussichtskanzeln, eine Kapelle, ein Museum, Restaurants im Urwald und den höchsten Berg Rios, mit mehr als 1000 m recht beachtlich für eine Stadt am Meer. Geführte Wanderungen vermittelt einem jedes Hotel in der Stadt, wer nicht viel laufen kann, nimmt einfach ein Taxi und sagt „Floresta da Tijuca – a cachoeira“ und schon wird man zum einem in mehreren Stufen 90 Meter hohen Wasserfall mit einem Restaurant daneben gebracht und kann auch noch ein paar Meter gehen, wenn man will. Den Taxipreis läßt man den Hotelportier für einen aushandeln. Nicht vergessen, sich ein Quittung geben zu lassen. Auf der Rückfahrt besteht man darauf, den gleichen Preis zu zahlen. Wird der Taxifahrer pampig, ruft man die Leute vom Restaurant zu Hilfe, die das Taxi gerufen haben, oder einen Brasilianer, der English spricht.

Corcovado von Botafogo aus

Auch der Brasil-Baum, der dem Land den Namen gab, ist ein Baum der Mata Atlântica. Bereits die ersten Portugiesen, die in der Nähe der heutigen Stadt Porto Seguro den Boden des neuen Kontinents betraten, fanden unter all den unbekannten Bäumen auch diesen, ihnen bekannt vorkommenden und berichteten über ihn. Wahrscheinlich wurde sogar schon ein Stück dieses Holzes mit nach Portugal genommen.

Ein Baum mit diesem Namen kam nämlich in „Hinterindien“ (Indonesien) vor und aus seinem Holz wurde der einzige gute rote Textilfarbstoff der damaligen Zeit gewonnen. Sein Holz wurde mit etwa einem Zehntel des Preises von Gold bezahlt. Tatsächlich erwies sich das brasilianische Brasil-Holz auch hierfür als geeignet. So begann Portugal, aus Mangel anderer wertvoller Stoffe, Brasilholz aus der neuen Kolonie abzutransportieren. Bereits etwa 100 Jahre nach dem Beginn der Eroberung meldeten die Expeditionen, daß alle küstennahen Brasilbäume bereits abgeholzt waren und man sich weit ins Landesinnere vorwagen mußte, um noch einige zu finden.

Im Grunde waren sich die Menschen der damaligen Zeit schon im klaren darüber, was sie taten, wenn sie den atlantischen Regenwald abbrannten und abholzten. Zumindest gab es aufgeklärte Personen, die darauf aufmerksam machten.

Im National-Museum der Schönen Künste in Rio de Janeiro kann man ein Gemälde aus dem Jahre 1843 des französisch-brasilianischen Malers Félix Emile Taunay, der seit 1816 in Brasilien lebte, bewundern (oder jedenfalls ansehen) mit dem Titel: „Ansicht eines unberührten Waldes, der zu Kohle verwandelt wird“. Auf der rechten Seite des Bildes die fein künstlerisch ausgeführte Ansicht eines Stückes ‚Mata Atlântica’, auf der linken Seite des Bildes ein Abhang, an dem der ganze Wald bereits abgeholzt ist, das Holz als Brennholz aufgestapelt ist und die verbliebenen Stümpfe niedergebrannt werden. Die Anklage des Bildes ist beeindruckend und frappierend, wenn man bedenkt, daß die erste größere ‚grüne’ Bewegung zu diesem Zeitpunkt noch etwa 130 Jahre brauchen würde, um in der Geschichte aufzutauchen.

Der Künstler hatte eine enge Verbindung mit der Philosophie, die in Deutsch „Aufklärung“ genannt wird und in unmittelbarem Zusammenhang mit der französischen Revolution steht. Sein Vater, der berühmte neo-klassizistische Maler Nicolas Antoine Taunay („der David der kleinen Formate“), überlebte die bewegtesten Jahre der französischen Revolution in einem Haus auf dem Lande, das er Jean Jaques Rousseau („Zurück zur Natur!“) abgekauft hatte. Dort wurde Félix auch geboren. Mit der ganzen Familie übersiedelte Nicolas Taunay 1816, nach der Niederlage Napoleos, nach Brasilien, weil Anhänger des Korsen in diesem Moment in Frankreich schwierige Zeiten erlebten – und Taunay konnte seine Bewunderung für Napoleon nicht abstreiten, denn er hatte ihn in vielen Gemälden verherrlicht. Gleichzeitig fühlte der portugiesische Hof, der (vor Napoleon!) nach Brasilien geflüchtet war, die Abwesenheit von ein wenig Kultur und lud französische Künstler ein, nach Brasilien zu kommen (die sogenannte „französische Mission“).

Nicolas Taunay legte sich in Rio de Janeiro ein Stück Land mit einem Haus zu, das exakt in dem oben beschriebenen unversehrten Teil des atlantischen Regenwalds gelegen war, und zwar genau das Stück mit dem Wasserfall, neben dem heute (anstelle des damaligen Hauses der Taunays) ein Restaurant steht, das oben den weniger gut zu Fuß befindlichen Touristen empfohlen wurde. Wenn man dort heute ankommt, wird man noch mit einem Parkplatzschild an den Namen der früheren Besitzer des Ortes erinnert: „Estacionamento Taunay“. Dort wohnte lange Jahre auch sein Sohn Félix, auch nachdem Vater und Mutter Taunay im Jahre 1821 nach Frankreich zurückgekehrt waren. Félix Taunay hatte also in mehrer Hinsicht ein spezielles Verhältnis zu diesem reichen Urwald und so verwundert uns sein Eintreten für ihn mit einem dramatischen Gemälde nicht.

Es gibt umfangreiche Möglichkeiten für den Touristen, den atlantischen Dschungel kennenzulernen, neben den oben schon beschriebenen innerhalb von Rio de Janeiro. Der einfachste Fall ist der, einfach im Auto von São Paulo an die Strände zu fahren – da kommt man automatisch durch den Regenwald am Abhang zum Meer. Es gibt aber auch Trekking-Touren, die man schon in Deutschland buchen kann oder auch direkt in Brasilien. Sie gehen vor allem durch das noch recht ansehnliche übriggebliebene Stück an der Grenze zwischen den Staaten São Paulo und Paraná und an der Küste von Paraná.

Ein Spektakel für jeden ist die Eisenbahnfahrt mit der Bahn von Curitiba (Hauptstadt des Bundestaates Paraná, südlich von São Paulo) nach Paranaguá am Meer, die den dortigen Steilabfall durch den Regenwald hinunter führt.

Wer es etwas beschaulicher haben will, kann einfach einen Strandurlaub in Ubatuba machen (Bundesstaat São Paulo), drei Autostunden von São Paulo, wo man noch für Preise in einer Pension (Pousada) unterkommen kann, die dem mit schweren Euro Angereisten auch fast noch paradiesisch vorkommen. Mit einem Leihauto unterwegs (der internationale Führerschein wird anerkannt, Leihauto ist auch billig) kann man von dort Strände in Richtung Parati besuchen, hinter denen unmittelbar der Regenwald beginnt und kann auch ein wenig hineingehen, wenn man will. Noch schöner sind Bootsausflüge (man bucht ein eigenes Boot mit Führer oder schreibt sich für einen Ausflug mit einem größeren Segelschiff ein), die einen zu Stränden bringen, die nur von See zugänglich sind. Man kann auch noch an ein paar Korallenriffen halten, falls jemand schnorcheln will.

Das schönste von allem aber, was die Mata Atlântica zu bieten hat, sind die Iguaçu-Wasserfälle. Über die soll später noch berichtet werden.


Heute also der 8. Teil der Brasilien-Reihe von Elmar Getto, hier vom Autor leicht redigiert. Diesmal geht es um die "Mata Atlântica".


Hier die Links zu allen Teilen der Reihe „Brasilien jenseits von Fussball und Samba“

- Teil 1: „Wie der Amazonas zu seinem Namen kam“

- Teil 2: ‚Menschenfresser-Country’

- Teil 3: „Ausgerottete Künstler“

- Teil 4: Niemeyer ist 100 – ‚Auf dem Höhepunkt des Schaffens’

- Teil 5: Brasilien und Gold

- Teil 6: Die Landschaften Brasiliens – Der Amazonas-Regenwald

- Teil 7: Brasilien und der Strom

- Teil 8: Die Landschaften Brasiliens – Mata Atlântica

- Teil 9: Santos Dumont und der erste Motorflug

- Teil 10: SIVAM – Big Brother in Amazonien

- Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Teil 13: Wie unsere Zukunft in der beginnenden kapitalistischen Barbarei aussähe – „Ich habe kein Leben“

Samstag, 16. August 2008

Wie lang und wie dick soll ein Phallus sein?

Ergebnisse einer Studie

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Für Männer immer ein Thema, aber auch für Frauen: Die Grösse des (menschlichen) Penis oder eigentlich in Wirklichkeit des Phallus, also des erigierten männlichen Gliedes. Eine Studie aus den USA mit einer grossen Zahl von Frauen hat diese dazu Aussagen machen lassen. Um es kurz zu machen: Eine recht grosse Spannweite von dünn zu dick und kurz zu lang führt bei den Antworten zum Resultat „zufriedenstellend“. Wenn es allerdings um die Frage „ideal“ geht, dann soll die Länge zwischen 17,8 und 20,9 cm betragen und die Dicke (Umfang an der dicksten Stelle) zwischen 15,9 und 16,5 cm.

Penis Size

Anscheinend wurde der Test mit Gummi- oder Plastik-Phallen durchgeführt, die man den Frauen zur Verfügung stellte und die sie in folgende Kategorien einteilen sollten:

- „ideal“
- „sehr angenehm, aber nicht ideal“
- „angenehm“
- „zufriedenstellend“
- „nicht zufriedenstellend“ (zu kurz, zu lang, zu dick, zu dünn)

Insgesamt fällt am Ergebnis auf: Bei der Länge ist die Breite der Akzeptanz als mindestens „zufriedenstellend“ bei den Frauen viel grösser als bei der Dicke bzw. Dünne.

Der Bereich der „zufriedenstellenden“ Phallus-Längen geht von 5 bis 11 inches, also von 12,7 cm bis 27,9 cm.

Dagegen ist der Bereich „zufriedenstellenden“ Phallus-Umfänge viel enger, nämlich von 4, 5 bis 7,25 inches, also von 11,4 cm bis 18,4 cm.

Riesen-Glieder von mehr als 28 cm Länge und/oder 18,4 cm Umfang werden also von Frauen keineswegs als angenehm empfunden. Das hängt meist unmittelbar mit Schmerzen zusammen, die da verursacht werden oder drohen. Alles, was unter 12,7 cm lang und/oder 11,4 cm umfänglich ist, gibt nicht genügend Fülle/Reibung und wird daher als nicht ausreichend angesehen.

Geht man nun zur nächsten Kategorie, jener der „angenehmen“ Ausmasse, so engt sich der Bereich bei beiden Masse bereits deutlich ein: Als „angenehm“ wird eine Länge von 5,5 bis 10 inches eingestuft, also von 14 cm bis 25 cm. Bei der Dicke geht es von 5,25 bis 7 inches, also von 13,5 cm bis 18 cm.

Im Gegensatz zu dem, was vielleicht Männer meinen, wird also ein extrem langer Phallus von den Frauen weniger gut beurteilt als ein immer noch langer, aber eben nicht so gigantischer.

Das gleiche gilt auch für die Dicke: Sehr dicke Phallen werden weniger gut beurteilt als immer noch, aber eben weniger extrem dicke.

Gehen wir nun zur zweitbesten Beurteilung: „sehr angenehm, aber nicht ideal“. In diese Kategorie fällt nach dieser Studie der Schwanz mit einer Länge von 6 bis 9 inches, also von 15,2 bis 22,8 cm und mit einem Umfang von 5,75 inches bis 6,75 inches, also von 14,6 cm bis 17,1 cm.

Schliesslich und endlich: Die höchste Kategorie „ideal“: Die „idealen“ Phallen liegen im Längenbereich von 7 bis 8,25 inches, also von 17,8 bis 20,9 cm und im Umfang zwischen 6,25 und 6,5 inches, also von 15,9 bis 16,5 cm.

Die Männer können sich also beruhigen. Auch ein typischerweise mit 12,7 cm als kurz empfundener Phallus wird von den Frauen noch als zufriedenstellend empfunden, ebenso wie ein üblicherweise für etwas dünn gehaltener mit 11,4 cm Umfang – und das, wenn Frauen ausschliesslich nach diesem Punkt befragt werden, was ja nicht realistisch ist, denn keine Frau wird einen Mann ausschliesslich nach diesem Kriterium beurteilen.

Ebenso kann man sich den Unsinn von Porno-Fotos und -Videos abschminken, in denen Monsterexemplare gezeigt werden und Frauen, die darauf wild seien. Nichts davon ist wahr. Ab bestimmten Super-Längen und Dicken wird die Beurteilung der Frauen in Wirklichkeit bereits schlechter, um dann bei mehr als 28 cm Länge und 18,4 cm Umfang in offene Ablehnung umzuschlagen.

Wir „normalen Durchschnittsmänner“ mit einem Ding im Bereich von zwischen etwa 13 und 17 cm Länge (das seien etwa 75% der gemessenen Längen) und von etwa 11,5 bis 14,5 cm Umfang (wiederum etwa 75%) sind absolut im Bereich, den die Frauen bevorzugen, in der Länge ragt das sogar weit in den Bereich „fast ideal“. Auch wenn die Frauen einen etwas dickeren als diese Standardmasse bevorzugen, sind wir immer noch im fast idealen, „angenehmen“ oder "zufriedenstellenden" Bereich.

Und, wer tatsächlich so ein Ding auszuweisen hat, das bei um die 18 oder 19 cm Länge und/oder um die 16,5 cm Umfang aufzuweisen hat, ist damit der Erfolg bei den Frauen garantiert? Natürlich nicht! Die eine, in die man sich bis über beide Ohren verliebt hat, wird ihn vielmehr wohl gar nicht zu sehen bekommen, denn sie erwiedert die Gefühle nicht und sieht keinen Grund, mit dem „well hung“ ins Bett zu gehen.

Andererseits, es hilft in manchen Fällen sicherlich, als kleine Zugabe auch noch ein Ding im Idealbereich zu haben.

Im übrigen hat es sich schon herumgesprochen, ein Paar kann sich auch prächtig und ausführlich vergnügen, ohne dazu überhaupt ein erigiertes Glied zu brauchen.


Wikipedia - Eregierter Penis 1
Kleiner bis mittlerer Penis, erigiert

Wikipedia Commons - Penis mit Skala
Penis, schlaff und erigiert, mit Skala

Wikipedia Commons - Erektion
Grosser Penis, erigiert

Zur Klarstellung ein Kommentar zu diesen Penis-Bildern

Ich bin mir bewusst, nicht alle meine Leser halten es für angebracht, solche Bilder im Blog zu veröffentlichen, manche mögen sogar empört sein.

Ich meine aber, sehr starke Argument zu haben, diese Bilder hier einzustellen:

1. In diesem Fall gehört es zum Thema. Dies ist u.a. auch ein Bilder-Blog. Ich bemühe mich, zu (fast) allen Themen Illustrationen zu bringen. Warum sollte ich nur hier damit aufhören?

2. Die Bilder stehen sowieso schon im Blog, sind also hier nichts Neues.

3. Ich habe diese Bilder ursprünglich ins Blog gestellt, weil ich dokumentieren wollte, welche Bilder - in diesem Fall in wikipedia und wkipedia-commons - im Internet frei und ohne jede Einschränkung zur Verfügung stehen, auch eventuell für Kinder. Ich stelle also hier nichts ins Internet, was da nicht längst steht - ohne jede Altersbeschränkung oder Vorwarnung.

4. Dem Argument, ich würde es unter Umständen für Kinder erleichtern, an solche Bilder zu kommen, kann ich entgegenhalten: Von der Thematik her ist mein Blog für Kinder nicht interessant. Dagegen braucht man nicht besonders helle zu sein, noch besonders erwachsen, um in wikipeda nachzusehen, wenn man etwas erfahren will.

5. Was Fragen des Geschmacks angeht, so kann man darüber streiten. Ich vertrete die Meinung, kein Teil des menschlichen Körpers kann uns fremd sein, kann hässlich an sich sein, kann "böse" sein oder muss unbedingt verborgen werden. Ich halte solche Meinungen sogar für schädlich: Wenn Geschlechtsteile mit einem Tabu belegt sind - und speziell der erigierte Penis - was sagt man damit über unsere Sexualität aus? Dass sie schlecht sei, böse, unschamhaft, unkeusch usw. Das ist für mich nicht akzeptabel.

Auch das manchmal vorgebrachte Argument von "unappetitlich" ist nicht zu halten. Millionen von Frauen (natürlich auch Männer) nehmen täglich auf dieser Erde ein solches Ding in den Mund und lecken und lutschen es ausführlich. Das soll unappetitlich sein?

6. Soweit die Ablehnung solcher Fotos im Blog auf religiösen Anschauungen beruht, will ich dem nicht entgegentreten. Niemand ist gezwungen, dies Blog zu lesen, diese Bilder anzusehen, meine Meinung zu teilen. Aber Religion ist und bleibt Privatsache.

Karl Weiss


Zusatz zum Artikel

Dieser Artikel wurde u.a. im "gegenhundforum" diskutiert, hier. Dort fand ich eine ergänzende Meinung von einer Frau. Auch wenn sie meint, ich sei frustriert und der Artikel Scheisse, so bestätigt sie doch eigentlich aus weiblicher Sicht den Inhalt. Ich will also meinen Lesern ihre Meinung nicht vorenthalten, auch wenn ich da nicht gut wegkomme:

"Der Typ ist frustriert und schreibt Scheisse. Mösen sind so unterschiedlich wie Augen, Nasen oder Titten. Oder eben Schwänze. Totaler Bullshit da sone Spastierhebung für nen allgemeinen Schwanzwunsch her zu fantasieren.

Für mich:
Ein Penis muss physisch 3 Dinge erfüllen.

Länge
a) rischtisch krass an meinen G-Punkt stoßen
b) auf keinen Fall an meine Gebärmutterpforte klopfen

Breite
c) mich breitentechnisch ausfüllen, ich will ja das Gefühl haben, gefickt und nicht gekitzelt zu werden

Ich hab schon mit Typen gepennt, da wäre ernsthaft jeder Ponyhengst neidisch geworden. Ist auch ganz geil, aber ganz rein geht natürlich nicht. Mit Minipischies habe ich es ebenfalls zu tun gehabt, das ist nichts für mich. Ich brauch schon nen rischtijen Schwanz. Sonst mach ich das lieber selber. Aber ich bin beim Sex auch sehr Zielorientiert. Guter Sex ist dauert bis die Wellen des Orgasmus wieder abgeklungen sind. Idealerweise ist er dann auch gekommen, sonst penn ich eben so ein."


Karl Weiss

Dienstag, 12. August 2008

Brasilien: Die Insel der Glückseligen?

Kommt aus Brasilien der Todesstoss für die Menschheit?

Von Karl Weiss

Während sich in vielen Ländern die Hiobsbotschaften überschlagen, die Industrieumsätze schrumpfen, der Konsum zusammenschrumpelt, die Arbeitslosigkeit ausbreitet, die Immobilienpreise zusammenfallen und gleichzeitig massive Preiserhöhungen bei Lebensmitteln und bei der Energie die Bürger kasteien, scheint Brasilien so etwas wie die Insel der Glückseligen zu sein.

Brasilien (topographisch)

Ein kräftiges Wirtschaftswachstum, das höchste seit drei Jahrzehnten, wird vom privaten und industriellen Inlandskonsum getragen, der wiederum auf einem deutlich gesteigerten Kreditvolumen beruht. Die Immobilienpreise steigen, der Autoabsatz boomt, die Lebensmittelpreissteigerungen sind geringer als anderswo und Benzin und Alkohol als Kraftstoffe sind kaum im Preis gestiegen.

Die International Herald Tribune schreibt in einem Artikel auf der Titelseite über Brasilien, das Land habe "überbordende Hoffnungen".

Tatsächlich sinkt die Zahl der Armen und der im Elend lebenden in Brasilien, nicht gewaltig, aber sie sinkt. Die expandierende Wirtschaft braucht mehr Arbeitskräfte, offizielle und inoffizielle Arbeitsplätze öffnen sich.

Der offizielle Mindestlohn, der allerdings keineswegs überall gezahlt wird, wurde drei Jahre in Folge deutlich über der Inflation erhöht und hat heute mit 415 Reais (etwa 170 Euro) den höchsten Stand in der Geschichte erreicht (in Dollar umgerechnet).

Bush und Lula in Brasilien

Präsident Lulas Anti-Hunger-Programm „Bolsa familia“ (Familien-Stipendium) funktioniert für Millionen im Land, wenn auch nicht überall. Pro Kopf erhält die arme Familie 60 Reais (etwa 20 bis 25 Euro) pro Monat. Das bekämpft den Hunger in deutlichem Masse, jedenfalls dort, wo das Geld bei den Bedürftigen ankommt. Lulas Popularität ist ungebrochen.

Der Real hat den höchsten Stand gegenüber dem Dollar seit der Mega-Abwertung unter Präsident Cardoso im Januar 1999 ereicht. Das bremst zwar die Exporte, aber die brechen trotzdem weiterhin Rekorde. Auf der anderen Seite verhindert das aber auch eine Inflation durch die stark gestiegenen Importe. Die hohe wirtschaftliche Aktivität erfordert deutliche Ausweitungs-Investitionen, die viel Geld kosten und zum grossem Teil importiert werden müssen. So verdoppelt zum Beispiel im Moment Fiat die Kapazität seiner Autofabrik im Grossraum Belo Horizonte annähernd, siehe hier. Das erfordert auch massive Investitionen bei hunderten von Zulieferern. Viele von diesen Maschinen- und Ausrüstungsinvestitionen gehen an deutsche Firmen.

Neben dem Mindestlohn und der ‚bolsa familia’ hat vor allem eine erleichterte Kreditvergabe zum Anstieg des Konsums beigetragen. In Brasilien waren bezahlbare Kreditkonditionen seit Jahrzehnten selten bis gar nicht zu haben. Der offizielle Zentralbank-Zinssatz, also der, zu dem sich die Banken refinanzieren können – der in den USA im Moment bei 2% liegt und in der EU zwischen drei und vier Prozent – ist in Brasilien momentan auf annähernd 13% festgelegt, der höchste Satz in der Welt.

Für Konsumentenkredite von den Banken ergibt das Werte von 25 bis 50 % Zinsen jährlich, da kann sich jeder ausrechnen, wie schwierig da jede Anschaffung wird. Muss man sein Konto überziehen oder seine Kreditkartenrechnung auf mehrere Monate verteilen, zahlt man bis zu 150% Zinsen!

Zuckerhut von der Botafogo-Bucht aus

Allerdings gibt es vom Staat gesponsorte Hypothekenkredite für Häuslebauer und Käufer von Eigentumswohnungen. Da kommt man auf etwa 13 % jährlich. Diese Kredite waren aber bisher mit relativ kurzen Laufzeiten versehen.

Nun haben die Banken in letzter Zeit begonen, diese Laufzeiten zu verlängern. Damit wurde die Bautätigkeit deutlich belebt, denn im Endeffekt kommt es ja für den Konsumenten auf die Höhe der Monatsraten an. Gleichzeitig zogen auch die Immobilienpreise an. Ein Bekannter des Berichterstatters konnte eine Eigentumswohnung, die er vor zwei Jahren für 80 000 Reais erstanden hatte, nach eineinhalb Jahren für 113 000 Reais verkaufen.

Es werden in beträchtlichem Masse einfache und kleine Eigentumswohnungen gebaut. Man stelle sich vor, hier in Belo Horizonte hat ein Bauträger 3-Zimmer-Winzwohnungen in ungünstiger Lage für eine Monatsrate von 99 Reais angeboten (etwa 40 Euro). Wer will da noch in Miete leben?

Auch die Autofirmen haben sich billigeres Geld im Ausland beschafft und boten den Käufern von Neuwagen Kredite an, die ebenfalls auf etwa 13% Zinsen im Jahr hinauslaufen. Auch die Banken der Autofirmen bzw. jene, mit denen diese zusammenarbeiten, sind vor zwei Jahren auf die Idee gekommen, die Laufzeiten für Autokredite, die nie mehr als drei Jahre betrugen, auf vier, fünf, sechs und sogar sieben Jahre auszuweiten.



Das senkt die Monatsraten und führte zu einem Boom von Autokäufen, was die ganze Wirtschaft ankurbelte. Ein anderer Bekannter des Berichterstatters konnte daher auch einen neuen VW Gol kaufen und die Raten auf 5 Jahre verteilen, siehe diesen Artikel dazu.

Auch die Einzelhandelsfirmen, die Elektro-Elektronik-Artikel verkaufen, erleichterten das Kaufen auf Pump: Wer eine Kreditkarte hat – und damit als relativ solide gilt – kann in der Regel den Kaufpreis auf 12 Monate verteilen, wobei die Zinsen bereits im Verkaufspreis eingerechnet sind. „Alles in zwölf mal ohne Zinsen auf Karte“ ist der Werbespruch der Aktualität in Brasilien. Auch das führte zu einem Absatz-Anstieg, z. B von Fernsehern mit grösserem Bildschirm oder LCD-Fernsehern, von Foto-Handys, von Laptops usw., aber auch Kabelfernsehanschluss, Internet-Breitbandanschluss und ähnliches können sich jetzt mehr leisten. Manche Familien können sich zum ersten Mal eine Waschmaschine kaufen. Die Kreditmenge in Brasilien, die vorher weit unter den Werten anderer Länder lag, hat sich mehr als vervierfacht.

Da aber auch die Zahl der Arbeitsplätze gestiegen ist und in einigen Branchen echte Lohnerhöhungen vereinbart wurden – wie auch im Staatsdienst nach langen Jahren wieder -, hat dieses gestiegene Kreditvolumen – bisher jedenfalls – noch nicht dazu geführt, dass der Prozentsatz geplatzter Kredite angestiegen wäre.

Während also andere Länder in die Wirtschaftskrise rutschen oder schon drin sind, scheint sich Brasilien am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen – auch die Wachstumsrate von Indien beruht auf internem Konsum, nur in untergeordneter Weise auf Exporten. Das funktioniert natürlich nur, wenn ein grosser Nachholbedarf entsteht, so wie auch beim deutschen Wirtschaftswunder in den 50er- und 60er Jahren. Der USA steht dieses Mittel nicht zur Verfügung, denn dort war bereits ein wesentlicher Teil der Bevölkerung auf einem hohem Niveau des Konsums.

Die Lebensmittelpreiserhöhungen kamen auch in Brasilien an, aber in deutlich geringerem Masse als in anderen Ländern, weil man nur begrenzt Lebensmittel einführt, sondern den grössten Teil im eigenen Land herstellt.

Treibstoffpreise Brasilien
Treibstoffpreise Brasilien Juli 08
Hier der Vergleich der Treibstoffpreise an der gleichen Tankstelle (eine der billigen freien). Im oberen Bild aufgenommen im Juli 2007, im unteren im Juli 2008. Man sieht, die Preise für Benzin (Gasolina) und Alkohol (Álcool) sind im gleichen Bereich (stiegen jetzt im August auch etwas), nur der Dieselpreis hat sich drastisch erhöht. Zum Vergleich: Die Preise aus 2007, die heute in etwa wieder die gleichen sind, ergeben umgerechnet 0,88 Euro für Benzin und 0,54 Euro für Alkohol (Die Bezeichnung comum heisst "normal")

Auch die Benzinpreissteigerungen sind hier nicht oder jedenfalls weit geringer angekommen als in anderen Ländern. Das hat einen einfachen Grund: Hier herrschen nicht die Ölmultis, sondern die halbstaatliche Petrobras, in der immer noch die Regierung das sagen hat. Lula liess die Petrobras seit 2005 keine Benzinpreiserhöhungen mehr durchführen bzw. konterkarierte Erhöhungen mit Steuersenkungen und so scheint in dieser Hinsicht wirklich eine Art von Insel der Glückseligen zu bestehen. Die Alkoholpreise müssen sich an den Benzinpreisen orientieren, sonst wechseln die Leute wieder zurück zum Benzin, steigen also auch nicht. Die Autos, die sich heute verkaufen, sind durchweg "flex", d.h. sie vertragen Benzin und Alkohol und jede Mischung davon.

Allerdings: Dies gilt gilt nicht für Diesel. Das ist, so wie in anderen Ländern, teurer geworden, und zwar kräftig. Allerdings gibt es in Brasilien keine Pkw mit Dieselmotor. Durch die Diesel-Preiserhöhungen wird aber der ganze Transport teurer (es gibt ja fast keine Eisenbahnen) und die Inflation angeheizt.

Indien und Brasilien haben gute Chancen, relativ ungerupft aus der Weltwirtschaftskrise hervorzugehen, während China wohl deutlich von ihr betroffen sein wird, denn seine Exporte werden schwere Einbrüche erleben und die Dollarreserven werden an Wert verlieren.

In Brasilien gibt es aber noch weitere günstige Umstände: Es ist das Land mit den grössten Eisenerz-Exporten und Eisenerz ist in den letzten Jahren über 150% im Preis gestiegen. In Zukunft wird aber Stahl und Stahlhalbzeug einen ständig steigenden Teil des Exports ausmachen.

Es sind nämlich riesige Stahlwerke im Bau in Brasilien: Hier im Bundeststaat Minas Gerais ist es das Stahlwerk Usiminas, das noch in brasilianischem Streubesitz ist, das seine Kapazität fast verdoppeln wird, während im Staat Rio de Janeiro gleich hinter der Rio-Stadtgrenze unmittelbar nebeneinander im Hafen von Sepetiba zwei neue Stahlwerke gebaut werden, jedes von ihnen mit Investitionen im Endausbau von etwa 9 Milliarden Dollar, eines von der deutschen Thyssen-Krupp, das andere von der einheimischen CSN. Beide werden im Endausbau an die 10 000 Menschen beschäftigen.

Diese beiden zukünftigen Verbraucher von Eisenerz sind so gewaltig, dass man im Moment ernsthaft erwägt, ein Förderband von etwa 450 km Länge von hier aus der Region Belo Horizonte, wo die grossen Eisenerzlager sind, zur Küste nach Rio de Janeiro zu bauen.

Der zweite Rohstoff, den man zur Stahlherstellung braucht, die Kohle, wird dort direkt von Schiffen aus dem billigsten Anbieterland angeliefert.

Logo Petrobras

Aber das ist noch nicht alles: Zusätzlich hat die halbstaatliche brasilianische Ölgesellschaft Petrobras vor der brasilianischen Küste bedeutende Felder von Erdgas und Erdöl gefunden, die allerdings unter mehreren tausend Metern Wassertiefe und zusätzlich weiteren Tausenden von Metern Gestein liegen, siehe hierzu auch diesen Artikel.

Erdöl 1

Ein wesentlicher Teil dieses Öls und Gases wird bis etwa 2015, 2020 gefördert werden können, dazu auch das Öl aus einem kleineren Feld in flacherem Wasser, das aber eine hochbezahlte leichte Sorte ist. Diese Funde liegen im wesentlichen im Meer vor der Küste von Rio de Janeiro.

Wenn Rio sich demnächst um die Olympischen Spiele 2016 bewerben wird – und das hat man ernsthaft vor -, dann wird für jenes Jahr eine vollkommen verschiedene Stadt Kandidat sein als jenes Rio de Janeiro, in dem der Berichterstatter in den ersten Jahren des Jahrtausends lebte. Statt der Welthauptstadt der Kriminalität und des Sex-Tourismus, blendend schön, aber auch abgrundtief hässlich, wird sich dann eine der grossen Weltmetropolen des Erdöls und der Stahlindstrie präsentieren.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Brasilien wird dann ein beachtlicher Spieler im Karussel der Ölhersteller und –exporteure sein. Neben den beträchtlichen Einnahmen aus dem Verkauf von Eisenerz, Stahl und Stahlhalbzeug wird man dann auch jene aus dem Verkauf von Erdgas, Rohöl und dessen Produkten haben, ähnlich dem heutigen Russland.
In Planung sind auch zwei riesige neue Raffinerien zur Verarbeitung des Ölreichtums.

Doch das Wort von der Insel der Glückseligen ist trotzdem nicht angebracht. Brasilien hat alle jene hässlichen und unangenehmen Seiten nicht verloren, die einen hier oft fast verzweifeln lassen. Es ist weiterhin ein Land der extremen Ungleichheiten, denn die Reichen und Superreichen profitieren von diesem Boom natürlich weit stärker als das einfache Volk, ist weiterhin das Land der korrupten Politiker, ist weiterhin nicht einmal ansatzweise eine Demokratie, sondern wird von einer korrupten Oligarchie regiert, hat weiterhin kein akzeptables Fernsehprogramm (das hat es mit Deutschland gemein), die Löhne sind weiterhin zu niedrig, das Gesundheitswesen ist weiterhin ein einziges Desaster, die Polizei ist genau so gefährlich wie die Kriminellen, das Schul-, Hochschul- und Erziehungssystem ist katastrophal schlecht – und das zunehmend -, auch wenn es dort gute Nischen gibt, die Lehrer werden weiter bezahlt, dass es eine Schande ist, das Justizsystem ist eine Lachplatte, in den ländlichen Bereichen herrschen weiterhin die Grossgrundbesitzer wie Götter, werden Kleinbauern vertrieben, wird beliebig gemordet und das Land gestohlen.

Weiterhin ist Brasilien eine Doppelherrschaft der Regierung einerseits und von Verbrecherbanden und kriminellen Organisationen auf der anderen, die ganze Gebiete beherrschen, vor allem in den Grossstädten und die Regierung zu Vereinbarungen und Stillhalteabkommen zu zwingen verstehen.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Vor allem aber vernichtet Brasilien den Amazonas-Regenwald, ungebremst und sogar zunehmend, ohne dass irgendwelche ernsthaften Massnahmen dagegen unternommen werden, weil die Politik nichts unternehmen will, auch gar nicht kann, denn sie kann nicht gegen die Oligarchie regieren. Die müsste zuerst abgelöst werden, aber das will die Politik nicht, im Gegenteil, die Politik ist eben gerade im wesentlichen die Oligarchie.

Brasilien: Soja-Pflanzungen auf Regenwald-Gelände

Diese Regenwaldvernichtung wird, wenn sie nicht gebremst wird, in absehbarer Zeit zur Versteppung oder sogar Verwüstung des ganzen Amazonasgebietes führen und dies wird die bereits beginnende Klimakatastrophe so beschleunigen, dass es kein zurück mehr geben wird. Das Ende der Menschheit, wie wir sie kennen, wird dann abzusehen sein.

Globale Erwärmung

So kann es sein, dass gerade die scheinbare „Insel der Glückseligen“ den entscheidenden Anstoss zum Ende der Menschheit gibt, wie wir sie kennen. Es wird höchste Zeit, dass wir diesem System den Garaus machen!


Veröffentlicht am 12. August 2008 in der Berliner Umschau


Originalveröffentlichung

Montag, 11. August 2008

Kriege sind angesagt – Pandoras Büchse wurde geöffnet

Zum Ossetien-Krieg

Von Karl Weiss

Wen der Ausbruch des Ossetien-Krieges überrascht hat, der hat die Geschehnisse im Osten und Süden Europas nicht verfolgt. Man hätte vielmehr Wetten darauf abschließen können, es würde hier bald krachen, sei es Ossetien, sei es Berg-Karabach, Transnistrien oder Abchasien oder andere Konflikte, die vom „Westen“ und von Russland bewusst am Köcheln gehalten werden, um Vorwände zu Kriegen zu haben.

Gebäude in Gori nach russischem Luftangriff

Liest man „westliche“ Medien, so hat Russland Georgien überfallen. Hier Originalton „Süddeutsche“: „Russland will Krieg (...) schickt Panzer und Luftlandetruppen, es bombardiert, (...) Das ist eine geradezu freche Verhöhnung des kleinen und militärisch weit unterlegenen Nachbarn, die ihre Steigerung erfährt mit der Bombardierung georgischer Infrastruktur jenseits des süd-ossetischen Gebietes. Russland sucht eine frontale Konfrontation mit Georgien. Die russische Zielstrebigkeit, auch zu sehen an den Bombardements in der Zwillings-Konfliktzone Abchasien, deutet darauf hin, dass Moskau auf die Gelegenheit gewartet hat, seinen Machtanspruch in der Region militärisch zu demonstrieren."

Das ist wirklich eine geradezu freche Verhöhnung der Intelligenz des deutschen Lesers. So frech zu lügen – und noch im Ton der Empörung, das ist schon fast gekonnt – aber in jedem Krieg ist die Wahrheit eben das erste Opfer. Um zum Opfer zu werden, hätte sie vorher allerdings am Leben zu sein – und das kann man bei der „Süddeutschen“ nun wirklich nicht sagen.

Der gleiche Kommentator muss in seinem Artikel zugeben: „Jetzt ist der Moment gekommen, wo der Westen die russische Antwort auf seine strategischen Ziele erhält.“ Was denn nun, hat Russland angegriffen oder antwortet es nur auf die strategischen Ziele des „Westens“, sprich der USA und allen in ihrem Hintern.

Diese strategischen Ziele stehen seit der Auflösung der Sowjetunion jedem "westlichen" Politiker in Verantwortung auf der Stirn geschrieben: Alle ehemaligen SU-Staaten (ausser Russland) in den Korb der USA! Völlige Einkreisung Russlands!

Im Grunde ist damit klar: Der „Westen“ ist es, der hier sein Spiel spielt und Russland reagiert, so gut es kann. Wer also nun Russland den schwarzen Peter zuschieben will, hat böse Absichten.

Nun ist Russland natürlich keineswegs ein armer, verfolgter Waisenknabe. Man hat die ganze Zeit nach der Auflösung der Sowjetunion die Fälle Süd-Ossetien, Abchasien, Berg-Karabach, Transnistrien und weitere offen gehalten, um Vorwände zu haben.

Bleibt aber trotzdem die Frage, wer hat den jetzigen konkreten Konflikt ausgelöst. Das weiss jeder, es stand nämlich in allen Zeitungen: Beim kürzlichen NATO-Gipfel wurde Georgien zugesagt, es werde in die NATO aufgenommen werden, aber erst, wenn es die „eingefrorenen Konflikte“ löst, sprich seine Oberhoheit über Süd-Ossetien und Abchasien wieder herstellt. Das ist gleichbedeutend damit, dass die USA Georgien zum Angriff aufgerufen haben und Georgien gehorcht hat.

Präsident Saakashivili, ausgebildet in den USA und nichts weiter als ein US-Statthalter, hat seinen Wahlkampf mit dem Versprechen geführt, die abtrünnigen Provinzen Süd-Ossetien und Abchasien zurückzuerobern. Es ist also klar, von wo die Initiative ausging, wer den Krieg begann und auf wessen Anweisung.

Wenn nun berichtet wird, US-Aussenministerin Rice habe Russland aufgefordert, die Souveränität Georgiens und sein Staatsgebiet zu respektieren, so ist das bestenfalls eine Lachplatte von den grossen Respektierern der Souveränität anderer Länder und deren Staatsgebiete wie Afghanistans und des Iraks.

Speziell aber geht es um die Respektierung der Souveränität Jugoslawiens. Was? Was hat denn ein Land, das es schon lange nicht mehr gibt, hiermit zu tun? Nun, in Jugoslawien wurde die Büchse der Pandora geöffnet – und mit der Anerkennung des Kosovo als eigenem Staat noch ein zweites Mal.

Bis zu jenem Zeitpunkt in den Jahren 1991/92 nämlich war das internationale Recht klar und wurde von allen Staaten auf der Welt anerkannt und eingehalten: Die nach dem ersten und dann später dem zweiten Weltkrieg und der Entkolonialisierung festgelegten Grenzen und Staatsgebiete sind SACROSANCT, unantastbar, unwiderruflich.

Obwohl es in vielen Ländern Revisions-Begehren gab, davon eine Anzahl extrem berechtigt, wurden keine Ausnahmen gemacht. Man denke nur an die absurden Staatsgebilde, die sich in Afrika bildeten und keinerlei Stammes- und Volksgrenzen respektierten. Man denke nur an die Kurden, die bereits feste Zusagen auf einen eigenen Staat hatten und dann „vergessen“ wurden und bis heute als Fremdkörper in vier verschiedenen Ländern leben müssen, immer neue Ursache von Konflikten.

Kurdistan

Nur wenn der Staat selbst zugestand, eine Abspaltung oder ein Übergang in einen anderen Staat könne mit einer Volksabstimmung geschehen, wurde dies geduldet, wie im Falle des Saarlands, das an Deutschland ging oder im Fall der Tschechoslowakei, die sich in die Tschechische und Slowakische Republik aufspaltete.

Warum solch strenge Regeln? Weil sonst die Büchse der Pandora geöffnet wird und jeder Hinterhof seinen eigenen Staat aufmachen will.Wenn erst einmal Ausnahmen gemacht werden, wird die Separatitis ausbrechen und jeder Ex-Stamm wird seinen eigenen Staat haben wollen, ganz zu schweigen von den Unterabteilungen der Ex-Stämme. Wenn man diese Tür öffnet, dann wird bald nicht nur Oberbayern, sondern auch Niederbayern einen eigenen Staat haben wollen – symbolisch gesprochen.

Und doch, genau dies trat ein: Unter Führung der deutschen Bundesregierung Kohl und mit persönlicher Verantwortung des Aussenministers Genscher beschloss die EU 1991/1992, im Fall Jugoslawien eine Ausnahmen zu machen und die Separation der Teilrepubliken durch Anerkennung der wesentlichen Staaten der EU zu unterstützen. Innerhalb von kurzer Zeit hatten Slovenien, Kroatien, und Bosnien-Herzegowina Volksabstimmungen durchgeführt, ihren eigenen Staat gegründet und waren durch die EU anerkannt worden (Später folgten – ohne Kriege - auch Mazedonien und Montenegro). Am 25.Januar 1992 erkannte die EU (damals noch EG) Slowenien und Kroatien an, am 6. April des gleichen Jahres die Unabhängigkeit von Bosnien-Herzegowina.

Bevölkerungsgruppen in Jugoslawien 1991

Die Büchse der Pandora war geöffnet worden und jahrelange Kriege zwischen Serbien, das sich weiterhin (völlig berechtigt) als jugoslawischer Gesamtstaat ansah und den Teilprovinzen waren die Folge.

Ein weiteres Mal war die deutsche Regierung hauptverantwortlich für Kriege in Europa. Hauptgrund war der jugoslawische Präsident Milosevic, der sich einfach nicht dem „Westen“ und der EU unterordnen wollte.

Man versuchte dann, um von diesen Tatsachen abzulenken, die Serben als die Bösewichte darzustellen, die einzigen, die in den Kriegen nach ethnischen Kriterien Massaker und Massenvergewaltigungen begingen und Konzentrationslager einrichteten und als Hauptbösewicht den rechtmässig gewählten jugoslawischen Präsidenten Milosevic. In Wirklichkeit wurden `ethnische Säuberungen` und Massenvergewaltigungen von allen Kriegsparteien durchgeführt, die Bosnier brachten es sogar ferig, sich die Dienste von Osama Bin Laden zu sichern, um Terrorakte gegen Gegner durchzuführen, wie beim Prozess gegen Milosevic in Den Haag herauskam (eine Zeugin berichtete dort, sie habe Bin Laden zusammen mit dem US-Beauftragten ins Büro des damaligen bosnischen Präsidenten Izetbegovic gehen sehen; damals hatte die US-Regierung keinerlei Probleme, sichtbar mit Osama Bin Laden zusammenzuarbeiten).

Schliesslich liess man dann, als man Milosevic immer noch nicht hatte ablösen können, auch noch die faschistischen albanischen Truppen in den Kosovo einmarschieren, bescheinigte der Reaktion von Milosevic darauf, eine Agression zu sein, bombardierte Serbien in die Steinzeit zurück und hatte sich mit dem Kosovo nun ein weiteres Problem aufgeladen.

Kosovo

Es musste bis 2008 dauern, bis man nun zum zweien Mal die Büchse der Pandora öffnete, damit auch alle merken, sie ist offen: Man erkannte auf Druck der albanischen Faschisten eine formale Unabhängigkeitserklärung des Kosovo an, obwohl alle vernünftig denkenden Menschen auf der Welt, darunter die spanische und griechische Regierung, davon dringend abrieten – aus oben genannten Gründen.

Die russische Regierung warnte in dramatischen Worten, dies nicht zu tun und erinnerte an die Fälle von Süd-Ossetien, Abchasien, Transnistrien, Berg-Karabach und weitere, aber man nahm diese zukünftigen Kriege billigend in Kauf oder wollte sie sogar.

In diesem Artikel wird dazu berichtet:
„Doch die Strategen in Washington, Brüssel und Berlin wollten nicht hören. „Wir müssen zu Ende bringen, was wir mit der Anerkennung Sloweniens, Kroatiens, Bosniens und Mazedoniens begonnen haben, auch der Kosovo muss unabhängig werden.“ Es geht darum, auf keinen Fall wieder die Hoffnung auf eine friedliche Welt aufkommen zu lassen, immer genügend Spannungen zu schaffen, wegen denen man ständig mit Terrorismus rechnen und daher alle bürgerliche Rechte abbauen muss.“

Was geschehen war? In jenen Jahren 1991/92 wurde nicht nur die wichtigste Grundregel des Völkerrechts ein für alle Mal dem Schlund des Vergessens anheimgegeben, nein, es wurde auch formal die Sowjetunion aufgelöst. Und da enstanden einige neue Konkflikte. Es gabe nämlich Regionen in mehreren sowjetischen Teilrepubliken, die sich nun als selbständige Staaten installierten, die hauptsächlich von Russen bewohnt waren.

Das machte keinen Unterschied, solange man in der Sowjetunion war, in der die Russen sowieso dominierten, aber einen riesigen Unterschied, wenn man sich plötzlich in einem unabhängigen Staat Georgien, Moldawien, Aserbeidschan, Estland oder anderen eingliedern sollte. So beschloss man denn in manchen Landesteilen, sich nun seinerseits von der Teilrepublik loszusagen und so entstanden die „autonomen Gebiete“ wie Berg-Karabach, das zu Aserbeidschan zugehörig angesehen wird, Süd-Ossetien und Abchasien als Teile von Georgien, Transnistrien, das nicht zu Moldawien gehören will und andere, ebenso wie ethnische Konflikte, wie in Estland.

Das wurde damals vielleicht sogar belächelt, war aber in Wirklichkeit brisant, denn die Büchse war ja offen. Nun hat sich bestätigt, warum die Regeln so streng waren und hätten eingehalten werden müssen. Der Ossetien-Krieg ist nach den jugoslawischen Teilungskriegen bereits der fünfte, den die deutsche Bundesregierung im speziellen und „der Westen“ im allgemeinen mit auf dem Gewissen haben.

Wenn „westliche“ Regierungen die Todesopfer bedauern, ist das Heuchelei. Sie sind wesentliche Mittäter.


Veröffentlicht am 11. August 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Zusatz zum Artikel

Also ich will ja nicht angeben, aber dies habe ich im Forum des FDP-Bundesverbandes gefunden:

http://forum.fdp-bundesverband.de/read.php?4,1079952,1080941

"Re: Krieg in Georgien
geschrieben von: steiner (IP gespeichert)
erstellt am: 12. August 2008 02:40


Der gute Karl Weiss hat die Entwicklung schon am 17.02.2008 vorausgesagt:

[Link zum oben im Artikel zitierten Artikel vom 17.2.08]

Er scheint wirklich Ahnung zu haben wovon er schreibt.

Steiner"

Das wurde im Zusammenhang der Diskussion über den Ossetien-Krieg geschrieben.

Oder sollte ich, statt stolz zu sein, besorgt sein, was ich falsch gemacht habe, wenn mich ein FDP-ler lobt?

Nun, ich habe es wirklich vorausgesagt - und es müssen ja nicht unbedingt alle in der FDP ein Brett vor dem Kopf haben, nicht?

Und da gibt es auch noch einen anderen, der die beiden einschlägigen Artikel in einen gemeinsamen Zusammenang stellt, im 'Freigeistforum':

http://www.freigeister-forum.de/phpBB2/viewtopic.php?t=2744&postdays=0&postorder=asc&start=30

"siar

geistige Leuchte

Anmeldungsdatum: 15.11.2005
Beiträge: 731

Verfasst am: 12.08.2008 04:01

Ich habe zwei interessante Kommentare gefunden, einer vom 17.02.2008 und einer von heute:

http://karlweiss.twoday.net/stories/4715451/
http://karlweiss.twoday.net/

Der Junge scheint ein kluges Köpfchen zu haben. Auf alle Fälle ist er jetzt erst mal bei meinen Favoriten.

bearnie besonders für Dich dürfte das interessant sein, da wird noch mal der Krieg in Serbien ein wenig aufgeschlüsselt.

Grüße

siar "

Also, die Freigeister sind mir denn doch irgendwie lieber als die FDP - und an "siar" einen Gruss vom klugen Köpfchen.

Karl Weiss

Sonntag, 10. August 2008

Brasilien jenseits von Fussball und Samba, Teil 7: Brasilien und der Strom

Teil 7: Brasilien und der Strom oder Wie (ein Teil der) Ausbeutung der Entwicklungsländer funktioniert

Von Elmar Getto

Brasilien ist das Land mit der bei weitem größten Süßwassermenge auf der Erde. Dementsprechend wurde schon früh begonnen, die benötigte Elektrizität aus Wasserkraft zu gewinnen. Das Großprojekt des Itaipú-Dammes war auch in Deutschland bekannt geworden, weil da Siemens und die MTU das zur Zeit der Fertigstellung im Jahre 1994 größte Wasserkraftwerk der Welt mit insgesamt 24 Riesenturbinen bauten. Heute kommt etwa 70% des benötigten Stromes in Brasilien aus Staudammprojekten, nach anderer Quelle 85%.

Strom aus Wasserkraft ist billiger als der thermoelektrischer Kraftwerke, weil diese Wasserkraftwerke trotz der riesigen Investitionen kaum Kosten für die eigentliche Stromerzeugung verursachen, denn das Wasser wird von der Sonne immer wieder umsonst nach oberhalb des Stausees gefördert. Zwar sind nach der Berechnungsweise in Europa die Atomkraftwerke noch billiger, aber diese Rechnung geht ja nur auf, weil man die Kosten der Entsorgung des strahlenden Materials nicht den Betreiber zahlen läßt, sondern den Steuerzahler.

So sehr die großen Stauseen von Umweltschützern immer wieder kritisiert werden, weil sie oft zur Ausrottung von Arten beitragen, schien Brasilien doch relativ gut weggekommen zu sein mit seinen relativ niedrigen Energiekosten.

Allerdings muß man hier eine starke Einschränkung machen: Ein wesentlicher Teil des Vorteils durch die niedrigen Kosten wird wieder aufgefressen, weil für die Investitionen Kredite bei der Weltbank und anderen Finanzinstitutionen aufgenommen werden mußten. Siemens und MTU haben das Kraftwerk natürlich nicht umsonst gebaut, sondern kräftig daran verdient und auch die deutsche Bundesregierung hat keineswegs einen Teil davon als ‚Entwicklungshilfe’ gezahlt. Die damals aufgenommenen Schulden bestehen vielmehr weiterhin (auch wenn die Schulden manchmal ‚umgeschichtet’ werden, verringern sie sich doch nicht) und Brasilien zahlt horrende Zinsen jedes Jahr – für 2004 wird geschätzt, daß Brasilien in etwa 70 Milliarden Dollar (70 Billion of Dollars) nur an Zinsen für seine Schulden gezahlt hat.

Der verbleibende relative Vorteil der Kosten änderte sich, als die imperialistischen Länder neben der Telephonie, der Trinkwasserversorgung und dem Verkehr auch die Elektrizität als ideales Ausbeutungsinstrument der in neokolonialer Abhängigkeit gehaltenen Länder entdeckten.

Zunächst wurde Brasilien in den neunziger Jahren vom Internationalen Währungsfond „angehalten“ (in Wirklichkeit unter Androhung des Staatsbankrotts gezwungen), weite Teile der Elektrizitätswirtschaft zu privatisieren. Man teilte die staatliche Elektrizitätsverwaltung in Unternehmen der Versorgung der Verbraucher, der Stromübermittlung und der Stromerzeugung auf und verkaufte nach und nach den größten Teil ‚für einen Appel und ein Ei’.

Während die Investitionsvolumen der verkauften Unternehmen zusammen mehrere Hundert Milliarden Dollar ausmachten, wurden sie für zusammen nur einige wenige Milliarden Dollar verkauft, also etwa zu einem hundertstel ihres Wertes.

Gleichzeitig wurden in Brasilien – ebenfalls unter ‚sanfter Mithilfe’ des Internationalen Währungsfonds – Regeln eingeführt, die es ausländischen Besitzern von Unternehmen in Brasilien erlauben, anfallende Gewinne ohne weiteres außer Landes zu schaffen.

Drei der „Filetstücke“ der brasilianischen Elektrizitätsversorgung sicherte sich die französische EDF (Eletricité de France). Sie kaufte die ‚Light’, einziger Anbieter von Strom im Staat Rio de Janeiro, dazu ein Unternehmen, das viel von dem in Itaipú erzeugten Strom über weite Teile des Landes verteilt, und noch einen kleineren Stromerzeuger.

Die Verträge, die von der brasilianischen Regierung mit diesen Käufern der Elektrizitätsunternehmen gemacht wurden, sind beeindruckende Beispiele imperialistischer Macht. Sie enthielten keinerlei Verpflichtung für die Elektrizitätsunternehmen, entsprechend dem steigenden Energiebedarf Brasiliens Investitionen vorzunehmen und damit die Versorgung zu sichern und einen festgelegten Mindestteil der Gewinne zu investieren. Sie enthielten Klauseln, die den Unternehmen ständig Gewinne garantieren. Wenn sie keine Gewinne ausweisen, aus welchem Grund auch immer, dürfen sie die Strompreise erhöhen. Sie enthielten keinerlei Klauseln, die den Unternehmen eine korrekte Instandhaltung der Anlagen auferlegt, keine Klauseln, daß sie Strom beim billigsten Anbieter kaufen müssen, kurz, alle Vorteile liegen beim Käufer aus dem imperialistischen Land, alle Nachteile bei der brasilianischen Bevölkerung.

Die brasilianische Regierung rechtfertigte sich, daß man ohne diese günstigen Bedingungen keine Käufer gefunden hätte. Wer dann aber fragte, warum dann überhaupt verkauft wurde, bekam nur Ausflüchte, Aggressionen und Verdrehungen zu hören.

Ausserdem stanken diese Privatisierungen - wie meist - zehn Kilometer gegen den Wind nch Korruption. Da sich angesichts der märchenhaften Bedingungen für den Käufer natürlich die Kandidaten die Tür in die Hand gaben, konnte man als verantwortlicher Politiker natürlich absahnen. Entweder man gab klammheimlich demjenigen, der die höchsten Bestechungssummen zahlte, privilegierte Informationen, die ihn die Ausschreibung gewinnen liessen, oder man manipulierte das Ausschreibungsverfahren so, dass der "erwählte" Kandidat zum Zuge kam.

Ob der damalige Präsident Cardoso persönlich davon profitierte, weiss man nicht. Was man aber weiss: Seit er abgewählt wurde, lebt er in einem Appartment an der Fifth Avenue in New York und nimmt sein Abendessen in einem Restaurant ein, das nach Aussagen eines mit ihm verbündeten Politikers für ein Gläschen Conhaque 200 Dollars berechnet (man stelle sich vor, was die anderen sagen).

Die erste Folgerung aus diesen Verkäufen war die Arbeitslosigkeit Tausender von Brasilianern, die von den neuen Besitzern entlassen wurden. Es stellte sich schnell heraus, daß es sich nicht, wie von der Regierung behauptet, um „überflüssige Bürokratie-Angestellten“ handelte, sondern im wesentlichen um Leute, die Instandhaltung gemacht hatten. Damit war schon klar, daß mangelnde Instandhaltung zu Stromausfällen führen würde – und so kam es.

Während die Brasilianer sich nicht an große ‚Black-outs’ in den Siebziger oder Achtziger Jahren erinnern konnten, begannen diese wenige Jahre nach den Verkäufen zur Regel zu werden. Am Silvestertag 2004 gab es gerade wieder einen größeren Black-Out in den Staaten Espirito Santo und Rio de Janeiro.

Die nächste Folgerung des Verkaufs großer Teile der Elektrizitätswirtschaft an Unternehmen aus imperialistischen Ländern war noch schwerwiegender, es begann die Geschichte des Super-Black-Outs. In den Jahren 1997 und 1998 war die Wirtschaft Brasiliens und die Industrieproduktion gewachsen und verbrauchte nun deutlich mehr Strom (Im Jahr 1998 war Brasilien die zehntgrößte Wirtschaftsnation auf der Erde). Während des Jahres 2000 gab es zwar kein Wirtschaftswachstum mehr, aber der Stromvebrauch stieg immer noch etwas an, hauptsächlich wegen des Bevölkerungswachstums.

Plötzlich gegen Ende des Jahres 2000 erklärte die brasilianische Bundesregierung, es drohe ein Super-Black-Out, d.h. der völlige und unwiderrufliche Zusammenbruch der brasilianischen Stromversorgung, wenn nicht neu in die Elektrizitätswirtschaft investiert würde, um neue Kapazitäten zu schaffen. Hastig wurden Pläne zusammengestöpselt, eine Anzahl von Gaskraftwerken zu bauen (zu diesem Zeitpunkt war gerade der Vertrag mit Bolivien über die Lieferung von Ergas und den Bau einer Pipeline von Bolivien nach Brasilien abgeschlossen worden). Es stellte sich aber schnell heraus, daß das erste dieser Kraftwerke nicht vor 2003 ans Netz gehen würde und das sei viel zu spät.

Während des Jahres 2001 wurde nun der drohende Super-Black-Out zum wichtigsten Nachrichtenthemas Brasiliens. Die Regierung erklärte, es müsse Strom gespart werden, zunächst ohne zu sagen wie. Im Laufe des Jahres wurde es dann aber immer klarer: Die Regierung hatte vor, die Bevölkerung mit drakonischen Maßnahmen zum Stromsparen zu zwingen. Dann kam es heraus: Wer nicht 20% der Kilowattstunden gegenüber dem Schnitt von drei Monaten Anfang 2001 sparte, bekam die Stromversorgung gekappt- zunächst für drei Tage, dann für sechs Tage usw.

Nun wurden die Brasilianer, die sowieso schon Meister im Improvisieren sind, zu Stromsparern. Das meiste ließ sich durch Verkürzen der Zeit unter der Dusche einsparen. In Brasilien gibt es kaum Häuser mit zentralen Warmwassersystemen – es gibt ja auch – bis auf den extremen Süden – keine Heizungen in den Häusern. Gas- und Elektroboiler sind selten, die meisten können sie sich nicht leisten.

So hat man denn in Brasilien die Elektrodusche erfunden: Im Duschkopf wird durch eine Metallspirale Strom in der Größenordnung von 3 000, 4 000 oder 5 000 Watt gejagt. Diese Spirale ist vom Wasser umspült und heizt es auf. Das geht nur, wenn die Spirale nicht isoliert ist, also offen im Wasser liegt, sonst wäre die Wärmeübertragung nicht schnell genug. Klingt abenteuerlich, funktioniert aber: Fast alle der 170 Millionen Brasilianer, die nicht zur Oligarchie gehören, duschen so.

Bald stellte sich aber heraus, daß es schwer ist, das Duschverhalten der Menschen zu ändern. Doch dann sprach sich herum, daß man die 20% auch anders erreichen kann: Zunächst nehme man die Tiefkültruhe/-schrank außer Betrieb, die hat meistens schon 10% vom Verbrauch gefressen. Dann ersetze man alle Glühbirnen durch Fluoreszenz-Birnen (‚Neon-Birnen’), das macht in der Regel weitere 10% aus. So schaffte es tatsächlich die überwiegende Mehrheit der Brasilianer, 20% Strom zu sparen. Wer allerdings keinen Tiefkühlschrank hatte und vorher schon Fluoreszenzbirnen gekauft hatte, sah nun dumm aus: Einige tausend brasilianische Familien mußten sich Stromsperren gefallen lassen. Sogar Familien mit kleinen Kindern wurde unnachsichtig der Strom gesperrt.

Natürlich hätten die Privatisierungen nur dann irgendeinen Sinn ergeben, wenn die neuen Besitzer zu Investitionen verpflichtet worden wären, die für die Stromversorgung Brasiliens notwendig waren. Was aber wirklich geschah: Die ausländischen Eigner der Firmen machten stattdessen gute Gewinne und transferierten sie an die Mutter.

Als besonders schlau erwies sich dabei die französische EDF. Sie kauft in Brasilien mit ihrem Tochterunternehmen ‚Light’ teuren Strom bei ihrem eigenen brasilianischen Stromverteilungsunternehmen zu einem Phantasiepreis, weist Verluste aus und hat so das Recht auf andauernde Preiserhöhungen weit über die Inflation hinaus. Das Geld von der Stromverteilungs-Tochter, die in Profiten schwimmt, fließt zu 100% nach Frankreich. Eben wurde wieder eine außerordentliche Strompreiserhöhung genehmigt – über die jährliche in Höhe der Inflation hinaus. Etwa 5 Millionen Brasilianer zahlen ab Februar 2005 6,3% mehr für den Strom. Die Brasilianer beschweren sich über die immens gestiegenen Strompreise. Für manche Familien stellt die Stromrechnung bereits 10% oder mehr ihrer Ausgaben dar.

Diese Praxis ist besonders empörend, da es, viel näher als die andere EDF-Tochterfirma, im Nachbarstaat Minas Gerais bei der (noch staatlichen) Furnas weit billigeren Strom zu kaufen gibt, der dort aus der Wasserkraft eines riesigen Stausees gewonnen wird. Da Rio de Janeiro nun den Strom von dort nicht mehr abnimmt, hat die Furnas beachtliche Überkapazitäten und produziert Verluste von etwa 8 Milliarden Dollar jährlich, für die der brasilianische Steuerzahler aufkommen muß. Der Brasilianer zahlt also einerseits mehr für seinen Strom und andererseits mehr Steuern, um die Überkapazitäten zu finanzieren.

Diese Tatsachen lassen auch die ganze Story mit dem Super-Black-Out unwahrscheinlich erscheinen, denn 2004 war der brasilianische Stromverbrauch deutlich höher als im Jahre 2001 und es sind noch fast keine neuen Kapazitäten dazugekommen. Das Ganze riecht nach Manipulation.

Im übrigen hatten alle privatisierten Elektrizitätsunternehmen das Anrecht, die Mindereinnahmen, die durch den tatsächlich in 2001 zurückgegangenen Stromverbrauch entstanden waren, vollständig vom brasilianischen Staat ersetzt zu bekommen.

Nach Schätzungen einer brasilianischen Zeitung zieht die Eletricité de France im Moment aus ihren brasilianischen Unternehmen JÄHRLICH in etwa soviel Geld heraus, wie sie der Kauf insgesamt gekostet hat. Profite von 100% der Investitionssume jährlich – das sind die tatsächlichen Verhältnisse.

Heute sind die Strompreise in Brasilien in etwa so hoch wie in anderen Teilen der Welt. Der ganze Vorteil der niedrigen Kosten aufgrund der Wasserkraft-Struktur fließt zu Konzernen in imperialistischen Ländern.

Falls Brasilien irgendwann einmal auf die Idee käme, seine Elektrizitätsversorgung wiederhaben zu wollen – was keineswegs abwegig ist -, müßte es natürlich zunächst Abfindungen zahlen – zumindest in der Höhe des Kaufpreises plus Inflationsanpassung plus Zinsen. Dann bekäme es ein heruntergekommenes Netz, schrottreife Kraftwerke und überlastete Umspannstationen zurück und müßte alles in riesigen Investitionen wieder auf Vordermann bringen.

Hier bekommt man einen deutlichen Eindruck, wie (ein Teil der) Ausbeutung der in neokolonialer Abhängigkeit gehaltenen Länder funktioniert.

Der von bestimmten Medien und von den Faschisten in Deutschland verbreitete Eindruck, die Entwicklungsländer würden Unmengen an Entwicklungshilfe erhalten und so gewissermassen die deutsche Bevölkerung ausbeuten, ist nichts als ein Ammenmärchen. Was da wirklich an ‚Entwicklungshilfe’ läuft – ganz abgesehen von der Fragwürdigkeit vieler Projekte – kommt nicht einmal auf 1% von dem, was von Banken, Konzernen, Spekulanten und - im geringsten Maße – Staaten aus diesen herausgesaugt wird.

Auch die immer wieder gerne verbreitete These, das Volk in den imperialistischen Staaten sei in irgendeiner Weise an der Ausbeutung der Entwicklungsländer beteiligt oder würde davon profitieren, wird hierdurch eindeutig widerlegt. Es sind die Großkonzerne, Multi-Milliardäre und Großbanken, an die am Ende alles geht.

Heute der 7. Teil der Brasilien-Reihe von Elmar Getto. Der Artikel erschien ursprüglich am 10. Februar 2005 in "Rbi-aktuell", hier leicht vom Verfasser redigiert


Hier die Links zu allen Teilen der Reihe „Brasilien jenseits von Fussball und Samba“

- Teil 1: „Wie der Amazonas zu seinem Namen kam“

- Teil 2: ‚Menschenfresser-Country’

- Teil 3: „Ausgerottete Künstler“

- Teil 4: Niemeyer ist 100 – ‚Auf dem Höhepunkt des Schaffens’

- Teil 5: Brasilien und Gold

- Teil 6: Die Landschaften Brasiliens – Der Amazonas-Regenwald

- Teil 7: Brasilien und der Strom

- Teil 8: Die Landschaften Brasiliens – Mata Atlântica

- Teil 9: Santos Dumont und der erste Motorflug

- Teil 10: SIVAM – Big Brother in Amazonien

- Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Teil 13: Wie unsere Zukunft in der beginnenden kapitalistischen Barbarei aussähe – „Ich habe kein Leben“

Donnerstag, 7. August 2008

Wirtschaftskrise in den USA

Wie sieht es wirklich aus?

Von Karl Weiss

Nach offiziellen Zahlen ist die USA noch nicht in einer Wirtschaftskrise. Vierteljahr um Vierteljahr wird noch ein geringes Wachstum der US-Wirtschaft um 0,6% gemeldet. Ein Artikel legt aber die wahren Verhältnisse klar. Nach dieser Information ist die USA bereits seit Ende 2006 in der „Rezession“, wie die Wirtschaftskrise schönfärberisch bezeichnet wird. Im Moment verschärft sie sich zusehends. Der Artikel enthält eine Menge Details, die dies belegen.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Er ist von F. William Engdahl in info.kopp-verlag.de, hier.

Die entscheidende Aussage ist: Die Wirtschaft der USA ist zu 70% vom Inlandskonsum abhängig, der im Moment in den Keller fährt.

Dieser wurde durch die extrem niedrigen Zinsen in den Jahren 2003 bis 2006 und durch die damals breit angewandten „Sub-Prime“-Hypotheken (Hypotheken auf Immobilien, deren Besitzer nicht die Mindestvoraussetzungen für normale Hypotheken erfüllen) künstlich angeheizt, was eine Schein-Konjunktur hervorrief, die jedoch ohne reale Grundlage war, denn sie wurde durch „leichtes Geld“ für US-Bürger hervorgerufen, die zwar ein Häuschen haben, aber kein wirklich ausreichendes Einkommen.

Das musste schief gehen und ging schief. Fast alle diese Familien mit mittlerem bis geringem Einkommen müssten jetzt Monatsraten zahlen, die sie nicht aufbringen können und verloren oder verlieren damit ihre Häuser bzw. Eigentumswohnungen. Das löst aber die Probleme der Banken und Hypothekeninstitute nicht, denn auch wenn ihnen nun diese Häuser und Eigentumswohnungen gehören, sie können sie nicht zu akzeptablen Preisen verkaufen, weil Millionen solcher Immobilien auf dem Markt sind und nur wenige Käufer.

Immobilienkrise USA

Die Banken und Hypothekeninstitute können diese Häuser zwar noch eine Zeit lang unter ihrem vormaligen Wert in den Büchern führen, müssen aber irgendwann auf die wahren Werte übergehen, was ihre „Aktiva“ plötzlich einbrechen lässt. So hat die grösste Bank der Welt, die Citi Group, bereits über 40 Milliarden Dollar an solchen oder ähnlichen Werten als Verluste abgeschrieben. Nur mit dem Verkauf grosser Teile ihres Vermögens konnte sie überleben. Es wird vermutet, dass fast alle US-Banken heute bankrott wären, würden sie gezwungen, alle Immobilien nur zu den Preisen in die Bilanzen aufzunehmen, die heute wirklich zu erzielen wären.

Northern Rock Pleite

Die wichtigsten Details im Artikel sind in der Liste der Einzelhandelsketten enthalten, die Läden schliessen.

Man sehe sich diese beeindruckende Liste an:

Ann Taylor schließt landesweit 117 Läden.

Eddie Bauer hat im ersten Quartal 27 Läden geschlossen, jetzt folgen weitere.

Cache, ein Damenbekleidungsgeschäft, schließt dieses Jahr 20 bis 23 Läden.

Lane Bryant, Fashion Bug, Catherines schließen landesweit 150 Läden.

Talbots, J. Jill schließen Läden. Talbots wird alle 78 Kinder- und Herrenbekleidungsgeschäfte schließen, plus 22 schlechtgehende Geschäfte. Die 22 Läden gehören teils zu Talbots-Damenbekleidungsgeschäften und J. Jill.

Gap Inc. schließt 85 Läden.

Foot Locker schließt 140 Läden.

Wickes Furniture macht alle Läden dicht. Das seit 37 Jahren bestehende Möbelhaus zählte vor allem Familien aus den mittleren Einkommensschichten zu seinen Kunden.

Levitz gab die Schließung all seiner 76 Niederlassungen zum Jahresende bekannt. Das Möbelhaus hatte seit 1910 bestanden.

Zales, Piercing Pagoda plant die Schließung von 82 Niederlassungen zum 31. Juli, danach sollen weitere 23 schlechtgehende Geschäfte geschlossen werden.

Disney Store: der Besitzer ist berechtigt, 98 Geschäfte zu schließen.

Home Depot schließt 15 Niederlassungen wegen der lahmenden US-Wirtschaft und des zusammenbrechenden Eigenheimmarktes. Von dem Schritt sind 1300 Angestellte betroffen. Es ist das erste Mal, dass die größte Baumarktkette der Welt einen Vorzeigeladen schließt.

CompUSA (geschlossen).

Macy’s – neun Niederlassungen geschlossen.

Movie Gallery – der Video-Verleiher plant die Schließung von bis zu 400 der 3.500 Movie-Gallery- und Hollywood-Video-Läden, und das zusätzlich zu den bereits im letzten Herbst im Rahmen eines Konkursverfahrens geschlossenen Läden.

Pacific Sunwear – 153 Demo-Läden werden geschlossen.

Pep Boys – 33 Läden des Autoteilelieferers werden geschlossen.

Sprint Nextel – 125 Verkaufsstellen mit 4.000 Angestellten werden geschlossen, bereits im Vorjahr wurden 5.000 Mitarbeiter entlassen.

J.C. Penney, Lowe’s und Office Depot schalten zurück.

Ethan Allen Interiors plant die Schließung von zwölf ihrer 300 Geschäfte zur Kostensenkung.

Wilsons the Leaher Experts – schließen 158 Geschäfte.

Bombay Company wird alle 384 Läden in den USA schließen.

KB Toys schließt im Rahmen des Neubeginns nach dem Konkurs 356 Läden.

Dillard’s Inc. wird in diesem Jahr sechs weitere Läden schließen.

Diese Liste ist sicherlich nicht vollständig.

Es wird gerade an ihr deutlich: Es handelt sich um den unteren und mittleren Teil der breiten Mittelschicht in den USA, die in grossen Teilen drastisch weniger auszugeben haben und daher nur noch das Nötigste kaufen. Das trifft Läden für langlebige Güter, aber auch Restaurants und alle, die Güter des gehobenen Bedarfs verkaufen bzw. herstellen. Auch andere Güter und Dienstleistungen, die man streichen kann, ohne dass dies das Leben wesentlich verändern würde, werden gestrichen, wie z.B. das Ausleihen von Filmen. In diesen Bevölkerungsschichten hat entweder einer (oder mehrere) in der Familie seinen Arbeitsplatz verloren oder musste(n) einen Job mit weit geringerem Einkommen antreten oder die Familie hat ihr Haus verloren und muss nun Miete aufbringen oder sie kann gerade noch die erhöhten Monatsraten der Hypotheken zahlen, muss sich aber darum extrem einschränken.

Vor drei Jahren war es ausserordentlich leicht, selbst grössere Anschaffungen zu machen, denn man konnte leicht Kredite in Form von Hypotheken aufs Häuschen bekommen, die fast keine Zinsen kosteten. Heute sind die Kreditlinien extrem eingeschränkt. Wer das Geld nicht flüssig hat, kann kaum ein Anschaffung machen.

So ist es auch verständlich, warum der Verkauf von Automobilen grösseren Kalibers zum Teil um bis zu 50% zurückgegangen ist. Der obere Teil der Mittelschicht und die Reichen in den USA - eine Minderheit - sind weiterhin wenig betroffen von dieser Krise, aber die breite Mehrheit der Bevölkerung dort leidet bereits jetzt schwer unter ihr. Kurzarbeit ist bereits weit verbreitet und die Verringerung der Autoverkäufe wird zu weiteren Massenentlassungen führen, nicht nur in der Atomobilindustrie, sondern auch bei vielen Zulieferern und verbundenen Unternehmen, was die Situation noch verschärft.

Housing Slump

Eine andere wichtige Information des Artikels ist: Die offizielle USA verfälscht seit langem systematisch die Statistiken der Wirtschaftsdaten, um diese Probleme nicht aufscheinen zu lassen bzw. zu verniedlichen. Wer realistischere Schätzungen als die offiziellen Statistiken anstellt, wird zum Beispiel statt der offiziellen Arbeitslosigkleit von 5,5% auf eine von etwa 13% kommen. Auf solchen Schätzungen beruht auch die Aussage, die Wirtschaft der USA schrumpfe bereits beständig seit Ende 2006.

So muss auch die Meldung betrachtet werden, die nun bereits zum dritten Mal hintereinander kam: Das Brutto-Inlandsprokt (BIP) der USA habe im letzten Quartal um 0,6% zugelegt, hiess es nach dem 4.Quartal 2007, nach dem 1. Quartal 2008 und nach dem zweiten Quartal 2008. Ein Artikel in der Financial Times Deutschland macht klar, man kann diesen Zahlen nicht trauen, sie beruhen nämlich auf einer Schätzung, die meist von den Interessen der Schätzenden abhängig ist. Hier zwei Zitate aus dem Artikel:

„... die mit dem BIP-Bericht gelieferten Revisionen seit 2005. Danach ist das US-BIP im vierten Quartal 2007 nicht um 0,6 Prozent gestiegen, sondern um 0,2 Prozent gefallen;“

„... im Sommer 2001 seine jährliche Revision vorgestellt hatte, wurde immer noch vermutet, dass das US-BIP im dritten Quartal 2000 um 1,3 Prozent zugelegt hatte. Im Vergleich zur Schnellschätzung im Oktober 2000 war das bereits eine Halbierung. Aber nach dem aktuellen Stand der Dinge war das BIP im dritten Quartal 2000 um 0,5 Prozent gesunken.“

Auch wir in Deutschland kennen ja diese Mogelpackungen vom Typ Merkels Märchen, mit denen ein angeblicher Wirtschaftaufschwung „belegt“ wurde, von dem aber, welch Zufall, nur die Superreichen etwas gemerkt haben. In Wirklichkeit sind die Zahlen der Empfänger von Hartz IV seit 2006 nie unter 6 Millionen gesunken (von 2005 bis 2006 waren sie von etwas über 5 Millionen auf über 6 Millionen gestiegen).

Zwar können die USA wegen des gesunkenen Dollarkurses mehr exportieren, aber das wiegt nicht den verringerten Inlandsabsatz auf, es federt lediglich die Abwärtsbewegung etwas ab.

Schliesslich gibt es auch noch eine alarmierende Aussage in diesem Artikel für alle, die meinen, mit einem Präsidenten Barack Obama werden sich die Probleme der USA lösen: Der Chef der Kampagnenfinanzierung von Obama ist der Milliardär Pritzker (u.a. Erbe der Hyatt-Hotelkette), der zusammen mit der Bank Merryl Lynch die „Sub-Prime“-Kredite erfunden hat!

So hat sich denn auch Obama schon seit einiger Zeit von Aussagen verabschiedet, die früher nahegelegt hatten, er werde die Massensteuern senken und diejenigen der Superreichen und der grossen Konzerne erhöhen. Er behauptet nun, niemals massive Veränderungen der Steuern angekündigt zu haben, lediglich Korrekturen von ‚Exzessen‘.

Ausserdem: Die Wirtschaftskrise beginnt sich bereits auf andere Länder auszuweiten. So hat die japanische Industrie z.B. gerade in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen verminderte Produktionszahlen gemeldet. Drei europäische Lander sind schon offiziell in der Wirtschaftskrise, siehe hier.


Veröffentlicht am 6. August 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

"Hellseherei? Die Wirtschaftskrise"

"General Motors könnte pleite gehen"

"Fannie und Freddie in der Bredouille"

"Drei EU-Länder sind bereits in der Wirtschaftskrise"

"Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise"

"Banken gerettet – Staat pleite?"

"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

"Verdienen deutsche Banken Vertrauen?"

"Können Sie das glauben?"

Mittwoch, 6. August 2008

Deutschland - ein Gottesstaat

75 Jahre Konkordat - Der Faschismus und der Vatikan

Von Karl Weiss

Am 20. Juli 1933, vor 75 Jahren, wurde im Vatikan das sogenante Reichskonkordat zwischen der katholischen Kirche und dem Deutschen Reich unterschrieben. Mit ihm konnte die erst kurz zuvor gebildete Hitler-Regierung in Deutschland international Punkte sammeln. Statt sich dem Boykott einiger Länder gegen diese Regierung anzuschliessen, schloss der Vatikan als erster „Staat“ mit Hitler ein Abkommen. Wenn der Papst selbst mit Hitler paktiert, wer wollte ihn dann noch boykottieren?

Oettinger Rede für Filbinger
Kaum ein Bild kann die innige Verschlungenheit des Faschismus mit den Kirchen und der Bundesrepublik deutlicher ausdrücken als dieses. Wer zu Grabe getragen wird, ist Filbinger, ein Faschist, der es in der Bundesrepublik bis zum Ministerpräsidenten und stellvertretenden CDU-Vorsitzenden gebracht hatte. Wer die Lobrede auf den Faschisten hält, ist Oettinger, jetziger CDU-Ministerpäsident. Wer dem Toten die letzte Ehre gibt, ist der katholische Bischof von Freiburg und das einzige, was da noch fehlte, ist die martialische Staatsgewalt. Sie ist in Form der abkommendierten Polizisten zugegen.

Hitler hatte richtig darauf gesetzt, der Papst stimme zwar nicht mit der faschistischen Ideologie überein, aber mit den wesentlichen Zielen des deutschen Faschismus, also vor allem dem Kampf gegen die Arbeiterbewegung und dem Krieg gegen die Sowjetunion, den Hitler bereits in „Mein Kampf“ als Hauptziel genannt hatte. Der Vatikan würde also anbeissen, wenn man ihm wesentliche Vorteile für de katholische Kirche in Deutschland anbieten würde. Und so war es.

Der Inhalt des Konkordats war unerhört. Nie vorher hatte ein Staat einer Religionsgemeinschaft so viele Vorteile offeriert. Bis heute gibt es in keinem Land der Erde vergleichbare Regelungen für Religionsgemeinschaften. Selbst in „Gottesstaaten“, wie dem Iran, gibt es keine so vorteilhaften Regelungen für die dominierende Relgionsgemeinschaft. In Wirklichkeit machte Hitler Deutschland so zu einer Art von Gottesstaat, ohne dem Klerus allerdings Einfluss auf die Politik der Regierung einzuräumen.

Das Konkordat, das später gleichlautend auch auf die grossen protestantischen Kirchen in Deutschland ausgedeht wurde, beinhaltet drei wesentliche vorteilhafte Regelungen für die Kirchen:

1. Die Geldleistungen der Mitglieder an ihre Kirchen werden von Staats wegen als Kirchensteuer eingezogen. Das gibt es in keinem anderen grösseren Land der Welt. Dazu kommt, man gesteht den Eltern zu, ihre Kinder bereits klein in die Kirchen eintreten zu lassen. So erleben die jungen Menschen, unabhängig von ihrem Glauben oder ihrem Wunsch der Zugehörigkeit zu einer Kirche, wie ab der ersten Einkommenszahlung bereits Kirchenabgaben automatisch abgezogen werden. Damit habe die grossen christlichen Kirchen in Deutschland ein Milliardeneinkommen praktisch garantiert und müssen nichts für das Eintreiben ausgeben.

Filbinger und Kohl
Hier sieht man zu Zeiten, als Schmidt noch Bundeskanzler war, die Spitze der CDU: Kohl, der Vorsitzende, als Vertreter der Wirtschaftsfraktion in der CDU und Filbinger, sein Stellvertreter, als Vertreter der beträchtlichen faschistischen Fraktion in der ach wie so christlichen Partei

2. Die grossen christlichen Religionsgemeinschaften erhielten das Recht, auf den staatlichen Schulen während der normalen Schulzeit Religionsunterricht geben zu können und an den staatlichen Universitäten ihren Klerus ausbilden zu lassen. Dabei wird auch noch beträchtlicher Druck ausgeübt, dass alle Kinder an diesem Unterricht teilnehmen, auch wenn das Kind oder der Jugendliche gar nicht daran interessiert ist bzw. die Eltern ihn dort nicht teilnehmen lassen wollen. Die Religionslehrer, wie auch die Universitätsprofessoren, werden vom Staat bezahlt.

3. Diese Kirchen erhalten unter den verschiedensten Vorwänden aus Steuergeldern über die Abgaben ihrer Mitglieder hinaus staatliche Zuwendungen, die in reiner Form etwa 14 Milliarden Euro pro Jahr betragen, in versteckter Form sogar noch viel mehr. Siehe hierzu auch diesen Artikel.

Die Türkei zum Beispiel, auf die mancher in Deutschland herunterschaut, hat in ihrer Verfassung die strenge Trennung zwischen Kirche und Staat festgeschrieben - und das seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Darauf beruhte auch die Anklage gegen die Regierungspartei, die der Türkei einen islamischen Charakter geben will, vor dem dortigen Verfassungsgericht.

CDU-Fest fÜr Filbinger 90 Jahre
Dies ist der Faschist Filbinger auf dem Empfang, den die CDU für ihn am 90. Geburtstag gab, offenbar unter Freunden und bestens aufgelegt einen Toast ausbringend

Als der Papst damals das Eis gebrochen hatte, wurde die Hitlerregierng hoffähig. Die Diplomaten und Militärattachees des faschistischen Regimes hatten Zugang zu den Treffen der Politik und des Finanzadels in den wesentlichen westlichen Ländern, wie z.B. den USA, Grossbritannien und den meisten europäischen Ländern.

Sie nutzten aus, wie weit der Antisemitismus in diesen Ländern verbreitet war und sie trafen mit dem Versprechen des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion auf offene Ohren selbst bei Managern, Bankern und Superreichen, die nichts mit der faschistischen Ideologie am Hut hatten.

So gelang es Hitler, von 1933 bis 1939 die Vorbereitungen für den Krieg auf Hochtouren zu betreiben, die das deutsche Grosskapital zum Herrscher der Welt machen sollte, ohne auf irgendwie geartete Sanktionen zu treffen. Obwohl Hitler einfach Geld drucken liess, wurde die Reichsmark im Ausland angenommen, als sei es eine stabile Währung. Es gab absolut kein Exportverbot, z.B. von kriegsbedeutendem Material nach Deutschland, aus keinem bedeutenden Land – bis zum Beginn des 2. Weltkrieges am 1. September 1939!

Alle sahen einfach zu, als Hitler sein Heimatland Österreich dem deutschen Reich eiverleibte und auch noch, als man in die Tschechoslowakei einmarschierte. Später wurde dies als „Appeasement-Politik“ gebrandmarkt und argumentiert, damit habe man zwar Hitler beruhigen und vom Krieg abhalten wollen, in Wirklichkeit aber nur seinen Appetit geweckt.

Diese Politik war aber in Wirklichkeit darauf begründet, dass viele westliche Politiker mit vielen Teilen der Hitler-Politik übereinstimmten. Irgend eine Möglichkeit, Hitler durch „Beruhigen“ jenen Krieg nicht beginnen zu lassen, war sowieso nicht realistisch.

Der damalige FBI-Chef Hoover war wohl einer der Hitler-Anhänger. Auch in der CIA war die Mehrheit der Verantwortlichen offenbar eindeutig auf Hitlers Seite. Kein Wunder, dass es die CIA war, die nach dem Krieg einem wesentlichen Teil der faschistischen Massenmörder zur Flucht nach Südamerika verhalf.

Die Standard Oil (heute Exxon Mobil) vereinbarte mit Hitlers Regierung die Lieferung von bedeutenden Mengen von Rohöl und Ölprodukten für den Krieg. Diesen Lieferverpflichtungen kam man selbst nach 1939 noch nach! Auch die IBM lieferte noch währenddes Krieges Geräte, die u.a. in KZs benutzt wurden.

Als 1939 der 2. Weltkrieg begann, war die Hitler-Lobby in den USA – speziell in der Politik und bei den Konzernen und Superreichen so stark, dass es der Präsident Roosevelt nicht wagen konnte, auf der Seite der Alliierten in den Krieg einzutreten, obwohl er kein Hitlerist war.

Erst als die mit Hitler verbündeten Japaner zwei Jahre später einen Überraschungsangriff auf den wichtigsten Hafen der US-Pazifikflotte in Pearl Harbour auf Hawai planten, sah er eine Möglichkeit, dies als Vorwand für eben diesen Kriegseintritt benutzen zu können.

Er liess einen grossen Teil der Flotte aus dem Hafen auslaufen, warnte aber die verbliebenen Teile nicht, obwohl er die Pläne kannte. So wurde aus dem Angriff auf Pearl Harbour ein riesiges Massaker, gross genug, um die Hitler-Anhänger verstummen zu lassen und Rossevelt nun die Möglichkeit zu geben, auf der Seite der Aliierten in den Krieg einzutreten.

Selbst nach dem zweiten Weltkrieg machte der damalige englische Premier Churchill noch deutlich: Man wäre eigentlich auf Hitlers Seite gestanden, hätte dieser nicht im Auftrag des deutschen Monopolkapitals die Weltherrschaft (zusammen mit Japan) angestrebt. Er sagte: „Wir haben das falsche Schwein geschlachtet.“ Das „richtige Schwein“ wäre die Sowjetunion gewesen.

Als im Jahr 1949 die Bundesrepublik gegründet wurde, übernahm man das Konkordat, so als ob das Bestechungsmanöver eines Unrechtsstaates nach dessen Abgang noch Gültigkeit haben könnte. Bis heute gilt es, ein Dinosaurus, der nie hätte zu neuem Leben erweckt werden dürfen.

Trennung von Kirche und Staat!


Veröffentlicht am 5. August 2008 in der Berliner Umschau, hier leicht redigiert

Originalveröffentlichung

Dienstag, 5. August 2008

WTO-Doha-Runde endgültig gescheitert

Die Agrarsubventionen müssen weg!

Von Karl Weiss

Wie bereits vorausgesagt in diesem Artikel, sind praktisch keine bedeutenden internationalen Abkommen mehr möglich, im gleichem Masse, wie der im Todeskampf liegende Kapitalismus in die kapitalistische Barbarei schlittert.

Diese ist neben der völligen Kriminalisierung aller Beziehungen eben genau dadurch gekennzeichnet: ‚Keine gemeinsamen Ziele mehr‘, ‚die Einzelinteressen dominieren‘, ‚Alle gegen alle‘, ‚je rücksichtsloser, desto besser‘ und ‚Rache ist Blutwurst‘. Entsprechend ist denn auch am 29. Juli 2008 der letzte Versuch in Genf gescheitert, auf einer Versammlung von über 500 Delegierten aus fast allen Ländern der Welt (153 Länder waren vertreten), die Doha-Runde der Verhandlungen der World Trade Organisation (WTO) über eine weitere Liberalisierung des Welthandels zu einer Einigung zu bringen.

Die Doha–Runde wurde 2001 in Doha, der Hauptstadt des Emirates Quatar, eröffnet und sollte dazu führen, dass die letzten Einfuhrzölle fallen, der Kapital- und Gewinn-Verkehr völlig von Restriktionen und Abgaben befreit wird und dass die Ansichten der reichen Länder zu Patenten und zu Urheberrechtfragen anerkannt werden. Kurz: Die imperialistischen Länder sollten alle Vorteile haben, die Entwicklungsländer alle Nachteile. Allerdings haben die Entwicklungsländer sich zusammengeschlossen und Gegenleistungen der imperialistischen Länder gefordert, was diese aber nicht zugestanden haben. Daran sind letztendlich nach 7 Jahren und unzähligen Versuchen der Wiederbelebung diese Verhandlungen gescheitert.

Was die WTO unter Liberalisierung des Welthandels versteht, war vor dieser Runde bereits deutlich geworden. In mehreren Abkommen waren die Entwicklungsländer gezwungen worden, ihre Märkte für die Waren und das Kapital der Industrieländer zu öffnen. Das hatte verheerende Auswirkungen für die armen Länder. Die Industrie-Ansätze, die sich entwickelt hatten, wurden praktisch vollständig konkurrenzunfähig und gingen meistens ein. Die Entwicklungsländer waren dadurch gezwungen, fast alle Industriegüter einzuführen und dafür die dringend benötigten Devisen auszugeben. Soweit im eigenen Land hergestellt wurde, waren die Firmen fast immer im Besitz von Gruppen aus den reichen Ländern, so dass keine Werte für die armen Länder erzeugt wurden, sondern nur Profite für jene, die sowieso schon in Geld schwammen.

Als Gegenleistung kamen von den reichen Ländern Versprechungen oder jedenfalls Andeutungen über Erleichterungen von Einfuhren von Agrarprodukten aus den Entwicklungsländern und zum Abbau der Subventionierung der eigenen Agrarprodukte. In Wirklichkeit haben die imperialistischen Länder aber nicht im Traum daran gedacht, ihre Märkte für Agrarprodukte der Entwicklungsländer zu öffnen und ihre Agrarsubventionen wirklich zu kappen. Aus Versprechungen wurden „nicht bindende Ankündigungen“ und aus dem fest Vereinbarten etwas, an das man sich nicht hielt, denn es waren keine Sanktionen vorgesehen. Selbst in den wenigen Fällen, in denen Sanktionen vorgesehen sind, hielt man einfach die Zusagen nicht ein.

So sind die USA bereits seit vielen Jahren verpflichtet, die Subventionen für ihre Baumwollanbauer deutlich zu kürzen. Man hat dies aber nicht getan. Brasilien, ein Land, das grosse Mengen von Roh-Baumwolle herstellen und exportieren könnte, wenn die USA nicht mit ihrer subventionierten Baumwolle den Weltmarkt zu Preisen überschwemmen würden, die keinerlei Konkurrenz zulassen, hat bereits vor Jahren die USA vor dem Gericht der WTO verklagt und hat Recht bekommen. Die USA gingen in Revision und kürzlich wurde das endgültige Urteil verkündet: Die USA wurden verurteilt zu dulden, dass Brasilien im Milliardenmasstab Einfuhrzölle auf Einfuhren aus den USA erhebt, um den Nachteil auszugleichen, der Brasilien durch das Nichteinhalten der Verpflichtungen der USA aus einem der Abkommen entsteht.

Tatsächlich hat es Brasilien bis jetzt nicht gewagt, diese Zölle zu erheben, sondern versucht, dies als Verhandlungsmasse einzubringen.

Bereits kurz nach dem Beginn der Doha-Verhandlungen hatten sich die Entwicklungsländer zum ersten Mal zusammengetan, um sich bei diesen Verhandlungen nicht wieder an die Wand drücken zu lassen wie bei den vorhergehenden. Man gründete die ‚Gruppe der 20’ , das sind die bedeutendsten 20 Entwicklungsländer und es wurde ein Führungstrio für diese Gruppe gebildet, das aus Indien, Südafrika und Brasilien bestand.

Die Globalisierungsgegner wie z.B. attac haben die Verhandlungen immer mit Beifall für die harte Haltung der Entwicklungsländer begleitet.

Allerdings gibt es keinerlei Grund, „Sieg“ zu schreien. Es wurde lediglich noch Schlimmeres verhindert mit diesem Scheitern, nichts Positives erreicht.

Es ist unbedingt notwendig, dass wir in den entwickelten Ländern bei unseren Regierungen darauf dringen, die Agrarsubventionen abzuschaffen und diese Milliarden sinvoll auszugeben, z.B. in einer massiven Umstellung der Landwirtschaft auf Biogas-Herstellung. Das könnte in einem Land wie Deutschland glatte 30 bis 40% der Erdöl- und Kohle-Importe unnötig machen. Zudem bekäme de Landwirtschaft wieder eine positive Aufgabe und würde unabhängig vom Brüsseler Tropf.

Wenn die Entwicklungsländer nicht mehr mit billigen Agrarprodukten aus reichen Ländern eingedeckt werden, könnten dort auch wieder die Millionenmassen von ländlicher Bevölkerung Ackerbau und Viehzucht betreiben und damit ihr Brot verdienen, was heute nicht möglich ist, denn man kann mit EU- oder US-Landwirtschaftsgütern nicht konkurrieren.

In den Entwicklungsländern sind zwischen 50 und 90% der Bevölkerung ländlich bzw. eine, die nur deshalb in die Städte gestrebt ist, weil man mit der Landwirtschaft kein Auskommen mehr hatte. Wenn alle diese Menschen wieder aufs Land gehen können, Ackerbau und Viehzucht betreiben und damit ein Auskommen haben, können Milliarden von Menschen aus Elend und Armut kommen.

Veröffentlicht am 4. August 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Montag, 4. August 2008

Brasilien jenseits von Fussball und Samba, Teil 6: Die Landschaften Brasiliens - Der Amazonas-Regenwald

Teil 6: Die Landschaften Brasiliens: Der Amazonas-Regenwald

Von Elmar Getto

Es irrt, wer sich ganz Brasilien als einen Dschungel vorstellt, den Dschungel Amazoniens und den Dschungel der Großstädte. Zwar ist die Regenwald-Landschaft des Amazonasgebietes wirklich das größte zusammenhängende Urwaldgebiet der Erde und nimmt mehr als 50% der Fläche Brasiliens ein und die Großstädte wie São Paulo und Rio de Janeiro sind wirklich städtischer Dschungel, aber Brasilien hat noch 8 weitere Landschaftstypen zu bieten: Mata dos Cocais, Cerrado, Caatinga, Floresta tropical, Pantanal, Mata das Araucárias, Campos Gerais und Mangues litoráneos.

Regenwald

Aber langsam, fangen wir am Anfang an. Brasilien ist ein Land von kontinentalen Ausmaßen, mit der fünftgrößten Flächenausdehnung (etwa 8,5 Millionen Quadratkilometer) nach Rußland, Kanada, China und den Vereinigten Staaten, deutlich größer als Australien und Indien. Es ist das größte Land der Südhalbkugel, auch wenn man nur den Teil südlich des Äquators zählt. Es ist das einzige Land der Erde, durch das sich sowohl der Äquator als auch einer der Wendekreise zieht (in diesem Fall der Wendekreis des Steinbocks).

Das Amazonasgebiet im weiteren Sinne in Brasilien nimmt etwa 5,5 Millionen Quadratkilometer ein, also deutlich mehr als die Hälfte der brasilianischen Gesamtfläche, davon sind etwa 60% (3,3 Millionen Quadratkilometer) – noch – mit Regenwald bedeckt. Dabei handelt es sich bei diesen Regenwäldern aber keineswegs um eine einheitliche Landschaft.

Brasilien (topographisch)

Der überwiegende Teil der dortigen Regenwälder sind Überschwemmungs-Regenwälder, d.h. sie stehen einen Teil des Jahres (in der Hochwassersaison – das ist meist um den August herum) unter Wasser. Dieser Typ des Regenwaldes ist weitgehend ohne Unterholz, also kein „Dschungel“, weil ja hier auf dem Boden nur Pflanzen überleben können, die es schaffen, innerhalb eines Jahres (oder mit etwas Glück innerhalb von zwei Jahren) so hoch zu wachsen , daß sie bereits eine monatelange Überschwemmungsperiode überstehen. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Bäume. Der Besucher einer der Urwald-Lodges im Bereich der Großstadt Manaus kann also bequem im Regenwald spazieren gehen und Ausschau nach Äffchen oder nach den beliebten eßtellergroßen Spinnen (Vogelspinnen) halten.

Die sind völlig harmlos und giftfrei, können allerdings beißen. Der Führer läßt schon einmal eine auf seinem Arm laufen. Neben diesen kurzweiligen Urwaldspaziergängen bietet man dort auch das morgendliche Piranhas-Fischen an – als Köder verwendet man erstklassiges Rindfleisch. Zum Mittagessen werden dann die gefangenen Piranhas gegrillt (War das nicht umgekehrt, daß die Piranhas uns fressen? Verkehrte Welt! Außerdem hätte das Rindfleisch besser geschmeckt, bevor es durch den Magen der Piranhas ging).

Abends fährt man mit einem Boot Krokodile fangen. Genau gesagt sind es Kaimane (Jacaré) und es ist der Führer, der sie packt. Das ist nicht ganz so schwer und gefährlich, wie man es sich vorstellt, denn die verharren ganz still, geblendet von den hellen Taschenlampen – aber wehe, wenn sie einen Moment aus dem Lichtkegel kommen. Zu finden sind sie auch leicht, denn ihr Augen reflektieren den Lampenschein. Der Führer greift sich natürlich nicht gerade die 2 oder 3 Meter langen Exemplare, sondern die von 1 m oder kleiner. Er bringt sie ins Boot und dann gibt es Photo—Session.

Die männlichen Touristen dürfen ihre Furchtlosigkeit beweisen, reihum das Untier halten und sich photographieren lassen. Blitzlicht nicht vergessen! „Eine Hand am Kopfansatz, eine am Schwanzansatz, vom Körper weghalten und nicht loslassen, auf keinen Fall loslassen!“ Danach setzt man das verstörte Wesen wieder in sein Habitat.

Am nächsten Tag ist dann schon wieder Furchtlosigkeit angesagt. Es wird gefragt, ob man sich nicht mit einem Bad im Fluß erfrischen will. Da man aber noch den Fischreichtum (Piranhas) und Kaiman-Reichtum der Gewässer im Gedächtnis hat, ist man eher zögerlich. Erst wenn man dann ein paar kleine Indio-Mädchen sich dort im Wasser vergnügen sieht und der Führer versichert hat, daß nach seinem Wissen noch keinem Touristen etwas zugestoßen sei, gehen die Mutigsten ins Wasser. Das Wasser ist so trüb, angereichert mit winzigsten Schwebstoffen, die nichts anderes als Teile des Regenwaldes sind, schon in Zersetzung begriffen, daß es bereits in 1 Meter Wassertiefe zappenduster ist, wenn man taucht.

Die nächste Lektion im Überwinden von Urängsten kommt etwas später, wenn man eine Boa constrictor von 5 Metern Länge streicheln darf. Diesmal ist Halten nicht angesagt. Der Führer meint, die könne sich schon einmal blitzschnell um den Körper schlingen und dann gehe einem schnell die Luft aus. Man brauche dann vier starke Männer, um das Leben des Menschen zu retten. Übrigens, Schlangen sind überhaupt nicht schleimig, sondern ganz trocken.

Die Ausflüge per Boot gehen zu einem berühmten See mit zig Victoria Regias (das sind die Seerosen mit den riesigen schwimmenden Blättern, auf die man ein Kleinkind setzen kann, was mit herumgereichten Photos bewiesen wird – das Kleinkind sollte allerdings still sitzenbleiben) und zum Zusammenfluß des Rio Solimões mit dem Rio Negro in der Nähe von Manaus, wo sie den Amazonas im engeren Sinne bilden, hier schon Kilometer breit. Noch ein gutes Stück kann man die beiden Farben der Flüsse im gemeinsamen Bett verfolgen – das hellbeige, trübe Wasser des Solimões rechts und das fast klare, dunkelbraune des Negro links. Dort trifft man mit etwas Glück einige der rosa Süßwasserdelphine, die es nur hier gibt und die sich – wie Meeresdelphine – einen Spaß daraus machen, mit den Booten zu schwimmen.

An höher gelegenen Stellen wächst aber auch Unterholz und bildet den berühmten undurchdringlichen Dschungel. Es gibt auch Bereiche im Amazonasgebiet, die keineswegs dicht bewaldet sind, wie z.B. die Gebirgs-Region an der Grenze zu Venezuela, wo sich auch Brasiliens höchster Berg, der Pico de Neblina findet, genauso hoch wie die Zugspitze. Es gibt auch tiefer liegende Regionen, die fast das ganze Jahr unter Wasser stehen und wieder eine andere Art von Regenwald beherbergen.

Amazonas

Andere Bereiche des Amazonasgebietes sind ebenfalls nicht mehr bewaldet, besonders im Süden und Westen des Gebietes. Das hat aber keine natürlichen Ursachen, sondern hier wird abgeholzt und abgebrannt. Die Vernichtung von Regenwald im Amazonasgebiet hat sich in den letzten Jahren noch weiter beschleunigt.

Alle noch auf der ECO Rio im Jahre 1992 vollmundig angekündigten Fortschritte sind nicht eingehalten worden. Das euphorisch als „Rettung des Regenwaldes“ angekündigte System SIVAM (die vollständige Überwachung des Amazonasbeckens auf der Basis von Radarstationen und Satelliten) ist Wirklichkeit geworden, wird aber zu allem Möglichen genutzt, nur nicht zur Verhinderung der Regenwaldvernichtung und zur Verfolgung der Täter. Auf SIVAM wird u.a. noch in einer der nächsten Folgen der Brasilien-Serie "Jenseits von Fussball und Samba" eingegangen.

Geht das Abholzen und Abbrennen im beschleunigten Rhytmus der letzten Jahre weiter (und man muß eher befürchten, daß sich der Rhytmus noch steigert), wird der Regenwald im Amazonasgebiet binnen dreißig bis vierzig Jahren auf eine Anzahl unzusammenhängender Wälder reduziert sein, deren (positiver) Einfluß auf das Klima gering sein wird.

Die jetzige Klimagenesung durch die Urwälder des Amazonasbeckens wird von allen Wissenschaftlern als ausschlaggebend für das gesamte Klimageschehen im Bereich des atlantischen Ozeans und der Karibik und darüber hinaus angesehen. Der Regenwald verdunstet riesige Mengen Wasser pro Tag und nimmt die dafür benötigte hohe Energiemenge aus dem Wetterablauf heraus. Der Einfluß, den das Ausbleiben oder wesentliche Verringern dieses Effekts auf das Klima der Region und darüber hinaus haben würde, ist im Einzelnen umstritten unter den Forschern, aber alle sind sich einig, daß diese Auswirkungen katastrophal sein würden.

Brasilien: Soja-Pflanzungen auf Regenwald-Gelände

Die Szenarien schließen unter anderem folgendes ein:

- Vervielfachung der Zahl der schweren und superschweren Hurrikans, die sich auf die Karibik, Mittelamerika, Mexiko und die Vereinigten Staaten zu bewegen würden

- Extreme Intensivierung und Perpetuierung des Effektes „El Ninho“, was eine dramatische Erhöhung der Umwetter an den Pazifikküsten des amerikanischen Kontinents hervorrufen würde.

- Beeinflussen oder sogar Umlenken des beständigen Südostwindes, der vom Südatlantik in die Karibik bläst und damit Wasser in den Golf von Mexiko drückt, was den Golfstrom, die stärkste Meereströmung auf der Erde, auslöst. Ein Ausbleiben des Golfstromes würde wesentliche Teile Europas in sibirische Kälte stürzen und nach heutigen Begriffen unbewohnbar machen.

- Ausdehnung der Hurrikan-Vorkommen auf den Südatlantk. Diese würden dann die Küsten Brasiliens, Uruguays und Argentiniens heimsuchen.

- Ausbreiten von Steppen und Wüsten in Südamerika

Ebenso hätte eine wesentliche Verringerung der Regenwälder im Amazonasbecken Auswirkungen im Sinne einer Beschleunigung der Erderwärmung, weil die Bäume ja Kohlenstoff speichern, das als Kohlendioxid, dem Treibhausgas, freigesetzt würde. Eine weitere Erderwärmung würde die oben genannten Klimaveränderungen, also vor allem das häufigere Auftreten und die Intensivierung katastrophaler Stürme und Unwetter, noch beschleunigen.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Wer die jetzt noch vorhandenen majestätische Grösse des Regenwaldgebietes am Amazonas einmal ‚erleben’ will und aus irgendwelchen Gründen vorhat, nach Brasilien oder Argentinien zu fliegen, der sollte einmal statt des direkten Fluges einen über Miami oder Orlando nehmen und dann einen Tagflug von Miami/Orlando nach São Paulo/Rio de Janeiro. Diese Strecke ist von vielen Luftfahrtgesellschaften intensiv beflogen mit insgesamt 12 täglichen Flügen, davon mindestens ein Tagflug und einer Anzahl von Flügen, die alle zwei Tage oder wöchentlich gehen.

Auf diesem Flug, man fliegt in südöstlicher Richtung – Südamerika liegt ja deutlich weiter östlich als Nordamerika - erreicht man den südamerikanischen Kontinent etwa auf der Höhe von Caracas, der Hauptstadt Venezuelas. Kurz danach fliegt man über das Orinokobecken, wo ebenfalls in riesigem Umfang Regenwald zerstört wird. Nach der darauffolgenden Bergkette ist man bereits über (fast) unberührtem Regenwald, der zum Amazonasbecken gehört und nun hat man 4 und einhalb Stunden Flug über Regenwald vor sich. Erst wenn man 4 einhalb Stunden später den Fluß Araguaia mit der Grenze der brasilianischen Bundestaaten Mato Grosso und Goiás überfliegt, weicht der Regenwald anderen Landschaften, weil man hier ins Gebiet der zentralen brasilianischen Hochebene kommt.

Zählt man den Orinoko mit, ist man sogar 5 Stunden über Regenwald geflogen (Fünf Stunden, das ist etwa die Zeit eines Fluges von der äußersten südwestlichen Ecke Portugals zum hohen Norden des Ural, also diagonal durch ganz Europa). Von oben wird einem klar, warum manche dies die „Grüne Hölle“ genannt haben. Man sieht nur grün und gewundene Flußläufe dazwischen, kein Haus, kein Dorf, kein Nichts – und das für 5 Stunden Flug! Würde man genau aufpassen und z.B. den Moment abpassen, wann man über den eigentlichen Amazonasstrom fliegt, könnte man schon Ansiedlungen erkennen, aber wer kann schon 4 einhalb bis 5 Stunden intensiv beobachten.

Dieses beeindruckende Erlebnis könnte einen fast zur Annahme bringen, eine so gewaltige Masse Wald könne man nicht so schnell niederbringen, aber das ist ein Irrtum. So massiv er hier auch auftritt, der Regenwald ist ein extrem empfindliches Gebilde.

Der Hauptgrund ist, daß die Humusschicht extrem dünn ist. Während ein Wald in den „gemäßigten Zonen“ der Erde, wie in Deutschland, eine meterdicke Humusschicht erzeugt (das ist vor allem verrottendes organisches Material), hat ein tropischer Regenwald lediglich eine Humusschicht von mehr oder weniger 10 Zentimetern.

Die Ursache ist, alles verrottet hier bedeutend schneller. Die höheren Temperaturen und die hohe Luftfeuchtigkeit führen alles, was von den Pflanzen herunterfällt (über die Aktion von Mikrolebewesen) innerhalb kürzester Zeit in Feinhumus über, der dann sofort wieder anderen Pflanzen als Nahrungsquelle dienen kann und dient. Im deutschen Wald dagegen kann man das ganze Jahr über die Blätter vom vergangenen Herbst liegen sehen. Im Frühling kann man an vielen Stellen noch deutlich die zwei Schichten der Blätter vom Vorjahr und vom Jahr davor unterscheiden und die vor eineinhalb Jahren abgefallenen Blätter als Einzelstücke identifizieren. D.h. das Verhältnis zwischen lebender organischer Masse und toter organischer Masse ist im tropischen Regenwald fast ganz auf der Seite „lebend“, im deutschen Wald weitgehend auf der Seite „tot“.

Sind unter den zehn Zentimetern nur Sand oder Felsen, müssen sich die Bäume zur Seite hin abstützen, also ein Wurzelwerk fast ausschliesslich nach den Seiten entwickeln (einige der Bäume können auch Wurzeln in Sand bohren, die dann zum Abstützen dienen, aber dazu braucht man eben Sandboden). Viele der wirklich hohen Urwaldriesen bilden einen sternförmigen Stamm aus, der ihnen eine bessere Abstützung ermöglicht. Andere lassen Wurzeln auch aus den Ästen nach unten wachsen, um damit zusätzliche Stützen zu haben. Trotzdem, sie sind bei weitem nicht so standfest wie ein Baum mit Pfahlwurzel in Deutschland, der sich zehn oder zwanzig Meter in den Boden bohrt.

Öffnet man im Regenwald eine Schneise, wird der Wind viele der umliegenden Bäume fällen. Zwar kann der Regenwald in einem jahrelangen Prozess solche Schneisen zuerst mit kleinen Pflanzen, dann Büschen und schliesslich kleineren und letztendlich größeren Bäumen wieder auffüllen, aber das klappt eben auch nur, wenn man die Schneise ganz sich selbst überläßt. Eine Schneise, in der bereits Erosion begonnen hat, kann kaum noch geschlossen werden.

Ist ein Stück Land einmal abgebrannt worden, ist Ackerbau getrieben worden oder hat man Gras und Kräuter für die Rinder wachsen lassen, ist die Humusschicht verschwunden und es kann sich kein neuer Regenwald mehr bilden. Die häufigen Regenfälle erodieren dann dieses Stück, was zum Niedergang auch des umliegenden Regenwaldes führt. Die Erosion breitet sich dann selbständig aus. Es braucht gar nicht mehr abgeholzt und abgebrannt werden.

Um dort neuen Regenwald entstehen zu lassen, muß man zunächst Humus aufbringen und dann typische Bäume und Sträucher des Regenwaldes pflanzen, ein extrem umständlicher, teurer und langwieriger Prozess. Bis auf einem so zurückgewonnenen Waldgebiet wieder die richtigen Urwaldriesen wachsen können, die schon mal bis zu 70 Meter hoch werden, dauert es leicht 100 und mehr Jahre.

Die andere wesentliche Frage im Zusammenhang mit dem Verschwinden bzw. Verringern des Regenwaldes ist die der Bio-Diversität, des Artenreichtums. Dabei handelt es sich nicht um den natürlichen Prozeß, daß einige Spezies verschwinden und neue entstehen, sondern daß das Verschwinden, die Ausrottung, einseitig beschleunigt wird und die Natur mit dem Formen neuer Spezies nicht mehr nachkommt, also die Gesamtzahl der Spezies – sowie ihrer Unterarten – sich verringert. Bis zu einem bestimmten Punkt hat das wenig Auswirkungen auf die Bewohnbarkeit des Planeten durch Menschen – ab diesem Punkt aber verschlechtern sich dramatisch die menschlichen Lebensbedingungen bis hin zur drohenden Ausrottung der Menschheit, weil der Mensch in Symbiose mit Tieren und Pflanzen lebt. Verschwinden grosse Teile von ihnen, kann auch der Mensch nicht mehr überleben.

Das Amzonasgebiet ist der Hort der größten Zahl von Spezies auf der Erde. An der Oberfläche leben ca. 2 Millionen verschiedener Spezies.

Was die Tiere betrifft, schätzt man, daß bisher erst etwa 30% davon bekannt sind. Über 95% der Spezies im Amazonasgebiet sind Wirbellose, also Insekten, Spinnentiere, Krebse, Krabbentiere, Garnelen, Schmetterlinge, Ameisen, Flöhe, Asseln, Quallen, Skorpione, Würmer, Seesterne, Einzeller wie Bakterien und Amöben und noch Hunderte von anderen Klassen, die nur da zu sein scheinen, um Biologiestudenten zur Verzweiflung zu bringen.

Die höheren Pflanzen machen in etwa 90 000 Spezies aus. Allein an Baumarten kommen pro Hektar Amazonaswald zwischen 40 und 300 verschiedene vor.

Diese ganze Bio-Diversität ist heute massiv bedroht. Selbst wenn heute das Abbrennen und Abholzen der Wälder deutlich eingeschränkt würden, ginge die Ausrottung von Arten noch lange ungehemmt weiter. Die menschlichen Aktivitäten haben nämlich bereits schwer umzukehrende Prozesse in Gang gesetzt, obwohl das Amazonasgebiet nur gering besiedelt ist.

Am verheerendsten wirkt sich das Quecksilber aus. In großen Teilen des Amazonasgebiets wird Gold aus den Sanden gewonnen mit dem Verfahren der Extraktion durch Quecksilber. Dieses Gold-Gewinnen wird industriemässig und zehntausendfach betrieben und die dabei verwendeten Quecksilbermengen gehen zu 100% in die Flüsse über. Dort reichern sie sich in den Sanden an und werden nach und nach in Form wasserlöslicher Salze an das Flußwasser abgegeben. Viele Gewässer im Amzonasgebiet enthalten heute bereits deutliche Mengen von Quecksilber. Besonders empfindliche Arten werden dadurch bereits ausgerottet. Das rottet dann wiederum Arten aus, die von jenen gelebt haben und danach solche, die von den anderen gelebt haben usw., d.h. es sind immer ganze Nahrungsketten betroffen. Andere Tiere und Pflanzen werden zwar vom Quecksilber nicht getötet, nehmen es aber in ihre Struktur auf. Wen sie dann wieder anderen als Nahrung dienen, werden diese dann mit Quecksilber angereichert und eventuell ausgerottet. Selbst wenn heute sofort mit der Quecksilber-Gold-Methode aufgehört würde, fänden sich noch über Jahrzehnte Quecksilberkonzentrationen in vielen Teilflüssen, Pflanzen und Tieren.

Der zweite verheerende Einfluß auf den Artenreichtum wird durch die häufigen menschlichen Invasionen in vorher unberührte Gebiete verursacht. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Goldsucher und um Drogenhändler.

Der Goldreichtum der Flußsande im Amazonasgebiet muß ja irgendwo herkommen, also forscht man in höher liegenden Gebieten nach Goldvorkommen. Es wird geschätzt, daß mindestens 10 000 Gruppen von Goldsuchern im Amazonasgebiet unterwegs sind. Von Zeit zu Zeit treffen sie auf einige der Indios, die noch übriggeblieben sind und die gewaltsamen Auseinandersetzungen füllen die Schlagzeilen brasilianischer Zeitungen. Im Prinzip braucht man zum Goldsuchen zwar eine Lizenz und auch der Zugang zu unberührten Gebieten ist von Erlaubnissen abhängig, der zu Indio-Reservaten sogar völlig verboten, aber wo kein Kläger, da auch kein Richter. Diese Gruppen sind in der Regel von reichen Brasilianern und Ausländern mit guten Beziehungen zu Regierungsstellen angeheuert und ausgerüstet worden, die dafür sorgen, daß sie unbehelligt bleiben.

Außerdem ist das Amazonasgebiet einer der größten Drogenumschlagplätze der Erde. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Kokain aus den benachbarten Ländern Peru und Kolumbien, Kokain, der Party-Droge, die auf keiner Party der Wohlhabenden in USA und Europa fehlen darf. Das hauptsächliche Ziel der Transporte sind die USA und bestimmte Umschlagpunkte in Mittelamerika, an denen auf Schiffe nach Europa umgeladen wird. Der Transport wird wesentlich mit Kleinflugzeugen durchgeführt. Zuerst wird das Kokain zu einem der Flußarme geschafft, die in den Amazonas münden. Von dort geht es mit Booten zu Schneisen, die man in den Urwald schlägt und wo man Zwischenlagerplätze und eine Rollbahn für Kleinflugzeuge anlegt. Mit diesen Flugzeugen wird die Droge dann zu neuen Umschlagplätzen in Mexiko, Nicaragua, Honduras, Costa Rica oder Panama geflogen, von wo aus man direkt in die USA fliegt oder sie wird zu improvisierten Landebahnen an Stränden in Mittelamerika geflogen, wo auf Boote und dann auf Schiffe umgeladen wird, die nach Europa gehen.

Dies alles läuft unter Oberaufsicht und heftiger Anteilnahme der CIA ab, wie der heldenhafte Reporter Garry Webb aufdeckte, der dafür sterben mußte. Ein großer Teil der Drogengelder geht an die CIA, die dafür sorgt, daß alles reibungslos läuft und viele seiner sonstigen Aktivitäten damit finanziert, wie Attentate auf Staatsoberhäupter, Terroranschlage, Produktion von Bin-Laden-Videos, Ausbildung von arabischen Selbstmord-Jet-Piloten und andere. Damit ist auch klar, daß niemand, weder die brasilianische Regierung noch die US-Amerikanische irgend etwas dagegen unternehmen wird.

Diese häufigen menschlichen Einfälle in vorher unberührte Urwaldgebiete vertreiben eine Anzahl von scheuen Tieren, teilweise dauerhaft. Damit verschieben sich wiederum ökologische Gleichgewichte und Arten sterben.

Wenn wir noch lange brauchen, um diesem kapitalistischen System den Garaus zu machen, wird es schon sehr spät sein. Jedes Jahr zählt. In nicht allzu ferner Zukunft sind die Prozesse unumkehrbar.


Heute also der sechste Teil der Brasilien-Reihe von Elmar Getto, hier leicht redigiert vom Autor. Er erschien ursprünglich in 'Rbi-aktuell' am 18. Januar 2005.

Hier die Links zu allen Teilen der Reihe „Brasilien jenseits von Fussball und Samba“

- Teil 1: „Wie der Amazonas zu seinem Namen kam“

- Teil 2: ‚Menschenfresser-Country’

- Teil 3: „Ausgerottete Künstler“

- Teil 4: Niemeyer ist 100 – ‚Auf dem Höhepunkt des Schaffens’

- Teil 5: Brasilien und Gold

- Teil 6: Die Landschaften Brasiliens – Der Amazonas-Regenwald

- Teil 7: Brasilien und der Strom

- Teil 8: Die Landschaften Brasiliens – Mata Atlântica

- Teil 9: Santos Dumont und der erste Motorflug

- Teil 10: SIVAM – Big Brother in Amazonien

- Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Teil 13: Wie unsere Zukunft in der beginnenden kapitalistischen Barbarei aussähe – „Ich habe kein Leben“

Mittwoch, 30. Juli 2008

Obamas Rede in Berlin ist verräterisch

Eine neue Epoche der Clinton-Politik?


Von Karl Weiss


Ja, was Obama in der Rede an der Siegessäule als aussenpolitisches Programm vorgestellt hat, wäre eine neue Clinton-Politik, eine neue Epoche des Menschenrechts-Imperialismus. Aber wird Obama, wenn er gewählt wird, ab Januar 2009 die gleichen Bedingungen vorfinden wie Bill Clinton Anfang 1993? Nein, er wird mit völlig anderen Problemen zu kämpfen haben, denn die ökonomischen Grundlagen sind nun völlig andere. Die USA und mit ihnen der weltweite Kapitalismus wird genau zu diesem Zeitpunkt auf grundlegende und unvermeidliche ökonomische und andere Probleme treffen, die unabhängig vom Willen von Politikern, Zentralbankchefs und Präsidenten aufkommen.

Barack Obama

Ja, Obama hätte das Zeug, ein neuer Kennedy zu werden, ja, diesen sogar zu übertreffen. Seine Reden sind blendend (im doppelten Sinne des Wortes) und der dunkle Teil seiner Hautfarbe scheint zu signalisieren, er habe etwas gemein mit den Unterprivilegierten dieser Welt, was das frauenfressende Millionärssöhnchen aus Boston niemals aufweisen konnte, aber Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war der weltweite Kapitalismus nach den Zerstörungen des 2. Weltkrieges in eine lange Aufschwungphase eingetreten und Prosperiät griff um sich, was John Fitzgerald wohl unnachahmlich repräsentierte. Nun aber hat der Kapitalismus seine letzten Karten ausgespielt, er kann keinerlei akzeptable Zukunft mehr bieten, er steckt in unausweichlichen Krisen (sei es ökonomisch, politisch, ökologisch oder in solchen der Glaubwürdigkeit), muss mehr und mehr zur Gewalt greifen, um die rebellierenden Völker im Schach zu halten.

Dafür ist aber Bush der richtige Repräsentant, nicht Obama. Wenn er gewählt wird, so wird er ein Fisch auf dem Trockenen sein, einer, der nichts vom Versprochenen halten kann (speziell jene Versprechen, die er gar nicht gemacht hat, die man in ihn hineinprojeziert). Die weltweite Wirtschaft ist auf dem Weg in die Weltwirtschaftskrise und wie tief diese ausfallen wird, ist im Moment nicht vorhersehbar und wohl auch kaum vorstellbar. Ausdruck und Inbegriff dieser Krise werden die USA sein und Obama, wenn er denn gewählt wird, Ausdruck und Inbegriff der USA. Statt hinauszuziehen in alle Welt und ein Land nach dem anderen in den Sack der USA zu stecken, wird ihn die wirtschaftliche Wirklichkeit im eigenen Land mit Massenarbeitslosigkeit und -armut, Hunger und Unruhen einholen.

Und er kann dem nicht einfach mit Konjunkturprogrammen entgegentreten, denn der Dollar verfällt jetzt schon und wird nicht mehr viel Gelddrucken wegstecken. Ab einem bestimmten Moment müssen die Gläubigerstaaten anfangen, US-Staatsanleihen massiv auf den Markt zu werfen und dann wird der Traum von der einzigen Supermacht ausgeträumt sein.

Wenn Sie einen Eindruck bekommen wollen, was diese Wirtschaftskrise in den USA in der Praxis bedeuten wird, dann hören Sie nur diese Meldungen: Die Kaffe-Shop-Kette Starbucks klagt heute bereits über 40% Umsatzeinbusse in ihren Cafes in den USA und schliesst sie reihenweise. In Cleveland, einer grossen Industriestadt im Staat Ohio, gehören heute bereits 10% aller Wohnhäuser den Banken. Und das, bevor die USA überhaupt offiziell in der Wirtschaftskrise ankommt!

In der arabischen Welt hat Obama bereits jetzt, noch nicht einmal als Kandidat der Demokraten gewählt, alle Vorschusslorbeeren aufgebraucht. In den Zeitungen, Runfunk- und Fernsehstationen dort wird wieder und wieder verbreitet, was er vor Repräsentanten des Zionismus versprach: Jerusalem wird für ewig ungeteilt die Hauptstadt Israels sein. Damit ist bereits klar: Es wird keinen Frieden in Nahost geben, der eigentliche Kern der Stärke islamistischer Kräfte wird aufgebaut statt geschwächt und Obama hat sich einen schweren Felsblock zum Tragen aufgeladen.

Barack und Michelle Obama im Wahlkampf

Kleinbürgerliche Schichten in Europa und sogar ein Teil der Arbeiter mögen noch eine Zeit lang geblendet sein von dem, was sie in Obama sehen wollen, doch die meisten von ihnen werden erschrecken, was da wirklich kommen wird und desillusioniert werden, so wie es auch mit den Integrationsfiguren Blair und Schröder geschah, die ja ebenfalls Blender waren: Heute will kaum einer mehr wirklich an sie geglaubt haben.

Nur hat sich der Verfall des Kapitalismus beschleunigt und damit wird die Halbwertszeit neuer Hoffnungsträger als Politiker immer kürzer werden.

Und es wird nicht einfach nur eine wirtschaftliche Krise sein, es wird eine umfassende Krise der ganzen Lebensbedingungen der Menschheit sein. Mit dieser Krise geht der Kapitalismus in die kapitalistische Barbarei über, wird in Todeskrämpfen geschüttelt. Nur ist ein Gesellschaftssystem kein Mensch, es stirbt nicht einfach, es muss hinweggefegt werden!

Bereits jetzt zeigt sich bei den Lebensmittelpreiserhöhungen: Der Markt, der im Kapitalismus eigentlich alles heilen soll, funktioniert nicht, weil er von Monopolen beherrscht ist.

Das gleiche gilt für die Ölpreise und damit jene von Benzin und Diesel: Es wird kein Zurück zu einem Erdölpreis von 70 Dollar pro Barrel geben, wie bürgerliche Ökonomen prophezeien. Eine Welt mit einem Erdölpreis von 150 Dollar ist aber nicht nur quantitativ, sondern qualitativ verschieden.

Das Geld für alle diese erhöhten Preise muss von irgendjemand aufgebracht werden – und raten Sie einmal, wer das sein wird? Richtig! Sie und ich! Die massive Verarmung der Massen hat gerade erst begonnen!

Dabei wird gleichzeitig die beginnende Klimakatastrophe mehr und mehr deutlich werden. Die Zahl von klimabedingten Katastrophen wird weiterhin ansteigen, die Rückversicherer werden drastisch die Prämien steigern müssen und alles wird deutlich teurer, weil alle Versicherungen deutlich teurer werden.

Nach den letzten Messungen beschleunigt sich der Abbau des schwimmenden Eises in der Nordpolregion so sehr, dass man in fünf Jahren mit eisfreien Sommern dort rechnet. Damit wird aber der Reflektions-Effekt der weissen Eis-und Schneemassen wegfallen und weit mehr Wärme von der Sonneneinstrahlung dort absorbiert werden. Niemand weiss, ob damit nicht bereits der Weg zurück aus der Klimakatastrophe verbaut und der Punkt ohne Wiederkehr überschritten ist und man bereits voraussagen kann, wann es keine Menschheit mehr geben wird, wie wir sie kennen.

Ein weiterer G8-Gipfel ist verübergegangen, ohne dass man sich auf konkrete und drastische Massnahmen gegen die Erwärmung des Erdklimas durch den CO2-Ausstoss verständigt hätte. Auch Obama hat keine solche Massnahmen in seiner Rede auch nur erwähnt, obwohl er doch wissen müsste: Es muss weltweit dagegen vorgegangen werden – und das rasch!

Die Politik kündigt immer Verringerungen bis 2050 an – nur um damit jede wirksame Massnahme heute NICHT zu beschliessen. Nach der Analyse aller Fachleute ist es aber 2050 längst zu spät.

Charakteristisch dafür die heutige deutsche Bundesregierung: Grossmäulig werden Verringerungen bis 2050 angekündigt. Konkret beschlossen wird aber nur ein geringfügiger Zuschuss zu Altbaurenovierungen, der bestenfalls 0,1% des deutschen Energieverbrauchs einsparen kann.

Auch die Regenwälder werden munter drauf los weiter vernichtet, dass es eine Art hat, ohne dass irgendjemand ernsthaft etwas dagegen tut. Wenn erst einmal ein wesentlicher Teil der Regenwälder Südamerikas, Zentralafrikas und Indonesiens unumkehrbar versteppen und verwüsten – und das kann in 10, 15 Jahren der Fall sein -, wird es keine Möglichkeit für Milliarden Menschen mehr geben, auf diesem Planeten zu überleben.

Und nun urteilen Sie selbst: Ist Obama mit seiner Rede diesem Szenario gerecht geworden?


Veröffentlicht am 28.7.2008 in der Berliner Umschau

Dienstag, 29. Juli 2008

BRASILIEN JENSEITS VON FUßBALL UND SAMBA, TEIL 5: BRASILIEN UND GOLD

EL DORADO - DER GRÖSSTE GOLDFUND BIS DAHIN

Wie die Kolonialländer ausgeraubt wurden

Von Elmar Getto

"Das brasilianische Gold hinterliess Baracken in Brasilien, Tempel in Portugal und Fabriken in England." (Eduardo Galeano, lateinamerikanischer Schriftsteller)

Brasilien (topographisch)

Gold faszinierte die Menschheit seit Urzeiten. Bis etwa um 1620, als das erste Gold in Brasilien gefunden wurde, hatte die Menschheit schon beachtliche Mengen davon angesammelt, sei es, um Schmuckstücke daraus zu machen oder einfach, um die Macht zu nutzen, die Gold (und damit Geld) auch damals schon gab. Ab diesem Jahr wurde aus Brasilien während der folgenden 200 Jahre noch einmal in etwa die gleiche Menge an Gold abtransportiert und nach Europa gebracht, wie jene, die bereits im Besitz der Menschheit war.


Brasilien ist an Bodenschätzen eines der reichsten Ländern der Welt, in dieser Hinsicht vergleichbar mit Südafrika. Vor allem Gold, Diamanten und Smaragden finden sich in beiden Ländern – die erdhistorisch zusammen lagen, bevor die Kontinente auseinanderdrifteten – in beeindruckenden Mengen. Beide Länder haben gewaltig unter diesem Reichtum gelitten und leiden darunter, so wie der Kongo, der bis heute wegen seiner Diamanten nicht zur Ruhe kommt, so wie der arabische Raum, der ohne Unterbrechungen überfallen wird wegen seines Ölreichtums, zerstückelt und in kleinen Teilen verspeist.

Gold

Als ab 1492 Amerika erobert wurde, legte man das Hauptaugenmerk auf etwaige Goldvorkommen. Tatsächlich fand man auf dem Gebiet des heutigen Mexico und der heutigen Vereinigten Staaten ein wenig Gold, aber nichts, was den Aufwand gerechtfertigt hätte (erst viel später wurden die USA einer der wesentlichen Goldproduzenten). Die Suche der Spanier nach „Eldorado“ blieb ohne Resultat. Wer eine Zeit später wirklich so etwas wie ein „Eldorado“ entdeckte, waren die Portugiesen, die sich mit dem östlichen Teil des südamerikanischen Kontinents hatten zufrieden geben müssen.

Portugal war aufgrund seiner Großmachtambitionen bereits bis über beide Ohren verschuldet – an die britische Krone. England benutzte seine engen Bindungen zu Portugal, um ein Gegengewicht gegen die damalige Weltmacht Spanien auf der iberischen Halbinsel in seinen Händen zu haben.

Als Karl der Fünfte im Jahre 1516 den spanischen Thron bestieg (den er von seinem Großvater Ferdinand - der Kolumbus nach Westen geschickt hatte - geerbt hatte) und 1519 dann auch den Deutschen und Österreichischen Thron erbte (von seinem anderen Großvater Maximilian dem Ersten), als er ‚Mexico’ und ‚Peru’ erobert hatte (will sagen die Azteken und die Inkas versklavt hatte), herrschte der spanische Herrscher über das bei weitem größte Imperium, das es je in der Menschheitsgeschichte gegeben hatte – man sagte, daß in seinem Reich die Sonne nie unterging. Spanien war, was heute die USA ist – der ‚Herr der Erde’.

Rio de Janeiro Botanischer Garten 1

England war zu diesem Zeitpunkt eine aufstrebende Macht. Heinrich der Achte von England (der zwei seiner Gattinen enthaupten ließ, darunter Anna Bolena, die Mutter der späteren Elisabeth I.) war anfänglich noch Verbündeter Karls V., solange es gegen Frankreich ging, aber im weiteren Verlauf der Geschichte (Elisabeth I., konnte bereits die Armada Spaniens besiegen - 1588) wurde die Auseinandersetzung zwischen England und Spanien zum wesentlichen Kampf um die Weltherrschaft, der erst im Jahre 1805 mit der Niederlage der spanischen Armada gegen die englischen Schiffe Admiral Nelsons bei Trafalgar endgültig zugunsten Englands entschieden wurde.

Während dieser ganzen Zeit benutzte England Portugal als Faustpfand gegen Spanien, zum einen als Verbündeter, aber ebenso als abhängige Macht aufgrund ihrer massiven Verschuldung gegenüber England. Es konnte also nichts Schlimmeres passieren für Spanien (und nichts Besseres für England), daß ausgerechnet auf dem Gebiet Portugals in Südamerika große Goldvorkommen entdeckt würden, aber genau dies geschah.

Corcovado von Botafogo aus

Als das Innere des inzwischen schon ‚Brasilien’ genannten portugiesischen Kolonie in Südamerika erforscht wurde, fand man unter anderem im Jahr 1620 auf dem Gebiet einer Ansiedlung genannt Sabará eine ergiebige Goldmine. Heute ist Sabará nicht mehr als ein kleiner Ort in der Nähe der Millionenstadt Belo Horizonte, Hauptstadt des Bundestaates Minas Gerais (‚Allgemeine Minen’, man stelle sich vor, wieviel Minen es geben muß, bis man einen ganzen Bundesstaat so nennt).

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Bis dahin war Gold im wesentlichen in den Flußsanden gefunden worden. Von Zeit zu Zeit fand man kleine schimmernde Goldstückchen. Es gab aber auch schon Goldminen, wo Gold aufgrund seiner Farbe zwischen Quarzgestein und ähnlichem gefunden wurde – so z. B. im Harz und im Schwarzwald – heute alle längst ausgebeutet. Etwa zu dieser Zeit wurde aber die Entdeckung gemacht, daß Gold auch in schwarzen Einlagerungen zwischen Gneis und Granit gefunden werden kann. Dort ist das Gold in so kleinen Partikeln vorhanden, daß sie schwarz statt golden erscheinen. Die zeitweilige Hauptstadt von Minas Gerais, die damals ‚Vila Rica’ (reiche Anziedlung) hieß und sich schnell zur größten Goldstadt der damaligen Welt entwickelte, heißt bis heute Ouro Preto, ‚schwarzes Gold’.

Schnell stellte sich heraus, daß nicht nur in Sabará und Ouro Preto, sondern in vielen Gemeinden der ganzen Region Gold in allen möglichen Formen vorkommt, und nicht nur Gold, sondern auch Diamanten und Smaragden. Es gelang Portugal, diese Entdeckungen weitgehend geheim zu halten und in aller Stille ein System der Maultier-Transporte aus der Region ‚Zentrales Minas Gerais’ an die Küste zu organisieren, nach Parati, wo die Schätze nach Portugal eingeschifft wurden (man kann heute diese Maultierpfade noch besichtigen), um von dort in grossen Teilen umgehend nach England weiter gesandt zu werden, um die Schulden zu bezahlen. Wenn Sie heute unsagbare Schätze im Tower von London bewundern können, wenn die britische Königsfamilie eine der reichsten der Welt ist, so haben Gold und Edelsteine aus Brasilien wesentlich dazu beigetragen.

Nachforschungen in Ouro Preto ergaben, daß zum Zeitpunkt des Höhepunkts des Goldbooms in der Region, das war etwa um 1780 herum, allein im Gebiet der Gemeinde Ouro Preto über Tausend (1000!) Goldminen arbeiteten, von denen keine weniger als 10 Tonnen Golderz pro Jahr produzierte, einige wesentlich mehr. Nimmt man einen Durchschnitt von etwa 15 Tonnen, sind das allein für eine Gemeinde 15.000 Tonnen pro Jahr Golderz (das etwa 5% reines Gold enthält).

Es gab aber mehr als 50 Gemeinden in der Region im Bereich von Hundertfünfzig Kilometern um Belo Horizonte herum (die Region ‚Zentrales Minas Gerais’), die in ähnlicher Weise Gold produzierten. Nehmen wir nur 25 von ihnen mit einem Schnitt von 500 Goldminen mit einem Schnitt von 10 Tonnen pro Jahr (das ist tief geschätzt), so gab es zu dieser Zeit in der Region eine jährliche Produktion von 140.000 Tonnen Golderz (einschliesslich Ouro Preto). Nimmt man an, dass für den gesamten Zeitraum von 200 Jahren ein Schnitt von nur einem Zehntel dieses Wertes erreicht wurde (erneut tief geschätzt), also 14.000 Tonnen Golderz jährlich, so hat die Europäische Union (man kann heute nicht mehr ein einzelnes Kolonialistenland verantwortlich machen, denn im finanz-politischen Sinne sind alle unsere Länder in der Europäischen Union aufgegangen) sich aus der Region ‚Zentrales Minas Gerais’ etwa in der Grössenordnung von 2 Millionen und 800 Tausend Tonnen Golderz und damit 140 000 Tonnen reines Gold unrechtmässig angeeignet (um das Wort Raub zu vermeiden).

Das wäre nach dem heutigen Goldwert von etwa 10.000 Dollar pro Kilogramm reinem Gold ein Gesamtwert von 1,4 Billionen Dollars, in englischer Zählung "1,4 Trillion Dollars".

In Wirklichkeit sind diese Werte weit höher, denn zum damaligen Zeitpunkt war der Goldwert viel höher als heute. Außerdem wurde ja nicht nur in dieser Region Gold gefunden und abgebaut, sondern auch in anderen Regionen Brasiliens, wenn auch diese Region die zentrale Goldregion war. Ebenso kommt dazu, daß aus Brasilien ja nicht nur Gold herausgeholt wurde. Für Diamanten z.B. dürfte fast die gleiche Relation gelten, nämlich daß etwa die Hälfte aller Diamanten der Menschheit zum Zeitpunkt 1822 (der Unabhängigkeit Brasiliens) aus Brasilien stammten, für Smaragde sogar noch mehr. Einige der größten Smaragdvorkommen der Erde sind in Brasilien, z.T. ebenfalls in der genannten Region, z.T. im Bundesstaat Pernambuco.

Der damalige Goldpreis für ein Kilo lag nach einem Buch, das vor einiger Zeit in Brasilien veröffentlicht wurde, in der Größenordnung des Jahreseinkommens eines hohen königlichen Beamten, wie z.B. Vasco da Gama (das ist der, der den Seeweg nach Indien um das Kap der Guten Hoffnung herum entdeckt hat).

Jenes Buch sagt, dass der Goldpreis in den folgenden 200 Jahren in etwa in dieser Höhe blieb. Nehmen wir den Betrag des Jahresgehaltes eines heutigen Ministers (Sekretärs) der Europäischen Union, das dürften mindestens 200.000 Euro sein (das ist wieder niedrig geschätzt), so können wir sehen, daß der damalige Werte des Goldes etwa 20 mal so hoch wie heute war. Würden wir diesen Faktor 20 auf den obigen Betrag von ‚1,4 Trillion Dollars’ anwenden, so kommen wir etwa auf "28 Trillion Dollars" (eine Trillion in englischer Zählweise ist eine 1 mit 12 Nullen).

Angesichts solcher Beträge, die aus Brasilien geraubt wurden, sollten wir einen Blick auf die heutige Situation Brasiliens werfen:

Während die Brasilianischen Banken (und die ausländischen Banken in Brasilien) Jahr für Jahr neue Rekordprofite vermelden, während die Reichen in Brasilien in einem Meer von Freudentränen schwimmen vor lauter steigenden Profiten, sinkt das Volk mehr und mehr in eine noch tiefere Armut. Die offiziellen Zahlen der UNO (man weiß nicht, inwieweit sie zuverlässig sind) sagen, daß 70 der 170 Millioner Brasilianer unterhalb der offiziellen Armutsgrenze von 1 Dollar pro Tag und Person leben und daß von diesen 70 Millionen 50 Millionen an Hunger und Unterernährung leiden. Diese Zahlen sind noch untertrieben, denn man weiß nicht, wie die UNO sich vorstellt, daß man mit unter 1 Dollar pro Tag evtl. nicht an Unterernährung leiden könnte.

Favela in Belo Horizonte

Die offiziellen Zahlen der Arbeitslosigkeit sind geschönt, aber der Industrieverband von São Paulo hat neue Zahlen veröffentlicht, die im Grossraum São Paulo eine tatsächliche Arbeitslosigkeit von fast 30% der aktiven Bevölkerung zeigen und diese Zahl dürfte der tatsächlichen deutlich näher sein und auch ähnlich oder höher in anderen Regionen sein.

Die Folge dieser tiefen Armut ist, daß tagtäglich Hunderte von Kindern in Brasilien an den Folgen der Armut sterben (von den Erwachsenen gar nicht zu reden).

Man mag der Meinung sein, daß hierfür hauptsächlich die ungleiche Verteilung des Einkommens im Land die Ursache ist. Tatsächlich ist die Menge an Geld beachtlich, die jedes Jahr von korrupten Politikern aus den öffentlichen Kassen in die eigenen Taschen umgeleitet wird, aber sie gehen nach Schätzungen einer unabhängigen NGO (Non-Governamental Organisation) nicht über etwa 20% des Budgets hinaus und machen damit nur einige Prozent des Bruttosozialprodukts aus.

Dagegen haben die Zinszahlungen für die Schulden Brasiliens jetzt die Marke von 50% des Staatshaushaltes überschritten. Im Jahr 2003 zahlte Brasilien etwa 50 Milliarden Dollar (‚50 Billion Dollars’) an Zinsen. Das sind nur die Zinsen, darin sind noch keinerlei Rückzahlungen enthalten. Die Höhe der Gesamtschulden Brasiliens sind aufgrund der Ereignisse der letzten Jahre (drei kurz aufeinanderfolgende Wirtschaftskrisen, jeweils verbunden mit hohen Zinsen, erneuten Kreditaufnahmen und steigendem Dollarkurs, was die Schulden im Zeitraum der 8 Jahre der letzten Regierung mehr als verdoppelt hat) so angewachsen, daß sie objektiv unbezahlbar geworden sind. Selbst in Tausenden von Jahren und selbst unter günstigsten Umständen könnte das brasilianische Volk dies nicht zurückzahlen.

Nun mag jemand sagen, na, warum hat sich Brasilen denn auch soviel Geld geliehen?

Nur ist Brasilen eben schon mit diesen Schulden geboren worden und hat es seitdem nicht geschafft, sich derer zu entledigen. Als 1822 der damalige Statthalter des portugiesischen Königs (seines Vaters), Dom Pedro I., die Unabhängigkeit Brasiliens erklärte, war dies nicht der heroische Akt der Auflehnung gegen den Vater, sondern die gut durchgerechnete Möglichkeit für Portugal, sich unbezahlbarer Schulden (an die englische Krone) zu entledigen. Die Gesamtschulden Portugals wurden (als Preis für die Unabhängigkeit) schlichtweg auf Brasilien übertragen.

Auch muß man sehen, in welcher Position sich ein an sich reiches Land wie Brasilien damals befand. Es war vollkommen ausgeraubt und arm und wurde kurz danach auch von Dom Pedro I. zurückgelassen in schwierigsten finanziellen Verhältnissen.

Wenn wir die oben genannte Summe von 28 Trillion Dollars diesen Zuständen gegenüberstellen, ergeben sich weitgehende Folgerungen. Dabei muß man auch noch berücksichtigen, daß dies tiefe Schätzungen waren, die nicht einmal anderes Gold außerhalb dieser Region einschlossen, ebensowenig wie andere Güter und Edelstoffe, die aus Brasilien herausgeholt wurden.

Nehmen wir einmal an, Brasilien würde heute Schadenersatz (Reparationen, Ausgleichzahlungen) verlangen, was es in Wirklichkeit nicht tut.

Wenn aber (mit vollem Recht) jüdische und andere Zwangsarbeiter (der Begriff Sklaven, den es ja schon gibt für Zwangsarbeiter, wurde aus guten Gründen peinlichst vermieden) des faschistischen Deutschen Hitlerregimes vom heutigen Deutschland Ausgleichszahlungen verlangen konnten und bekommen haben für sich bzw. für ihre Nachkommen, so hat ganz offensichtlich auch ein kolonialistisch ausgebeutetes Land das Recht dazu.

Diese Ausgleichszahlungen an ehemalige jüdische und andere Sklaven des "Dritten Reiches" waren mehr symbolische Zahlungen, die nur Bruchteile des Wertes betrugen, den ihre Arbeit wirklich Wert war, soweit den Medien entnommen werden konnte. Um dies zahlen zu können, wurde ein Fond geschaffen, in den einerseits die deutsche Bundesregierung einzahlte (das waren also Steuergelder, die aus dem deutschen Volk herausgeholt wurden) und andererseits von betroffenen Industriefirmen erwartet wurde einzuzahlen. Nach diversen begründeten Drohungen mit Schadenersatzprozessen in Milliardenhöhe in den USA fand sich schließlich wirklich ein Teil der Firmen bereit, ein paar ‚peanuts’ beizusteuern.

Würde Brasilien vergleichsweise sich mit 10% zufriedengeben und würde auf Schadenersatz für alle anderen Werte verzichten außer dem Gold aus der Region ‚Zentrales Minas Gerais’, so hätte die Europäische Union immer noch 2,8 Trillion Dollars (oder entsprechend weniger in Euro) zu entrichten. Nehmen wir nun an, Brasilien würde in unendlicher Güte eine Rückzahlungsdauer von 500 Jahren akzeptieren, so wären Jahresraten von etwa 50 Milliarden (Billions) Euro fällig. Da die Gesamtschulden Brasiliens etwa 600 Billions of Euro betragen, wären die Schulden in zwölf Jahren bezahlt und es ständen immer noch 488 Jahre von jährlichen Zahlungen aus.

Natürlich ist klar, daß die Europäische Union nichts dergleichen als Schuld anerkennen und bezahlen wird. Das herrschende Finanzkapital in der EU wird ganz im Gegenteil darauf bestehen, daß Brasilien weiterhin Jahr für Jahr astronomische Summen nur als Zinsen zahlt und wird auch nicht mit sich darüber reden lassen, wenigstens die Schulden zu erlassen, die Brasilien von Portugal geerbt hat.

Der International Monetary Found (IMF, dessen Vorsitzender der jetzige Bundespräsident Köhler bis kurz vor seiner Wahl war) hat letzthin die hervorragende Zahlungsmoral und –pünktlichkeit Brasiliens gelobt und angekündigt, daß Brasilien mit seiner jetzigen Politik keine neuen ‚Abmachungen’ mit dem IMF mehr schließen muß, sondern jederzeit ‚gut’ ist für neue Anleihen, um die Schulden Brasiliens (und damit seine jährlichen Zinszahlungen) noch weiter zu erhöhen. Der IMF ist also zufrieden mit der Zahl der sterbenden Kinder in Brasilien.

Da Köhler nun deutscher Bundespräsident ist – und gerade noch Fachmann für Kindermord war – hat er in seiner Weihnachtsansprache uns auch gleich deutlich gemacht, daß dies nun auch auf Deutschland zukommen wird. Er forderte uns auf, Nachbarschaftshilfen einzurichten und uns an afrikanischen Ländern zu orientieren, denn er weiß nur zu genau, daß die herrschende Allparteienkoalition afrikanische und brasilianische Zustände nun auch in Deutschland einführen will. Hartz IV ist nur der erste Schritt dazu. Da wird man Nachbarschaftshilfe brauchen, um die Zahl der täglich wegen Armut sterbenden deutschen Kinder niedrig zu halten.


Dies ist der fünfte Beitrag der Brasilien-Reihe von Elmar Getto, ursprünglich veröffentlicht in "Rbi-aktuell" vom 29.12.2004, hier in einer vom Autor berichtigten und leicht redigierten Version


Hier die Links zu allen Teilen der Reihe „Brasilien jenseits von Fussball und Samba“

- Teil 1: „Wie der Amazonas zu seinem Namen kam“

- Teil 2: ‚Menschenfresser-Country’

- Teil 3: „Ausgerottete Künstler“

- Teil 4: Niemeyer ist 100 – ‚Auf dem Höhepunkt des Schaffens’

- Teil 5: Brasilien und Gold

- Teil 6: Die Landschaften Brasiliens – Der Amazonas-Regenwald

- Teil 7: Brasilien und der Strom

- Teil 8: Die Landschaften Brasiliens – Mata Atlântica

- Teil 9: Santos Dumont und der erste Motorflug

- Teil 10: SIVAM – Big Brother in Amazonien

- Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Teil 13: Wie unsere Zukunft in der beginnenden kapitalistischen Barbarei aussähe – „Ich habe kein Leben“

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

Willkommen / Impressum

Willkommen im Weblog Karl Weiss - Journalismus.
Der Weblog Karl Weiss - Journalismus ist umgezogen. neue Adresse: www.karl-weiss-journalismus.de
IMPRESSUM
Ich bin zu erreichen über weiss.karl@ rocketmail.com
Ich wünsche also allen (und mir) viel Spaß (und Ernst) mit diesem Blog.
Karl Weiss, Belo Horizonte, Brasilien

Artikel und Dossier der Woche

Artikel der Woche "CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft" Da wurde es von Frau Merkel vorhergesagt

Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Israel und der Konflikt...
ICH FRAGE MICH WARUM DIE JUDEN SO BRUTAL GEGEN DIE...
mik4777 - 30. Jan, 20:32
Abscheulich!!!
Wie man überhaupt im Ansatz auf den Gedanken kommen...
david3371 - 3. Okt, 19:02
Der Vatikan schützt die...
Sehr geehrter Herr Weiss, der Vatikan k a n n die...
MoMa - 6. Jan, 10:28
Fünf Jahre ist das jetzt...
Fünf Jahre ist das jetzt her!!! Die eine Immobilienkrise...
girico - 6. Mär, 13:34
Ich teile nicht diese...
Ein führender Landespolitiker oder ein wichtiger Geschäftsmann...
Nonkonformer - 21. Sep, 23:42

Status

Online seit 7073 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits

Archiv

November 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Zufallsbild

Honduras Strassenschlacht nach Putsch

kostenloser Counter

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

AbbauRechte
AlternativPolitik
Brasilien
Deutschland
Fussball
Imperialismus
InternetundMeinungsfreiheit
Lateinamerika
Medien
NaherOsten
Oekonomie
Sozialabbau
Umwelt
Willkommen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren