Freitag, 20. März 2009

Krähen, die einander kein Auge aushacken

„Ein Urteil, das riecht“

Von Karl Weiss

Wenn selbst die “Süddeutsche” in ihrem Kommentar zum Urteil gegen Thüringens Ministerpräsident Althaus wegen seines Skiunfalls schreibt „Ein Urteil, das riecht“, so kann man sicher sein, dass „riechen“ ein schwacher Ausdruck für das ist, was sich da in Schwaden ausbreitet nach diesem Urteil von Österreich aus bis nach Deutschland.

Was ist passiert? Ein deutscher Ministerpräsident fährt gerne Ski und hat diesen Sport bei einem Ferienaufenthalt in Österreich gepflegt. Nach seinen eigenen Einlassungen, ist er dabei am Neujahrstag an der Kreuzung zweier Pisten ein Stückchen in die andere Piste hinein bergauf gefahren und da dann mit einer Skifahrerin mit dem Namen Beata Christandel so heftig zusammengestoßen, dass beide schwere Hirn-Schädelverletzungen erlitten. Die Frau, Mutter eines einjährigen Kindes, ist kurz nach dem Zusammenstoss gestorben, der Herr Althaus von der CDU hat überlebt und soll schon wieder frisch auf den Beinen sein, war aber bis vor wenigen Tagen in einer Rehabilitierungs-Klinik.

Nach den internationalen Skiregeln (FIS-Regeln) ist das Bergauffahren in eine andere Piste hinein verboten, weil extrem gefährlich. Da könnte nämlich ein anderer Skifahrer schnell unterwegs sein und nicht mehr rechtzeitig ausweichen oder abschwingen können. Genau das scheint hier passiert zu sein. Damit ist Althaus (nach eigenen Einlassungen) der wesentliche Schuldige des Vorfalls. Ein Schuldanteil der Frau könnte nur aus der Tatsache hergeleitet werden, dass sie Ski fuhr und damit ein Risiko einging.

In Irdning in der Steiermark, wo das Unglück geschah, wurde nun statt eines Gerichtsverfahrens eine Farce aufgeführt und Gerichtsverfahren genannt. Ohne Öffentlichkeit, ohne den Angeklagten, trafen sich 4 Personen und mauschelten ein Urteil aus, das schnell gefällt war, Althaus die Möglichkeit offenläßt, sich als „unbestraft“ zu bezeichnen und im Vergleich zu anderen Fällen von „grob fahrlässiger Tötung“ eine Lachplatte ist. Lediglich eine Geldstrafe und ein Schmerzensgeld von 5000 Euro für eine tote Frau und Mutter!

Die Süddeutsche schildert uns das abendliche Geheimtreffen, das zu einem Gerichtsverfahren verklärt wurde, folgendermaßen: „Die Gerichtsdiener im Bezirksgericht von Irdning in der Steiermark hatten längst Feierabend, als sich in dem holzgetäfelten Verhandlungssaal am späten Dienstagnachmittag vier eilig zusammengetrommelte Prozessteilnehmer einfanden: Gerichtsvorsteher Thomas Priebsch, ein Vertreter der Staatsanwaltschaft, der Anwalt des Unfallopfers Beata Christandl sowie der Verteidiger Walter Kreissl...“

Nach Angaben jenes Artikels wurde eine österreichische Sonderregeleung, die allerdings für ganz andere Fälle vorgesehen ist, zum Vorwand genommen, um unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu verhandeln. Der Sprecher der österreichischen Strafverteidiger, Richard Soyer, sagte der Süddeutschen Zeitung, es sei eine Verfahrensbestimmung angewendet worden, die für ganz andere Fälle geschaffen worden sei und "praktisch totes Recht" sei.

Nun, warum muss ein Gerichtsprozess öffentlich sein? Eben genau, um Mauscheleien zu verhindern. Die Öffentlichkeit muss in jedem Gerichtsprozess die Möglichkeit haben, den Ablauf zu verfolgen und damit zu überprüfen, ob es Unregelmäßigkeiten gibt. Das ist der entscheidende Fortschritt in einer zivilisierten Gesellschaft: Während früher, zum Beispiel im Feudalismus, ein eventueller Prozess gegen einen Feudalherrscher oder ein Mitglied seiner Familie im Geheimen durchgezogen wurde und denn auch fast immer ohne Bestrafung für die VIP-Person endete, soll in einer modernen Demokratie gerade bei Prozessen gegen „hochgestellte Persönlichkeiten“ das strikte Einhalten der Regel der Öffentlichkeit eines Strafprozesses selbstverständlich sein.

Dass man es wagte, diese Regel zu ignorieren, zeigt bereits, wie weit die Dekadenz des ganzen, angeblich demokratischen Systems, schon gediehen ist.

Das gleiche gilt auch für die Anwesenheit des Angeklagten. Auch sie ist in jeder zivilisierten Gesellschaft absolute Pflicht. Zwar gab es schon Fälle, in denen man wegen der Wichtigkeit des Falles einen flüchtigen Angeklagten in Abwesenheit verurteilte, aber auch dann muss man ihm die Möglichkeit eines neuen Prozesses geben, wenn er gefasst wird. In Italien allerdings gibt es Fälle, in denen flüchtigen Angeklagten kein neuer Prozeß zugestanden wurde, aber Italien hat sowieso schwerste Probleme mit einem Justizsystem, das nur teilweise den Anforderungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens genügt. Außerdem trifft hier nicht zu, dass der Angeklagte flüchtig ist.

Es gibt auch anders geartete Ausnahmen, bei denen die Anwesenheit des Angeklagten nicht unbedingt erforderlich ist, so gilt dies in Deutschland zum Beispiel bei Minimal-Delikten wie kleinen Ladendiebstählen. Ein Verfahren wegen Tötung aber fällt niemals unter Minimal-Delikte.

Die extreme Schnelligkeit des Verfahrens , die von Juristen in diesem Fall als das besonders Auffallende genannt wird, kann grundsätzlich nicht bemängelt werden. Allerdings muss man sich doch fragen, warum, wenn fast alle Verfahren sich über Monate, wenn nicht Jahre hinziehen, ausgerechnet im Fall eines prominenten Angeklagten die Fristen so extrem verkürzt werden konnten. Das „riecht“ ganz sicherlich.

Was steckt hinter all dem? Nun, in Deutschland ist Wahljahr. Noch in diesem Sommer wird in Thüringen gewählt werden und der Ministerpräsident Althaus wird von der CDU als Spitzenkandidat erneut gebraucht. Müsste sie einen Neuen aufstellen, hätte sie deutlich geringere Chancen, wieder einen glatten Wahlsieg einzufahren, weil zu wenig Zeit bleibt.

Es gibt also dringende politische Gründe, warum Althaus – unabhängig von seinem Zustand – wieder zum Spitzenkandidat werden muss und warum es unbedingt vermieden werden muss, dass sich ein langes Gerichtsverfahren mit vielen Zeugenvernehmungen, mit verschiedenen Gutachten und Gegengutachten über Monate bis unmittelbar vor den Wahlen hinzieht oder – noch schlimmer – zum Wahlzeitpunkt immer noch offen ist und eine eventuelle Gefängnisstrafe – wenn auch auf Bewährung – im Raum steht.

Das alles konnte mit dem Geheimverfahren ohne Öffentlichkeit und Angeklagten in Rekordzeit vermieden werden. Kurz: Die Übertretungen aller Regeln haben offensichtliche politische Gründe. Dabei spielt es keinerlei Rolle, ob es dazu nötig war, dass die CDU bei ihrer österreichischen Schwesterpartei ÖVP interchambrierte oder ob der Staatsanwalt und der Richter sowieso konservativ sind und daher in vorauseilendem Gehorsam zum besseren Wohle der CDU gehandelt haben.

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Nur: Wie auch immer, die Übertretung von wesentlichen Regeln eines Strafprozesses aus politischen Gründen ist ein poltischer und Justiz-Skandal! Das gilt auch dann, wenn eventuell am Ende eines rechtsstaatlichen Verfahrens genau das gleiche Urteil herausgekommen wäre, das nun erging.

Nur gibt es eben auch ernsthafte Zweifel, ob die Tat überhaupt sachlich richtig gewürdigt wurde. Es gibt nämlich neben der fahrlässigen Tötung, die beim Geheim-Prozess-Urteil als zutreffend angesehen wurde, auch die grob fahrlässige Tötung.

Der Berichterstatter hat Rechtsanwälte befragt, was der Unterschied ist und einer hat sich bereit erklärt, den Unterschied zu beschreiben, ohne dafür Honorar zu verlangen:

Bei fahrlässiger Tötung ist eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen und eine Schmerzensgeld von 5000 Euro innerhalb der üblichen Grenzen, aber stark am unteren Ende. Bei grob fahrlässiger Tötung wird dagegen praktisch immer eine Gefängnisstrafe ausgesprochen, wenn auch im Fall unbescholtener Personen üblicherweise ausgesetzt zur Bewährung. In schweren Fällen gibt es dann allerdings auch keine Bewährung mehr.

Fahrlässige Tötung, so sagt er, ist, wenn man mit dem Auto in eine Vorfahrtstrasse einbiegt und ein vorfahrtsberechtigtes Auto dort übersehen hat, was zu einen Unfall mit einem Toten führt. Grob fahrlässige Tötung ist, wenn man mit 90 eine Vorfahrtstrasse ohne jede Rücksicht überquert und dabei einen Unfall mit einem Toten verursacht.

Fahrlässige Tötung ist, so sagt er, wenn man auf einer Landstrasse überholt, aber die Entfernung zum Entgegenkommenden unterschätzt hat, so dass man das überholte Fahrzeug schneiden muss, was zu einem Unfall mit einem Toten führt. Grob fahrlässige Tötung ist, wenn man auf einer Bundestrasse mit ununterbrochener Mittelline und Überholverbotsschild überholt und das gleiche passiert.

Fahrlässige Tötung ist (und dieses Beispiel ist hier besonders interessant), wenn man in der Dunkelheit an einer völlig unübersichtlichen Stelle ohne ausreichende Beschilderung in die falsche Richtung in eine der Fahrbahnen einer Schnellstrasse einbiegt (Geisterfahrer) und bereits nach 100 Metern mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammenstößt (und eine Person stirbt), ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, den Fluss der Fahrzeuge in die Gegenrichtung zu sehen. Grob fahrlässige Tötung ist dagegen, wenn man am hellichten Tag an einer übersichtlichen und korrekt ausgeschilderten Stelle gegen die Fahrtrichtung in eine der Fahrbahnen einer Schnellstrasse einbiegt und damit einen tödlichen Unfall verursacht, obwohl am Fluss der Fahrzeuge deutlich zu sehen war, dass man auf Geisterfahrt war.

Diese letzte Beispiel ist interessant, weil absolut ein Vergleich des Verhaltens von Althaus mit dem grob fahrlässigen Geisterfahrer möglich ist. Althaus ist ein leidenschaftlicher und erfahrener Ski-Fahrer, berichten die Zeitungen. Er muss also genau wissen, in eine kreuzende Skipiste gegen die Fahrtrichtung, nämlich bergauf, einzufahren ist extrem gefährlich und unverantwortlich.

Vielleicht handelt es sich bei dieser Kreuzung von zwei Skipisten um den Fall einer extrem unübersichtlichen Stelle, vielleicht haben die Behörden dort in Irdning keine vernünftige Beschilderung aufgestellt, aber das alles hätte eben in einem Gerichtsverfahren geklärt werden müssen, mit Öffentlichkeit, mit Zeugen, mit Gutachten und Gegengutachten und natürlich mit dem Angeklagten.

Das Ganze ist also ein extremer politischer Skandal und ein Justizskandal. Dazu kommt noch zu allem Überfluss, dass das Einverständnis der Familie der getöteten Frau offenbar mit einem aussergerichtlichen Abfindungsangebot in beträchtlicher Höhe erkauft wurde. Wenn selbst die „Süddeutsche“ fragt, ob sich Althaus da eventuell freigekauft hat, spricht das Bände.

In diesem Zusammenhang erwähnt eine andere Zeitung, Althaus verfüge über ein ansehnliches Vermögen. Da ergibt sich allerdings noch eine Frage: Er ist zu etwa 33.000 Euro verurteilt worden, was 180 Tagessätzen entspräche. Damit wird aber von einem Jahreseinkommen von grössenordnungsmässig 66 000 Euro ausgegangen. Wie lässt sich das mit einem deutschen Ministerpräsidenten-Gehalt zuzüglich von Einnahmen aus einem ansehnlichem Vermögen in Zusammenhang bringen?

Dazu kommt noch eine andere Fragestellung: Nach schweren Schädel-Gehirntraumas ist es absolut üblich, dass die verletzte Person noch über ein halbes Jahr schwere Störungen sowohl im Bereich des Gedächtnisses, im Bereich der Sprache und im Bereich der Konzentration und des konzentrieten Arbeitens hat, eventuell auch deutlich mehr als ein halbes Jahr. In einer nicht unbedeutenden Zahl von Fällen kommt der Patient gar nicht mehr auf seine ursprüngliche Leistungsfähigkeit zurück. Wie sieht die aktuelle Einschätzung der Ärzte aus? Man schweigt sich aus.

Es muss also befürchtet werden, dass sogar Althaus selbst ein Opfer ist. Ein Opfer von Intrigen der CDU, die ihn inzwischen zum Spitzenkandidaten für die bevorstehende Landtagswahl machte, eventuell auch noch im Einverständnis mit seiner Ehefrau. Es ist nicht auszuschliessen, dass sie mit dem Ministerpräsidenten verheiratet ist, nicht mit dem Menschen Althaus. Man stelle sich das nur vor. Wenn es so wäre, dann gilt: Wer eine solche Ehefrau hat, braucht keine Feinde mehr.



Veröffentlicht am 20. März 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 18. März 2009

Neue Krisen-Daten Deutschland

“Politisches und ökonomisches Desaster”

Von Karl Weiss

Am Samstag sind neue Krisen-Daten der deutschen Wirtschaft eingetroffen. Die wichtigste Zahl: Im Januar ist der Industrie-Umsatz in Deutschland gegen das Vorjahr um 20% eingebrochen. Einen besonders starken Einbruch hatte dabei die Investitionsgüterindustrie, in Deutschland die wichtigste Branche noch vor der Automobilindustrie.

Deutschland: Umsatzindex verarbeitendes Gewerbe 2007 bis 1/2009

Der Umsatz der deutschen gewerblichen Wirtschaft lag im Januar um ein Fünftel (19,7 %) unter dem Vorjahreswert, der Auslandsumsatz dabei sogar um 23,6 %. Das ist der stärkste Rückgang seit der Wiedervereinigung. Die Automobilindustrie ging um 34,3 Prozent in den Keller, die Metallerzeugung und -bearbeitung um 30,0 Prozent und die Chemie um 27,2 Prozent. Der Umsatz der gewerblichen Wirtschaft fiel um 19,7%, die Produktion um 19,2% und die Aufträge – und das ist ein Desaster – um 35%.

Die Investitionsgüterindustrie hat in der Produktion ein Minus von 22,8% aufzuweisen. Damit hat diese Schlüsselbranche (noch vor der Automobilindustrie) innerhalb eines Jahres ihre Produktion um etwa ein Drittel zurückgefahren.

Das eigentlich noch bedenlichere als die Einbruchszahlen Monat für Monat gegenüber dem Vorjahr sind die Vergleiche mit den Vormonatszahlen. In Form von Graphiken zeigen diese Zahlen seit dem letzten August in allen diesen kritischen Industrie- und Wirtschaftsdaten einen steilen Absturz Monat für Monat, der bisher völlig ungebremst ist bzw. sich sogar teilweise noch beschleunigt.

Nur ein Beispiel: Der Umsatz, Monat für Monat, des verarbeitenden Gewerbes mit einer arbeitstäglichen und saisonalen Bereinigung zeigt für die erste Hälfte 2008 eine Stagnation mit einigem Auf und Ab und dann ab August nur noch einen immer steiler werdenden Absturz. Hier die Zahlen 2008 (in einem Vergleich mit dem Jahr 2005 als 100): August 122, September 118, Oktober 117, November 114, Dezember 106, Januar 98.

Der frühere Vize-Chef der Londoner Europäischen Bank für Entwicklung, Jürgen Jahnke, weist in diesem Zusammenhang darauf hin: „... hier rächt sich, wie schon (...) bei den Auftragszahlen, die wahnsinnige deutsche Exportabhängigkeit, die Export- und Leistungsbilanzüberschüsse auf Kredit gegenüber den Defizitländern aufbaute. Ein Zurück zur Ausgangsposition wird nach Platzen der Kreditblase nicht mehr möglich sein.“

Angesichts dieser Zahlen und solcher Aussichten wird die Arbeitslosigkeit in Deutschland für 2010 zu Beginn auf etwa vier Millionen geschätzt, zur Mitte des Jahres dann auf etwa 4,3 Millionen. Das sind wohlgemerkt bereits die geschönten Zahlen, die wirklichen werden sich dann bereits im Rahmen zwischen 7 und 10 Millionen bewegen, je nachdem, wen man mitzählt.

Deutschland: Exportabhängigkeit: Anteil Auslandsumsatz am Industrieumsatz 1995 bis 2008

Der Kommentator der „Financial Times Deutschland“, Thomas Fricke, weist darauf hin, dass damit die „Agenda 2010“-Politik gescheitert ist, denn deren Berechtigung wurde ja aus der Behauptung hergeleitet, in Aufschwungphasen würde damit die Arbeitslosigkeit schneller abgebaut und in Abschwungphasen wie jetzt die Arbeitslosigkeit weniger wachsen. Diese Politik war im März 2003, also genau vor 6 Jahren, von Kanzler Schröder verkündet und danach umgesetzt worden und die „Grosse Koalition“ hat diese Politik konsequent weitergeführt.

Tasächlich wurden die Veränderungen in den Arbeitslosenzahlen praktisch nicht beeinflusst. Stattdessen wurde die Armut in Deutschland eingeführt und verbreitet und die Reallöhne verringert. Das wirkt sich jetzt in der Krise besonders negativ aus, denn die schon gesunkene und weiter sinkende Binnenachfrage kann den Abschwung nicht dämpfen.

Deutschland: Beschäftigung - Veränderung gegen Vorjahr

Fricke schreibt: „Deutschland steuert auf ein politisches wie ökonomisches Desaster zu. Die Arbeitslosigkeit droht im Einlösejahr 2010 höher auszufallen als zur Zeit von Schröders vollmundiger Agenda-Rede vor sechs Jahren. (...) Zurück auf Los. Dem Land droht ökonomisch wie psychosozial ein Desaster, wenn Kanzlerin und Finanzminister weiterträumen.“


Veröffentlicht am 18. März 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 17. März 2009

Ist der Papst der Anti-Christ?

Die neuen Skandale der katholischen Kirche

Von Karl Weiss

Was sich die katholische Kirche leistet, geht nun langsam auf keine Kuhhaut mehr. Inerhalb eines Monats erscheint sie nun zum dritten Mal in den Skandal-Schlagzeilen – und das nicht, weil irgendwelche Boulevardblätter sensationalistisch aufmachen, sondern wegen eigener skandalöser Handlungen. Zuerst kam die Wiederaufnahme der Lefebre-Jünger, dann die öffentliche Exkommunikation in Brasilien wegen einer medizinisch nötigen Abtreibung an einer 9jährigen, die vergewaltigt worden war, und nun, um dem allen noch die Krone aufzusetzen, die massive Einschüchterung von Jungen, die von einem Pfarrer vergewaltigt worden waren – sie sollen ihre Aussagen zurücknehmen.

Deutschland: Köln

Die Lefebre-Gruppe hatte sich offiziell von der katholischen Kirche losgesagt, weil sie die Öffnung der katholischen Kirche zu dieser Welt, die vom 2.Vatikanischen Konzil in den 60er-Jahren beschlossen worden war, nicht mitmachen wollte. Das Symbol der Hinwendung zu den Menschen war die Messe, die nun nicht mehr in Latein und mit dem Rücken zum Volk gelesen wurde, sondern in Richtung des Volkes und in der Landessprache. Nun, wer nicht will, der hat schon. Die Lefebrianer sagten sich von der Kirche los und wurden nachträglich auch noch exkommuniziert.

Nun aber, ohne dass irgendwelche Gespräche bekannt geworden wären, ohne dass die Lefebrianer auch nur eines ihrer abtrünnigen Dogmen aufgegeben hätten, wurden sie vom Papst pauschal wieder in die Arme geschlossen und die Exkomunikation aufgehoben. Auf Anfragen hierzu reagierte der Vatikan nicht. Man stelle sich vor, wenn der Papst plötzlich den Bann gegen Luther aufhöbe und die Evangelischen wieder in der Kirche begrüsste.

Einige Antworten kamen von Lefebre-Anhängern, die alle einmütig betonten, keine ihrer Überzeugungen aufgegeben zu haben und keinerlei Zugeständnisse gemacht zu haben, um wieder in de katholische Kirche zu kommen.

Damit ist aber eines der wichtigsten Dogmen der Katholiken selbst verletzt, denn die dogmatische Einheitlichkeit ist oberstes Gebot. Keiner weiss das besser als der deutsche Papst, der ja vorher die Glaubenskongregation leitete, das ist der Job, der früher Grossinquisitor hiess. Man kann also davon ausgehen, es handelt sich um die klammheimliche Revision der Ergebnisse des 2. Vatikanischen Konzils, die ja innerhalb der Kirche Dogmen-Charakter haben. Der Papst als Häretiker der eigenen Kirche.

Aber das ist ein Problem der katholischen Kirche, nicht unseres. Was die Öffentlichkeit zu Recht vor allem beschäftigte an der Wiederaufnahme der Lefebristen, sind deren mehr oder weniger offene Beziehungen zum Faschismus und zu rechtsextremistischen Positionen, die sich an einer ihrer Führungspersonen, dem Bischof Williamson, besonders deutlich festmachen.

Zwar forderte der Papst diesen dazu auf, seine Leugnung des Genozids an den Juden durch die Hitler-Horden zu widerrufen, doch er reagierte überhaupt nicht, als dieser das ablehnte und angab, er müsse sich mit den Quellen erst erneut beschäftigen. Kurz, der Papst hat keine wirklichen Probleme mit dem Rechtsextremismus.

Das ist die Position der katholischen Kirche bereits seit dem Aufstieg des Faschismus. Da man gemeinsame Interessen hat, nämlich den Kampf gegen Sozialismus und Kommunismus, hat man ein „gutes Verhältnis“. Es ist unvergessen, wie die katholischen Bischöfe Österreichs damals zum „Ja“ zum Anschluss an Hitler-Deutschland aufriefen.

Kaum hatte sich die Empörung über diese päpstliche Entscheidung, die immerhin auch Frau Merkel zu einer Kritik veranlasste, etwas gelegt, legte die katholische Kirche nach, um nur ja nicht aus den Schlagzeilen zu verschwinden – immer nach dem Motto: Immer im Gerede bleiben kann nur nützlich sein.

Hier in Brasilien, dem grössten katholischen Land, hatte sich in der Nähe von Recife ein tragisches Verbrechen zugetragen. Ein Stiefvater hatte über Jahre hinweg die beiden Töchter der Famile missbraucht und vergewaltigt, eine davon bereits mit 5 Jahren. Nun war die zu diesem Zeitpunkt 9 Jahre alte andere Tochter schwanger geworden - und zwar mit Zwillingen. Die Ärzte stellten fest, das junge Mädchen, das 36 Kilo wog, könnte eine Zwillingsgebut schwerlich überstehen und gaben grünes Licht für eine Abtreibung (in Brasilien müssen in einem solchen Fall mehrere Ärzte zugezogen werden).

In Brasilien gibt es das absolute Verbot der Abtreibung, aber im Fall von Vergewaltigung und Lebensgefahr für die Mutter wird eine Ausnahme gemacht. So wurde also die Schwangerschaft legal unterbrochen. Das hätte keinerlei Schlagzeilen gemacht, denn es kommt öfters vor, aber dann meldete sich der katholische Bischof von Olinda und Recife zu Wort, Dom José Cardoso Sobrinho. Niemand hatte ihn zu diesem Fall befragt, aber er hatte das Bedürfnis, der Welt eine Lektion zu erteilen und verkündete im Bischofs-Ornat: Die Mutter des Mädchens und die Ärzte seien exkommuniziert, denn Abtreibung würde immer mit Exkommunikation bestraft.

Das führte allerdings nun zu einem empörten Aufschrei in Brasilien. Selbst knallharte Anhänger der katholischen Kirche sprachen von „Unverständnis“. Auch Präsident Lula, der selten die Gelegenheit zu einer populären Stellungnahme verstreichen lässt, verurteilte diese Exkommunikation. Noch empörter wurde die Reaktion, als der Bischof in einem Interview eiskalt erkärte, der Vergewaltiger, der ja verantwortlich war, werde nicht exkommniziert, denn auf die Vergewaltigung kleiner Kinder stünde nicht Exkommunikation, sehr wohl aber auf Abtreibung.

Deutlich wird, wie sehr der Bischof um das Mädchen besorgt war, als er in einem Interview deutlich machte, er wusste nicht einmal ihren Namen.

Der Kommentator eines grossen Internetportals in Brasilien empfahl der Mutter und den Ärzten sogar, eine Anzeige wegen übler Nachrede und einen Schadenersatzprozess wegen öffentlicher Verunglimpfung anzustrengen gegen den Bichof, denn interne Angelegenheiten der katholischen Kirche hätten nichts in der Öffentlichkeit zu suchen, wenn es sich nicht um kriminelle Delikte handelt.

Um das Mass voll zu machen, kam denn auch gleich der Vergleich des Holocaustes mit der Abtreibung von ihm, den wir auch in Deutschland sehr gut kennen: „Hitler wollte das jüdische Volk auslöschen und liess 6 Millionen töten. ... Und da werden wir schweigen, wenn 50 Millionen Abtreibungen in der ganzen Welt getätigt werden?“ sagte er in einem Interview mit dem Magazin „Veja“ mit Datum 18. März 2009. In diesem Interview betont er immer wieder, er habe ein gutes Gewissen, er habe völlig recht, würde alles noch einmal genauso machen und wer im Unrecht sei, wären seine Kritiker, denen er sogar pauschal unterstellt, ihn zu beleidigen. Irgendwie erinnert das an Honecker.

Er erklärte der erstaunten Welt auch, ein Mord zum Beispiel führe nicht zur Exkommunikation. Hätte also jemand das Kind oder die beiden Kinder in diesem Fall jeweils eine Minute nach ihrer Geburt ermordet, wäre er nicht exkommuniziert so wie bei der Abtreibung.

In der Sonntagsausgabe der Zeitung „Estado de Minas“ vom 15.3.09 schreibt dazu die katholische Kolumnistin Déa Januzzi in Beziehung auf die katholische Kirche und diesen Fall: „... einer Kirche, die tagtäglich unseren Glauben abtreibt, unsere Träume vergewaltigt, unsere Hoffnung exkommuniziert...“. Nachdem sie daran erinnert hat, dass der wichtigste brasilianische Bischof der Religion der Befreiung, Dom Helder Cámara, nach dem heute in jeder grösseren Stadt Brasiliens eine breite Avenida benannt ist, ebenfalls Bischof der Erzdiözese Olinda und Recife war und fragt, wo dessen Geist geblieben ist, kommt sie wieder auf die Kirche zurück: „...eine Kirche fern dem tagtäglichen Leben in unserem Land, die den Gebrauch von Präservativen verurteilt, die Pille, die Abtreibung, aber ganz natürlich die Pädophilie seiner Priester akzeptiert...“

Corcovado von Botafogo aus

Aber auch diese Nachricht war schon wieder aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden (jedenfalls ausserhalb Brasiliens), die ja längst mit den neuesten Sensationen gefüttert wurde, wie zum Beispiel einem Amoklauf – der kurz danach auch wieder der Vergessenheit anheimfällt.

Da scheint jemand in der katholischen Kirche verzweifelt nach einem Anlass gesucht zu haben, wie man wieder ins Licht der Öffentlichkeit finden könnte. Und siehe da – man wurde fündig! Man hat ja noch die "pädophilen" Priester, an die jene Kommentatorin erinnerte.

Da gibt es den deutschen Pfarrer W., der an drei seiner Einsatzorte (zuerst in Bamberg, dann in Limburg und schlieslich im oberfränkichen Städtchen Ebersdorf) sich an Jungen herangemacht hatte. In Ebersdorf konnte ihm die Vergewaltigung in insgesamt 13 Fällen von Sebastian Cionoiu, damals 8 Jahr alt, und zwei weiteren Jungen nachgewiesen werden, der älteste elf Jahr alt.

Die katholische Kirche zieht Pfarrer, denen „pädophile Neigungen“ zugesprochen werden, nicht aus dem öffentlichen Verkehr, sondern versetzt sie einfach in eine andere Diözese.

Pfarrer W. wurde zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Die katholische Kirche bezahlte ihm den Gang durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof, aber das Urteil hatte Bestand.

Oettinger Rede für Filbinger
Hier ein Photo der Rede des CDU-Ministerpräsidenten Oettinger beim Gedenkgottesdienst, abgehalten vom katholischen Bischof von Freiburg, für den Faschisten Filbinger

Sicherlich traumatische Erlebnisse für die drei Jungen, doch meistens kommt man über so etwas hinweg, wenn das nicht alles ständig wieder aufgewärmt wird.

Doch was nun geschah, lässt selbst einer kühlen Person das Blut in den Kopf steigen. Die katholische Kirche gab Pfarrer W. die Möglichkeit, zwei Detektive zu engagieren. Die schickte er nun zu den Familien der drei vergewaltigten Jungen, um diese zu veranlassen, die damaligen Aussagen zu widerrufen. Man würde ihnen „dringend dazu raten“.

Die Detektive deuteten dabei an, die drei Jungen hätten gelogen. Pfarrer W. hat inzwischen auch die Mittel und einen Rechtsanwalt, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu versuchen.

Auf Anfrage gab die Kirche keine Auskunft, warum man den Pfarrer immer noch in seinem Priesterberuf belässt und warum man ihm diese Mittel zur Verfügung stellt.

Besonders ruft die Tatsache die Aufmerksamkeit hervor, dass die Detektive den Aufenthaltsort der Familien der beiden anderen Jungen wussten, die nicht mehr in Ebersdorf wohnen. Gibt es da heimliche Verbindungen der Kirche zu Staatsanwaltschaft und/oder Polizei, über die illegalerweise Adressen heraussickern?

Angesichts all dieser Kirchen-Skandale fragte eine Nonne hier in Brasilien allen Ernstes, ob der Papst nicht vielleicht der Anti-Christ sei, dessen Erscheinen in der Bibel vor dem Weltuntergang vorausgesagt ist.


Veröffentlicht am 17. März 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 16. März 2009

Vizepräsident Bidens Rede wurde zensiert

Union auf dem Weg zu einem Bush-Staat

Von Karl Weiss


Wie erst jetzt bekannt wurde, hat man bei der Berichterstattung offenbar auf Druck der Bundesregierung das eine der beiden wesentlichen Probleme unterschlagen, das der US-Vizepräsident Biden bei seiner Rede auf der Münchener „Sicherheitskonferenz“ ansprach. Vor dem Afghanistan-Problem nannte er das Problem des Friedens im Nahen Osten. Doch weder Steinmeier benannte dies erste Problem in seinen Aussagen zur Rede Bidens noch wurde dieser Teil im Ersten oder Zweiten Fernsehen genannt, die beide über Bidens Rede berichtet hatten.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Es war schon im Vorfeld der Münchener Sicherheitskonferenz aufgefallen, dass man dort nur Hardliner der extremistischen Sorte sehen wollte. Von der neuen US-Administration war niemand eingeladen, dafür aber die beiden ultrakonservativen Kissinger und John McCain. Präsident Obama ließ es aber nicht zu, dass die knallharten Heil-Schreier unter sich blieben, sondern schickte einfach seinen Vize, was die Organisatoren natürlich zähneknirschend hinnehmen mussten.

Damit wird immer deutlicher und klarer, wes Geistes Kind die Organisatoren und Maulhelden der „Sicherheitskonferenz“ sind, die da jährlich in München stattfindet und von Legionen von Polizisten weiträumig umstellt wird, damit nur ja kein Demonstrant sich auf mehr als zwei Kilometer annähert.

Biden hatte nämlich ausdrücklich die Notwendigkeit eines Friedensschlusses zwischen Israel und den Palästinensern als erstes und wichtigstes Problem der internationalen Sicherheitspolitik genannt.

Doch es ist klar, die Veranstalter der Konferenz und mit ihnen die Bundesregierung und vor allem die Union finden alles viel besser so wie es jetzt ist: Die Palästinenser sind der überlegenen militärischen Macht der Zionisten hilflos ausgeliefert und werden nach Belieben abgeschlachtet. Hätten sie einen Friedensschluss, einen eigenen Staat, könnten sie die UN anrufen und anderes für Israel Unangenehme tun. Frau Merkel spricht deshalb auch nie vom Frieden im Nahen Osten (oder wenn, dann in irgendwelchen Visionen in ferner Zukunft), sondern immer nur vom engen Verhältnis mit Israel.

Palestina land loss

Merke: Die deutsche Bundesregierung hat sich nicht mit dem Wechsel in den USA abgefunden. Sie will eine reine Appeasementpolitik gegenüber Israel, auf keinen Fall Druck auf Israel ausüben, um einer Friedenslösung zuzustimmen. Jede noch so grausame Schlächterei Israels soll abgesegnet werden.

Während Frau Merkel mit Bush extrem intim war und immer dessen Irak-Krieg verteidigt hat, ungeachtet, dass die als Grund genannten Massenvernichtungswaffen nicht existierten, ist die Distanz zu Obama und allem, für was die Demokraten in den USA stehen, immens. Wir verlieren hier in Deutschland manchmal die extremistischen Positionen etwas aus den Augen, für die CDU und CSU stehen, doch das kann gefährlich sein.

Barack Obama

Diese Parteien, angeblich christlich, stehen für den Überwachungsstaat, den Obrigkeitsstaat, für den Übergang zur autoritären Diktatur und für die schleichende Abschaffung aller bürgerlichen (demokratischen) Rechte, das geht weit über die Rolle hinaus, die in der Vergangenheit konservative Parteien hatten. Wer genauer wissen will, was das bedeutet, der muss sich nur ansehen, was Frau Merkels Busenfreund Bush in den USA während seiner 8-jährigen Amtszeit getan hat.

Frau Merkel hat dies bereits deutlich gesagt in ihrer programmatischen Rede zum 60-jährigen Bestehen der CDU. Sie sagte klar und deutlich, wir haben keinen Anspruch mehr auf den Sozialstaat und die Demokratie (siehe diesen Artikel hierzu: „CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft!“)

Was wäre zum Beispiel die Position einer konservativen Partei zu den Turbo-Kapitalismus-Vorstellungen der deutschen Banken gewesen, die ganz öffentlich erklärten (Ackermann), 25% Rendite über Kapital sei das mindeste, was man jährlich anstrebe (jetzt vergangene Woche hat er das bereits erneut verlauten lassen). Eine wert-konservative Partei hätte solche Sprüche mit Vehemenz zurückgewiesen und die Werte des „ehrlichen Kaufmanns“ verteidigt. Wenn in der produktiven Sparte maximal 10% pro Jahr über Kapital erzielt werden kann (wenn man nur die Produktion selbst zählt), meistens weniger, können solche 25%-Ansprüche nur aus Spekulationen erwachsen und Banken dürfen nach konservativer Ansicht nicht zu Spielhallen werden.

Doch was war die Reaktion vor wenigen Jahren, als Ackermann sein 25% verkündigte, nicht ohne gleichzeitig Tausende von Entlassungen anzukündigen? Nicht eine einzige Stimme aus der Union wies ihn zurecht!

Wachen wir also auf aus unsren Träumen, die die Union immer noch als konservative Partei ansehen, die noch nicht begriffen haben was vorgeht. Man weiss sehr wohl, was man mit uns vorhat und weiss, wir werden uns das nicht so einfach gefallen lassen und bereitet sich schon auf die Unterdrückung des Widerstands vor.

Nehmen wir die beiden neuen Versammlungsgesetze ernst, die in Bayern bereits von der damals noch absoluten Mehrheit der CSU beschlossen worden war und die völlig unbeirrt von der einstweiligen Verfügung des Bundesverfassungsgerichts dagegen in Baden-Württemberg fast im gleichen Wortlaut weiter verfolgt werden: Bereits zwei sind eine Versammlung und dagegen kann man vorgehen und bekommt dann vor Gericht auch noch recht! Das ist, was die Union mit uns vorhat!

Beckstein

Nehmen wir ernst, was uns kürzlich kalt lächelnd verkündet wurde: Der BND überwacht bereits seit Jahren 2500 Personen mit dem Bundes-Trojaner, darunter Deutsche im Ausland. Man gibt schlicht und einfach einen feuchten Kehricht auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Man lässt sie einfach links liegen! Bundestrojaner nur in wenigen, fest umrissenen Fällen? Lächerlich! Wir machen, was wir wollen!

Genau das Gleiche, was Bush in den USA getan hat. Er hat keineswegs seine Praxis des Abhörens von jedem, der eventuell als Dissident taugt, dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Er hat es einfach gemacht! Wenn jemand dagegen klagen wollte, hat er ‚Sicherheitsinteressen der Vereinigte Staaten’ vorgegeben, warum darüber nicht geurteilt werden darf.

Wir dürfen sicher sein, Schäuble wird es genauso machen!

Nun, was können wir gegen deren Pläne machen? SPD, Grüne oder FDP wählen? Das wird nichts nützen. Die Grünen habe eben in Hamburg bewiesen: Sie schlucken jede, aber auch jede Kröte für ein paar Senatoren-(Minister)-Posten. Sogar ein neues Kohlekraftwerk in Hamburg haben sie abgesegnet!

Und die SPD? Deshalb ist es so wichtig, genau anzusehen, was mit den wesentlichen Aussagen Vize-Präsident Bidens auf der Münchener „Sicherheitskonferenz“ geschah. Sehen Sie oben noch einmal nach. Steinmeier? Genau, Steinmeier! Der aufgeblasenen Kanzlerkandidat der SPD hat das dreckige Spiel des Unterdrückens der Aussage Bidens mitgemacht! Also auch die SPD wird dieser Politik der Union nichts entgegensetzen.

SPD Oktober 2007

Und die FDP? War die nicht vor einigen Jahren mit Leuten wie Frau Leutheusser-Schnarrenberger und Herrn Baum eine Art von Garant der bürgerlichen Rechte in der Bundesrepublik? War! Betonung liegt auf ‚war’!

Heute hat ein Baum Probleme, nicht aus der FDP ausgeschlossen zu werden. Man sehe sich nur an, was die FDP in Bayern gemacht hat, als die CSU dort die absolute Mehrheit verlor und auf die Hilfe der Liberalen angewiesen waren: Das ganz kurz vor den Wahlen verabschiedete Versammlungsrecht (ja, das mit dem „Zwei sind schon Versammlung“) akzeptierte man kampflos. Die FDP hat also nichts mehr mit bürgerlichen Rechten am Hut. Man will vielmehr Steigbügelhalter der Unions-Ambitionen sein.

Nur eins hilft gegen den Stasi-, Überwachungs- , Bundestrojaner-, Internet-Sperren-, Terroristengefahr- und Polizeistaat-Wahn: Wir auf der Straße. Nichts davon darf durchgehen ohne Massendemonstrationen! Sie müssen mit großen Mengen von Demonstranten konfrontiert werden! Sie werden dann den Rhythmus des Rechte-Abbaus verlangsamen müssen, um den Demonstrationen nicht weitere Nahrung zu geben und wir gewinnen Zeit, um uns untrennbar zusammenzuschließen, um letztendlich jenes ganze Pack zum Teufel zu jagen!


Veröffentlicht am 16. März 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 10. März 2009

Wie die Gewissheiten in der Krise verschwinden

Die Flexibilität – einer der Götzen des (Neo)-Liberalismus

Von Karl Weiss

Wie gründlich jetzt mit dem Einmaleins eines jeglichen bürgerlichen Ökonomen aufgeräumt wird, ist atemberaubend. Man möchte fast meinen, die Krise wurde nur erfunden, um die Ökonomie-Schlaumeier mit dem Kopf gegen die Wand zu stoßen. Nicht dass dies einen Westerwelle irgendwie beeindrucken würde. Der schnurrt immer noch seine auswendig gelernten Sprüchlein herunter, so als ob nichts geschehen wäre.

Statistik Reallöhne

Diese Flexibilisierung, auch Flexibilisierung der Arbeit genannt, war Hauptbestandteil, eigentlich sogar der wesentlichste Bestandteil all jener wirtschaftspolitischen Ansätze, die oft als Liberalismus oder Neo-Liberalismus bezeichnet wurden, aber auch unter Marktradikalismus lief, bzw. die Namen der jeweiligen Protagonisten erhielt: ' Thatcherism' und 'Reagenomics'. Die Ökonomen selbst bevorzugten diese Maßnahmen am liebsten verniedlichend „angebotsorientierte Wirtschaftspolitik“ zu nennen.

Jetzt lehrt uns ein Wirtschaftsprofessor – es gibt also auch noch lernfähige – in einem Gastkommentar in der „Financial Times Deutschland“, wieso die Anbetung des Götzen „Flexibilisierung“ sich jetzt als so falsch herausstellt.

Der Professor der Ökonomie an der Universität Leuven mit dem Namen Paul de Grauwe hat das Erfolgsrezept „Flexibilisierung“ jetzt in der Krise unter die Lupe genommen und siehe: Es ist kontraproduktiv.

Er schreibt: „Wirtschaftlich erfolgreich waren Länder, die beim Warenverkehr und auf dem Arbeitsmarkt Flexibilität zuließen. Es winkte rasches Wachstum, wenn sie zuließen, dass Unternehmen ohne Einschränkung einstellen und entlassen konnten, und wenn Lohnvereinbarungen rasch der aktuellen Konjunkturlage entsprechend nach oben oder unten korrigiert werden konnten. Ökonomen entwickelten Wachstumsmodelle, die die Notwendigkeit der Flexibilität hervorhoben. Länder mit starren Regulierungen von Arbeitsmarkt und Warenhandel wurden von internationalen Organisationen angeprangert und zu "Strukturreformen" aufgefordert. Ganz fasziniert reagierte die Europäische Kommission auf die Idee der Flexibilität. Sie entwarf die Lissabon-Strategie mit dem Ziel, die EU in eine flexible Volkswirtschaft zu verwandeln. Großes Vorbild waren die USA. Dank ihrer Flexibilität galt Amerika als Land mit einem höher entwickelten Wirtschaftsmodell.“

Doch nun, in der Krise, wird die Wahrheit ans Tageslicht gebracht: Ursache des Problems ist, man hat so viele billige Kredite angeboten und nun sind viel Leute verschuldet, haben ein Auto auf Pump gekauft oder anderes. Auch Unternehmen und Banken konnten extrem leicht an scheinbar extrem billiges Geld kommen. Er sagt:

„Weisen Haushalte und Unternehmen (dazu zählen auch Banken) übermäßig hohe Schulden auf, müssen sie Vermögenswerte verkaufen. Die Preise für Vermögenswerte fallen, was Liquiditätsprobleme an anderen Stellen des Systems verschärft. Firmen sind gezwungen, Mitarbeiter zu entlassen und/oder Gehälter zu kürzen. Als Folge sehen sich noch weniger Haushalte imstande, ihre Schulden zu bedienen. In einer Schuldendeflation wird der Schuldendienst der einen also dadurch erschwert, dass andere sich bemühen, ihren Schuldendienst aufrechtzuerhalten. Ursache des Problems ist der Umstand, dass das Schuldenniveau eine feste nominelle Variable ist. Muss ein Verbraucher eine Hypothek von 400.000 $ abtragen, steht diese Rückzahlungsdrohung unabhängig vom Wert seines Vermögens oder seiner Einkünfte im Raum. Das Problem bei der Schuldendeflation ist also, dass man eine starre Variable hat (den Wert der Schulden), während so viele andere Faktoren (Vermögenswert, Einkünfte, Arbeitsverhältnis) flexibel sind. Je flexibler diese Variablen, desto teuflischer gestaltet sich die Eigendynamik der Schuldendeflation und desto schwieriger wird es, die Wirtschaft aus dieser Lage herauszumanövrieren.“

Hören Sie, Herr Westerwelle? "Teuflischer!"

Wahrend sich die Flexibilisierung für fast alle bürgerliche Ökonomen als wesentliche Bedingung einer erfolgreichen Volkswirtschaft darstellte, ist sie nun, in der Krise, zu einem Instrument geworden, das die Krise vertieft, den Abschwung beschleunigt, die Krisendauer verlängert.

In Deutschland wurde die Flexibilisierung durch die SPD-Grüne-Koalition eingeführt und als hauptsächliche Leitlinie verteidigt und von den christlichen und liberalen Politikern kommentiert: „Endlich sehen die es auch ein“. Wer falsch lag, waren alle vier.

Es stellte sich heraus, man musste die deutschen Entlassungsregulierungen gar nicht verändern. Man brauchte nur das Verbot der Ketten-Arbeitsverträge mit begrenzter Dauer aufheben, die Leiharbeit freigeben und dann auf das alles noch Hartz IV setzen. Fertig war das am meisten flexibilisierte Land unter allen großen Volkswirtschaften. Denn in Deutschland gab es ja keinen Mindestlohn wie in den USA, wie in Großbritannien, wie in Frankreich, wie in Japan. Der war vorher auch gar nicht nötig gewesen, denn die Regelungen der Arbeitslosenhilfe begrenzten automatisch die Beschäftigungen mit geringer Bezahlung, denn niemand konnte zum Annehmen eines Arbeitsplatzes gezwungen werden, der nicht seiner Qualifikation entsprach.

Nun aber, mit den neuen Flexibilisierungsregeln, wurde das Fehlen des Mindestlohns zu einer Lohndumping-Spirale, die sich bis heute fortsetzt. Stundenlöhne von 5, von 4 und von 3 Euro verbreiteten sich, ganz zu schweigen von den vielen einfachen Arbeiten, die nun zu Ein-Euro-Jobs wurden.

Das hatte ab etwa 2003 begonnen und wurde zu einer Epidemie ab Januar 2005 mit der Einführung von Hartz IV. Es gelang den Flexibilisierern, Deutschland fast schlagartig zum Flexibilisierungsweltmeister zu machen. Man sehe sich nur die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung an: Exakt ab Januar 2005 gehen die Reallöhne pro Kopf rasant zurück, während genau ab diesem Zeitpunkt die Einkommen aus Vermögen und Unternehmen beginnen, noch steiler anzusteigen.

Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen
Hier kann man genau verfolgen, wie die Krise vorbereitet wurde: Seit 2002 beginnt die Produktivität zu steigen und mit ihr die Unternehmens- und Vermögenseinkommen, denn nichts von dieser Produktivität wurde an die weitergegeben, die sie auf den Schultern trugen. Dann, ab Januar 2005, griff die Flexibilisierung vollständig, die Reallöhne sinken und die Unternehmens- und Vermögendseinkommen gehen ins astronomische. Dies Ungleichgewicht musste zur Krise führen.

Fast keine neuen Arbeitsverhältnisse wurden mehr auf normaler Grundlage angeboten. Fast alle waren Teilzeit oder Zeitarbeit oder prekäre Arbeitsverhältnisse oder sogar Ein-Euro-Jobs. Damit war die größte Umverteilungsmaschinerie in der Geschichte Deutschlands vom kleinen Mann zu den Gross-Unternehmen und Superreichen in Gang gesetzt worden.

Genau damit legte man die Grundlage zur jetzigen Wirtschafts- und Finanzkrise. Einerseits wurde mit diesen Maßnahmen, die ja auch in anderen Ländern in ähnlicher Form, wenn auch nicht so extrem, eingeführt wurden, die Massenkaufkraft in massiver Form verringert. Dies ist der hauptsächliche Grund der jetzigen Überproduktionskrise auf der ökonomischen Seite: Die Massen haben nicht mehr das Geld, alle produzierten Güter zu kaufen. Es muss in der kapitalistischen Krise gesetzmässig Produktionskapital vernichtet werden, d.h. Schließen von Werken und Werksteilen.

Auf der anderen Seite hat man damit den Vermögenden die Geldmittel zugeschanzt, die Basis der jetzigen Finanzkrise sind, welche der Krise erst zu ihrem wahren Umfang verhilft. Die Unternehmen und die Privatvermögen der Superreichen wurden so aufgeblasen, dass sie verzweifelt um Anlagemöglichkeiten kämpfen mussten. Ein Anlegen in neuen Produktionskapazitäten war ja nicht möglich, denn die Menschen hatten schon so wenig Geld, dass jede weitere Aufblähung der Produktionskapazitäten zum Beginn der Überproduktionskrise geführt hatte. Da fanden sie scheinbar einen Ausweg: Man konnte extrem billige Kredite in den Markt pumpen undd sich dadurch Zinsen sichern. Die Leute, die Unternehmen, die Staaten und die Banken würden damit kaufen, was sie sich gar nicht leisten können (und man bekäme Zinsen) – und die Überproduktionskrise würde hinausgeschoben.

Deutschland: Brutto-Inlandsprodukt, Einkommen, Renten, Prozent gegen Vorjahr, bis 2008

Und da ist sie, die Falle der Flexibilisierung: Die Schulden, die sich aufhäuften und von denen man wissen konnte, sie würden nicht zahlbar sein, waren nicht flexibel wie der Arbeitsmarkt. Mit großen Crashs wie der Pleite Islands, der von Lehman Brothers und den faktischen Pleiten von Fannie Mae und Freddie Mac begann die Finanzkrise, die nichts anderes ist als eine Krise platzender Kredite.

Nun haben wir also beides auf einmal – und aufgestaut bis zum geht nicht mehr. Die Finanzkrise und die Wirtschaftskrise, die ineinander übergehen, die sich gegenseitig hochschaukeln und die bisher noch nicht den geringsten Eindruck machen, die Abschwunggeschwindigkeit zu verringern.

Und alles soll auf unserem Rücken abgeladen werden. Die Banken, die Staaten, die eigentlich pleite sind, alles sollen wir „retten“ mit unserem Geld und zusätzlich sollen wir die Arbeit verlieren und dann auch noch als Sozialschmarotzer bezeichnet werden.

Die Frage ist nur: Wollen wir uns das gefallen lassen ? Wollen wir sie weiterhin unser Blut saugen lassen und auch noch gute Miene zum bösen Spiel machen? Wollen wir weiterhin alles bezahlen, was sie verursachen? Oder sollten wir sie nicht zum Teufel jagen und den echten Sozialismus errichten, in dem wir das Sagen haben?


Veröffentlicht am 10. März 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 9. März 2009

Ein Schuss ins Knie

Abwrackprämie als Entwicklungshilfe

Von Karl Weiss

Die Bundesregierung und eine Anzahl von ihr wohl gesonnenen Ökonomen und sonstige Nachbeter feiern die Abwrackprämie als „extrem effektiv“. Das stimmt, nur nicht in dem Sinne, wie sie eigentlich „verkauft“ worden war, als Stimulans für die deutsche Ökonomie. Die Abwrackprämie geht fast vollständig in ausländische Taschen.

VW Brasilien Autohalde

Tatsächlich lag die Zahl der PKW-Zulassungen im Februar weit höher als vorher, ja sogar 21% höher als im Februar des Vorjahres. Ein wesentlicher Teil der Abwrackprämie ist bereits genutzt bzw. gebucht. Nur verteilt sich dieser bemerkenswerte Anstieg von Zulassungen nur mit einem Plus von 9% auf deutsche Automarken, während ausländische Marken um 48% zulegen konnten.

Nimmt man den Januar und den Februar zusammen, haben deutsche Automarken weiterhin ein Minus zu verzeichnen, wenn auch nur von 2%, während ausländische Marken ein Plus von 17% gegen den Vorjahreszeitraum aufweisen.

Soweit überhaupt Autos deutscher Marken über die Abwrackprämie gekauft wurden, handelt es sich fast ausschließlich um die kleinen Modelle von Volkswagen, den Fox und den Polo und die kleinen Modelle von Opel. Da kommt aber noch ein Pferdefuss zum Vorschein, denn der Fox und der Polo werden gar nicht in Deutschland gebaut.

Ford Trucks in Detroit auf Halde

Warum das Ganze? Nun, das ist einfach logisch. Wer ein 9 Jahre altes Auto hat (oder sogar noch älter), ist nur in Ausnahmefällen ein Käufer von BMWs, Mercedes, Audis, Porsches oder auch eines der großen Autos von VW, Ford oder Opel, der ist vielmehr ein typischer Käufer von kleinen und/oder billigen Wagen, wie die Dacias, wie die kleinen Fiats, Renaults oder eben auch der kleineren Autos von VW, Ford oder Opel. Dazu kommt der Effekt: Wenn jemand ein Auto für 60 000 Euro kaufen will, macht ein Betrag von 2500 Euros fast nichts aus, bei einem Dacia Logan dagegen ist das ein wesentlicher Teil des Kaufpreises.

Ja, 2 und 2 ist 4, nicht wahr? Nur schade, dass die Bundesregierung nicht einmal das kleine Einmaleins beherrscht.

Nun haben wir natürlich absolut nichts dagegen, dass unsere Kumpel in Rumänien nun ein ausgelastetes Werk haben und – jedenfalls für den Moment – gesicherte Arbeitsplätze. Genausowenig beschweren wir uns, dass unsere alten Bekannten in den Fiat-Werken in Italien und den Renault-Werken in Frankreich eine Zeit lang ihre Arbeitsplätze behalten können.

Toyota Autohalde auf dem Kalifornien Terminal

Nur hatte die Bundesregierung vergessen zu erwähnen, dass sie die Abwrackprämie als Hilfe für unterentwickelte EU-Länder konzipiert hat. Nun, die Bundesregierung hat uns ja schon mit ihrer Flexibilisierung einen Schuss ins Knie verpasst, da wundert man sich kaum über diesen erneuten.

Dazu kommt, die Zahlen der KFZ-Zulassungsstatistik täuschen nicht nur bezüglich des Ursprungs der Autos. Sie täuschen auch über den wirklichen Einbruch der KFZ-Produktion hinweg. Die deutsche Autoindustrie lebt nämlich zu drei Vierteln vom Export. Der aber ist um 51% katastrophal eingebrochen im Februar gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Daher ist auch die deutsche Autoproduktion um 47% gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen.

Während der Februar also einen deutlichen Anstieg der Fahrzeugzulassungen verzeichnet in Deutschland, ist die Produktion in katastrophaler Weise zurückgegangen. Fast alle Fabriken sind in Kurzarbeit. Und nun sagen Sie nicht, die Wahnsinnigen in den Vorstandsetagen der deutschen Auto-Konzerne und die deutschen allseits geliebten Politiker könnten nichts dafür.


Veröffentlicht am 9. März 2009 in der Berliner Umschau


Zusatz zum Artikel

Ein Bekannter von mir kritisiert diesen Artikel folgendermassen: "Der Artikel "Ein Schuss ins Knie" hat nicht das sonst bei dir übliche Niveau. Du kritisierst zwar die Abwrackprämie zu Recht, aber nur unter einem Nebenaspekt: Weil im wesentlichen Arbeitsplätze im Ausland (zeitweilig) gerettet werden. Das zielt viel zu kurz. Die Abwrackprämie schafft ja überhaupt kein zusätzliche Kaufkraft, kann also nichts gegen die Krise ausrichten Vor allem aber: Wenn sie ausläuf, wird die Autoindustrie in ein tiefes Loch allen, weil ja im grunde nur eine Anschaffung vorgezogen wurde.

Im Kern macht die Abwrackprämie alle ärmer. Les mal den Artikel dazu in der FTD:"

http://www.ftd.de/meinung/kommentare/:Gastkommentar-Abwracken-macht-arm/493091.html?p=1

Er hat recht. Ich hätte die Sache besser durchdenken müssen. Wer Lust hat, kann ja mal beim Link nachlesen.

Samstag, 7. März 2009

Drecksau!

Liedertext, aus dem Baierischen übersetzt

Drecksau!
Text: Hans Söllner - http://soellner-hans.de

Text eines Liedes des baierischen Volkssängers Hans Soellner, übersetzt von Karl Weiss. (Bei der Übersetzung ist leider meistens der Reim verlorengegangen, aber ich bin nicht in der Lage neu zu dichten.)

Er hat versucht, etwas zu erzählen in seiner eigenen Sprache

Seinen Glauben hat er uns erklärt, keiner hat ihm was geglaubt

Für ihn war Freiheit mehr als hingehen, wo man will

Zu bleiben können wo er ist, hätt ihm ausgereicht jeden Tag

Kinder werden wir brauchen, die sich freuen

und schöne Hände,

die stets schön bleiben werden, weil mans nichts anderes kennt

Harte Worte, harte Taten, Hoffnung wird Betrug

dass irgendwann mal einer kommt, der Dankeschön zu dir sagt

Freiheit für Palästina, keine Morde mehr im heiligen Land

Freiheit für ihre Herkunft, für ihren Verstand

Es gibt keine schönen Worte für Grausamkeit und Mord

Ein Nazi bleibt ein Nazi, egal an welchem Ort

Die Tränen jener Kurdin sind genauso nass wie die von dem,

der in unserem Land die Bomben baut, durch die ihre Kinder sterben

Passt auf eure Kinder auf, ihr habt sie nur einmal

Passt auf euere Alten auf – so schnell sind sie alt

Aber ne Drecksau bleibt ne Drecksau, egal wo sie herkommt
Ne Drecksau bleibt ne Drecksau, ob Staatsanwalt oder Präsident
Ne Drecksau bleibt ne Drecksau, Namen sind egal:
Hitler, Bush, Blair – international!
Hitler, Bush, Blair – international!

Du redest gern im Vorbeigehn und du redest gern die ganze Zeit

Du redest gern über die Liebe und du redest gern über die Leut

Ich rede gern von meiner Freiheit, weil ich weiss, dass‘s keine gibt

Ich wäre beinah so geworden wie du, ich habs grad noch überlebt

Was sind schöne Worte, wenns keine Schönheit mehr gibt

Ausser in Gedanken – an eine Liebe, die dich liebt

Ausser in einer Sprache – dies so still ist, dass mans hört

Vergib ihnen ihre Dummheit, sie wissen nicht, was sie tun

Aber ne Drecksau bleibt ne Drecksau, egal wo sie herkommt
Ne Drecksau bleibt ne Drecksau, ob Staatsanwalt oder Präsident
Ne Drecksau bleibt ne Drecksau, Namen sind egal:
Hitler, Bush, Blair – international!
Hitler, Bush, Blair – international!

Er hat versucht, etwas zu erzählen in seiner eigenen Sprache

Seinen Glauben hat er uns erklärt, keiner hat ihm was geglaubt

Für ihn war Freiheit mehr als hingehen, wo man will

Zu bleiben können wo er ist, hätt ihm ausgereicht jeden Tag

Kinder werden wir brauchen, die sich freuen

und schöne Hände,

die stets schön bleiben werden, weil mans nichts anderes kennt

Harte Worte, harte Taten, Hoffnung wird Betrug

dass irgendwann mal einer kommt, der Dankeschön zu dir sagt

Aber ne Drecksau bleibt ne Drecksau, egal wo sie herkommt
Ne Drecksau bleibt ne Drecksau, ob Staatsanwalt oder Präsident
Ne Drecksau bleibt ne Drecksau, Namen sind egal:
Hitler, Bush, Blair – international!
Hitler, Bush, Blair – international!

Freitag, 6. März 2009

Die Februarzahlen des Autoabsatzes in den USA

Monat für Monat halbiert

Von Karl Weiss

Gerade wurden die Februar-Auto-Absatzahlen in den USA bekannt. Vor allem der ungehemmte Einbruch bei GM ist gigantisch. Dort gab es erneut ein Minus von 53% gegenüber dem Vorjahr. Die GM –Verkäufe schwinden praktisch in jedem Monat auf die Hälfte des Vorjahres. Auch bei Ford wurde mit einem Minus von 48% fast eine Halbierung gemeldet. Chrysler verlor 44% gegen den Vorjahresmonat.

Chrysler Dodge Autohalde

Es ist offensichtlich: Die massiven Entlassungen in den USA, auch wenn sie (noch) nicht in den staatlich geschönten Zahlen der Arbeitslosigkeit auftauchen, führen für viele Familien zu extrem schwierigen und oft existenzverunsichernden Situationen. Wie will man von ihnen erwarten, Autos zu kaufen?

Auch ist ein Auto eines der teuersten Konsumgüter, das üblicherweise Jahre hält und bei dem man einen Neukauf hinausschieben kann, wenn man sich nicht verschulden will. So werden in der aktuellen Situation auch solche, die noch ihren Arbeitsplatz haben, oft ihren Kaufwunsch aufschieben.

Der wichtigste Rivale für die beiden Grossen in den USA, Toyota, musste ein Minus von 37,5% hinnehmen – auch keine Pappenstiel.

Toyota Autohalde auf dem Kalifornien Terminal

Während GM im Februar 2007 noch 312 000 Wagen abgesetzt hatte, wurde in diesem Februar nur noch 126 170 verkauft. Das ist – vorsichtig ausgedrückt – ein Desaster. Ford setzte 96 044 Autos ab, Toyota 109 583.

Auch deutsche Marken, die zu wichtigen Teilen von Exporten in die USA leben, mussten Einbussen hinnehmen, wenn auch nicht so tiefgreifende. Mercedes-Benz ereilte ein Rückgang von 20,6% im Jahresvergleich auf 15 614. Die Smart–Verkäufe aber legten zu, wenn sie auch insgesamt noch unbedeutend sind.

BMW erlebte einen Rückgang von 34,7% gegenüber dem Vorjahr mit 15 805 verkauften Einheiten. Der Mini federte den Abschwung etwas ab.

VW hatte einen deutlich niedrigeren Rückgang, allerdings bei etwas geringeren Vergleichszahlen. Man verlor 17,5 % auf 13 660 Fahrzeuge. Das wichtigste US-Modell für VW ist der Jetta mit etwa 6 000 abgesetzten Einheiten.

VW Brasilien Autohalde

Porsche hat in den USA gerade den neuen Boxster eingerführt und hat die geringsten Verluste der deutschen Marken, allerdings auch die geringsten Verkäufe. Man musste minus 12% auf 1622 Autos hinnehmen.

Insgesamt ist der US-Automarkt im Dezember, im Januar und im Februar auf etwa 60% der Zahlen des Vorjahres gefallen. 40% dauerhafter Einbruch, das wäre selbst für gesunde und technologoisch fortgeschrittene Marken eine tiefgreifende Herauforderung. Für dekadente Auto-Typen wie GM und Chrysler ist es ein Tsunami, dem man hilflos ausgeliefert ist – und eventuell das Ende.


Veröffentlicht am 6. März 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 5. März 2009

Ronaldo versucht Comeback bei Corinthians São Paulo

WM-Rekordtorschütze zurück in Brasilien

Von Karl Weiss

Ronaldo – ja, DER Ronaldo, nicht Ronaldinho, nicht Cristiano Ronaldo – ist seit einem Jahr verletzt und musste Operationen über sich ergehen lassen. Der AC Mailand hat ihm keine Vertragsverlängerung angeboten. Mit seinen 32 Jahren ist seine internationale Karriere beendet. Aber für Brasilien reicht es noch, dachte sich da jemand.


Ronaldo im Trikot von Corinthians

Zuerst versuchte er beim Club seines Herzens unterzukommen, Flamengo Rio de Janeiro – Ronaldo ist aus Rio – aber da war das Interesse wohl nicht gross genug.

Dann wurde er mit Corinthians São Paulo in Verbindung gebracht, dem Verein mit den zweitmeisten Anhängern in Brasilien – nach Flamengo - und glatten 70 % der Fussballfans in der 20-Millionenstadt São Paulo. Tatsächlich unterschrieb er im Dezember einen 1-Jahresvertrag bei Corinthians.

Corinthians brauchte dringend eine Identifikationsfigur, denn man war vor zwei Jahren in die zweite Liga abgestiegen und schaffte letztes Jahr den unmittelbaren Wiederaufstieg als Meister der zweiten Liga. Niemand kann vorhersehen, wo Corinthians in dieser Meisterschaftsrunde stehen wird.

Das Verhältnis der brasilianischen Fussball-Anhänger zu Ronaldo ist durchweg gemischt. Einerseits erkennt man seine Leistungen an. Immerhin war er es, der die zwei Tore in Japan im WM-Endspiel 2002 gegen Deutschland schoss, an was sich deutsche Fussball-Fans meist noch erinnern und speziell Torhüter Kahn, dem beim ersten Tor nach einem Gewaltschuss von Rivaldo der Ball aus den Händen sprang.

Ebenso ist zu erwähnen, dass Ronaldo mit 15 Toren die Torschützenliste in Weltmeisterschaften anführt. Allerdings hat Ronaldo dazu 4 WMs (1994, 1998, 2002 und 2006) gebraucht, während der wirkliche Rekord der von Gerd Müller ist, der in lediglich zwei Weltmeisterschaften 14 Tore schoss (1970, 1974).

Andererseits ist aber Ronaldo in Brasilien auch der als Hauptverantwortlich geltende für die beiden Niederlagen gegen Frankreich im Endspiel 1998 und bei der WM in Deutschland 2006. In Frankreich hatte er einen nervösen Krampfanfall vor dem Endspiel, wurde aber trotzdem aufgestellt und brachte auf dem Feld nichts zustande. In Deutschland waren er und Roberto Carlos die Symbolfiguren für ein schwaches Auftreten der ganzen Elf, die der Niederlage gegen Frankreich keinen ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen schien.

Ronaldo war immerhin drei Mal zum Fussballer des Jahres gewählt worden und stellte für Jahre eine der Symbolfiguren Brasiliens dar. So nahmen und nehmen ihm viele Brasilianer seine Affären übel, die ihn zwar nicht als Fussballer, aber als Menschen disqualifizieren.

Zum einen ist Ronaldo einer der notorischsten Weiberhelden unter allen Prominenten. Als er sich nach mehreren Affären mit bekannten Frauen mit allem Pomp mit dem brasilianischen Topmodell Cicarelli verheiratet hatte, ging die Ehe innerhalb von 14 Tagen auseinander, weil sie ihn in einem anderen Bett erwischt hatte.

Der Begriff Weiberheld ist auch nicht ganz korrekt, denn da war auch ein Travesti unter den „Weibern“. Ende letzten Jahres , als er sich in Rio von der letzten Operation erholte, wurde er polizeinotorisch mit einem Travesti, der reklamierte, Ronaldo habe ihm nicht den vereinbarten „Liebeslohn“ bezahlt.

Das war besonders peinlich, denn zur gleichen Zeit war er mit Maria Antony liiert, die eine gemeinsame Tochter erwartete, welche am 24. Dezember geboren wurde. Kurze Zeit danach trennte sich das Paar. Danach wurde Ronaldo wiederholt mit verschiedenen unbekannten Frauen in diversen Diskotheken und Clubs fotografiert.

Aber auch die mangelnde Disziplin Ronaldos ist weithin bekannt. Als er in Deutschland 2006 vor der Weltmeisterschaft zum Team Brasiliens stiess, hatte er um die zehn Kilo Übergewicht. Er hatte sich nicht an die Trainingseinheiten gehalten, die er in den Wochen vorher hätte absolvieren müssen. Jeder andere wäre postwendend nach Hause geschickt worden, aber er war eben Ronaldo, das Phänomen, wie man ihn in Brasilien zur Unterscheidung von Ronaldinho nennt, der hier meist mit dem Zusatz „Gaúcho“ versehen wird, weil er aus dem südlichsten brasilianischen Bundesland Rio Grande do Sul stammt. Ein weiterer Grund, warum die Brasilianer Ronaldo als einen der Hauptverantwortlichen für das schwache Abschneiden in Deutschland ansehen.

Jetzt, im Hotel, in dem sich Corinthians auf die kommende Saison vorbereitet, verschwand er vergangene Freitag Nacht und wurde in einen Nachtlokal zusammen mit dem früheren brasilianischen Nationalspieler Antonio Carlos gesehen, der bei Corinthians Fussball-Direktor war. Erst im Morgengrauen kam er zurück und wurde mit den üblichen Geldstrafen versehen. Antonio Carlos musste von seinem Posten zurücktreten.

Wie man bei einem Probetraining am Wochenende sehen konnte, ist Ronaldo weiterhin übergewichtig. Nach Angaben seines Trainers steht er nicht mehr als eine Halbzeit durch. Nun soll er am Wochenende bei einen Pokalspiel gegen die unterklassige Mannschaft von Itumbiara auf die Bank gesetzt werden und darf wohl in der zweiten Halbzeit spielen. Das wäre sein erster Einsatz seit fast einem Jahr.


Veröffentlicht am 5. März 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 4. März 2009

CIA-Agent in Bolivien erwischt

Ein korrumpierender und ein korrumpierter in Haft

Von Karl Weiss

Im Grunde wusste man das natürlich, aber nun wurde es bewiesen: Die US-Imperialisten haben den südamerikanischen Kontinent nicht zuletzt deshalb in der Hand, weil sie mit Geheimdienstagenten die Verwaltungen und die wichtigsten Unternehmen unterwandern und die lokalen Reichen durch Korruption zu Vasallen machen.

Evo Morales

In Bolivien, wo solche Machenschaften seit dem Wahlsieg von Evo Morales nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden, wurde eine verdeckte Operation des CIA entdeckt und ausgehoben, die den staatlichen bolivianischen Öl- und Gaskonzern YPFB unterwandert hatte. Ein Bolivianer, Rodrigo Carrasco, war in den USA und Großbritannien in geheimdienstlichen Methoden ausgebildet und dann beim YPFB eingeschleust worden. Er war dort schon nicht mehr angestellt, sondern war nun für Unternehmer im ost-bolivianischen Tiefland tätig, wo die Reichen versuchen, die Regierung Morales zu stürzen, aber immer wieder von überwältigenden Mehrheiten in Wahlen und Abstimmungen gestoppt werden.

Carrasco wurde ertappt, als er über noch bestehende Verbindungen innerhalb der YPFB einen dort offenbar von ihm benutzten Computer von den Spuren seiner Tätigkeit „reinigen“ wollte. Er ist in Haft und wird einer Anklage als Hochverräter entgegensehen. Es sei erwähnt, dass im Heimatland des CIA alle Hochverräter mit der Todesstrafe bedroht wurden und werden. Unter Hochverrat versteht man, wenn ein Bürger des eigenen Landes für eine fremde Macht spioniert.

Es werden wohl Entlassungen bei der YPFB folgen, denn dort gab es eine Gruppe, die Carrasco unterstützte und von ihm korrumpiert wurde. Die YPFB war auch im letzten Monat schon im Zentrum eines Skandals, in dem es um Korruption mit hohen Summen von Dollars ging. O’Connor, Chef einer Firma, die eben einen großen Auftrag in einem Umfang von 86,4 Millionen Dollar von der YPFB erhalten hatte, war im Haus von Verwandten des Präsidenten der YPFB, Santos Ramirez, mit 450.000 Dollar ermordet aufgefunden worden. Ramirez, Präsident des Konzerns, der die wichtigsten Ressourcen Boliviens verwaltet, ist bereits in Haft.

Im vergangenen Jahr musste bereits der US-Botschafter Goldberg aus Bolivien ausgewiesen werden, weil er seine diplomatische Immunität dazu benutzte, Wühlarbeit gegen die Regierung zu betreiben.

Botschafter Philip Goldberg

Präsident Morales klagte die USA offen an, über ihre Botschaft in La Paz Spionage zu unterstützen. „Die USA arbeiten mit verdeckten Aktionen gegen unsere Regierung, die nicht Teil des kapitalistischen, inhumanen Systems ist.“ sagte er.


Veröffentlicht am 4. März 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 3. März 2009

BVG hebt Teile des Bayerischen Versammlungsgesetzes auf

Aberwitz

Von Karl Weiss

Eine Reihe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVG) in letzter Zeit haben Zweifel an dessen Rolle als Schützer von Menschenrechten aufkommen lassen, so z.B. das Absegnen der Vorratsdatenspeicherung. Diesmal aber scheint das BVG seinen Pflichten nachgekommen zu sein und hat das bayerische Versammlungsgesetz in wesentlichen Teilen gekippt, das als letzte Entscheidung der damaligen CSU-Alleinregierung durch den Landtag gepeitscht worden war.

Beckstein

Dies wurde in einer Eilentscheidung verkündet, was extrem unüblich ist. Nur in Fällen von schwersten Verletzungen von Bürgerrechten werden Gesetze in Eilentscheidungen verändert. Im einzelnen wird noch zu prüfen sein, was wirklich gestrichen wurde und was weiterhin gültig ist. Aber es wird sowieso noch eine Verhandlung und Entscheidung inder Hauptsache geben.

Nachdem sogar die SPD sich der Klage gegen dieses Gesetz angeschlossen hat, neben den Grünen, der FDP und der Linken, Attac, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Gewerkschaft Verdi, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dem Bund Naturschutz in Bayern, dem Bayerischen Journalistenverband, der Humanistischen Union und dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, war bereits abzusehen, das könne keinen Bestand haben.

Stasi 2.0

Doch der Skandal ist, dass dies Gesetz überhaupt eingebracht und beschlossen wurde. Dabei geht es hier nicht um einen speziell bayerischen oder CSU-Alleingang, denn in Baden-Württemberg wurde bereits ein fast gleichlautendes Gesetz vorbereitet. Dies Gesetz dokumentiert, was die ach wie so christlichen Unionsparteien vorhaben: den Obrigkeitsstaat.

Man sehe sich nur Details des in einem deutschen Landtag beschlossenen Gesetzes an:

Als „Versammlung“ wurde definiert jedes Zusammenkommen ab zwei (!) Personen, das nun einer schriftlichen Anmeldung bedurfte. Wenn ein junger Mann sich mit seiner Freundin trifft, kann das bereits als Versammlung definiert werden und zu hohen Geldbussen wegen der Nicht-Anmeldung führen. Man stelle sich dann erst einen Stammtisch vor, oder einen Fussballverein, ein Damen-Kränzchen oder einfach eine geschäftliche Besprechung. Um was geht es? Natürlich nicht darum, geschäftliche Besprechungen zu unterbinden. Es geht darum, dass man gegen jeden Missliebigen eine Waffe in die Hand bekommt, mit der er ganz legal kriminalisiert werden kann. Es geht um Handhaben gegen Dissidenten.

Verbeamtete Mafia - Polizisten misshandeln Demonstranten

So war das immer mit Obrigkeitsstaaten, wie zum Beispiel dem preussischen damals. Man hat auslegbare Gesetze, mit denen man jedem an den Kragen gehen konnte, der unerwünscht war.

Die in ganz Deutschland vorher geltende Bestimmung, dass es aus aktuellen Anlässen zu spontanen Versammlungen kommen kann, die keiner Anmeldung bedürfen, wurde aufgehoben. Jede Versammlung brauchte nun nicht nur eine Anmeldung, sondern auch eine Genehmigung.

Besonders exzessiv waren die Überwachungsrechte, die den „Sicherheitsbehörden“ bei Versammlungen zugestanden wurden: „ ... erlaubt dieses Gesetz der Polizei, von jeder Versammlung "Übersichtsaufnahmen" anzufertigen und die per Video oder sonstwie gewonnenen Daten von jeder Einzelperson auszuwerten und unter Umständen sogar unbegrenzt zu speichern.“ berichtet die „Süddeutsche“.

Speziell der gepfefferte Bussgeldkatalog wurde aufgehoben, denn für Bestrafungen müssen offensichtlich eindeutige Bestimmungen und Beschreibungen der „Straftaten“ vorliegen. Auch hier wieder: Die Absicht war, Handhaben gehen missliebige Personen zu haben.

Die Heizer von Rostock - Militärische Befehlsausgabe?

Auch wurde in Bayern eine Versammlung illegal und bussgeldpflichtig, wenn sie „ein einschüchterndes Erscheinungsbild“ habe. Das kann beliebig ausgelegt werden und genau darum geht es ja auch, wenn man einen Obrigkeitsstaat will.

Der Bürger, konstatiert das BVG, hat ein Kommunikationsgrundrecht, das nicht ohne klare Begründung und fest umrissenen Bedingungen eingeschränkt werden kann. Die gilt auch für die Kommunikation über Telefon und Internet. Die entsprechenden Entscheidungen des BVG hierzu stehen noch aus.

Regierungsbank

Wir sind also gewarnt: Die Union will ohne Rücksicht auf Verluste den Obrigkeitsstaat und wird alles, aber auch alles versuchen, um ihn unter allen möglichen Vorwänden einzuführen.

Auf die FDP, die sich früher einmal als Partei der Rechtsstaatlichkeit versuchte zu profilieren, kann man bei der Abwehr dieser Gefahren nicht setzen. Obwohl die CSU nach der verlorenen Landtagswahl auf den Partner angewiesen war, machte sie die Zusammenarbeit mit der Obrigkeitsstaatspartei nicht von einer Änderung dieses Gesetzes abhängig – obwohl selbst die „Süddeutsche“ dies Gesetz als „Aberwitz“ bezeichnet.


Veröffentlicht am 3. März 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 2. März 2009

Brutaler Einbruch der US-Wirtschaft

Teufelskreis

Von Karl Weiss

Soeben wurden die Zahlen des GNP (Gross National Product, etwa: Brutto-Inlandsprodukt) der USA für das vierte Quartal 2008 revidiert. Auf das Jahr umgerechnet, beträgt der Rückgang der Wirtschaftsleistung 6,2%. Solche Rückgänge gab es nicht seit Beginn der Achtziger Jahre, aber damals waren sie auf einen relativ kurzen Zeitraum beschränkt. Dieses Mal sieht es mehr so aus, als ob dieser Rückgang nur der Beginn es noch weit tieferen Einbruches ist.

Ford Trucks in Detroit auf Halde

Die „Financial Times Deutschland“ sieht die US-Wirtschaft bereits in einem Teufelskreis: „Die Aufträge für Investitionsgüter brechen ein, die Unternehmen entlassen Mitarbeiter. Letztere konsumieren weniger, was wiederum die Nachfrage drückt - und zu Auftragseinbrüchen führt.

Im Vergleich haben nur die Volkswirtschaften von Japan und Deutschland im 4. Quartal einen noch höheren Einbruch erlebt. Deutschland erlebte ein Minus von 8,2% umgerechnet aufs Jahr, die letzte Schätzung für japan beträgt 9,3%, bezogen aufs Jahr. Damit hat die Weltwirtschaftskrise den drei grössten Volkswirtschaften der Erde (nach dem Dollar-Vergleich) auch die drei heftigsten Einbrüche beschert.

Honda Autohalde

Auch in den USA hat ein stark gefallener Export wesentlich zu diesem Desaster-Ergebnis beigetragen. Er ging im Quartal um 23,6% zurück. Sieht man einmal von China ab, sind damit die drei Wirtschaften mit dem höchsten Export am stärksten betroffen, denn eine der Haupt-Wurzeln des Wirtschaftseinbruchs ist der gewaltige Rückgang des internationalen Warenaustausches. Fast die Hälfte der internationalen Handelsflotte liegt vor Anker und wartet auf Beschäftigung.

Bei den USA ist allerdings im Gegensatz zu Deutschland und Japan der Export nur zu einem kleinen Teil am Brutto-Inlandsprodukt beteiligt. Dort macht der Inlandskonsum 70% der Wirtschaftsleistung aus. Aber eben genau dieser Konsum geht bereits ein ganz es Jahr beständig zurück. Das ist nicht nur die wesentliche Basis der US-Krise, sondern der ganzen Weltwirtschaftskrise. Insofern ist das Obama´sche Konjunkturprogramm nicht zielgerichtet genug. Anstatt vor allem den Konsum zu steigern, was vor allem über die Ärmeren und Sozialhilfeempfänger funktioniert hätte, setzt man zu viel auf Hilfe für Unternehmen.

Chrysler Dodge Autohalde

Das ist der typische Fehler von Harvard-Ökonomen: Sie negieren völlig die Wirkung des privaten Verbrauchs auf die Wirtschaft und sehen diese vor allem als die Summe der Unternehmen. Sie wollen nicht begreifen, was die Ursache der Krise ist: Die Menschen können nicht mehr alle produzierten Güter kaufen, weil sie nicht genügend Geld haben.

Die Verbraucher in den Vereinigten Staaten schränkten ihre Ausgaben zu Ende des Jahres 2008 (Viertes Quartal) um 4,3% gegenüber dem Vorquartal ein. Eine solche Abnahme innerhalb eines Quartals ist seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen.

Toyota Autohalde auf dem Kalifornien Terminal

Die Auftragseingänge von Investitionsgütern der Industrie in den Vereinigten Staaten erlebten im Januar 2009 einen Rückgang von 5,2% gegen den Dezember (der ja schon ein Krisenmonat war).

Inzwischen leben bereits 5,1 Millionen US-Amerikaner von staatlicher Unterstützung. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung ist aber weit höher. Viel realistischer dürften die Zahlen der Arbeitslosigkeit in Kalifornien sein. Dort hat die Quote eben die 10 % überschritten.

VW Brasilien Autohalde

Währenddessen ist das Schicksal der beiden am meisten betroffenen Autobauer GM und Chrysler ungewiss. Die Obama-Regierung hat bisher keine neuen Gelder locker gemacht. In der nächsten Woche soll die Entscheidung fallen, ob weiteres Geld in diese Autombilkonzerne gesteckt weden soll. Auf jeden Fall wird es weitere Massenentlassungen in der Automoblindustrie geben, was den Konsum in den USA weiter schrumpfen lassen wird.


Veröffentlicht am 2. März 2009 in der Berliner Umschau

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

Willkommen / Impressum

Willkommen im Weblog Karl Weiss - Journalismus.
Der Weblog Karl Weiss - Journalismus ist umgezogen. neue Adresse: www.karl-weiss-journalismus.de
IMPRESSUM
Ich bin zu erreichen über weiss.karl@ rocketmail.com
Ich wünsche also allen (und mir) viel Spaß (und Ernst) mit diesem Blog.
Karl Weiss, Belo Horizonte, Brasilien

Artikel und Dossier der Woche

Artikel der Woche "CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft" Da wurde es von Frau Merkel vorhergesagt

Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Israel und der Konflikt...
ICH FRAGE MICH WARUM DIE JUDEN SO BRUTAL GEGEN DIE...
mik4777 - 30. Jan, 20:32
Abscheulich!!!
Wie man überhaupt im Ansatz auf den Gedanken kommen...
david3371 - 3. Okt, 19:02
Der Vatikan schützt die...
Sehr geehrter Herr Weiss, der Vatikan k a n n die...
MoMa - 6. Jan, 10:28
Fünf Jahre ist das jetzt...
Fünf Jahre ist das jetzt her!!! Die eine Immobilienkrise...
girico - 6. Mär, 13:34
Ich teile nicht diese...
Ein führender Landespolitiker oder ein wichtiger Geschäftsmann...
Nonkonformer - 21. Sep, 23:42

Status

Online seit 7016 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits

Archiv

September 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 
 

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Zufallsbild

Bravo - Selbstbefriedigung 3

kostenloser Counter

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

AbbauRechte
AlternativPolitik
Brasilien
Deutschland
Fussball
Imperialismus
InternetundMeinungsfreiheit
Lateinamerika
Medien
NaherOsten
Oekonomie
Sozialabbau
Umwelt
Willkommen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren